Die Immuntyp-Formel - Heather Moday - E-Book

Die Immuntyp-Formel E-Book

Heather Moday

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  • Herausgeber: VAK
  • Kategorie: Fachliteratur
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Warum neigen manche Menschen zu Allergien, andere zu Autoimmunerkrankungen und wieder andere zu Infektanfälligkeiten? Und warum ist es nicht immer sinnvoll, das Immunsystem "anzukurbeln"? Der Grund sind die vier verschiedenen Immuntypen, die in unterschiedlicher Ausprägung unser Immunsystem bestimmen: Während der schwelende Typ von chronischen Entzündungen geplagt ist, der geschwächte Typ jede Erkältung mitnimmt und der überaktive Typ unter zahlreichen Allergien leidet, hat der fehlgeleitete Typ mit Autoimmunerkrankungen zu kämpfen. Verursacht werden diese Erkrankungen und Beschwerden durch ein biochemisches Ungleichgewicht in den Körperzellen, die das Immunsystem entgleisen lassen. Und das lässt sich nicht beheben mit einer allgemeinen Empfehlung zur Stärkung der körpereigenen Abwehrkräfte, sondern nur durch eine typgerechte Vorgehensweise, die den individuellen Immuntypus mit seinen Stärken und Schwächen in den Vordergrund rückt und auch alltägliche Gewohnheiten, Ernährung und Umwelteinflüsse berücksichtigt. Mit aufschlussreichem Selbsttest und immunologischem Wiederaufbauplan für jeden der vier Typen zur optimalen Unterstützung des eigenen Immunsystems!

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Seitenzahl: 362

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Dr. Heather Moday

Die Immuntyp-Formel

Ihre individuelle Strategie für ein Immunsystem in Balance und dauerhafte Resilienz

Aus dem Englischen übersetzt von Rotraud Oechsler

VAK Verlags GmbH Kirchzarten bei Freiburg

Titel der Originalausgabe: The Immunotype Breakthrough

ISBN der Originalausgabe: 978-0-316-26217-0

Copyright © 2021 Heather Moday

This edition published by arragement with Little, Brown and Company, New York, New York, USA. All rights reserved.

Verlag und Übersetzerin haben sich um eine geschlechtergerechte Sprache bemüht. Die englische Sprache kennt keine weiblichen und männlichen Formen von Substantiven, für die deutsche Übersetzung mussten daher Anpassungen vorgenommen werden.

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über: http://dnb.d-nb.de

VAK Verlags GmbH

Eschbachstraße 5

79199 Kirchzarten

Deutschland

www.vakverlag.de

© VAK Verlags GmbH, Kirchzarten bei Freiburg 2022

Übersetzung: Rotraud Oechsler

Lektorat: Nadine Britsch

Illustrationen: Marlene Large

Layout: Richard Kiefer

Umschlag: Kathrin Steigerwald, Hamburg

Satz & Druck: Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg

Printed in Germany

ISBN: 978-3-86731-253-0 (Paperback)

ISBN: 978-3-95484-446-3 (ePub)

ISBN: 978-3-95484-447-0 (PDF)

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Geheimnisvolles Immunsystem – Das größte Bollwerk unseres Körpers

Teil IDas Zeitalter des immunologischen Ungleichgewichts

Kapitel 1

Das Immunsystem in der Krise – Von der Infektionskrankheit zur chronischen Erkrankung

Kapitel 2

Die Grundlagen des Immunsystems – Die körpereigene Abwehr richtig verstehen

Kapitel 3

Chronische Entzündungen – Das Herzstück des immunologischen Ungleichgewichts

Kapitel 4

Die vier Immuntypen – Der Fragebogen

Teil IIDer immunologische Wiederaufbauplan

Kapitel 5

Schlafen beruhigt den Körper und stärkt das Immunsystem

Kapitel 6

Positiver und negativer Stress – Optimierung ist gefragt

Kapitel 7

Ihr darmassoziiertes lymphatisches Gewebe – Das Herzstück Ihres Immunsystems

Kapitel 8

Toxine – Die schlimmsten Störenfriede unseres immunologischen Gleichgewichts

Kapitel 9

Ernährung – So versorgen Sie Ihr Immunsystem richtig

Kapitel 10

So bringen Sie Ihren individuellen Immuntypus ins Gleichgewicht

Kapitel 11

Auf einen Blick: Der immunologische Wiederaufbauplan

Schlusswort

Das Geheimnis eines lebenslangen immunologischen Gleichgewichts

Danksagungen

Ressourcen

Literaturverzeichnis

Über die Autorin

Hinweise des Verlags

Für Erica und „die Jungs“

Einleitung

Geheimnisvolles Immunsystem – Das größte Bollwerk unseres Körpers

Das Jahr 2020 wird für uns aus verschiedenen Gründen unvergessen bleiben. Für mich als Immunologin und Expertin auf dem Gebiet der integrativen und funktionellen Medizin wird 2020 immer das Jahr sein, in dem das Immunsystem plötzlich in aller Munde war. Fachbegriffe wie „Zytokine“, „Antigene“ und „Herdenimmunität“ wurden Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs bei den nun an der frischen Luft und mit gebührendem Abstand stattfindenden Zusammenkünften.

Bevor COVID-19 zuschlug, verschwendeten die meisten Menschen vermutlich keinen Gedanken an ihr Immunsystem, vielleicht mit Ausnahme von der Feststellung, dass es bei der Überwindung eines grippalen Infekts half und man dann etwas schneller wieder einsatzfähig war. Doch auf einmal betrachteten wir es als Lebensretter – als Mechanismus in unserem Körper, der über Leben oder Tod entscheidet. Und tragischerweise war und ist für viele Menschen während der COVID-19-Pandemie die Widerstandsfähigkeit ihres Immunsystems in dieser Hinsicht der entscheidende Faktor.

Ich wünsche niemandem, das Jahr 2020 erneut durchleben zu müssen, doch ich werde das Gefühl nicht los, dass es zumindest einen positiven Effekt hatte – nämlich der Rolle, die das Immunsystem in unserem Leben spielt, endlich Respekt und Aufmerksamkeit zu zollen. Es ist schließlich das größte Bollwerk unseres Körpers. Es hält Sie und mich jeden Tag am Leben, das steht außer Frage. Doch leider wird unser Immunsystem schon viel zu lange als selbstverständlich betrachtet, es wird ignoriert und man könnte fast schon sagen „verschmäht“.

Denken Sie einmal darüber nach: Jahr für Jahr lassen wir alle möglichen Untersuchungen machen. Wir gehen zur Darmspiegelung und Mammografie, um Krebs auszuschließen, wir überprüfen Cholesterin und Blutdruck, um festzustellen, wie es um unsere Herz-Kreislauf-Gesundheit bestellt ist, manche Menschen lassen sich sogar auf Nährstoffmängel testen und ihr Blut auf Leber- und Nierenprobleme untersuchen. Doch niemand geht zum Arzt, um sein Immunsystem überprüfen zu lassen. Allein die Frage danach würde wahrscheinlich einen irritierten Blick und Kopfzerbrechen in der Arztpraxis hervorrufen.

Warum ist das so? Das Immunsystem ist doch ganz eindeutig wichtig – warum machen wir uns über seine generelle Gesundheit und seine „Wartung“ keine Gedanken?

Das Problem besteht zum Teil darin, dass das Immunsystem des Menschen für viele medizinische Kreise ein Rätsel darstellt, das Spezialisten und Forschern vorbehalten ist. Und wenn ich ganz ehrlich bin, verstehe ich auch, warum das so ist. Es ist ein unglaublich komplexes System aus zahllosen Zellen, Rezeptoren und chemischen Botenstoffen, deren Bezeichnungen einschüchternd klingen und die sich aus verwirrenden Zahlen, Buchstaben und Symbolen zusammensetzen.

Und davon ganz abgesehen – das Immunsystem ist im Medizinstudium gar kein großes Thema. Ich musste nur einen einzigen Kurs zu Immunologie in meinem zweiten Studienjahr belegen und habe mir genügend Fakten eingeprägt, um die Prüfungen zu bestehen. Hätte ich mich später nicht dazu entschlossen, Immunologin zu werden, wäre das meiste Wissen dazu schon längst in die Untiefen meines Gehirns verbannt und dort zusammen mit den Entwicklungsphasen des fötalen Herzens und den komplexen Reaktionen in der organischen Chemie, die ich auswendig lernte (und dann unverzüglich wieder vergaß), verstaubt.

Eine weitere Hürde für das Verständnis unseres Immunsystems ist die schiere Menge neuer Forschungen in den letzten Jahrzehnten. Das Gebiet der Immunologie entwickelt sich mit rasender Geschwindigkeit und das, was wir verstehen, ändert sich ständig, praktisch fast täglich. Für eine relativ junge Wissenschaft – deren Ursprünge auf die Entdeckungen des russischen Wissenschaftlers Élie Metchnikoff im Jahr 1883 zurückgehen – ist allein das Ausmaß an neuen Informationen, mit denen man Schritt halten muss, für die meisten Ärzte entmutigend.

Diese Wahrheit zeigte sich in der Art und Weise, wie wir uns als Gesellschaft – oder eher als Planet – hektisch darum bemühten, SARS-CoV-2 zu verstehen und unser Immunsystem dagegen zu wappnen. Wir alle machten uns Gedanken darüber, was zu tun sei, um uns vor einer Infektion mit dem Virus zu schützen. Wir trugen Masken, kauften massenhaft Desinfektionsmittel für die Hände und hielten uns mehr als ein Jahr von anderen Menschen fern – bis hin zum Lockdown, dem Schließen von Geschäften, Restaurants, Schulen und Freizeiteinrichtungen, der Stornierung von Reisen und der Arbeit im Homeoffice. Wir recherchierten im Internet, ob uns bestimmte Nahrungsergänzungen und zweifelhafte Heilverfahren schützen könnten und „klebten“ an den Nachrichten über das weltweite Rennen um einen Impfstoff. Wir hörten von Vorerkrankungen, die als Risikofaktoren für schwere Verläufe galten, und machten uns Sorgen darüber, ob wir wohl zu den Vulnerablen, also den Gefährdeten gehörten. Wir wollten unser Immunsystem „ankurbeln“, doch dann sagte man uns, dass die meisten Menschen, die an COVID-19 starben, an einem überaktiven Immunsystem, einem sogenannten Zytokinsturm, gelitten hatten. Das ist mehr als verwirrend. So viele Fragen und so wenige Antworten. Das reichte aus, um uns Angst einzujagen, uns überfordert zu fühlen, als wäre unsere Welt für den Umgang mit einer für das bloße Auge nicht sichtbaren Mikrobe, die sich wie ein Flächenbrand ausbreitete, völlig unzureichend gerüstet.

Tatsächlich erfordert die Unterstützung des Immunsystems zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Art und Weise ein wenig Geschick. Das gilt besonders dann, wenn es sich um eine neue Bedrohung wie SARS-CoV-2 handelt. Schließlich gibt es für das komplizierte und rätselhafte Immunsystem keine zuverlässige Screening-Untersuchung, keinen Routine-Check-up wie für Herz oder Leber. Wie Sie in diesem Buch feststellen werden, ist das Immunsystem in jedem Winkel unseres Körpers „zu Hause“. Es ist ein bewegliches Ziel, und es gibt keine wirklichen Grenzen oder speziellen Organe, wo es sich lokalisieren lässt. Man kann keine Röntgenaufnahme und keine Biopsie machen oder mit einer einzelnen Untersuchung feststellen, wie stark oder schwach es ist.

Und auch wenn wir in der Lage waren, wirksame Impfstoffe gegen COVID-19 in Rekordzeit zu entwickeln – das Immunsystem wird lebenslang mit immer wieder verschiedenen Herausforderungen konfrontiert, zum Beispiel mit anderen neu auftretenden Viren! Damit endet die Bedrohung unseres Immunsystems aber nicht, nicht einmal ansatzweise. Denn obwohl wir es im Allgemeinen mit dem Kampf gegen Bakterien und Viren in Zusammenhang bringen, leistet es weitaus mehr. Sein „Verhalten“ – sowohl im positiven als auch im negativen Sinne – beeinflusst oder verursacht fast jede dem Menschen bekannte Krankheit. Das Immunsystem ist an mikrobiell bedingten Krankheiten wie einer Erkältung oder Grippe maßgeblich beteiligt, das ist richtig, aber es spielt auch eine immens wichtige Rolle bei einer Erkrankung des Herzens oder der Lunge, bei Diabetes, Alzheimer und Krebs, den führenden Todesursachen weltweit.

Kein anderes System im Körper ist so ausgeklügelt und erstreckt sich so weitreichend. Im Grunde genommen ist die Widerstandsfähigkeit unseres Immunsystems das ehrgeizigste Ziel, eine Art heiliger Gral, für höchste Lebensqualität. Am Ende des Tages bestimmt seine Gesundheit darüber, ob wir erkranken und daran sterben oder ob wir uns einer robusten Langlebigkeit erfreuen.

Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn als Allergologin und Immunologin versuchte ich pflichtgemäß, das Immunsystem zu bändigen, denn dafür wurde ich ausgebildet. Täglich behandelte ich Ekzeme, Nesselsucht, Asthma, Nebenhöhlenentzündungen und gelegentlich eine kompliziertere Immunstörung oder Abwehrschwäche. Es waren Standardbehandlungen – ich verordnete Allergiespritzen, Cortisonbehandlungen, Cremes, Medikamente gegen Allergien, Asthmasprays und Antibiotika. Meistens halfen diese Maßnahmen eine Weile. Doch Patienten, die die Praxis mit einem Haufen Rezepte verlassen hatten, kamen fast immer nach drei bis vier Monaten wieder. Im Laufe der Jahre stellte ich fest, dass es bei meinen Patienten zu neuen Diagnosen kam, dass sie kränker wurden und letzten Endes zu viele Medikamente einnahmen – nicht wenige davon waren ihnen gegen die Nebenwirkungen der anderen Medikamente verschrieben worden. Viele beklagten sich über das Auftreten neuer Nahrungsmittelallergien als Erwachsene, über Autoimmunerkrankungen, Reizdarmprobleme, Hautausschläge, chronische Nebenhöhlenentzündungen und Gelenkschmerzen. Gastroenterologen, Rheumatologen und Dermatologen, die allesamt mit ihrem Latein am Ende waren und nicht wussten, was sie noch machen sollten, überwiesen Patienten an mich. (Allergologen bekommen oft die komplizierteren Fälle zu sehen, wenn Standardbehandlungen nicht mehr zum Erfolg führen.) Das Problem war nur, dass ich trotz jahrelanger klassischer Ausbildung in innerer Medizin, Allergologie und Immunologie selbst vor einem Rätsel stand. Aber ich hatte den Verdacht, dass diese neuen gesundheitlichen Probleme irgendwie zusammenhingen.

Also fing ich an, Fragen zu stellen. Ich erkundigte mich bei meinen Patientinnen und Patienten über ihre Ernährung, ihren Stresspegel, ihren Tagesablauf, ihre Gefühlswelt, ihre Gewohnheiten und ihre Schlafqualität. Viele von ihnen litten unter Schlafstörungen oder arbeiteten im Schichtdienst. Manche ernährten sich von nährstoffarmen Fertiggerichten und hatten im Vorfeld mehrfach Antibiotika und andere verschreibungspflichtige Medikamente eingenommen. Andere litten beispielsweise unter depressiven Verstimmungen und waren gestresst, fühlten sich in ihrer Beziehung gefangen oder ihre Arbeit füllte sie nicht aus.

Zu diesem Zeitpunkt war ich keine Expertin in „integrativer Immunologie“, die nach meiner Definition eine Kombination ist aus knallharter immunologischer Laborwissenschaft und Kenntnis der Faktoren, welche die Gesundheit beeinflussen, unter anderem Ernährung, Stress, das Verhältnis zwischen Körper und Geist,milieubedingte Faktoren und Spiritualität. Ich konnte ganz klar erkennen, dass das Immunsystem der Betroffenen unter deren Lebensart und Verhaltensweisen litt. Und sie waren auch schon auf die lange Liste von Standardkrankheiten „gebucht“, etwa Bluthochdruck, Herzkrankheiten und Diabetes, die, wie ich wusste, mit einer erheblichen Beteiligung des Immunsystems einhergehen. Ich hatte keine Ahnung, was ich dagegen tun sollte, außer immer mehr Rezepte auszustellen. Ich brauchte also einen besseren Maßnahmenkatalog.

Die nächsten Jahre verbrachte ich damit, mein eigenes Instrumentarium zu entwickeln. Ich beschloss, eine Fortbildung in integrativer Medizin zu absolvieren, um mein Behandlungsspektrum um Pflanzenheilkunde und Ernährungsmedizin zu erweitern und mehr über die Verbindung von Körper und Geist zu erfahren. Ich nahm an Veranstaltungen über funktionelle Medizin teil, wo ich lernte, mich nicht nur auf die bloße Benennung von Krankheiten zu konzentrieren und Symptome mit Medikamenten zu kaschieren, sondern darauf, mithilfe gründlicher Untersuchungen und deren Auswertung nach den der Krankheit zugrundeliegenden Ursachen zu suchen, um die Patienten anschließend durch Veränderungen in ihrer Lebensweise zu begleiten und sie bei der Selbstheilung zu unterstützen. Ich verbrachte zahlreiche Wochenenden und Urlaube auf diesen Tagungen überall in den USA, vertiefte mich in die neuesten Erkenntnisse, was genau darüber entscheidet, ob wir letzten Endes krank werden oder gesund bleiben, und ich erhielt schließlich mein Zertifikat in funktioneller Medizin. Letztendlich wurde mir klar, dass ich das, was ich gelernt hatte, an meinem aktuellen Arbeitsplatz nicht integrieren konnte, also wechselte ich die Seiten, kündigte und machte mich mit dem Moday Center, einer Praxis für funktionelle Medizin, in Philadelphia selbständig.

Seitdem habe ich viele Patientinnen und Patienten behandelt und konnte sie von ihren gesundheitlichen Problemen befreien, einschließlich den Symptomen von Autoimmunerkrankungen, Allergien, Infektionen und chronischen Krankheiten. Dank bewährter Methoden, mit denen ich bereits Erfahrung hatte, konnte ich ihnen helfen, ihre Medikamente abzusetzen und so dafür sorgen, dass es ihnen allein durch Veränderungen von Lebensstilfaktoren, Ernährung, Darmflora, Nachtruhe und Stresslevel besser ging. Ich konnte die Betroffenen unterstützen, um Vorerkrankungen rückgängig zu machen und ihre Widerstandskraft gegen Viren während der Pandemie zu erhöhen. Heute verfüge ich über eine Art Baukastensystem, das ich zum Wohl meiner Patientinnen und Patienten nutzen kann.

Dieses Buch repräsentiert dieses System, das ich so zusammengefasst habe, damit Sie das Wesentliche jederzeit und überall nutzen können. Auf den folgenden Seiten bekommen Sie einen großen Teil meines im Laufe der Jahre erworbenen Wissens in einer Form geboten, die Ihnen hoffentlich weiterhilft. Hier finden Sie all das, was Sie wirklich wissen müssen über Ihr Immunsystem sowie die Methoden, die Sie dabei unterstützen, gesünder zu werden und sich besser zu fühlen. Denn darum geht es doch letzten Endes – nicht wahr?

Im Laufe der letzten Jahre habe ich unzählige Ratschläge von Gesundheitsfachleuten zur Stärkung der Immungesundheit auf Kongressen, in den sozialen Medien und auf medizinischen Webseiten gelesen – und festgestellt, dass sie sich immer wiederholten. Da ich mich seit so vielen Jahren schon mit dem Immunsystem befasse, kann ich inzwischen voller Gewissheit sagen, dass dies nicht die richtige Herangehensweise ist. Ihr Immunsystem verhält sich nicht linear, unzählige Faktoren können zu Krankheiten führen; es ist nicht so, dass man das Immunsystem einfach nur „ankurbeln“ muss. Sie können von chronischen Entzündungen, Autoimmunerkrankungen und sogar Allergien betroffen sein, weil Ihr Immunsystem bereits „übereifrig“ ist – ein „Anschieben“ wäre dann ganz bestimmt nicht von Vorteil.

Wie macht man es also richtig? Durch meine Arbeit mit Hunderten von Patienten habe ich gelernt, dass ein biochemisches Ungleichgewicht auf der zellulären Ebene dafür verantwortlich ist, in welcher Weise das Immunsystem aus den Fugen gerät und welche Symptome wir entwickeln. Während der Jahre, in denen ich auf der Suche nach einer Lösung war, stellte ich bei meinen Patientinnen und Patienten mehrere Muster fest – und diese wurden zu den Blaupausen für das, was ich als die vier Immuntypen bezeichne: schwelend, fehlgeleitet, überaktiv, geschwächt. Um Ihr aus dem Gleichgewicht geratenes Immunsystem wieder ins Lot zu bringen, müssen Sie Ihren spezifischen Immuntypus kennen, um sich mit gezielten Veränderungen der sogenannten Lebensstilfaktoren und entsprechenden Behandlungen wieder auf den richtigen Weg bringen.

Daher dreht sich ein Großteil dieses Buches um diese vier Immuntypen. Wir beginnen mit der „modernen“ Krise, in der sich das Immunsystem heute befindet, und mit einer Einführung in einige der zugrundeliegenden Mechanismen, die für die Immungesundheit von fundamentaler Bedeutung sind. Dann gehen wir nochmal zurück zur „Schule“ und lernen ein paar grundlegende Dinge über Immunologie. Wenn Sie Ihren Immuntypus verstehen wollen, müssen Sie auch seine Sprache sprechen. Keine Sorge! Es macht Spaß und Sie können sogar Ihre Freunde damit beeindrucken. Sobald wir die Grundlagen hinter uns gebracht haben, geht es nur noch um die vier Immuntypen. Ich habe einen Fragebogen entworfen, mit dem Sie Ihren spezifischen Immuntypus oder Ihre Immuntypen (es können auch zwei oder mehr sein!) identifizieren können, und ich stelle Ihnen echte Fallbeispiele vor, die erklären, was bei den einzelnen Typen im Körper vor sich geht. Ich erläutere, welche Faktoren, etwa Schlaf, Stress, Darmgesundheit, Toxinbelastung und die Ernährung, Einfluss auf die Gesundheit Ihres Immunsystems nehmen und wie sie zu Ungleichgewichten führen. Mit diesen Informationen und dem Wissen, zu welcher Kategorie Sie gehören, können Sie Ihren immunologischen Wiederaufbauplan gestalten, der nicht nur zu Ihrem Immuntypus, sondern auch zu Ihrem Alltag und Ihren Vorlieben passt. Zu diesem Plan kommen wir, sobald wir das „Schulzimmer“ hinter uns gelassen haben, unsere Ärmel hochkrempeln, aktiv werden und damit beginnen, die Harmonie des Immunsystems wiederherzustellen.

Wenn Sie sich nach dem Wiederaufbauplan richten, klingen unerwünschte Entzündungen ab und die Bestrebungen Ihres Immunsystems richten sich nicht mehr gegen Ihre eigenen Zellen und harmlose Allergene, sondern gegen echte Bedrohungen. Sie bauen Ihre Immunkraft gegen neue Viren und Bakterien auf und werden auch Krebszellen hochwirksam bekämpfen. Ziel dieses Buches ist es, dass Sie sich wieder wohlfühlen und Ihrem Körper vertrauen. Ist Ihr Immunsystem im Gleichgewicht, geht es Ihnen gut! Sie werden seltener krank, und wenn doch, dann werden Sie schneller wieder gesund. Sie leiden nicht mehr unter lästigen Allergien und Autoimmunproblemen. Diabetes, Fettleibigkeit, Herzkrankheiten oder schwelende Entzündungen gehören der Vergangenheit an. Ihr Immunsystem ist widerstandsfähig und infolgedessen sind Sie das auch.

Ob Sie also chronische Krankheiten abwehren, Symptome einer Autoimmunerkrankung besser in den Griff bekommen, sich von lästigen saisonalen Allergien, ständigen Erkältungen oder Nebenhöhlenentzündungen befreien wollen – dieses Buch stellt Ihnen Ihr eigenes Instrumentarium zur Verfügung, damit Sie genau das tun können.

Immer wieder durfte ich Zeugin der wunderbaren Selbstheilungskräfte des menschlichen Körpers sein. Und ich weiß, dass auch Sie das erleben können. Ihr Immunsystem möchte Sie schützen, doch das kann es nur mit Ihrer Unterstützung.

Was halten Sie davon? Sind sie bereit, Experte für Ihr Immunsystem zu werden? Blättern Sie um und legen Sie los.

Teil I

Das Zeitalter des immunologischen Ungleichgewichts

Kapitel 1

Das Immunsystem in der Krise

Den Sommerurlaub des Jahres 1906 genossen ein Bankier und seine Familie in exklusiver Abgeschiedenheit am Strand von Oyster Bay auf Long Island im Bundesstaat New York mit Schwimmen, Sonnenbaden und Picknicks. Mitten in den Sommerferien kam es jedoch zum Ausbruch einer schrecklichen Krankheit. Fieber und Durchfälle machten die idyllische Erholungspause zunichte, und sechs der elf Bewohner des Hauses erkrankten an einer infektiösen Gastroenteritis, einer Magen-Darm-Entzündung. Als Verursacher wurde später das Bakterium Salmonella Typhi, der für Typhus verantwortliche Erreger gefunden.

Obwohl meist nur Stadtbewohner davon betroffen waren, die mit verseuchtem Wasser und einer mangelhaften Abwasserentsorgung leben mussten, kam es im Laufe der nächsten Jahre auch in vergleichsweise wohlhabenden Haushalten zu Ausbrüchen von Typhus. Nach ausgiebigen Untersuchungen wurden die Erkrankungen zu einer Einzelperson zurückverfolgt – einer Mietköchin namens Mary Mallon, die wenig schmeichelhaft als „Typhus-Mary“ bezeichnet wurde.1 Es stellte sich heraus, dass sie asymptomatische Trägerin dieser mitunter tödlich verlaufenden Krankheit war und diese Jahr für Jahr „erfolgreich“ von Haus zu Haus unter ihren nichtsahnenden Kunden verbreitete.

Zu dieser Zeit war Amerika noch meilenweit entfernt von Antibiotika, Impfstoffen, Kanalisationssystemen oder Wasseraufbereitung für die Trinkwasserversorgung, hygienischem Umgang mit Nahrungsmitteln und geordneter Abwasserentsorgung. Und diese Zeit liegt noch gar nicht so lange zurück! Zum Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die häufigsten Todesursachen Infektionskrankheiten wie Lungenentzündung und Grippe (Influenza), Tuberkulose und infektiöse Gastroenteritis. De facto lag im Jahr 1900 die durchschnittliche Lebenserwartung in den Vereinigten Staaten lediglich bei 47 Jahren.2Lassen Sie das erst einmal sacken. Und vor nur etwas mehr als 100 Jahren gab es keine sicheren oder zuverlässigen Impfstoffe, Penicillin war von Alexander Fleming noch nicht entdeckt worden und die Menschheit hatte kein fundiertes Wissen darüber, wie diese Infektionen überhaupt übertragen wurden. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren die Chirurgen noch nicht einmal dazu übergegangen, sich vor Operationen die Hände zu waschen, und das Tragen von Masken und Handschuhen während medizinischer Eingriffe war zur damaligen Jahrhundertwende nicht selbstverständlich.

Infolgedessen endeten viele Infektionen tödlich, die wir heute mit Impfstoffen verhindern oder einfach mit Antibiotika behandeln, insbesondere bei Kindern. Heutzutage halten wir all die erstaunlichen medizinischen Fortschritte, die uns zur Verfügung stehen, für selbstverständlich, doch in früheren Zeiten war ein starkes Immunsystem der einzige Schutz im Kampf gegen eine potenziell tödliche Infektion.

Von der Infektionskrankheit zur chronischen Erkrankung

In den letzten einhundert Jahren kam es zu einer 180-Grad-Wende. Können Sie den Namen eines Freundes nennen oder von Familienmitgliedern, die an einem Magenkeim, an Syphilis oder Tuberkulose gestorben sind? Das soll nicht heißen, dass Infektionskrankheiten der Vergangenheit angehören – weit gefehlt, wie wir durch die AIDS-Epidemie der 1980er-Jahre wissen und an der aktuellen COVID-19-Pandemie sehen sowie am Vormarsch der antibiotikaresistenten „Superkeime“ –, doch die moderne Gesellschaft, unsere Nahrungsmittelindustrie, die Medizintechnik und das menschliche Verhalten haben für eine Veränderung der Gründe gesorgt, warum wir erkranken und wie wir sterben. Mit Ausnahme des Schreckgespenstes zukünftiger neuartiger Viren ist die Bedrohung durch eine Infektionskrankheit eben nicht mehr das, was sie einmal war.

Das ist zum großen Teil dank der Impfstoffe so. Noch 1960 gab es keine landesweite Impfinitiative, und Kinder wurden lediglich fünf Mal geimpft – gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Polio und Pocken. Seither explodiert die Impfstoffentwicklung geradezu, in den USA werden allen Kindern beispielsweise routinemäßig 16 Impfstoffe verabreicht, die sich auf 54 Injektionen über 18 Jahre verteilen. Wie auch immer Sie zu Impfungen stehen – diese Innovationen haben die Kindersterblichkeit durch Infektionskrankheiten ganz sicher drastisch gesenkt und das ist definitiv ein Grund zum Feiern. Inzwischen scheint es jedoch so, als seien wir mit einer ganz anderen Krise konfrontiert – einem steilen Anstieg chronischer Erkrankungen. Wir leben zwar länger als früher, doch wir sind auch chronisch kränker, als wir es jemals waren. Tatsache ist, dass sich unser Immunsystem in einer Krise befindet.

Und so sieht die Realität aus: Bei US-amerikanischen Kindern übersteigt die Anzahl der Diagnosen von Asthma, Nahrungsmittelallergien, Diabetes, Bluthochdruck, Autismus und ADHS alles, was wir je zuvor gesehen haben. (Auch in anderen Industrieländern nehmen diese Krankheiten bei Kindern zu; Anm. d. Übers.) In den USA und weltweit führen Herzkrankheiten, Lungenerkrankungen, Diabetes, Alzheimer und Krebs die Liste der Todesursachen an.

Die Statistiken sind eindeutig. Die gegenwärtige Situation sieht wie folgt aus:

→ 48 Prozent der US-Bevölkerung sind von Herzkrankheiten betroffen, einschließlich der Erkrankung der Herzkranzgefäße, einer Stauungsinsuffizienz des Herzens, Schlaganfällen, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck und der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, im Volksmund auch „Schaufensterkrankheit“ genannt. Sie sind die Haupttodesursachen weltweit.3

→ 34,5 Millionen Menschen aus der amerikanischen Bevölkerung sind von Typ-2-Diabetes betroffen, einer Krankheit, die zu Erblindung, dialysepflichtiger Nierenerkrankung, Schlaganfällen, Herzkrankheiten und der Amputation von Gliedmaßen führen kann.4 Noch niederschmetternder ist es, wenn Sie die Menschen mit einer Vorstufe von Diabetes, dem sogenannten Prädiabetes oder mit einem unentdeckten und daher nicht diagnostizierten Diabetes dazu zählen, denn dann sind Sie bei 100 Millionen Amerikanern.5 Jeder Dritte ist also von einem Blutzuckerproblem betroffen.

→ An Alzheimer leiden in den Vereinigten Staaten fast 6 Millionen Menschen, und man rechnet damit, dass es bis zum Jahr 2050 mehr als 15 Millionen sein werden.6 Das bedeutet, es wird mehr Alzheimer-Patienten geben als Menschen in New York City, Chicago und Los Angeles zusammengenommen leben.

→ Die Prävalenz, also die Häufigkeit einer Krankheit in einer Bevölkerung zu einem bestimmten Zeitpunkt, lag in Bezug auf die Fettleibigkeit bei der erwachsenen US-Bevölkerung im Jahr 2018 bei 42,4 Prozent und ist damit ungefähr doppelt so hoch wie vor 30 Jahren, als ich mit dem Studium begann. Fettleibigkeit erhöht bereits als einzelner Faktor das Risiko, dass Sie am Herzen, an Diabetes, Demenz und Arthritis erkranken.7

→ Angststörungen und Depressionen sind ebenfalls dramatisch auf dem Vormarsch. Selbst vor der COVID-19-Pandemie litten sage und schreibe 18,5 Prozent der Erwachsenen in den USA an einer der beiden Krankheiten. Diese Anzahl ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jetzt höher.8

→ Laut National Institutes of Health (NIH), der Nationalen Gesundheitsinstitute in den USA, leiden 23,5 Millionen Amerikaner (also mehr als 7 Prozent der Bevölkerung) an einer Autoimmunerkrankung, nach Schätzungen der American Autoimmune Related Diseases Association (AARDA), der Gesellschaft für autoimmunbedingte Erkrankungen, liegt die Zahl der Betroffenen sogar näher an 50 Millionen Amerikanern.9

→ Den neuesten Statistiken der Centers for Disease Control and Prevention zufolge (CDC, vergleichbar mit dem Robert-Koch-Institut in Deutschland; Anm. d. Übers.) haben 47 Prozent der Amerikaner mindestens eine chronische Erkrankung, was für das Land mit 3,7 Billionen US-Dollar pro Jahr zu Buche schlägt10 (zum aktuellen Tageskurs sind das 3.294.480.000.000 Euro; Anm. d. Übers.).

Ich habe allerdings das Gefühl, dass wir im Hinblick auf diese Informationen schon abgestumpft sind. Es werden kaum noch Schockwellen ausgelöst, denn all das ist so „normal“ geworden. Aber glauben Sie mir, das ist sehr weit von einer Normalität entfernt.

Chronische Erkrankungen sind eine komplizierte Sache, denn anders als Infektionskrankheiten, die uns tagelang mit Fieber, Schüttelfrost oder Durchfällen ans Bett fesseln, ist eine chronische Krankheit manchmal schwerer zu erkennen. Denken Sie nur kurz an die Menschen, die Sie kennen: Wie viele von ihnen leiden an einer chronischen Krankheit wie Psoriasis (Schuppenflechte), Bluthochdruck, einem Reizdarmsyndrom oder an Endometriose? Sie würden das gar nicht unbedingt wissen, es sei denn, man erzählt es Ihnen. Es überrascht mich immer wieder, wenn eine Freundin oder ein Familienmitglied in einer Unterhaltung ganz plötzlich erwähnen, dass sie eine rheumatoide Arthritis, Asthma oder Colitis ulcerosa, eine entzündliche Darmerkrankung, haben. Und ich frage mich dann immer noch reichlich naiv: „Wie kann es sein, dass ich das gar nicht wusste?“

Die Antwort ist einfach: Krankheiten haben heutzutage viele unterschiedliche Gesichter. Man kann eine chronische Krankheit nicht immer äußerlich erkennen und bei der Fülle der zur Verfügung stehenden Medikamente können wir Krankheiten manchmal „steuern“. Das heißt aber nicht immer, dass es uns gut geht oder wir ein gutes Leben führen. Es ist eine Tatsache, dass die intensiven Bemühungen bei der Bekämpfung chronischer Krankheiten sich nicht auf die Beseitigung der zugrundeliegenden Ursachen richten, sondern stattdessen auf das Versenken von Milliarden von Dollar in die Entwicklung von immer leistungsfähigeren Medikamenten.

Auch die Statistiken über verschreibungspflichtige Arzneimittel sprechen eine eindeutige Sprache.

→ 45,8 Prozent der US-Bevölkerung hat in den vergangen 30 Tagen verschreibungspflichtige Medikamente eingenommen, 24 Prozent von ihnen drei oder mehr Präparate und 12,6 Prozent sogar fünf oder mehr.11

→ 18,0 Prozent der Kinder zwischen 0 und 11 Jahren haben im vergangenen Monat ein verschreibungspflichtiges Medikament eingenommen.

→ Bei 73,9 Prozent der Arztbesuche werden laut CDC Medikamente verschrieben.12

→ Etwa 13,2 Prozent der Amerikaner ab 18 Jahren haben in den vergangenen 30 Tagen ein Antidepressivum genommen.13

→ Bis zu 96 Prozent der Patienten über 65 Jahre nehmen in bestimmten Situationen frei verkäufliche NSAR-Präparate (nicht steroidale Antirheumatika mit schmerzlindernder, entzündungshemmender und fiebersenkender Wirkung).14

→ Im Jahr 2018 wurden mehr als 16 Millionen Opioid-Rezepte ausgestellt; grob geschätzt verwenden etwa 21-29 Prozent der Empfänger solcher Rezepte sie missbräuchlich, wobei 12 Prozent eine Abhängigkeit entwickeln.15

→ Insgesamt stieg die Einnahme von Cholesterinsenkern (Statinen) in der amerikanischen Allgemeinbevölkerung bei Erwachsenen ab 40 Jahren um 79,8 Prozent, von 21,8 Millionen Menschen in den Jahren 2002/2003 auf 39,2 Millionen in den Jahren 2012/2013 (das sind 221 Millionen Verordnungen).16

→ Laut CDC nehmen 16 Millionen amerikanische Erwachsene Antiallergika ein und jedes Jahr steigt die Anzahl derer, die solche Medikamente kaufen.19

→ Mehr als 15 Millionen Amerikaner nutzen Rezepte für PPI (Protonenpumpenhemmer zur Reduzierung der Magensäure) gegen Sodbrennen. (Noch überraschender ist jedoch, dass wissenschaftlichen Auswertungen zufolge bis zu 10,5 Millionen Menschen sie auch nehmen, obwohl sie sie gar nicht brauchen).17, 18

Verschreibungspflichtige und frei verkäufliche Arzneimittel sind nicht grundsätzlich schlecht – sie können sogar äußerst hilfreich sein –, doch Tatsache ist, dass sie bei Problemen mit chronischen Krankheiten nur minimal erfolgreich waren und sind. Viele von ihnen können zwar lebensrettend sein und auch Symptome verringern, doch sie können ebenso gesundheitsschädliche Nebenwirkungen sowie Suchtpotenzial haben und sie setzen üblicherweise nicht bei den zugrundeliegenden Ursachen an; das heißt, Sie landen letzten Endes zwangsläufig wieder beim Arzt, weil Sie eine höhere Dosis oder ein anderes Medikament brauchen. Viele Menschen leben in einem permanenten Krankheitszustand, haben Schmerzen, sind arbeitsunfähig und ihre Lebensqualität ist unterdurchschnittlich.

Vielleicht fragen Sie sich, warum ich all diese verschiedenen Krankheiten und Medikamente erwähne. Sie können doch nicht alle mit dem Immunsystem zusammenhängen – oder? Doch, das können sie tatsächlich und so ist es auch. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass die meisten chronischen Krankheiten ein Hilfeschrei unseres Immunsystems sind. Ein Hilfeschrei in Form von chronischen systemischen Entzündungsreaktionen.

Das zweischneidige Schwert der Entzündung

Neulich berichtete mir eine Patientin in der Sprechstunde Folgendes: „Ich weiß nicht, was nicht stimmt. Ich fühle mich einfach so daneben.“ Obwohl sie gar keine spezifische Diagnose hatte, wusste sie, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Wie ich schon sagte, Krankheiten, die von Depressionen über Herzerkrankungen und Alzheimer-Demenz bis hin zu einer entzündlichen Darmerkrankung reichen, werden alle von einem Problem mit dem Immunsystem beeinflusst – und dieses Problem ist fast immer eine Entzündung. Sie werden wahrscheinlich schon krank, wenn Sie dieses Wort nur hören, weil es Sie durch das ganze Buch begleiten wird, denn damit steht und fällt das Immunsystem. Bei einer Verletzung oder einem Infekt holt unser Immunsystem tatsächlich zuerst mit einer Entzündungskaskade zum Gegenschlag aus.

Die Entzündung hat tendenziell einen schlechten Ruf, insbesondere in der Wellness-Welt, doch sie wird ziemlich missverstanden. Denn eine Entzündung ist zuerst einmal gar nicht schlecht! Käme es zu keinen Entzündungsreaktionen, würden wir de facto an einer leichten Infektion wie der Erkältung oder an einem grippalen Infekt oder sogar an kleineren Verletzungen sterben, denn unser Körper wäre dann nicht in der Lage, sich zu schützen und selbst zu reparieren.

In anderen Worten: Wenn Ihr Körper verletzt oder infiziert wird, löst das Immunsystem eine Entzündungsreaktion aus. Dabei werden eine ganze Armee von Immunzellen und andere chemische Botenstoffe in das betroffene Gebiet geschickt, um es zu schützen und zu heilen (mehr über diese Zellen und Botenstoffe erfahren Sie in Kapitel 2). Bei einer Verletzung kommt es durch die Entzündung zu einer Schwellung, Rötung und Erwärmung, bei einer Erkältung wird dadurch die vermehrte Schleimproduktion verursacht. All das nervt uns und wir fühlen uns nicht gut, doch im Grunde dient es nur dazu, die infektiösen Keime aus unserem Körper zu vertreiben. Ein geschwollener, schmerzhafter Knöchel hält uns davon ab, herumzulaufen und ihn immer wieder zu verletzen; der Schleim, den wir bei einer Erkältung bilden und abhusten, dient dazu, die krankmachenden Keime einzufangen und zu entfernen.

Würde alles perfekt ablaufen, wäre die durch eine Verletzung oder Erkrankung verursachte Entzündung von kurzer Dauer, sie wäre dem Umfang und der Ernsthaftigkeit der bestehenden Bedrohung angemessen, würde erfolgreich für unseren Schutz sorgen und den Heilungsprozess anstoßen, bevor sie wieder abklingen und der Körper in seinen Normalzustand zurückkehren würde. Leider verläuft dieser Prozess nicht immer so. Manchmal fällt eine Entzündungsreaktion zu stark aus und kann gravierender werden als die ursprüngliche Erkrankung oder Verletzung, zum Beispiel im Falle des sogenannten Zytokinsturms bei COVID-19. In anderen Fällen klingt die Entzündung nicht richtig ab, nachdem die Bedrohung vorüber ist. Und das sind schlechte Nachrichten für den Körper, denn es kann sich – ja, Sie haben es schon erraten! – ein chronischer Entzündungszustand entwickeln, der zu einer chronischen Krankheit führt. Heutzutage kommt es durch solche schwelenden Entzündungen – und davon können sich viele im Körper ausbreiten – zu einer überwältigenden Anzahl von Krankheiten, zum Beispiel:

→ Bei Atherosklerose, im Volksmund auch als Arteriosklerose bezeichnet, bilden sich die Plaques, die Beläge, die schließlich zu Verkalkungen im Herzen und in den Blutgefäßen führen, infolge der Versuche unseres Immunsystems, Entzündungsherde zu schaffen, um den Schaden an den Blutgefäßen selbst zu reparieren. Diese Plaques entstehen zum Beispiel durch Rauchen, Infektionen, Bluthochdruck, Umweltgifte und hohe LDL-Cholesterinwerte.

→ Depressionen werden mit höheren Entzündungswerten in Zusammenhang gebracht, die die Neurotransmitterfunktion im Gehirn beeinflussen.20

→ Bei Diabetes gerät die Entzündung außer Kontrolle, wenn zu viel Glukose an Blutzellen und Blutgefäßen haftet und Organe beschädigt, die unser Körper verzweifelt zu reparieren versucht.

→ In Bezug auf Alzheimer erhöht sich Ihr Erkrankungsrisiko durch Umweltgifte, ein Schädel-Hirn-Trauma, einen hohen Blutzuckerspiegel und Schlafmangel. Das alles fördert – Sie haben es schon wieder erraten! – Entzündungen, und die Folge ist eine Art „kaputt repariertes“ und somit geschädigtes Gehirn.

→ Asthma ist eine Entzündung der Atemwege, ein Ekzem die Entzündung von Hautzellen, Arthritis eine Entzündung der Gelenke und Morbus Crohn eine Entzündung des Verdauungstrakts – ich könnte die Liste endlos fortsetzen.

Eine außer Kontrolle geratene Entzündungsreaktion liegt ganz eindeutig vielen sogenannten Volkskrankheiten zugrunde. Das gilt insbesondere für eine Gruppe, die als Autoimmunerkrankungen bezeichnet wird.

Immuntoleranz und Autoimmunerkrankungen

Wie Sie bereits wissen, sind Autoimmunerkrankungen eine Familie aus chronischen, belastenden und manchmal lebensbedrohlichen Krankheiten. Und ihnen allen gemeinsam ist ein Immunsystem auf Abwegen. Dadurch kommt es zu unzähligen chronischen Entzündungsherden, aber auch zu einem Zusammenbruch der Intelligenz des Immunsystems, sodass es damit beginnt, eigenes Gewebe anzugreifen als wäre es ein gefährlicher Eindringling von außen. In der Immunologie ist dieses Phänomen ein Schlüsselbegriff, wir nennen es den Verlust der „Toleranz“. Diese Toleranz beschreibt im Wesentlichen die Fähigkeit Ihrer Immunzellen, eigenes Gewebe zu erkennen und niemals anzugreifen. Verlieren Sie die Immuntoleranz, greifen Ihre Immunzellen Ihr eigenes Gewebe an. Ein Verlust der Toleranz ist einer der Faktoren für die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen (Autoimmunität), und ich bezeichne das als „fehlgeleiteten Immuntypus“. Davon wird später noch ausführlich die Rede sein.

Autoimmunität kann überall auftreten, doch die häufigsten Lokalisationen sind die Blutgefäße, das Bindegewebe, die endokrinen Drüsen (Hormondrüsen), etwa die Schilddrüse oder die Bauchspeicheldrüse, die Gelenke, Muskeln, Erythrozyten (roten Blutkörperchen) und die Haut. Zu den am häufigsten auftretenden Autoimmunerkrankungen gehören:

→ Morbus Addison

→ Zöliakie / einheimische Sprue (Darmerkrankung durch Glutenunverträglichkeit)

→ Dermatomyositis

→ Morbus Basedow

→ Hashimoto-Thyreoiditis

→ Multiple Sklerose

→ Myasthenia gravis

→ Perniziöse Anämie

→ Reaktive Arthritis

→ Rheumatoide Arthritis

→ Sjögren-Syndrom

→ Systemischer Lupus erythematodes

→ Typ-1-Diabetes

Wahrscheinlich kennen auch Sie jemanden, der von einer der oben genannten Krankheiten betroffen ist, und Sie haben vermutlich nie darüber nachgedacht, dass es sich dabei um eine Autoimmunerkrankung handelt. Nehmen wir zum Beispiel die rheumatoide Arthritis (RA). Viele denken, dass es hierbei nur um Schmerzen und Gelenksteifigkeit geht, doch tatsächlich geht es um viel mehr: Eine RA ist das Ergebnis eines irrtümlichen Angriffs von Immunzellen auf die eigenen gesunden Gelenke, der Schmerzen verursacht sowie zu Deformierungen und Schwellungen führt. Die Entzündungen sind sowohl eine zugrundeliegende Ursache als auch eine Nebenwirkung der Autoimmunität und setzen einen Teufelskreis aus „Entzündungen – Autoimmunität – noch mehr Entzündungen“ im Körper in Gang, der sehr schnell die Kontrolle über Ihr Leben übernehmen kann. Ich komme später noch einmal ausführlich auf die Autoimmunität zurück, wenn es um den fehlgeleiteten Immuntypus geht. Merken Sie sich bitte vorläufig einfach, dass die Überwindung der Entzündungen ein erheblicher Teil des immunologischen Wiederaufbauplansist. Warum? Weil chronische Entzündungen durch viele Aspekte unseres inneren und äußeren Milieus ausgelöst werden können, insbesondere durch solche, die so klein sind, dass wir sie nicht einmal sehen können. Im nächsten Abschnitt werfen wir daher einen Blick durchs Mikroskop und beschäftigen uns mit den vielen Mikroorganismen, die noch immer unser Leben und unsere Gesundheit beeinflussen, auch wenn die Zeiten von Typhus bereits hinter uns liegen.

Die Hypothese von den „alten Freunden“ – ein Erklärungsversuch

Erinnern Sie sich an meine Worte, dass wir eine 180-Grad-Wende hingelegt und die Infektionskrankheiten gegen eine Epidemie der chronischen Erkrankungen eingetauscht haben? Tatsächlich glauben sehr viele Menschen, dass wir mit unserer fixen Idee von den „Killerkeimen“ weit über das Ziel hinausgeschossen sind, wodurch es zu diesem unglaublichen Anstieg chronischer Krankheiten kam. Im Jahr 1989 traf der Epidemiologe D. P. Strachan mit einem unauffälligen Artikel in einer Fachzeitschrift eine wichtige Aussage. Er verknüpfte Heuschnupfen und Ekzeme bei Kindern mit einer geringeren Familiengröße und weniger durchgemachten Infektionen im Kindesalter. Strachans Theorie war im Wesentlichen die Folgende: Je weniger Infektionen man als Kind durchmacht, desto mehr Allergien entwickelt man im späteren Leben. Diese Auffassung fand weite Verbreitung unter Wissenschaftlern und in den Nachrichtenmedien und wurde schnell mit dem Etikett „Hygiene-Hypothese“ versehen.21 Abgesehen davon, dass sich das gut anhörte, kristallisierte sich rund um diese Hygiene-Hypothese die Vorstellung heraus, dass wir durch unsere zunehmend sterile Umgebung – dank der Desinfektionsmittel, einschließlich solcher für die Hände, Antibiotika sowie der Investitionen in sauberes Wasser, öffentliche Sanitäranlagen und persönliche Hygienemaßnahmen – einem höheren Risiko für allergische Erkrankungen und einem „überaktiven“ Immuntypus ausgesetzt wurden, der durch eine überschießende allergische Reaktion gekennzeichnet ist.

Es ist tatsächlich etwas Wahres dran an dieser Hypothese – wir haben uns so sehr auf die Vorbeugung und Behandlung von Infektionskrankheiten konzentriert, die durch pathogene Mikroorganismen verursacht werden, dass wir damit tatsächlich ein wenig über das Ziel hinausgeschossen sind und der Schuss ging letztendlich nach hinten los. Die Hygiene-Hypothese besagt, dass der mangelnde Kontakt mit Keimen den Weg für ein Immunsystem ebnet, das sich an eine übermäßig sterile Umgebung gewöhnt, sodass es schließlich alles angreift, dem es ausgesetzt wird, selbst wenn es so harmlos ist wie Pollen oder Hausstaubmilben. Es gibt auch Nachweise, die diese Hypothese unterstützen, etwa die Tatsache, dass Asthma und Allergien im Laufe der letzten 30 Jahre enorm zugenommen haben. Und es stimmt auch, dass dieser Anstieg nahezu ausschließlich in westlich geprägten, wohlhabenderen, technisch fortschrittlicheren Ländern zu verzeichnen war, die auch zunehmend „hygienisch“ wurden. Dennoch glaube ich, dass die Hygiene-Hypothese nicht zu 100 Prozent zutrifft. Warum nicht? Weil wir bei der COVID-19-Pandemie gut sehen können, warum wir unsere Seifen und Desinfektionstücher nicht gleich wegwerfen sollten. Denn so einfach ist es eben nicht. Eine stichhaltigere und umfassendere Erklärung für die Ursache all dieser Allergien ist die „Hypothese der alten Freunde“, die der Arzt und Mikrobiologe Dr. Graham Rock aufgestellt hat.22

Diese sogenannte Ausgliederungs- oder Spin-off-Hypothese besagt, dass es nicht die gefährlichen Mikroben sind, die unser sich entwickelndes Immunsystem formen, sondern vielmehr die sogenannten Kommensalen, also die symbiotisch zusammenlebenden Mikroorganismen – einschließlich der nützlichen Bakterien, Pilze, Protozoen (Einzeller) und Viren –, die seit Jahrtausenden in unserem Körper koexistieren. Diese nützlichen Mikroben beeinflussen unsere Gesundheit weitaus mehr als wir es uns vorstellen können. Von den in unserem Verdauungstrakt angesiedelten Bakterien haben Sie sicherlich schon gehört; sie werden oft als „Darm-Mikrobiom“ bezeichnet. Tatsache ist jedoch, dass sich auch „gute Keime“ auf unserer Haut, im Mund, in den Nebenhöhlen, der Lunge und ebenso in anderen Körperteilen befinden. Es gibt Millionen und Abermillionen davon; tatsächlich gibt es zweihundertmal mehr Bakteriengene im Mikrobiom des Menschen als es echte menschliche Gene im Körper gibt.

Woher kommen also alle diese „alten Freunde“? Vor der Geburt leben wir in der sterilen Umgebung im Bauch unserer Mutter, doch sobald wir uns auf den Weg nach draußen machen (ob durch den Geburtskanal oder über einen Kaiserschnitt), nehmen wir all diese freundlichen Bakterien auf und unser Mikrobiom beginnt sich zu entwickeln. Schon bald danach erhalten wir die nützlichen Mikroben über die Muttermilch, beim Kuscheln mit den Eltern, wenn wir irgendwann im Gras liegen, einen Hund oder eine Katze haben, im Schmutz spielen und auch von unseren Geschwistern (mehr Menschen bedeuten mehr Bakterien!). Falls Sie sich je gefragt haben, warum Ärzte sich so sehr für eine natürliche Geburt und das Stillen aussprechen – es geht immer darum, das Baby sofort mit diesen nützlichen Bakterien in Kontakt zu bringen, um die Entwicklung eines gesunden Mikrobioms zu fördern.

Gesunde Mikroorganismen tragen dazu bei, unser Immunsystem in positiver Weise zu formen und fördern bestimmte Immunzellen, die sogenannten regulatorischen T-Zellen. Um die Aufgaben genau dieser Zellen geht es im nächsten Kapitel, für den Moment müssen Sie sich nur merken, dass freundliche Mikroorganismen Ihre regulatorischen T-Zellen trainieren, damit sie auf ihre Umgebung „toleranter“ reagieren, wodurch Allergien, Autoimmunerkrankungen und chronische Entzündungen verhindert werden. Wenn Sie das wissen, können Sie verstehen, warum viele Forscher und Wissenschaftler besorgt sind, dass eine Geburt und eine Kindheit unter übermäßig sterilen Bedingungen – ohne Spielen im Schmutz, Streicheln von Tieren und mit jeder Menge Handdesinfektionsmitteln und sterilen Oberflächen – die Entwicklung der Immuntoleranz sabotieren können. Positiv zu vermerken ist, wie Sie in Kapitel 7 lesen werden, dass wir als Kinder nicht völlig im Schmutz leben und ständig krank sein müssen oder uns nie wieder die Hände waschen dürfen, um diese Mikroben zu unterstützen. Stattdessen können wir uns auf den Schutz vor gefährlichen Bakterien durch vernünftige Hygienemaßnahmen konzentrieren – insbesondere in Situationen wie der COVD-19-Pandemie, in der wir es mit einem neuartigen Virus zu tun haben, gegen das wir keine Immunität besitzen – und gleichzeitig auch dafür sorgen, dass wir genügend Kontakt mit den „guten Bakterien“ bekommen.

Eine der größten Herausforderungen, um das Immunsystem wieder ins Gleichgewicht zu bringen – egal, ob ein schwelender, fehlgeleiteter, überaktiver oder geschwächter Immuntypus vorliegt – ist der Aufbau einer gesunden Beziehung zu den 38 Billionen Bakterien, die gegenwärtig in Ihrem Körper leben. Wir müssen anfangen, diesen Mikroben einen gewissen Respekt zu zollen, und es ihnen ermöglichen, ihre Arbeit zu machen, sonst hat unser Immunsystem keine Chance. Die gute Nachricht ist, dass Sie in diesem Buch ein Kapitel finden werden, dass erklärt, wie wir mit den Mikroorganismen in unserem Körper in besserer Symbiose leben können.

Die steile These vom angekurbelten Immunsystem

Wie ich eben dargelegt habe, hat eine zu stark vereinfachte Methode bei den Mikroben – der simple Versuch, einfach „alle Keime abzutöten“ – dazu geführt, dass der Schuss nach hinten losging. Leider werden wir oft Opfer derselben Denkweise, wenn wir die Gesundheit unseres Immunsystems optimieren wollen. Hätte ich für jedes Lesen eines Artikels, eines Blogbeitrags oder einer Werbung, mit der in den höchsten Tönen ein Produkt angepriesen wird, das Ihr Immunsystem „ankurbelt“, einen Dollar bekommen, könnte ich nächstes Jahr in den Ruhestand gehen und auf eine luxuriöse tropische Insel ziehen. Dass wir uns recht verstehen: Es gibt Situationen, in denen das Ankurbeln Ihrer Immunreaktion hilfreich sein kann, zum Beispiel im Fall eines geschwächten Immuntypus, doch Sie müssen unbedingt wissen, welche Teile des Systems Sie ankurbeln, wie stark und auf welche Weise. Einfach nur die Aktivitätssteigerung des Immunsystems in den Blick zu nehmen, ist nicht immer hilfreich. Wenn Sie zum Beispiel Allergiker oder Asthmatikerin sind, werden Ihre Symptome von einem bereits überaktiven Immunsystem verursacht und das Letzte, was dieses Immunsystem jetzt noch „braucht“, ist angekurbelt zu werden. Manche Menschen zeigen starke Immunreaktionen, die schließlich dazu führen, dass das eigene Gewebe angegriffen wird; hier wäre eine geringere Immunaktivität also von Vorteil, nicht etwa eine höhere. Damit wird klar, dass es zum Ankurbeln Ihres Immunsystems nicht die eine Maßnahme gibt, die in allen Fällen passt – das wäre eine grobe Verletzung der beeindruckenden Komplexität, mit der dieses System im menschlichen Körper funktioniert. Außerdem würden dadurch die charakteristischen Merkmale völlig außer Acht gelassen, die das jeweilige Ungleichgewicht eines Menschen aufweisen kann. Sie müssen ein Gespür dafür haben, wo Sie stehen, damit Sie wissen, wohin Sie gehen wollen.

Diese Notwendigkeit, mehr Detailkenntnis zu vermitteln und besser informierte Entscheidungen zu treffen, bestimmt den Inhalt meines Buches zu einem großen Teil. Mein Ziel ist es, mit Ihnen zusammen herauszufinden, wo auf der Bandbreite der immunologischen Fehlsteuerung Sie verortet sind – mit anderen Worten, wie Sie Ihren Immuntypus identifizieren können. Nur wenn Sie ihn kennen, haben Sie ein besseres Gespür dafür, ob Sie Ihre Immunreaktion ankurbeln, beruhigen oder neu ausrichten sollten. Und hier wird es leider doch noch ein wenig komplizierter: Ihr Immunsystem gerät nicht immer auf nur eine einzige Weise aus dem Gleichgewicht. Wenn Sie sich später den Fragebogen zu den Immuntypen in diesem Buch vornehmen, werden Sie vielleicht feststellen, dass mehr als nur ein Immuntypus auf Sie zutrifft. Das kommt häufig vor! Eine Funktionsstörung des Immunsystems geht mit einem Dominoeffekt einher, und wenn es in einem Bereich zu einem Ungleichgewicht kommt, dann oft auch in einem anderen.

Die gute Nachricht – Umweltfaktoren übertrumpfen häufig Erbanlagen

Nun reicht es mit den Hiobsbotschaften. Ich habe Ihnen eine Menge beängstigender Statistiken, knallharter Realitäten und – seien wir ehrlich – schlechter Nachrichten vorgesetzt. Unser Immunsystem steckt zweifellos in einer Krise und verdient unsere unmittelbare Aufmerksamkeit.