Die Inseln der Piraten - Bernhard StoEver - E-Book

Die Inseln der Piraten E-Book

Bernhard StoEver

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Beschreibung

Ambrosius Bartholomäus Zulu ist nicht gerade das, was man sich unter einem erfolgreichen Privatdetektiv vorstellt. Nach Studium und Ausbildung in London, alle Türen standen ihm offen, er brauchte nur hindurchzugehen, kehrte er an den Ort zurück, an dem er aufgewachsen war. Heute lebt und arbeitet er in Hillbrow, einem heruntergekommenen Stadtteil Johannesburgs. Zusammen mit Nutten, Fixern, kleinen Kriminellen und ausgewachsenen Gangstern, und manchmal auch mit ehrlichen, fleißigen Menschen, die sich einfach nur bemühen irgendwie durchzukommen. Die Suche nach einer vermissten Person führt ihn auf die Inselgruppe der Seychellen, die sich, fernab von allem Trubel, zu einem Eldorado für Steuerbetrüger, Spekulanten und Hasardeure aus aller Welt entwickelt haben. Hier lernt er die geheimnisvolle Betty Elder, Chefin des Pirates Arms, sowie den zwielichtigen Geschäftsmann Jonas Profiet kennen. Profiet und seine Partner sind in Machenschaften verstrickt, durch die ganze Landstriche verseucht und Tod und Elend über die Bevölkerung gebracht werden. Mit tatkräftiger Unterstützung Bettys stellt sich Ambard seinen skrupellosen Gegnern und löst nach einem dramatischen Kampf auch das Rätsel der vermissten Person. Um den Auftrag zu erfüllen, muss er bis an die Grenzen seiner physischen Kräfte gehen, nur um zu erkennen, dass niemand seinem Schicksal entfliehen kann. Schwimmend im Meer, weit ab vom rettenden Ufer, umgeben von Dutzend gefräßigen Haien wird er gezwungen, sich seinen Urängsten zu stellen und bis zum letzten Atemzug um sein Leben zu kämpfen.

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Seitenzahl: 99

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Bernhard StoEver

Die Inseln der Piraten

Abenteuerroman

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Nachtrag, Mai 2012

Impressum neobooks

Prolog

Johannesburg 1965, Stellenanzeige in einer Tageszeitung:

`Gesucht wird eine junge Negerin, die fähig ist, rückwärts im Dunkeln eine Treppe hinunterzugehen´.

Übermütig sprang Princess aus ihrem neuen Bett, zwei weichen Matratzen, die neben der Feuerstelle auf dem kahlen Boden lagen. Ihre Gedanken kreisten um den heutigen Tag. Schnell wusch sie Gesicht und Körper mit frischem Wasser und zog ihre beste Kleidung an. Schwarze, glänzende Schuhe, saubere blaue Strümpfe, den dunklen Rock und die weiße Bluse mit dem gestärkten Kragen. Die Haare band sie zu einem Zopf zusammen, der von einer bunten Schleife gehalten wurde. Ihre Augen strahlten.

Voller Zuversicht las sie noch einmal die Stellenanzeige. Sie hatte geübt, tagelang, wochenlang. Immer wieder war sie rückwärts den Weg zum Brunnen gegangen, den Hügel rauf und runter. Einige Male war sie gestolpert, einmal hatte sie sich die Knie aufgeschlagen, aber nie hatte sie an sich gezweifelt. Niemand im Dorf konnte es im Rückwärtslaufen mit ihr aufnehmen. Sie wusste, sie würde den Test bestehen.

Princess nahm den ersten Bus in die Stadt. Es war früh am Morgen, und es war kalt. „Der frühe Vogel fängt den Wurm“, hatte ihr Vater immer gesagt, als er noch lebte und jeden Morgen zum Fischen hinausfuhr. Doch das war lange her, und jetzt gab es niemanden mehr, der sich um sie und ihre jüngeren Schwestern sorgte. Auch ihre Mutter war vor Monaten an der Krankheit gestorben, über die nicht gesprochen wurde. Doch Princess war gesund, ihre Geschwister waren gesund, und heute war ihr großer Tag.

Die Sonne lachte, als der Bus in der kleinen Seitenstraße hielt. Princess stieg aus und blickte zwischen farbenfrohen Häusern auf die belebte Geschäftsstraße. Sie träumte, dass sie wie all die anderen dort mit schicken, eleganten Einkaufstüten bummeln oder im Café sitzend dem bunten Treiben zusehen würde. Das Leben konnte so schön sein.

Sie erreichte das Theater, eine bunte Menschenmenge hatte sich am hinteren Eingang versammelt. Damit hatte sie nicht gerechnet. Das waren ja hunderte junger Frauen, die hier auf die Chance hofften, den begehrten Job zu erhalten. Ihre Zuversicht schwand. Bekümmert reihte sie sich ein und wartete. Endlos zog sich die Zeit dahin, und es war bereits später Nachmittag, als sie endlich aufgerufen wurde.

Ein junger Mann führte sie freundlich lächelnd den dunklen Gang hinauf. Die ausladenden Stufen waren mit einem dicken, weichen Teppich belegt, der alle Geräusche im Keim erstickte. Nur das Blut pochte laut durch ihre Adern. Bloß jetzt keinen Fehler machen, sagte sie sich, als ihr eine Taschenlampe gereicht wurde und sie ganz alleine, mit dem Rücken zur Bühne, die Stufen rückwärts hinunterschritt. Ihr Herz klopfte, Schweiß sammelte sich auf ihrer Stirn. Jetzt nur nicht versagen, nur nicht stolpern, das wäre das Ende aller Träume.

Von einer blutroten Abendsonne begleitet, fuhr Princess in ihr Dorf zurück. Überglücklich drehte sie immer wieder die kleine goldene Karte in ihren Händen. „Starlight Theatre“, stand hier in dicken schwarzen Lettern. Und etwas kleiner darunter: „For Whites only“.

1

Kaum hatten sich die Türen der 737 mit einem leisen Zischen geöffnet, als Ambrosius Bartholomäus Zulu – Ambard gefiel ihm besser – als einer der Ersten die Maschine verließ. Die schwüle Tropenhitze raubte ihm fast den Atem. Er lief über die Rollbahn zum Abfertigungshäuschen und reihte sich in die Schlange der Wartenden ein. Es waren nur wenige Touristen darunter; die meisten waren geschäftlich unterwegs oder besuchten ihre Familien.

Der Flug von Johannesburg nach Mahé war ruhig verlaufen, ohne nennenswerte Zwischenfälle. Trotzdem war er froh, nach sechs langen Stunden die ersten grünen Punkte im Meer zu erblicken. Fliegen gehörte nicht zu seinen Leidenschaften. Auch nicht die Fahrt mit dem geschwätzigen Taxifahrer, der, um sein Trinkgeld aufzubessern, den fachkundigen Fremdenführer spielte. Ambard ließ sich von ihm die Küste entlang nach Victoria chauffieren, mit 15.000 Einwohnern Mahés größte und einzige Stadt. Vorbei an Palmen und bunt gestrichenen Holzhäusern, jedes für sich einem willkürlichen Schöpfungsakt entsprungen. Fremdartige Gerüche schwängerten die Luft. Hitze, Feuchtigkeit, Benzinabgase, Moder, ölig duftende Pflanzen, Gewürze und vieles mehr vermischten sich zu einem morbiden Hauch der Tropen.

Auf den Seychellen lebten Europäer, Chinesen, Inder, Kreolen und Afrikaner in friedlicher Koexistenz. Der Investment- und Devisenhandel befand sich in den Händen der Weißen, während Inder und Chinesen sich den Handel mit den täglichen Gebrauchsgütern teilten. Kreolen und Afrikaner wurden zumeist im Dienstleistungssektor, im Hotelgewerbe und in der Gastronomie eingesetzt. Reiche Araber konnten am westlichen Lebensstil teilhaben, ohne sich durch religiöse Auflagen eingeschränkt zu fühlen. Vor einigen Jahren hatte sich auch die russische Mafia niedergelassen und mehrere Spielcasinos und eines der großen Luxushotels übernommen. Kurz, die Inseln waren ein Sammelbecken für Hasardeure, Glückssuchende, Ganoven und Spekulanten aus der ganzen Welt.

Ambard deponierte sein Gepäck im Hauptpostamt, einem imposanten Gebäude im klassischen Kolonialstil. Nur wenige Schritte entfernt kaufte er sich in einem Internetcafé eine SIM-Karte für sein Handy. Er überquerte die Independance Road, vorbei an Little Big Ben, dem Wahrzeichen Victorias, und warf einen Blick ins Pirates Arms, Restaurant, Casino und Touristentreff. Der breite Eingang und die hellblau gestrichenen Fensterläden waren weit geöffnet. Schattenspendende Palmen schützten die am Fenster sitzenden Gäste vor dem grellen Licht und der stechenden Sonne. Trotz der Mittagszeit waren die Tische nur zur Hälfte besetzt. Gelangweilt herumstehende Bedienstete versuchten nicht einmal, den Anschein von Beschäftigung zu erwecken. Seit Piraten vor der somalischen Küste ihr Unwesen trieben, mieden Kreuzfahrtschiffe die Seychellen. Die Privaträume im oberen Stockwerk waren allein den persönlichen Freunden Bettys zugänglich. Sie war der Boss und an allem beteiligt, was auf den Inseln Geld einbrachte. Nur aus dem Devisengeschäft hielt sie sich raus. Betty war Kreolin.

Der Professor hatte Ambard eine ungefähre Beschreibung von ihr gegeben, er konnte sie jedoch nirgends ausmachen. Also bestellte er sich ein Wasser, suchte sich einen Fensterplatz und machte es sich bequem. Von hier konnte er alles überblicken, ohne gleich selbst gesehen zu werden. Seine Erinnerungen ließen die vergangenen Tage Revue passieren. Angefangen hatte es Freitag vor einer Woche. Nein, das stimmte nur halb, eigentlich hatte es am Abend zuvor angefangen, mit zwei Flaschen Whisky und der hübschen Rose; in London oder L.A. würde sie sich wohl Tiffany nennen. Er hatte sich frühzeitig mit ihr in sein Wohn-, Schlaf- und Arbeitszimmer in Hillbrow, einem heruntergekommenen Stadtteil Johannesburgs, zu einem Austausch von Körperflüssigkeiten zurückgezogen. Am nächsten Morgen waren die Flaschen leer und Rose und sein Geld verschwunden. Nur Kopfschmerzen waren geblieben. Während er auf der Suche nach Tabletten seinen Schreibtisch durchwühlte, öffnete sich die Tür. Ein älterer Herr mit lichtem Haar und einer Lesebrille auf der Nase betrat schüchtern den Raum. In der Hand hielt er einen braunen Umschlag. Verlegen blickte er auf Ambards bunte Boxershorts.

„Tut mir leid, aber an der Tür steht `Eintreten ohne Anklopfen´. Sind Sie Ambrosius Bartholomäus Zulu?“

Irritiert sah sich der kleine Mann im Raum um. Kleidungsstücke lagen auf dem Boden, die Schlafcouch war zerwühlt. Auf dem einzigen Tisch standen benutzte Gläser und überquellende Aschenbecher. Es roch nach abgestandenem Rauch, Schweiß und Sex.

„Werd‘ ich wohl“, brummelte Ambard, nur mühsam seine schlechte Laune verbergend. Er zeigte auf den einzigen freien Stuhl.

„Nun setzen Sie sich schon!“

Ein Weißer in dieser Gegend, das war ungewöhnlich. Er streifte sich ein sauberes Hemd über und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. Geschäft war Geschäft.

Der kleine Mann stellte sich als James Steward Waterston vor, Professor an der Universität von Witwatersrand. Ambard schaute ihn erstaunt an, dann sah er suchend zur Tür.

„Sie sind ohne Begleitung? Ist das nicht leichtsinnig?“

Das war eine wirklich dumme Bemerkung – kein Weißer bei Verstand würde alleine nach Hillbrow kommen, außer, das arme Schwein wäre dazu verdammt, hier leben zu müssen.

„Studenten aus meinem Kurs haben mich gefahren. Sie sitzen unten im Wagen.“

Der Professor rückte seinen Stuhl näher an den Schreibtisch und reichte Ambard den Umschlag.

„Hier. Ich weiß nicht, warum, aber aus einem mir unerklärlichen Grund vertraue ich Ihnen. Hoffentlich mache ich damit keinen Fehler.“

Ambard grinste amüsiert.

„Sie riskieren viel. Ich mag mir ja selbst kaum trauen.“

Der Professor, der Ambards Reaktion genau beobachtet hatte, lächelte verschmitzt und streckte ihm die Hand entgegen.

„Das lassen Sie mal meine Sorge sein. Sie wundern sich, warum ich auf Sie gekommen bin? Nun, es gibt Studenten in meinem Kurs, die ziemlich viel von Ihnen halten. Die Aufklärung der Campusmorde hat Ihnen nicht nur an der Uni Sympathien eingebracht. Sie sollen intelligent und integer sein. Aber, ich will es nicht verhehlen, wichtiger für mich ist die Tatsache, dass Sie schwarz sind.“

Der Professor schaute ihm forschend in die Augen. Seine Schüchternheit war wie weggeblasen.

„Möchten Sie trotzdem den Rest hören?“

Ambard musste grinsen. Es war nicht zu übersehen, wie der alte Mann aufblühte. Schulmeister war die Rolle seines Lebens.

„Goldbraun, meine Hautfarbe ist goldbraun. Aber okay, nun legen Sie mal los.“

Er holte aus einer der Schreibtischschubladen einen vorgedruckten Zettel und überreichte ihn dem Professor.

„Hier, meine Konditionen. Scheidungsfälle übernehme ich nicht.“

Der Professor warf einen kurzen Blick darauf und platzierte das Blatt vor sich auf dem Schreibtisch.

„Ich kenne Ihre Preise und Ihre Bedingungen. Und auch diesen Zettel.“

Er lächelte still in sich hinein – jetzt nur nicht überheblich wirken. Aber er musste einfach nachhaken, das war er dem Schulmeister in sich schuldig.

„`Sein oder Nichtsein´ und ein blutiger Dolch. Hamlet in Hillbrow, etwas weit hergeholt, meinen Sie nicht?“

Ambard grinste ihn an.

„Den blutigen Dolch versteht jeder. Und ob Sie es glauben oder nicht, auch `Sein oder Nichtsein´ wird in Hillbrow verstanden. Vielleicht in einem anderen Zusammenhang, als Sie es sich vorzustellen vermögen, das mag schon sein, aber die existenzielle Bedeutung verschließt sich hier niemandem.“

„Autsch, das hab‘ ich wohl verdient. An der Uni wird erzählt, Sie hätten nach Ihrem Studium in London mehrere Jahre in einer Detektei – war es nicht Pinkerton? –gearbeitet und seien erst vor wenigen Monaten zurückgekehrt. Warum eigentlich?“

Der Professor bemühte sich, seine Augen auf Ambard gerichtet zu halten. Den Anblick der Wohnung wollte er sich kein zweites Mal antun.

„Warum ich zurückgekommen bin? Back to the roots, ich bin hier geboren. Das können Sie nicht verstehen.“

„Vielleicht ja doch. Es ist erstaunlich, wie schnell Sie sich nach Ihrer Rückkehr etabliert haben.“

„Der Campusfall stand in allen Zeitungen, ich hatte einfach nur Glück. Nun legen Sie schon los, mein Kopf fühlt sich an wie eine Baustelle. Und unter die Dusche muss ich auch, wie Sie unschwer riechen dürften.“

Der Professor schnüffelte übertrieben in Ambards Richtung und lächelte amüsiert..

„So häufig, wie ich mit Studenten auf Exkursionen bin! Sie werden nicht glauben, an was sich Nasen alles gewöhnen können. Aber sagen Sie, wären Sie auch bereit, Südafrika zu verlassen? Nur für den Auftrag natürlich.“

„Kommt darauf an. Wo soll es denn hingehen, und wozu brauchen Sie einen schwarzen Detektiv?“

„Ich brauche nicht nur einen schwarzen Detektiv, ich brauche einen, der wie ein Weißer denkt.“

„Jetzt sollte ich wohl Autsch sagen?“

Ambard zweifelte nicht aus Überzeugung. Natürlich war ihm klar, dass die sozialen Verhältnisse Leben und Denken beeinflussten. Der Professor ignorierte seinen Einwand.

„Im Umschlag habe ich alles schriftlich aufgeführt. Sie brauchen also nichts zu notieren und können sich aufs Zuhören konzentrieren.“

Ambards angeschlagener Verfassung kam das sehr entgegen. Erwartungsvoll machte er es sich in seinem Bürosessel bequem. Dass er nur in Shorts hinter dem Schreibtisch saß, hatte er schon vergessen.

„Thema meines Abschlusskurses an der Uni ist die Rassismusentwicklung im Südafrika der letzten fünfzig Jahre. Sicherlich kein neues Thema, aber eines mit interessanten Widersprüchen, sofern man die Intentionen der verschiedenen Interessengruppen in die Analyse mit einbezieht.“

Der Professor schaute neugierig, als erwartete er ein zustimmendes Nicken. Ambard tat ihm den Gefallen und fügte sarkastisch hinzu: „London ist nicht der Mars. Auch wenn ich die meiste Zeit im Ausland war, ich bin hier aufgewachsen. Können Sie das auch von sich behaupten?“