Die Insel der Gladiatoren - Sophie R. Nikolay - E-Book

Die Insel der Gladiatoren E-Book

Sophie R. Nikolay

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Beschreibung

Elias ist Waise. Aufgewachsen in verschiedenen Heimen, steht er als junger Mann am Rande der Gesellschaft. Doch dann ein Lichtblick - Die Insel der Gladiatoren. Er trainiert und meldet sich als Kämpfer für die Insel, wo er auf Sascha trifft, den ersten Kämpfer. Elias wird magisch angezogen von dem Mann, der andere herablassend behandelt und keinen Hehl aus seiner Vorliebe für Männer macht. Sascha nutzt seine Position, nimmt sich, was er will - auch von anderen Kämpfern. Auf Elias wirkt das abstoßend und anziehend zugleich. Er verfällt Sascha - während der erste Kampf immer näher rückt. Und in der Arena erwarten ihn Gewalt und Tod.

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Sophie R. Nikolay

Impressum

© dead soft verlag, 2012

http://www.deadsoft.de

© the author

Cover: S.R. Nikolay

Motiv: © Cyril Comtat – fotolia.com

1. Auflage

978-3-943678-45-1 (print)

978-3-943678-46-8 (epub)

Romanfiguren können darauf verzichten. Im realen Leben gilt: safer sex!

Leser/innen, die mich kennen, wissen es. Mein erster Dank gilt immer meinem Mann und meinen Jungs, für das Verständnis und den Rückhalt.

Dann ein dickes Dankeschön an meinen Betaleser Mick, für den kritischen Blick und einige hilfreiche Kommentare zum „schwulen Leben“.

Nicht zu vergessen – ich danke erneut Simon Rhys Beck für die tolle Zusammenarbeit.

Prolog

Der Mensch sucht das Besondere. Den Kick. Das Vergnügen. Als Zuschauer, nicht selbst involviert, doch hautnah dabei. Schaukämpfe wie zu Zeiten der Römer besitzen einen besonderen Reiz. Echter Kampf – mit vergossenem Blut und roher Gewalt. Waffen, die den Tod bringen. Männer, die um ihr Leben kämpfen.

All das findet man auf einer Insel. Das künstlich geschaffene Eiland dient nur einem Zweck – Menschen in die Arena zu locken, sie zu unterhalten und ihnen ein Schauspiel zu bieten. Eines, das für einen der Kämpfer immer den Tod bedeutet.

Ein ungewöhnliches Vergnügen, das eine stattliche Summe einbringt – für den Dominus, den Besitzer der Insel und Herr über die Gladiatoren. Jedoch ist Geld nicht das, was er begehrt …

Nachschub gesucht

In strömendem Regen lief Elias durch die dunklen Straßen. Wie so oft auf dem Weg nach Hause, ohne ein wirkliches Ziel zu haben. Es gab keinen Sinn, keinen Inhalt in seinem noch so jungen Leben. Mit neunzehn Jahren sollte er eigentlich Ziele und Wünsche haben, doch dem war nicht so. Aufgewachsen ohne Eltern, in verschiedenen Heimen untergebracht, hatte er viel Leid ertragen müssen. Doch was spielte das für eine Rolle?

Elias zog die Kapuze weiter ins Gesicht, der Regen war ihm lästig. Gab es denn keinen besseren Platz auf der Welt? Mit angenehmerem Wetter und wärmeren Temperaturen? Ganz bestimmt – doch für Elias gab es keine Möglichkeit dorthin zu kommen. Er lebte von Gelegenheitsarbeiten, kam gerade so über die Runden. Wie im Moment. Er war auf dem Weg in seine kümmerliche Wohnung, seine Arbeit war für heute erledigt. Sein Geld verdiente er in einem Schlachthof, dort reinigte er die Halle nach getaner Arbeit der Ausbeiner. Der Geruch des Blutes hing ihm noch in der Nase. Der Job war nicht schön, doch er füllte seinen Magen. Ein Stück Fleisch durfte er sich jede Nacht mit nach Hause nehmen. Heute hatte er Schnitzel vom Chef bekommen. Sie steckten in der Innentasche seiner Jacke, die inzwischen total durchnässt war.

Ein schepperndes Geräusch ließ Elias herumfahren. Die Gasse, in der er sich gerade befand, schien leer zu sein. Er zuckte mit den Schultern und lief weiter. In fünf Minuten wäre er zu Hause. Doch da hatte er sich getäuscht. Kaum war er ein paar Schritte weitergegangen, schlug ihm jemand ins Kreuz. Elias stolperte und schlug der Länge nach hin.

„Taschen leermachen!“, forderte eine raue Stimme.

Elias erstarrte vor Schreck, lag einfach da ohne sich zu bewegen.

„Mach schon!“

Um den Worten Nachdruck zu verleihen, traf ein Tritt seinen Oberschenkel. Elias schrie auf und krümmte sich. Auch wenn sein Leben nicht bestens verlaufen war, hatte er keine Lust zu sterben. Er versuchte, sich aufzusetzen. Mitten in der Bewegung hielt er inne. Der Kerl, der über ihm hing, war eindeutig eine Nummer zu groß für Elias. Der war ein Schrank! Die einzige Option war, die Forderung zu erfüllen. Langsam griff Elias in seine Tasche, nahm Schlüsselbund und Geldbörse heraus – die bis auf einige Münzen gähnende Leere aufwies. Der Kerl schnappte sofort danach, den Schlüssel ignorierte er.

„Hey, wo ist die Kohle? Und verarsch mich nicht!“

„Ich habe nur das, was da drin ist“, erwiderte er ängstlich.

Der Kerl schleuderte die Börse mit Wucht auf Elias. Mit einem Platschen landete sie in der Pfütze, in der Elias saß.

„Was hast du noch? Telefon, Uhr – rück alles raus, sonst schlag ich dir die Rübe vom Hals!“, brüllte der Kerl fast. Zum Beweis schwang er eine Eisenstange.

Elias schluckte. Er hatte keinen Zweifel, dass der Typ ernst machen würde. Daher nahm er seine billige Uhr vom Handgelenk ab und hielt sie ihm hin. Anschließend griff er in die Jacke und nahm das eingeschweißte Fleisch heraus.

„Mehr habe ich nicht – nichts von Wert.“

Der Kerl grunzte, riss Uhr und Fleisch an sich, und verpasste Elias einen weiteren Tritt.

„Du bist erbärmlich!“, schnaubte er, spuckte Elias an und rannte davon.

Elias schloss die Augen. Das war so erniedrigend, schlimmer als die Schatten seiner einsamen Kindheit. Wie ein Stück Dreck kauerte er hier auf dem Asphalt. In einer Pfütze liegen gelassen wie Müll, nachdem er seinen Besitz hergegeben hatte. Mühsam rappelte er sich auf, sein Bein schmerzte. Humpelnd setzte er seinen Weg fort. Raus aus der Gasse, zurück auf die beleuchtete Straße. Sein Blick war auf den Boden geheftet. Er zitterte, nicht nur wegen der Nässe und der Kälte, der Schreck saß ihm noch in den Knochen. Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen.

Die Lichter der Schaufenster spiegelten sich auf dem nassen Gehweg. Ein fröhliches Farbenspiel, dem Elias nichts abgewinnen konnte. Er kannte diese Straße gut, wusste genau, was die Schaufenster anpriesen. Lauter Dinge, die er sich nicht leisten konnte. Ein Stück vor ihm spiegelte sich orangefarbenes Licht. Das war ihm neu an dieser Stelle. Elias hob den Blick, auch wenn er nicht das Geld besaß, sich in diesen Läden etwas zu kaufen, seine Neugier brachte ihn dazu. Anderes Licht hieß meist, dass der Laden einen neuen Besitzer bekommen hatte. Doch das Schaufenster sah nicht aus, wie das eines Geschäftes. Ein großes Plakat hing dort, nahm fast die gesamte Glasfront ein, beleuchtet mit diesem warm erscheinenden Licht. Eine Insel war darauf abgebildet, nicht sehr groß und umgeben von herrlich blauem Wasser. Ein ausladender Bau thronte auf dieser Insel – eine Arena. Am unteren Rand des Schaufensters stand der Werbeschriftzug: Kommen Sie und erleben Sie das Spektakel Ihres Lebens! Die Insel der Gladiatoren erwartet Sie!

Elias runzelte die Stirn. Das klang nach einem Reiseangebot. Nicht drin, ohne Geld in der Tasche. Er wollte schon weitergehen, da fiel sein Blick auf ein kleines Schild in der unteren Ecke des Fensters.

Kämpfer gesucht!, las er.

Elias beugte sich hinunter. In wenigen Worten stand dort, dass noch Kämpfer gesucht würden, die Massen zu unterhalten. Bei guter Bezahlung, freier Kost und Logis. Dazu das ganze Jahr das gleiche Wetter!

Elias rümpfte die Nase. In Anbetracht dessen, was ihm gerade zugestoßen war, konnte er das vergessen. Er rieb sich den schmerzenden Oberschenkel und ging nach Hause.

Eine Woche später sah das Leben für Elias nur wenig rosiger aus. Zwar hatte der Besitzer des Schlachthofs ihm eine dauerhafte Anstellung gegeben, doch für den mageren Lohn war die Arbeit hart. Täglich war er an dem Schaufenster vorbeigekommen, das ihn gelockt hatte. Jedes Mal fragte er sich, ob er nicht hineingehen sollte. So auch diesmal. Elias war auf dem Weg zur Arbeit und entschloss sich dazu, den Schritt über die Schwelle zu wagen.

Ein kleines Glöckchen bimmelte, als er die Glastür öffnete. Eine freundlich lächelnde Frau saß hinter einem großen Schreibtisch, davor ein einzelner Stuhl. Außer einem Regal, das die gesamte linke Front des Raumes einnahm, gab es sonst keine Möbelstücke.

„Hallo“, sagte Elias schüchtern.

„Willkommen. Was führt Sie herein? Die Erlebnisreise oder der Aufruf, dass wir Kämpfer suchen?“, fragte sie ihn und deutete auf den leeren Stuhl.

Elias setzte sich. „Eher das Zweite“, erwiderte er.

„Nun junger Mann. Ich kann Ihnen gerne ein paar Informationen geben, doch ich möchte auch ehrlich sein. Sie sind eindeutig zu schmächtig, um zu kämpfen“, erklärte sie frei heraus, ohne dabei unfreundlich zu wirken.

„Danke für die Ehrlichkeit. Das ist mir bewusst, ich wollte auch nur mal fragen …“

Die Frau stoppte Elias’Worte mit einer Handbewegung.

„Ich kenne die Frage, die stellen alle. Das Angebot beinhaltet verschiedene Punkte, die durch die Leistung in den Schaukämpfen bezahlt werden. Wer zu kraftlos ist, bringt diese Kosten nicht wieder ein. Die Zuschauer müssen begeistert sein! Daher wählen wir sorgfältig aus. Wenn Sie trainieren, können Sie sich erneut melden“, sie lächelte freundlich, „und das ist jetzt nicht böse von mir gemeint.“

„Ich verstehe schon. Darf ich trotzdem fragen, was diese Punkte sind?“, erkundigte sich Elias.

„Natürlich. Eine Unterkunft, Verpflegung, die Bekleidung, Ausrüstung für die Kämpfe. Dazu ein besonderes Training, das ein Experte leitet. Bonusleistungen für Siege – Partys, mit allem Drum und Dran.“ Sie zwinkerte. „Das würde Sie erwarten, wenn Sie in der Lage wären, eine Leistung zu bringen. Inklusive eines guten Gehalts. Obendrauf käme noch eine besondere Prämie – jeder Kämpfer, der es schafft, ein Jahr durchzuhalten, erhält die stolze Summe von einer Million.“ Sie lächelte gewinnbringend.

Elias nickte. Eine Million für ein Jahr?, dachte er ungläubig. So viel Geld! Damit könnte er locker ein neues Leben beginnen.

„Ist das Angebot dauerhaft?“, erkundigte er sich.

„Ja. Wir suchen ständig neue Kämpfer, um die Männer abzulösen, die ihren Teil geleistet haben“, erklärte sie und stand auf.

Aus dem großen Regal zog sie vereinzelte Broschüren und drückte sie Elias in die Hand.

„Sehen Sie sich das in aller Ruhe an. Dann können Sie sich immer noch überlegen, ob Sie sich in Form bringen.“

„Danke“, mehr fiel Elias nicht ein. Mit dem Packen Papier in der Hand verließ er den Laden. Das alles klang wahnsinnig verlockend. Raus aus dieser Stadt, Verdienst und Sonderleistungen. Diese Insel könnte seine Chance sein …

Nach Feierabend hatte Elias es eilig nach Hause zu kommen. Er mied die dunkle Gasse seit dem Vorfall und nahm dafür einen Umweg in Kauf. Unbehelligt kam er an, öffnete die in die Jahre gekommene Wohnungstür und trat in sein Reich. Außer einem Bett, einem kleinen Schrank – mit nur wenigen Kleidungsstücken – einem winzigen Fernseher und einem Sofa, überlassen vom Vormieter, besaß er nichts. Die Kücheneinrichtung gehörte zu der kleinen Wohnung.

Seufzend warf er die Prospekte und seine Tasche auf das Sofa, ging in die Küche und holte sein letztes Bier aus dem Kühlschrank. Elias nahm einen kräftigen Schluck, stellte die Flasche auf der Arbeitsplatte ab und trat in das angrenzende Bad. Es war winzig, zweckmäßig aber sauber. Wie immer nach der Arbeit wusch er seine Arme und sein Gesicht nochmals, obwohl er es im Schlachthof schon getan hatte. Der Anzug, den er zum Reinigen trug, schützte diese Bereiche seines Körpers nicht. Um sich richtig sauber zu fühlen, brauchte er aber seine eigene Seife. Nach dem letzten Schwall klaren Wassers hob er seinen Kopf und blickte in den Spiegel. Grün-braune Augen sahen ihn an. Die blonden halblangen Haare umrahmten sein Gesicht, jetzt zum Teil mit Wasser benetzt. Hohe Wangenknochen und ein schmaler Mund zierten das Antlitz, dem man nicht ansah, dass er bereits neunzehn Jahre alt war. Seine Größe von einem Meter neunzig war im Vergleich zu seinem wenigen Körpergewicht auch kein Hingucker.

Elias zog die Brauen zusammen und streckte sich selbst die Zunge raus. Groß und hager war er schon immer gewesen. Kein Wunder, bei dem, was er im Heim zu essen bekommen hatte. Seit einem Jahr war er jetzt auf sich alleine gestellt. Zeit, in der er mangels finanzieller Möglichkeiten auch nicht wie die Made im Speck leben konnte. Doch in den letzten Tagen hatte er zumindest ein Stück Fleisch auf dem Teller – dank seines neuen Chefs.

Er ging zurück in die Küche, nahm noch einen Schluck seines Bieres und stellte die Pfanne auf den Herd. Bis die heiß wäre, würde es dauern. In der Zwischenzeit schnitt Elias das mitgebrachte Fleisch in Scheiben. Heute war es ein Stück Rinderhüfte; der Chef hatte ihn gelobt, weil Elias sehr gründlich sauber machte.

Mit dem gebratenen Fleisch setzte er sich auf das Sofa und studierte die Prospekte. Bilder der Arena, jubelnde Menschen auf den Rängen. Kämpfer in antik aussehenden Rüstungen, mit Schwertern und Ketten bewaffnet. Metallene Schilde in den Händen … eines war bei allen abgebildeten Männern gleich. Sie waren wahre Muskelpakete, Elias kam sich dagegen vor, wie ein Hauch von nichts. Einige der Männer trugen Narben – nicht nur am Körper, auch im Gesicht.

Der nächste Prospekt zeigte die Vorzüge auf, die die Kämpfer genossen. Ein Zimmer war abgebildet; es sah gemütlich aus. Ein weiteres Foto zeigte eine Feier. Weinflaschen und Essen auf den blanken Holztischen, die Männer zum Teil mit nacktem Oberkörper und spärlich bekleidete Frauen. Der Text dazu pries an, dass die Sieger der Kämpfe bekamen, was sie sich nur wünschten …

Elias schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Um dahin zu kommen, würde er sehr viel trainieren müssen. Nur wie? Und wo? Ein Fitnesscenter konnte er streichen, dafür würde sein Lohn nicht ausreichen.

Als er aufgegessen hatte, kam ihm die Idee. Der Schlachthof mit den schweren Schweinehälften und Rindervierteln im Kühlhaus – das wäre eine Möglichkeit. Nur, wie sollte er das dem Chef klarmachen, schließlich war das Fleisch zum Verzehr gedacht und kein Trainingsgerät. Ausdauer würde er vermutlich auch brauchen, so setzte er Joggen auf seine To-do-Liste, mit deren Umsetzung er schon morgen beginnen wollte.

Veränderung

Monate zogen ins Land. Elias hatte Glück, denn einer der Vorarbeiter ließ ihn trainieren. Hygienisch geschützt schleppte Elias die Fleischberge, nutzte Schweinehälften als Boxsack und stemmte das kalte Fleisch wie Gewichte. Tag für Tag. Jeden Morgen lief er ein paar Kilometer und abends aß er das Fleisch, das der Chef ihm gab. Zudem reichte sein Lohn auch noch für den Rest der Lebensmittel, die er für den Aufbau brauchte. Täglich nahm er über dreitausend Kalorien zu sich. Elias besaß keine Waage, doch er merkte schon an seinem Körperbau und seiner Kleidung, dass er einiges an Masse zugelegt hatte. Er nahm sich vor, noch ein paar Wochen geduldig zu sein, sich weiter zu stärken, ehe er erneut diesen Laden aufsuchen würde – um sich zu melden. Trotzdem wurde er täglich unruhiger, konnte kaum erwarten, endlich den Schritt in ein besseres Leben zu starten.

Weg aus Norddeutschland, weg aus der Kälte des Winters, weg vom regnerischen Wetter des Sommers. Alles hinter sich zu lassen, erschien Elias wie ein Traum. Die trostlose Kindheit – umgeben von Nonnen und den Erziehern der unterschiedlichen Heime, in denen er aufgewachsen war. Diese Gesellschaft hinter sich zu lassen, die ihn immer nur als Verlierer betrachtet hatte. Am Rande des Existenzminimums, inmitten seiner Mitmenschen, die ihn meist wie Luft behandelten. Doch in letzter Zeit hatte sich etwas geändert, das musste Elias sich eingestehen. Zwei Häuser weiter wohnte eine junge Frau, die ihn jetzt immer staunend ansah. Sie schwärmte wohl für ihn, auch wenn sie nie etwas sagte. Elias hoffte, sie würde nicht den Mut aufbringen, um ihn anzusprechen. Er wusste schon jetzt, dass er ihr eine Abfuhr erteilen würde. Zum einen besaß er den Plan, von hier fortzugehen, so wäre es falsch, ihr Hoffnungen zu machen. Zum anderen hatte er kein Interesse an einer Freundin – an Frauen allgemein. Er war jetzt fast zwanzig, doch die Mädchen, mit denen er Erfahrungen sammeln konnte, waren an einer Hand abzuzählen. Sie waren keine Verlockung für ihn – die Kämpfer in den Prospekten hingegen schon. Immer wieder hatte Elias sie in der vergangenen Zeit zur Hand genommen. Als Anreiz weiterzumachen – und weil einer der abgebildeten Männer ihm gefiel. Der hatte etwas, obwohl Elias nicht bestimmen konnte, was es war. Ob er deshalb schwul war, konnte er nicht beantworten. Er empfand sich selbst eher als orientierungslos.

Auf dem Weg ins Schlachthaus ging er immer an dem Schaufenster vorbei. Sah das große Bild der Insel, was ihm den Ansporn gab, nicht nachzulassen. Anfangs hatte er das sehr gebraucht. Die ersten Wochen waren hart gewesen, eine Quälerei für den Körper. Doch Elias hatte sich stets sein Ziel vor Augen gehalten, und schließlich war die Qual belohnt worden. Mit jedem Bisschen Stärke, das er gewann, steigerte sich auch sein Selbstbewusstsein. Er lief nicht mehr mit gesenktem Kopf durch die Straßen – er sah seinen Mitmenschen jetzt ins Gesicht.

Auch sein Chef schien diese Veränderung zu bemerken. An diesem Abend geschah, was Elias schon lange erwartet hatte. Der Chef zitierte ihn ins Büro. Mit klopfendem Herzen und der Angst, dass seine Trainingsmethode nicht weiter geduldet würde, trat er in das kleine Büro am Ende der Halle.

„Herr Enger, Sie wollten mich sprechen?“

„Ja Elias, kommen Sie rein und setzen Sie sich.“

Elias kam der Aufforderung schnell nach und setzte sich auf den Polsterstuhl vor dem mit Papieren überhäuften Schreibtisch. Der ältere Herr mit den silbrigen Haaren lächelte ihn an.

„Sie haben sich ganz schön gemacht, junger Mann. Ich weiß, dass Sie sich hier fit halten. Ich habe lange genug zugesehen, wie Sie schon drei Stunden vor Arbeitsbeginn über den Hof kommen.“

Er pausierte, und Elias hörte seinen eigenen Herzschlag, der wild hämmerte. Er würde gefeuert werden … doch eigentlich war das nicht weiter tragisch, er hatte sowieso vor, zu kündigen. Aber noch nicht jetzt, ein paar Wochen mehr Zeit wären ihm lieber gewesen.

„Elias, ich habe Sie hergerufen, um Ihnen ein Angebot zu machen. Ich glaube, Sie haben die Chance verdient, sich in einem neuen Feld zu beweisen. Mit mehr Lohn aber auch mehr Verantwortung. Wie klingt das?“

„Ähm … ich“, Elias fiel ein Stein vom Herzen. „Ich habe erwartet, Sie würden mich rauswerfen“, gab er ehrlich zu.

„Sie rauswerfen? Weshalb? Weil sie meine Schweine durch das Kühlhaus geschleppt haben? Ich weiß, dass Hoffmann Sie darauf hingewiesen hat, die Hygienevorschriften einzuhalten. Auch wenn Ihre Art, mehr Muckis zu bekommen, etwas unkonventionell ist – habe ich nichts zu beklagen. Also, junger Mann. Wollen Sie aufsteigen und an der Station für die grobe Zerlegung arbeiten?“

Elias fühlte sich geehrt. Dennoch saß er in der Zwickmühle. Seine Planung mit der Insel würde er nicht aufgeben und diese Enger zu verheimlichen, wäre auch nicht richtig. Daher atmete er tief durch und setzte sich aufrecht hin, ehe er antwortete.

„Herr Enger. Ihr Angebot ist schmeichelhaft, doch ich kann es nicht annehmen. In einigen Wochen werde ich die Stadt verlassen, diesen Plan habe ich schon lange. Deshalb wäre es nicht richtig von mir, Ihr Angebot anzunehmen.“

Stille herrschte in dem kleinen Büro. Elias fühlte sich unwohl, während der ältere Herr hinter seinem Schreibtisch einfach nur da saß und ihn musterte. Schließlich räusperte sich Enger.

„Von wie vielen Wochen reden Sie, wenn Sie einige sagen?“, erkundigte er sich.

„Acht oder zehn. Ich wolle Ihnen vier Wochen vorher Bescheid geben, damit Sie jemand anderen suchen können, der die Halle sauber macht.“

„Was im Übrigen die Kündigungsfrist wäre … na ja. Ich kenne Ihre genauen Pläne nicht, und ich möchte Ihnen auch nicht reinreden, aber es tut mir leid, dass Sie gehen wollen. Sie sind ein fleißiger junger Mann.“

„Danke.“ Elias wusste nicht, was er noch sagen sollte.

„Sagen Sie einfach Bescheid, wenn Ihre Pläne konkret sind“, bat Enger.

Elias stimmte zu und verließ kurz darauf das Büro.

Die folgenden sieben Wochen vergingen wie im Flug. Dank des täglichen Trainings fühlte sich Elias endlich fit genug, um auf die Insel zu gehen. Wie schon beim ersten Besuch betrat er den kleinen Laden auf seinem Weg zum Schlachthof. Die gleiche Frau saß hinter dem Schreibtisch.

„Guten Tag …“, sie stockte, dann lächelte sie breit. „Sie sind es. Wow, ich muss sagen, Sie haben sich ganz schön gemacht!“

„Danke“, erwiderte Elias und setzte sich ohne Aufforderung.

„Da Sie wieder hier sind – deutlich kräftiger will ich meinen – möchten Sie sicher als Kämpfer auf die Insel der Gladiatoren. Richtig?“

„Richtig“, wiederholte er.

„Nun, dann müssen wir einen Vertrag machen. Ab wann könnten Sie denn?“

„In zwei Wochen. Meine Arbeitsstelle ist schon gekündigt.“

„Das ist schön zu hören.“

Die Frau stand auf, lächelte ihn an, ging zu dem großen Regal und zog einige Blätter Papier heraus. Damit setzte sie sich wieder hin und legte ihm die Bögen vor.

„Ich gehe mit Ihnen den Vertrag durch. Das Grundsätzliche habe ich ja bereits erklärt, ich hoffe, Sie erinnern sich noch daran.“

Elias nickte.

„Gut. Sie können das gleich gerne durchlesen. Vorher möchte ich die wichtigsten Punkte aufzählen. Mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie, dass Sie mit den Konditionen einverstanden sind. Freie Kost und Logis, ein Gehalt von eintausend Euro monatlich und die benötigte Ausrüstung werden Ihnen gestellt. Sie müssen am täglichen Training teilnehmen und sind verpflichtet, in den Shows zu kämpfen – egal wie fit Sie sind – soweit verstanden?“ Sie sah ihn prüfend an.

„Ja.“

„Der nächste Punkt ist sehr wichtig. Sie oder Ihre Angehörigen verzichten auf etwaige Schadensersatzansprüche, sollte Ihnen im Kampf oder während des Aufenthalts auf der Insel etwas zustoßen.“

„Ich habe keine Angehörigen“, erwiderte Elias. Er war allein, wer sollte da schon Ansprüche stellen? Er selbst bestimmt nicht, er war froh über diese Chance und die Aussicht auf eine große Summe Geld.

„Dann noch ein Punkt. Der Vertrag ist so lange gültig, bis eine der beiden Parteien ihn auflöst, kündigt oder aus wichtigen Gründen für nichtig erklärt. So gesehen, ein unbefristeter Vertrag.“

„Das hört sich gut an. Aber – wie komme ich dahin, wenn ich unterschreibe? Und, ich weiß noch nicht einmal, wo die Insel liegt.“

„Nicht so schnell, junger Mann. Das wollte ich Ihnen gerade erklären. Die Insel liegt vor der afrikanischen Küste im Mittelmeer und ist ein künstlich geschaffenes Eiland. Die Anreise wird durch uns organisiert. Sie werden vermutlich nicht der einzige Neue sein. Sie werden in jedem Fall rechtzeitig informiert, wann es losgeht.“

„Okay“, murmelte Elias und begann, die vier Seiten des Vertrages zu lesen. Wobei er die Zeilen eher überflog. Es erschien ihm alles so zu sein, wie die Frau es erläutert hatte. Also sah er keinen Grund, warum er nicht unterzeichnen sollte. Nur diese eine Unterschrift trennte ihn von einem neuen Leben. Weg aus Deutschland, in den warmen Süden. Sonne und Meer warteten dort auf ihn. Ein tägliches Training war er inzwischen gewohnt, das stellte also kein Problem dar. Und Schaukämpfe für zahlende Gäste? Elias glaubte, auch darin keine Schwierigkeiten zu erkennen. Wenn die Leute Unterhaltung in Form von Spielen wollten, wie die alten Römer sie veranstaltet hatten … Ja, dazu fühlte er sich in der Lage. Mit seiner aufgebauten Kraft und seinem gestählten Körper konnte er bestimmt die Menge begeistern. Also zögerte er nicht, nahm den Stift von der Frau entgegen und setzte seine Unterschrift auf das Dokument.

„Bitte auf Seite eins den Namen und die Anschrift nicht vergessen“, wies sie ihn an.

Elias trug seine Daten ein und reichte der Frau anschließend die Bögen. Sie sah kurz darüber, blickte ihn dann lächelnd an.

„Willkommen im Team, Elias. Ich würde dich gerne einmal kämpfen sehen – du siehst sicher klasse aus mit der Ausrüstung am Leib“, sagte sie und grinste lüstern.

„Äh, danke“, erwiderte er, verblüfft über die plötzlich so persönliche Anrede und die offensichtliche Anmache. „Ich muss jetzt zur Arbeit. Noch habe ich ja einen Job.“

Als er aufstand, nickte sie ihm zu. Sie wirkte wieder betont sachlich und aufs Geschäftliche bezogen.

„Die Kopie des Vertrages sende ich dann per Post. Die Mitteilung zur Anreise geht auch rechtzeitig raus“, erklärte sie. „Viel Glück!“

Elias sah sie stirnrunzelnd an. Er verstand nicht, was sie damit gemeint hatte. Doch er hatte keine Zeit mehr zum Nachfragen. Er nickte ihr zum Abschied zu und verließ das Büro.

Abreise

Zwei Tage später bekam Elias den Vertrag. Er erhielt wenig Post, daher wusste er sofort, was es war. Mit jedem Tag, der verstrich, wurde er nervöser. Er wollte, dass es endlich losging. Die Wohnung war wie der Job schon gekündigt, und bis Monatsende bezahlt. Seine wenigen Möbel durfte er da lassen. Als dann der Brief mit den Informationen kam, waren weitere dreizehn Tage vergangen. Mit zitternden Fingern öffnete Elias das Kuvert, fand ein Flugticket der Lufthansa und ein Faltblatt. Darauf standen die Infos zum Flug, wann er am Flughafen sein musste und was er mitnehmen durfte. Es wunderte ihn nicht, dass außer Kleidungsstücken keine persönlichen Dinge erlaubt waren. Außerdem besaß er sowieso nichts dergleichen.

Ein Anschreiben zeigte den Reiseverlauf auf. Montagfrüh ging eine Maschine von Hamburg nach Frankfurt, von dort der Flug nach Kairo, danach würde die Reise mit einem Schiff fortgesetzt werden. Wie lange die Überfahrt auf die Insel dauern würde, war nicht angegeben. Auch nicht, ob er alleine wäre oder andere mit ihm auf die Insel kommen würden.

Es war Freitag, so musste Elias noch drei Nächte in seiner kleinen Wohnung ausharren, dann begann sein neues Leben. Er konnte es kaum erwarten!

Die Tage verliefen wie gewohnt. Das Laufen und das Muskeltraining, anschließend die Arbeit. Nach Hause gehen und essen. Am Sonntag packte Elias seine Sachen in zwei große Sporttaschen, die er sich besorgt hatte. Die Nacht zum Montag schlief er schlecht. Wirre Träume störten seine Ruhe. Da er noch nie zuvor in einem Flugzeug gesessen hatte, erklärte er sich die Träume damit. Denn trotz seiner Freude und Aufbruchstimmung beschlich ihn auch ein banges Gefühl. Elias hoffte, das würde sich geben, sobald die Maschine in der Luft war.

Viel zu früh machte er sich auf den Weg zum Flughafen. Ohne sich umzublicken, verließ er die Wohnung. Er würde der Zeit hier nicht hinterher trauern – jetzt sah er nur nach vorne. Das Check-in und die Kontrolle verliefen ruhig und ohne Probleme. Als er dann endlich in der kleinen Maschine saß, klopfte sein Herz so wild, dass Elias glaubte, es wolle ihm aus der Brust springen. Das änderte sich nicht, als die Maschine aufs Rollfeld fuhr, beschleunigte, abhob. Dann vergaß er beinahe zu atmen. Es war herrlich! Frei wie ein Vogel, so fühlte er sich. Hoch oben in der Luft, die Welt von oben betrachten – Wolken wie Wattebäusche und herrlicher Sonnenschein. Wenn das kein schöner Start in ein neues Leben war, die perfekten Voraussetzungen, dass ab jetzt alles besser würde …

Viel zu schnell war dieser Flug vorbei. Die kleine Maschine setzte ruckelnd auf und Elias sah aus dem Fenster, erblickte das Flughafengebäude. Er war gespannt, ob er beim Umsteigen in den nächsten Flieger andere treffen würde, die wie er auf dem Weg zur Insel waren. Selbst wenn es nicht so wäre und er alleine reiste, trübte das seine Laune nicht. Elias fühlte sich befreit. Er hatte den Schritt gewagt, seine Zukunft selbst in die Hand genommen, statt sich in der unteren Schicht der Gesellschaft zu verstecken. Das monatelange Training hatte nicht nur körperliche Auswirkungen gehabt. Sein Selbstwertgefühl war erheblich gestiegen – Elias wusste, dass man nur genug Fleiß und Disziplin aufbringen musste, um ein Ziel zu erreichen. Lächelnd verließ er das Flugzeug.

Es dauerte etwas, ehe er sich zurechtfand – der Frankfurter Flughafen besaß jedoch genügend Schilder, die Elias zu seinem Gate dirigierten. Endlich angekommen setzte er sich mit seinem Ticket und dem Pass in der Hand auf einen freien Stuhl. Zum Glück wurde sein Gepäck automatisch weitergeleitet, so musste er sich damit nicht beschäftigen. Stattdessen beobachtete er die Menschen, die sich hier versammelt hatten. Stetig kamen mehr Leute hinzu, die mit ihm in diese Maschine einsteigen würden. Wildfremde, alte und junge, Familien und Geschäftsreisende, wenn man nach der Kleidung urteilte. Menschen mit dem gleichen Zielflughafen, wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen. Elias konnte jedoch niemanden entdecken, der sehr trainiert erschien und somit das gleiche Ziel wie er selbst haben könnte.

Plötzlich tippte ihn jemand an – eine Frau war unbemerkt an ihn herangetreten. Elias zuckte zusammen.

„Herr Elias Koch?“, fragte sie.

„Ja.“

„Mein Name ist Hanna. Ich begleite eure Reise. Kommst du bitte mit zu den anderen?“ Sie deutete mit der Hand in Richtung Einstiegskontrolle. An der Wand standen fünf junge Männer, alle sahen ähnlich muskulös aus wie Elias. Er fragte sich, warum er die eben nicht gesehen hatte.

„Klar“, erwiderte er und stand auf. Die Frau mit dem auf Perfektion getrimmten Haarschnitt und einem ebenso perfekt sitzenden Kostüm ging vor. Wobei sie eher stolzierte – mit klackernden High Heels und wiegenden Hüften trippelte sie durch die Menge. Elias folgte ihr mit klopfendem Herzen. Sie waren also zu sechst – falls nicht noch jemand dazu kam.

„Hallo“, grüßte er, als sie bei der Gruppe ankamen.

Fünffache Grüße schallten zurück.

„Ich bin Elias“, stellte er sich vor und reichte dem ersten Kerl die Hand. Er trug eine deutlich zerbeulte Nase in seinem Gesicht, das von lockigem braunem Haar umgeben war.

„Tom“, sagte er und ergriff die Hand von Elias. Der Händedruck war fest, doch nicht unangenehm.

Der Nächste betrachtete den Neuankömmling hochnäsig von oben bis unten. Die angebotene Hand ergriff er nicht, stand nur mit verschränkten Armen da.

„Ich bin Michael“, erklärte er und drehte anschließend den Kopf weg.

Was ist denn das für ein Trottel?,schoss es Elias in den Sinn.

Die noch immer ausgestreckte Hand wurde schließlich von einem Rothaarigen gepackt und heftig geschüttelt.

„Hallo, ich bin Henrik“, erklärte er grinsend. „Willkommen an Bord – ähm, zumindest gleich!“ Er kicherte, doch es klang nicht lustig, eher aufgesetzt.

Elias nickte ihm zu und drehte sich zum Nächsten, der unverkennbar keine deutschen Wurzeln besaß.

„Alexander“, sagte der, schlug Elias dabei auf die Schulter. „Bist du stark genug?“, fragte er und rollte das R sehr stark. Er besaß einen Akzent, den Elias in Richtung Russland einordnete.

„Ich glaube schon“, erwiderte er und versuchte zu lächeln.

Ein junger Mann war nun noch übrig. Er hatte den Kopf mit den schwarzen Haaren gesenkt, den Blick auf den Boden geheftet. Elias trat auf ihn zu.

„Hi.“

Der Kopf schoss hoch, eine leichte Röte lag auf den Wangen. Er sah furchtbar schüchtern aus, was bei der beachtlichen Statur doch etwas wunderlich wirkte.

„Mein Name ist Carsten“, sagte er leise.

„Ich beiße nicht“, versuchte Elias zu scherzen.

„Entschuldige, das hat nichts mit dir oder den anderen zu tun. Unter fremden Menschen bin ich einfach so“, folgte die Erklärung und der Blick heftete sich wieder auf den Fußboden.

Was sollte Elias dazu noch sagen? Etwas unschlüssig stand er nun da, wusste nicht genau, was er tun sollte. Diese fünf Männer würden mit ihm zusammen auf die Insel reisen, als Gladiatoren die Gäste unterhalten. Jeder Einzelne sah stark aus, alle groß – Elias schätzte, dass keiner kleiner als einen Meter neunzig war. Denn sie waren entweder so hochgewachsen wie er, oder überragten ihn.

„Wir werden zuerst einsteigen, also bleibt bitte hier an der Seite. Das Bording müsste gleich losgehen“, durchbrach Hannas helle Stimme das Schweigen.

Sie behielt recht. Einen Moment später kamen drei Mitarbeiter der Fluglinie und postierten sich am Schalter. Während der Mann sich kurz darauf mit der Tür beschäftigte, die zur Gangway führte, stellten die beiden Frauen sich auf, um die Tickets zu kontrollieren. Eine der beiden winkte Hanna heran. Sie besprachen sich kurz, doch Elias konnte die Worte nicht verstehen. Es ging völlig unter in dem Stimmengewirr, das in dem Wartebereich herrschte. Dann gab Hanna ihnen ein Handzeichen. Elias tippte Carsten am Arm an, denn der starrte noch immer auf seine Füße und hatte damit Hannas Wink nicht sehen können.

„Wir gehen an Bord.“

Carsten sah auf. „Ich bin noch nie geflogen“, gestand er leise.

„Keine Sorge, ich hatte eben auch meinen ersten Flug. Es war herrlich!“

Elias lächelte ihn aufmunternd an.

„Danke.“

Carsten schloss sich den anderen vier an, die schon bei Hanna und den Frauen der Fluggesellschaft standen. Elias tappte wieder hinterher, doch das machte ihm nichts aus.

Die Tickets wurden kontrolliert, ein kurzer Blick auf den Pass, ob die Namen übereinstimmten und dann durften sie an Bord gehen. Die Gruppe lief die Gangway entlang, ohne dass einer ein Wort sprach. Ein Steward begrüßte sie beim Einstieg in die Maschine. So wie Hanna den Gruß erwiderte, hatte Elias den Eindruck, dass die beiden sich kannten. Womöglich machte sie öfter diese Tour – wie oft, das konnte Elias nicht ahnen!

Sie ging voraus und führte die jungen Männer in den Bereich der ersten Klasse. Elias war etwas erstaunt, soweit er wusste, waren diese Plätze teuer. Das Flugticket hatte er gar nicht so genau betrachtet, sonst wäre ihm aufgefallen, dass es nicht für die Economy Class ausgestellt war. Er ließ sich auf den Sessel fallen, der auf seinem Ticket angegeben war, und lehnte sich zurück. Noch immer sprach keiner der anderen Männer, kein Flüstern, keine Unterhaltungen. In der ersten Klasse herrschte Ruhe. Das blieb auch so, denn sie waren die einzigen Fluggäste in diesem Bereich. Die restlichen Sessel blieben leer. Ganz im Gegensatz zur hinteren Abteilung des Flugzeugs, der sich lausstark füllte. Elias versuchte es zu überhören und schloss die Augen. Er konnte es kaum erwarten, endlich anzukommen.

Der Flug verlief so ruhig, wie der Erste. In Kairo angekommen nahmen sie ihre Gepäckstücke in Empfang. Anschließend führte Hanna sie aus dem Gebäude. Vor der Tür wartete ein komfortabler und klimatisierter Kleinbus auf die Gruppe. Hanna sprach mit dem Fahrer, doch Elias konnte kein Wort verstehen. Er konnte bloß ein wenig Englisch, Reste aus seiner Schulzeit, die er nach deren Ende nie wieder gebraucht hatte. Nicht im wirklichen Sinne, auch wenn Elias sich manchmal daran versuchte, einen Liedtext im Kopf zu übersetzen, damit seine mageren Kenntnisse nicht einschliefen.