Die Jagd nach dem Inkagold - Peter Splitt - E-Book

Die Jagd nach dem Inkagold E-Book

Peter Splitt

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Beschreibung

Der verschollene Goldschatz der Inka. Seit jeher eine Herausforderung für Archäologen und Abenteurer. Nach dem mysteriösen Tod des Politikers Benesz tauchen plötzlich antike Dokumente auf und die Jagd nach dem verschollenen Goldschatz der Inka beginnt von neuem. Davon bekommt der Reiseschriftsteller und Abenteurer Roger Peters auf seiner Kreuzfahrt nach Südamerika erst einmal nichts mit. Doch bald kreuzen sich seine Wege mit denen von skrupellosen Grabräumern und dunklen Machenschaften. Ein Wettrennen auf Leben und Tod beginnt …

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Seitenzahl: 346

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Die Jagd nach dem Inkagold
Über den Autor
Impressum
PROLOG
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
EPILOG

Peter Splitt

Die Jagd nach dem Inkagold

Über den Autor

Peter Splitt wurde am 09. September 1961 in Remscheid geboren und verbrachte seine Kindheit und Jugendzeit im Bergischen Land. Nach einer technischen sowie kaufmännischen Berufsausbildung wechselte er in die alte Bundeshauptstadt Bonn und erlangte dort Sprachdiplome in Englisch, Spanisch und Portugiesisch. Neben Musik, Literatur und Antiquitäten wurden Reisen in ferne Länder zu seiner großen Leidenschaft. Besonders Lateinamerika mit seinen Menschen und Gebräuchen sowie den Jahrtausend alten Hochkulturen finden immer wieder seine Begeisterung. Seit mehr als zehn Jahren lebt er nun teilweise in Lateinamerika und in seiner Wahlheimat am Rhein. Während meiner Reisen sind mir immer wieder die dort alltäglichen Gegebenheiten aufgefallen, die jeden Europäer zum Staunen und Schmunzeln veranlassen würden. Viele, eigene Erlebnisse habe ich in meinen Büchern verarbeitet und durch meinen fiktiven Hauptdarsteller Roger Peters darstellen lassen. So entstanden meine spannenden Romane rund um Schatzsuche und Abenteuer, gemischt mit vielen Szenen aus dem alltäglichen Leben in Südamerika. Die Geschichten spielen an authentischen Grabungs- und Kulturstätten in Peru und sind gespickt mit historischen Informationen rund um die antiken Hochkulturen.

Impressum

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.deabrufbar.

Print-ISBN: 978-3-96752-188-7

E-Book-ISBN: 978-3-96752-686-8

Copyright (2022) XOXO Verlag

Umschlaggestaltung: Grit Richter, XOXO Verlag

unter Verwendung der Bilder:

Stockfoto-Nummer: 82747789, 1739563010, 591349742, 1059170384,

1799674702, 2099350135 von www.shutterstock.com

und Urwald Photo by Waren Brasse on Unsplash

Buchsatz: Grit Richter, XOXO Verlag

Hergestellt in Bremen, Germany (EU)

XOXO Verlag

ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH

Gröpelinger Heerstr. 149

28237 Bremen

Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

PROLOG

Cajamarca, Peru

15. November 1532

Francisco Pizarro steht mit berittenen Soldaten und einer großen Infanterie vor der Stadt Cajamarca in den peruanischen Anden. Ausgestattet mit Kanonen, Feuerwaffen und Kampfhunden sind sie bereits seit dreiundfünfzig Tagen unterwegs. Von San Miguel de Piura ausgehend, haben sie ihren Vormarsch in den nördlichen Landesteilen begonnen. Pizarros Krieger gehören mehrheitlich der unteren spanischen Gesellschaftsschicht an.

Erzählungen von unvorstellbaren Schätzen eines übermächtigen Herrschers haben sie angelockt. Legenden zufolge, soll jener mächtige Mann in einer goldenen Stadt leben, deren Gebäude ganz in Blattgold gehüllt sind. Trotz ihrer offensichtlichen Bewaffnung, werden sie zunächst von der neugierigen Bevölkerung sehr freundlich aufgenommen. Der allmächtige Inkakönig Atahualpa hält sich zu diesem Zeitpunkt im nahegelegenen Baño del Inca auf und erfreut sich an den heiligen Thermalquellen, welche nur die Elite betreten darf. Er befindet sich in einem verbitterten und äußerst brutal geführten Krieg mit seinem Halbbruder Huascar und hat etwa 40.000 Krieger um sich geschart. Es geht um die Alleinherrschaft über das große Inkareich.

Francisco Pizarro lässt seine Ankunft durch einen Botschafter ankündigen, doch Atahualpa will den Fremden auf keinen Fall empfangen. Listig verschiebt er das Treffen auf einen späteren Zeitpunkt. Stattdessen schickt er heimlich zwanzigtausend Krieger in die Außenbezirke von Cajamarca um den Spaniern in den Rücken zu fallen und sie gefangen zu nehmen. Aber Francisco Pizarro ist auf der Hut vor den Kriegern der Sonne und befiehlt seinem eigenen Fußvolk, sich mit Kanonen und Trompeten auf den höchsten Punkt der Stadt zu begeben, während sich seine berittenen Soldaten in der selbigen verstecken sollen. In der Folgezeit berichten die Späher Atahualpas ihrem König, dass sich die Spanier aus Furcht vor der Übermacht seiner Krieger tatsächlich zurückgezogen hätten.

Gegen sechzehn Uhr des folgenden Tages zieht Atahualpa majestätisch in Cajamarca ein. Er sitzt auf einer goldenen Bahre und wird von acht seiner Krieger getragen. Um zusätzlich seine Macht zu demonstrieren, trägt er eine goldene Krone, eine Kette mit großen Smaragden und einen bunten Federschmuck mit Ornamenten aus Goldblech. Achtzig Delegierte in dunkelblauen Samtuniformen, sowie vierhundert bewaffnete Kriegern begleiten ihn. Die Indios zeigen sich sehr überrascht, keinen einzigen Spanier im Stadtzentrum anzutreffen. Währenddessen beobachtet Pizarro die herannahenden Späher Atahualpas und lässt sie gefangen nehmen. Lediglich einem erlaubte er zu seinem König zurück zu kehren, allerdings unter Auflage, ihm das Buch des Evangeliums zu überreichen.

In dieser angespannten Situation wirft Atahualpa das heilige Buch der Spanier zu Boden und fordert die Fremden auf, sein Land umgehend zu verlassen. Außerdem sollen sie alles zurückzugeben, was sie sich bereits angeeignet haben. Ansonsten würde er sie töten lassen.

Unbeirrt von den Drohungen Atahualpas gibt Francisco Pizarro das vereinbarte Signal. Laut ertönen die Trompeten und bereits die ersten abgeschossenen Kanonenkugeln verursachen Panik und Furcht unter den Indios. Damit aber nicht genug. Wie aus dem Nichts erscheinen plötzlich Soldaten zu Pferde. Ausgerüstet mit Hunden und Feuerwaffen mischen sie die Krieger Atahualpas auf. Pizarro selbst lässt sein Schwert mit aller Kraft niedersausen. Der Hieb spaltet einem Indio den Schädel. Pizarro reißt die Klinge sofort zurück, um sich auf den nächsten Gegner zu stürzen. Es entsteht eine ungleiche Schlacht, wobei sich nur wenige Indios vor der Schlagkraft der modernen Waffen in Sicherheit bringen können. In dem darauf folgenden Kriegsgewirr verlieren sämtliche Delegierte des Inkakönigs ihr Leben aber es ist kein anderer als Pizarro selbst, der sich vor Atahualpa stellt und ihn so vor dem sicheren Tod bewahrt. Der mächtige König wird gefangengenommen und in seinem Sonnentempel festgehalten. Später plündern die Spanier alles was nicht Niet- und Nagelfest ist. Große Mengen an Gold und Silber häufen sich auf dem zentralen Platz von Cajamarca an. Die einzigartigen Artefakte werden auf Druck des spanischen Könighauses sofort eingeschmolzen.

Aber Atahualpa erkennt sehr schnell das besondere Interesse der Spanier an den edlen Metallen, die für die Inkas eine ganz andere Bedeutung haben. In dem Raum, wo man ihn gefangen hält, zeichnete er in Höhe seines Kopfes eine Linie an die Wand und verspricht dieseninnerhalb von zwei Monaten bis zur markierten Stelle mit Gold, Silber und Edelsteinen aufzufüllen, wenn man ihn dafür freilässt. Die entsprechende Vereinbarung soll durch ein schriftliches Dokument für immer festhalten werden. Francisco Pizarro stimmt der Offerte nur allzu gerne zu und in den folgenden Wochen treffen aus allen Gegenden des Inkareiches unzählige Lieferungen mit der kostbaren Ware in Cajamarca ein. Am Ende beträgt das Lösegeld für Atahualpa 6.087 kg in Gold und 11.793 kg in Silber. Währenddessen wird Pizarro von vielen kleinen ethnischen Gruppen, die Atahualpa unterdrückt hatte, unterstützt. Er besteht fortlaufend kleinere Scharmützel mit aufständischen Indios und erhält dadurch die willkommene Gelegenheit, den Inkakönig der Verschwörung gegen ihn zu beschuldigen. Dessen Tod hat er bereits lange vorher beschlossen. Das Urteil, Tod durch den Strang, wird am 26. Juli 1533 auf dem Hauptplatz von Cajamarca vollstreckt. Vorher erfährt Pizarro noch von einem heiligen Tempel im Süden des gewaltigen Inkareiches. Dabei handelt es sich um Pachacamac, dem heutigen Lima. Dort sollen unglaublichen Mengen an Gold und Silber lagern.

Tag für Tag bringen die Indios noch weitere Ladungen der wertvollen Metalle nach Cajamarca. Die ersten Goldschiffe verlassen Südamerika mit dem Ziel Sevilla in Spanien. Das große Reich der Inkas aber zerfällt langsam nach der Hinrichtung Atahualpas. Die Dynastie der Inkaherrschaft ist zu Ende. Weitere Eroberer aus anderen Ländern, darunter vor allem Abgesandte der katholischen Kirche, reisen nach Peru und unterstützen Pizarro bei seinem Vormarsch auf die ehemalige Inka-Hauptstadt Cuzco. Die dort übriggebliebene Elite der Inkas wird nach und nach durch spanische Stadthalter ersetzt. Im Jahre 1780/81 kommt es noch einmal zu einem Aufstand der unterdrückten Indios gegen die spanische Besatzungsmacht. Diese trifft die Rebellion zunächst vollkommen unvorbereitet, obwohl sie selbst ein gut ausgebildetes Heer besitzt. Rebellenführer Tupac Amaru verfolgt bei der versuchten Einnahme von Cuzco das System der Belagerung, was sich später als ein folgenschwerer Fehler herausstellen sollte. Ab Mitte Januar 1781 starten die Spanier eine Gegenoffensive. Sie fallen in die Hochburgen der Rebellen ein, wo sie als Abschreckungsmaßnahme grausame Massaker unter der Bevölkerung anrichten. Die bis dahin erfolgreiche Allianz zwischen Indios und Kreolen zerbricht endgültig. Am 5. April 1781 wird Túpac Amaru von einem seiner Offiziere verraten und mitsamt seiner Familie und vielen Offizieren gefangen genommen. Am 18. Mai soll der Rebellenführer zusammen mit seinen Verwandten und einigen seiner Mitstreiter grauenvoll hingerichtet werden. Dabei jedoch passiert etwas Unglaubliches: Nachdem man ihm die Zunge herausgeschnitten hat, soll Túpac Amaru mittels vorgespannter Pferde gevierteilt werden. Die Kraft der Tiere reicht jedoch nicht aus, um den Mann in Stücke zu reißen. Man entscheidet sich dafür, ihn loszubinden und mit einer Waffe zu töten. Danach werden die Teile seines Körpers zwecks Abschreckung in fünf verschiedene Städte gebracht und dort öffentlich zur Schau gestellt.

Callao,Lima, Peru, ca.1760

Plötzlich tauchen sie am Horizont des pazifischen Ozeans auf. Zuerst sind es drei winzige Punkte, die sich wie eine Fata Morgana der Wüste, in bizarre Formen verwandeln. Die dreieckigen Havenasegel der kleinen, spanischen Flotte flattern lustlos unter dem sanften, blauen Tropenhimmel. In gleichmäßigem Rhythmus ziehen die Mannschaften ihre Ruder durch das leicht aufschäumende Meereswasser. Es herrscht eine angespannte Stille unter den vorwiegend spanischen Seeleuten, während bugseits langsam die Silhouette der peruanischen Küste in Sicht kommt. Die Flotte besteht aus drei spanischen Karavellen, die in Mittelamerika extra für die Pazifikroute hergestellt wurden und jeweils einen Großmast und zwei kleine Tragmasten besitzen. Bug und Heck der Schiffe hat man scharf nach oben gezogen und zusätzlich mit einer metallischen Verkleidung versehen, um gegen die leidigen Schiffsbohrwürmer gewappnet zu sein. Auf dem 22 Meter langen Flaggschiff besteht die Besatzung aus einem Bootsmann, acht Seeleuten, zehn Schiffsjungen, einem Priester, und drei Privatpersonen, die jeweils mit unterschiedlichen Motiven auf dem Weg nach Peru sind. Abgesandte des spanischen Könighauses verteilen sich zusammen mit einer stattlichen Anzahl Soldaten auf die beiden Begleitschiffe. Unter den Privatreisenden befindet sich auch ein polnischer Adelsmann, der dem Lockruf des Goldes folgt und den Legenden von sagenhaften Inkaschätzen nachgehen will. Sein Name ist Graf Sebastian Berzeviczy aus Niedzica in Polen und man schreibt das Jahr 1760, als es ihm endlich gelingt, seinen Onkel, den damaligen Burgherren von Niedzica von seinem Vorhaben zu überzeugen. Schließlich ist es jener Verwandte der seine abenteuerlichen Pläne finanzieren darf. Und damit beginnt jene aufregende Geschichte, die sich bis in unser Jahrtausend hinein ziehen soll und mich von einem Abenteuer ins nächste jagt. Die weitere Geschichte von Sebastian Berzeviczy ist schnell erzählt. Tatsächlich hat er in Peru sein Glück gefunden, aber in einer Art und Weise, die er sich vorher mit Sicherheit ganz anders vorgestellt hat. Anstatt den erhofften Inkaschatz zu finden, lernt er Umina Attawallpa, ihres Zeichens Inka-Prinzessin und Enkelin des letzten Inkakönigs kennen und lieben. Leider währt das gemeinsame Glück nicht lange. Während Umina ihm eine Tochter schenkt, stirbt sie selbst bei der Geburt an einer inneren Blutung. Sebastians Trauer kennt keine Grenzen und doch gibt er seiner kleinen Tochter, den Namen ihrer Mutter, der sie später wie ein Ei dem anderen gleichen soll. Umina 2 wächst bei ihren Verwandten auf, die allesamt Nachfahren der Inkas sind und heiratet, kaum dass sie 18 Jahre alt geworden ist, den Neffen des Rebellenführers Tupac Amaru, Andres Mendigure Tupac Amaru. Der jedoch versucht schon bald nach der Hochzeit in die Fußstapfen seines berühmten Vetters zu treten. Gemeinsam mit seinem Onkel Diego Cristobal führt er die Indiostämme des Südens zu einem neuerlichen Aufstand gegen die Besatzer an. Die Spanier begegnen der erneuten Rebellion mit einer tausendschaft gut bewaffneter Soldaten aus Lima. Andres Tupac Amarus Onkel Diego Cristobal wird gefangen genommen und als einer der Hauptverantwortlichen hingerichtet, Andres selbst steht auf der Todesliste. In einer Nacht und Nebelaktion verlassen Sebastian Berzeviczy, Tochter Umina 2, Schwiegersohn Andres, und eine Handvoll Inkas Peru. Ein italienisches Handelsschiff bringt sie nach Venedig. Mit an Bord sind Artefakte aus ihrem immensen Goldschatz, sowie ein als Quipu verschlüsselter Lageplan ihrer Verstecke, der jeweils von einer Generation an die nächste weitergereicht werden soll. So will man das Vermächtnis der Inkas erhalten, bis an den Tag, an dem ihre Kultur wieder auferstehen wird.

Kapitel 1

Venedig, ca.1783

Signore di Pedro blickte den Fremden ungläubig an. Er war Juwelier- und Kunsthändler und hatte selten eine so feine Goldschmiedearbeit in den Händen gehalten.

»Un momento per favore« murmelte der Alte und begab sich in das kleine Hinterzimmer, welches mittels eines roten Vorhangs von dem eigentlichen Verkaufsraum seines Geschäftes abgetrennt war. Hastig griff der Signore nach seinem Vergrößerungsglas und betrachtete das wertvolle Objekt von allen Seiten. Schon an der Färbung ließ sich erkennen, dass der Kelch einen Goldgehalt von mindestens 21 Karat oder mehr haben musste. Eine solche Qualität wurde ihm nur sehr selten angeboten. Meistens handelte es sich um Abbildungen irgendwelcher Gottheiten, Kreuze oder religiöse Objekte, die nur eine dünne Goldschicht aufwiesen. Dieser Becher aber bestand durch und durch aus purem Gold. Das Abbild eines Kriegers und eigenartige Symbole waren direkt ins Metall eingearbeitet worden. Ein ähnliches Motiv hatte er einmal auf einem Gemälde aus dem fernen Südamerika gesehen. Der Wert des Bechers musste unbeschreiblich sein, aber würde er ihn auch erwerben können? Durch ein kleines Loch im Vorhang konnte er den Fremden beobachten und sah, wie der nervös im Verkaufsraum auf und ab ging und dabei immer wieder aus dem Schaufenster schaute.

»War es richtig, dass ich gerade dieses Geschäft aufgesucht habe?«

Glücklicherweise war gerade Karnevalszeit in Venedig und dementsprechend hatte sich Andres verkleiden können. Er trug einen Tabarro, den typischen Maskenmantel der Venezianer aus schwarzer Seide und dazu eine Kappe, Bauta, welche seinen Kopf bis an das Kinn verdeckte und bis über seine Schultern hinab reichte. Sein Gesicht hatte er vorteilhaft hinter einer weißen Wachsmaske Volto verbergen können. Nur so hatte er sich mit dem wertvollen Objekt aus seinem Versteck gewagt. Da sie dringend Geld benötigten, hatten sie sich entschieden, eines ihrer heiligen Objekte zu verkaufen. Gegebenenfalls würde man den Kelch zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückkaufen. Im Moment zählte für Andres, Umina, Sebastian und der kleinen Schar von Angehörigen der Inkas nur das nackte Überleben.

Zu jener Zeit gehörte Venedig noch zu einer der reichsten Metropolen Europas. Mit der größten Flotte der Zeit beherrschte der Stadtstaat über Jahrhunderte das Mittelmeer, unterhielt Handelsbeziehungen zum Nahen und Fernen Osten und versorgte Europa mit Luxusgütern aus aller Welt. Gewürze, Perlen, Edelsteine, Seide, edle Düfte und Brokatstoffe machten Venedig berühmt und füllten seine Kassen. Im 18. Jahrhundert war hier allerdings wirtschaftlich nicht mehr viel los. Die Tage, als venezianische Seefahrer und Händler das halbe Mittelmeer beherrschten, waren vorüber, die meisten ihrer Handelsplätze längst in osmanischer Hand, und die Stadt selbst wurde über weite Strecken von einem Regime angeführt, dessen stärkstes politisches Argument ein gut ausgebauter Geheimdienst war. In dieser Zeit jedoch, da Spitzel und Intriganten zuhauf durch den Lagunennebel huschten, entwickelten sich kunstvollen Glasprodukte zur Haupteinnahmequelle der Bevölkerung. Den Glasbläsern war es unter Androhung der Todesstrafe verboten, ihr Wissen um das streng gehütete Geheimnis der Glasherstellung weiterzugeben.

»Tut mir leid mein Herr, aber so viel kann ich ihnen nicht für den Becher bezahlen«, entgegnete Signore di Pedro kopfschüttelnd als er die Preisvorstellung des Fremden hörte. »Das liegt leider weit über meinen Möglichkeiten, auch wenn ich ihnen zustimme, dass es sich hierbei um eine ganz außergewöhnliche Arbeit handelt, vom materiellen Wert einmal ganz abgesehen. Ist ihnen vielleicht näheres über die Herkunft des Kelches bekannt?«

Andres ging nicht weiter auf die Frage ein, sondern erkundigte sich nach weiteren Kunsthandwerk,beziehungsweise Juweliergeschäften in der Nähe der Rialtobrücke, die über den Canal de Grande direkt in das ehemalige kommerziellen Zentrum der Stadt führte, wo sich bis heute noch der größte Markt der Stadt befindet.

»Mein Herr, ich fürchte man wird ihnen überall das gleiche sagen«, bedauerte Signore di Pedro.

»Die Zeiten sind nicht mehr so rosig wie einst. Zwar wird das Straßenbild unserer Stadt nach wie vor von adeliger und bürgerliche Kultur, Dichtkunst, Malerei und Musik geprägt, aber nur allzu leicht vergessen wir dabei, dass der Großteil der Bevölkerung bereits in bitterer Armut lebt. Allerdings kenne ich einige namhafte Kunstsammler. Denen könnte ich ihren Kelch direkt zum Kauf anbieten. Das heißt, wenn sie mir das Objekt für ein paar Tage anvertrauen würden…?«

Das wollte Andres auf keinen Fall. Er war sichtlich erstaunt. So schwierig hatte er sich den Verkauf des goldenen Bechers nicht vorgestellt. Höflich verabschiedete er sich von Signore di Pedro und trat hinaus auf die Piazza San Marco.

Der Nachkömmling des letzten Inkakönigs von Vilcabamba besaß ein Steckenpferd, liebte er doch Kaffeehäuser, jene gesellschaftlich bedeutenden Orte mit einer wichtigen, sozialen Funktion, wo sich jeder zu kennen schien und am Leben des anderen teilnahm. Man betrat die Bar, rief dem Barista die Bestellung zu und bezahlte im Voraus an der Kasse. Für den Bruchteil des Kaffeegenusses wurde dann der neueste Klatsch aus der Nachbarschaft und der ganzen Stadt ausgetauscht. Danach ging jeder wieder seine eigenen Wege. Begleitet wurden Kaffeehäuser von einem Grundgeräuschpegel bestehend aus Stimmengewirr, Tassengeklapper und dem Gurgeln und Zischen der großen Kaffeeautomaten. Bereits um 1780 konnte man vierundzwanzig Kaffeehäuser an der Piazza zählen. Am Markusplatz befand sich das Café Quadri mit den typischen kleinen Tischen, wo bereits seit 1725 türkischer Kaffee serviert wurde und auf der gegenüberliegenden Seite stand das weltberühmte Café Florian, dass in vielen Werken von Künstlern aus aller Herren Länder Beachtung fand. Andres konnte sich nicht satt sehen an den großartigen Gebäuden, die auf Holzpfählen gebaut und in verschiedene Schichten von Ton und Sand eingerammt worden waren. Oftmals saß er stundenlang in einem der erwähnten Kaffeehäuser, trank einen Expresso und beobachtete wie einheimische Männer in langen Unterhosen in den Kanälen badeten. Hier war alles so anders, als wie er es von Peru her kannte. Alles schien so friedvoll und ruhig zu sein. In Gedanken aber befand er sich bei seinem leidenden Volk, das nach wie vor große Hoffnungen in ihn setzte. Insgeheim sehnte man sich danach, den Kampf für Unabhängigkeit in Peru wieder aufzunehmen, und dafür hätte bereits ein Bruchteil des immensen Inkaschatzes ausgereicht.

Inzwischen war Signore di Pedro nicht untätig geblieben. Der prachtvolle Kelch des Fremden ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Noch am Abend bestieg er eine der buntbemalten und mit prunkvollem Eisen beschlagenen Gondel, welche ihn in Richtung Campo di Ghetto, dem Judenviertel bringen sollte. Nur dort vermutete er einen potenten Käufer für ein solches Objekt finden zu können. Und diesmal war er sicher, dass er auf seine Kosten kommen würde.

Zu jener Zeit waren über zehntausend Gondeln in Venedig unterwegs. Sie galten als eigentliches Fortbewegungsmittel der wohlhabenden Bevölkerung. Ihr schlanker Rumpf war etwa zehn Meter lang und an den beiden Enden stark hochgezogen. Der Bug endete in einem Symbol für die sechs Stadtteile Venedigs und auf der linken Heckseite befand sich ein erhöhter Standplatz für den Gondoliere. Dieser bewegte nun sein Ruder auf der rechten Seite und konnte so die Gondel gerade im Wasser halten. Sich dabei an vorbeifahrenden Häuserwänden und vorbeifahrenden Booten abstoßend erreichten sie in kurzer Zeit das Viertel der jüdischen Bewohner. Die Familie des Bankiers Anselmi war bekannt für ihre außergewöhnliche Kunstsammlung. Doch nie hatte Signore di Pedro ihnen etwas verkaufen können. Immer hieß es die Antiquitäten seien nicht gut genug für ihre Sammlung. Aber diesmal horchte der Patrone auf. Diese Geschichte konnte di Pedro kaum erfunden haben. Schließlich hatte er sich sogar persönlich zu ihm bemüht.

Signore Anselmi stand mit dem Rücken gewandt zu den Fenstern des großzügigen Salons in seinem angestammten Familienwohnsitz, ganz in der Nähe des Canal de Grande. Die Fenster, eine riesige Boden-Dach Konstruktion aus Bleiglas und geschmiedetem Eisen waren mehr als dreihundert Jahre alt. Sie stammten aus der Zeit als das Kunsthandwerk der Glasbläserei stetig perfektioniert wurde. Kleine Bläschen in jedem der sechshundert individuellen Scheiben kennzeichneten jene Stelle wo der Glasbläser zu seiner Zeit das kleine Rohr in das feuerflüssige Material gesetzt hatte. Das durch die Fenster strömende Sonnenlicht warf einen rasterartigen Schatten auf den Fußboden, welcher ganz mit dem karierten Muster des hochwertigen Marmors übereinstimmte. Die Möbel waren alle antik und sorgfältig ausgesucht, so integriert in den Rest der Umgebung erstrahlten sie zudem in vollem Glanz. Es war ein Heim von außergewöhnlichem Wohlstand. Der Patrone wirkte wie eine zusätzliche Ausstattung oder wie eine elegante Erscheinung die einfach nur so dahin gestellt worden war. Er besaß eine Vorliebe für sündhaft teure Markenkleidung. Als letzter männlicher Erbe seines Clans stand er an der Spitze des Vermögens, welches seine Familie über Jahrzehnte erwirtschaftet hatte. Bald würde die letzte seiner sechs Töchter verheiratet sein und ihm bei Seite stehen, während er sich der zweiten Hälfte des fünfzigsten Lebensjahres näherte. Keiner seiner beiden Söhne, welche ihm zwei verschiedene Mätressen geboren hatten, würden ihm je ein würdiger Nachfolger sein. Vielleicht war es gerade das Fehlen eines würdevollen Erben welches ihn immer tiefer in die Schatten von dem was seine Familie konstruiert hatte eintauchen ließ. Das letzte Jahrhundert war ihnen besonders gütig gesonnen. Sein Großvater hatte mit Hilfe der Seefahrt und dem daraus resultierenden Handel gleich zwei lukrative Geschäftszweige hinzugefügt. In Gedanken versunken schweifte sein Blick durch die großen Panoramafenster über den Canal de Grande, wo jetzt nur noch einige wenige Gondeln zu sehen waren. Weit entfernt im Hintergrund wölbte sich die Rialto Brücke anmutig über das Wasser. Es war Anfang April, für Venedig die magische Zeit des Jahres. Die Inhaber der vielen kleinen Geschäfte waren noch zuvorkommend und befanden sich in voller Vorfreude auf die zu erwartenden Touristenströme. In wenigen Monaten würde ihr Lächeln eher gezwungen wirken und sich ihre Gutmütigkeit spürbar verändert haben. Gegen Ende der Saison waren alle mürrisch und genervt, froh die Touristen wieder los zu sein. In jedem Fall hatten sie ihr Jahreseinkommen in der Tasche.

»Was sagst du da? Ein goldener Kelch mit indianischen Symbolen?« Der Hausherr holte ein dickes, vergilbtes Buch aus seiner Bibliothek hervor. Auf dem Papyrus- Papier erschienen Berichte und Schilderungen von Priestern vom Untergang des Inkareiches. Skizzen und Zeichnungen zeigten Motive aus dem Alltag der Inkas. Plötzlich rief Signore di Pedro aufgeregt: »Da…ist er…« Dabei deutete er auf das Abbild eines Inkakriegers der einen großen Kelch in der Hand hielt.

»Genauso hat der Becher des Fremden ausgesehen.« Man beriet sich in Folge, was nun am besten zu tun sei. Die Familie Anselmi war mehr als nur interessiert den wertvollen Inka- Kelch für ihre Sammlung zu erwerben. Aber würden sie den geheimnisvollen Fremden wiederfinden? Außer das er groß und breitschultrig gewesen sei, hatte Signore di Pedro keine weiteren Angaben machen können. Sein wahres Antlitz hatte er hinter einer Karnevalsmaske versteckt.

Von dem großen Interesse welches ihr zeremonielles Trinkgefäß ausgelöst hatte, ahnte die kleine Inkaschar im Zentrum von Venedig zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Andres hatte das Geschäft von Signore di Pedro nicht wieder aufgesucht. Gelder der adeligen Familie von Sebastian Berzeviczys hatten die Notwendigkeit eines Verkaufs der wertvollen Reliquie zunächst gemindert. Von den Tätigkeiten im Hintergrund wusste sie nichts und genossen Venedigs fröhliche Atmosphäre, zumal Umina in der Zwischenzeit ein Kind von Andres erwartete. Es sollte voraussichtlich ein Junge werden.

Währenddessen schickte die Familie Anselm einen Boten nach Barcelona, um bei einem befreundeten Bankier Auskünfte über das Vorhandensein eventueller Inkaschätze in Europa einzuholen. Nach gut einem Jahr hatte man sie aufgespürt. Spanische Schergen waren bereits in der Stadt und arbeiteten mit dem Geheimdienst der Venezianer zusammen. In erster Linie war die Familie Anselmi die treibende Kraft. Man wollte sich einen eventuellen kostbaren Inka-Schatz sofort einverleiben.

Umina und ihr Vater Sebastian liebten die berühmten Theater Venedigs. Keine Stadt hatte mehr zu bieten. Dazu kamen die Privattheater des Adels, die Marionettentheater und Puppenspiele auf den Straßen. Es gab an Unterhaltung so viel sie nur wollten. In Krakau, wo Sebastian aufgewachsen war hatte es nur eine kleine Volksbühne gegeben. Umina waren Vorstellungen in geschlossenen, prunkvollen Räumen gänzlich unbekannt gewesen. Nur das allseits beliebte Spielkasino, Ridotto hatte man vor einigen Jahren geschlossen. An einem Abend besuchten Vater und Tochter wieder einmal eine der laufenden Vorstellungen. Umina war seit der Geburt ihres Sohnes Antonio nicht mehr ausgegangen und hatte sich sehr auf die fröhliche Abwechslung gefreut. Andres beabsichtigte die Abwesenheit seiner Frau zu einem Gespräch mit seinen Gefolgsleuten zu nutzen. Von Zeit zu Zeit traf man sich an verschiedenen Orten, um über Kultur-Angelegenheiten zu sprechen. Als er gerade im Begriff war sein Haus zu verlassen, vernahm er ein Klopfen an der schweren Eingangstür.

Ohne zu zögern zog Andres den schmiedeeisernen Riegel zurück, doch da war niemand, der vor der Tür wartete. Stattdessen bemerkte er etwas auf dem Boden liegen. Ein Stück Leder.

Schon beim auseinanderklaffen bemerkte er das knotenförmige Gebilde seiner Vorfahren.

»Ein Quipu, hier in Italien?« fragte er sich.

»Was hatte das zu bedeuten?« Er konnte sich kaum vorstellen, dass außer ihm in Venedig jemand der alten Inkasprache mächtig war. Das Quipu enthielt eine undeutliche Anweisung an ihn, in genau zwei Tagen allein den Glockenturm Campanille am Markusplatz aufzusuchen. Andres sah zunächst keinen Sinn in der Botschaft des Quipu, aber da sie in der alten Sprache seines Volkes gehalten war, musste sie von größter Wichtigkeit sein. Er beschloss der Anweisung Folge zu leisten.

Es war an einem trüben Freitagnachmittag, als er sich auf den Weg zur Campanille machte. Er passierte gemächlich den Palazzo Ducale. Der Dogenpalast welcher die Funktion des Regierungsgebäudes, Justizpalast und Staatsgefängnis ausübte, grenzte im Norden unmittelbar an den Markusdom, während im Osten die Seufzerbrücke den Palast mit dem Gefängnis verband. Sie war einzigartig, weil nicht auf Straßenhöhe gebaut, sondern auf dem Niveau des ersten Stockwerkes. Über diese Brücke wurden Gefangene in den Gerichtssaal des Palazzo Ducale geführt. Am Arco Foscari, einem Bogen mit den Statuen von Adam und Eva hielt sich Andres diesmal nicht lange auf, obwohl er gerade diese vorher immerzu bewundert hatte. Nun war es nur noch ein kurzes Stück über den Markusplatz bis hinüber zum Glockenturm. Seine Verfolger standen schon in den ehemaligen Geheimgängen der venezianischen Polizei bereit.

»Vamos! Acabamos con el« rief einer der wartenden Spanier der seine bevorstehende Bluttat gar nicht mehr erwarten konnte. Zu dritt schlichen sie auf den Glockenturm zu. Andres hörte gerade den vollen Klang der beiden riesigen Metallglocken zum fünften Mal hintereinander schlagen, als ihn ein heimtückischer Messerwurf in den Rücken traf. Der Inca Mozo erlag noch an Ort und Stelle seinen Verletzungen, während seine feigen Mörder unerkannt entkommen konnten und schon bald ihr nächstes Opfer in Augenschein nahmen. Nur die Inkaprinzessin selbst würde sie zum Versteck der Schätze ihrer Ahnen führen können. Die Leiche ihres Gatten entdecke man erst am nächsten Tag. Zunächst gab die Herkunft des fremd aussehenden Mannes mit den langen, schwarzen Haaren noch einige Rätsel auf.

In der Zwischenzeit lief Umina aufgeregt von einem Zimmer ins andere. Ihr Mann war seit gestern Abend nicht mehr nach Hause gekommen, ein Umstand der absolut untypisch für ihn war. Auch die Befragung ihrer nächsten Angehörigen brachte zunächst noch keinen Hinweis auf seinen Verbleib. Am späten Nachmittag jedoch erhielt sie traurige Gewissheit.

»Packt schnell eure Sachen zusammen«, rief Sebastian Berzeviczy der die schlimme Nachricht in der Stadt erfahren hatte. »Andres ist ermordet worden und auch wir sind hier nicht mehr sicher! Lasst mich noch die anderen warnen und dann nehmen wir das nächste Boot hinüber zur Insel Burano. Von dort aus sehen wir zu, dass wir nach Polen kommen. Ich denke auf der Festung meiner Familie sind wir noch am sichersten aufgehoben. Ohne von Andres Abschied nehmen zu können brachen sie auf. Sebastian, Umina und ihr kleiner Sohn Antonio, der nun der letzte Nachkömmling der Inkas war, sowie einige ihrer Gefolgsleute. Die schmerzliche Gegenwart hatte sie wieder eingeholt. Für die unbeschwerten Jahre in der pulsierenden Metropole Venedig hatten sie ein hohes Tribut zahlen müssen.

Niedzica, Polen ca.1793

In Niedzica steht auf einem hohen Felsen am Ufer des Stausees von Czorsztyn eine malerisch gelegene gotische Burg, deren heutige Gestalt noch aus der Renaissance stammt. Gebaut wurde die Burg in 566 Metern Höhe von Kokos von Brezovica auf prähistorischen Mauern am rechten Dunajetz-Ufer in den Jahren 1320 -26. Sie war ein bedeutender Ort für die ungarisch-polnischen Beziehungen und bildete zu jener Zeit den eigentlichen Grenzpunkt zwischen beiden Länder. 1326 wurde die Burg wie auch die gesamte Grafschaft der Familie Berzeviczy konfisziert und 1528 übergab der ungarische König Zapolya János die Burgherrschaft an Hieronymus Lasky, als Dank für seine Unterstützung. Im Jahre 1538 kaufte der Zipser Propst Ján Horváth die Burg Niedzica, die danach über Jahrhunderte hinweg renoviert und verändert wurde. Ihre letzten Bewohner waren Ungarn, die sie bei Eintreffen der Kriegsfront 1943 verließen. Nach dem Krieg war Burg Niedzica Stützpunkt der roten Armee.

Hier fühlten sie sich zum ersten Mal wieder richtig sicher und die Burg sollte jetzt für eine lange Zeit ihr zu Hause werden. Zumindest solange, bis sich die politische Lage in Peru wieder entspannt hatte. Vier Tage lang hatten sie noch in Italien auf die Hilfe ihrer polnischen Verwandten warten müssen. Drei lange Nächte hielten sie sich vor dem venezianischen Geheimdienst und den spanischen Schergen in einem der vielen kleinen, in kontrastreichen Farben gestrichenen Häuser versteckt, dann war es endlich vorbei. Am Abend des vierten Tages landeten Angehörige von Sebastian Berzeviczy auf der Insel Burano und brachten die letzten Nachfahren der Inkas über den Seeweg nach Dalmatien und dann sicher auf die Burg Niedzica.

In San Marcos, dem vornehmen Viertel von Venedig hatte man die Flucht der Inkaprinzessin sehr wohl bemerkt. Nicht nur die Spanier waren darüber sehr aufgebracht, auch die Familie Anselmi sah ihre Felle dahin schwimmen. Aufgeben wollte jedoch niemand. Nun sollten professionelle Kopfgeldjäger Umina aufspüren. Man wollte den Goldschatz finden und gleichzeitig die verhasste Inkadynastie für immer auslöschen. Der Tod der letzten Inkaprinzessin war beschlossene Sache.

Im Dörfchen Niedzica war unterdessen wieder Ruhe eingekehrt. Die anfängliche Aufregung über die neuen Besucher hatte sich langsam gelegt und man ging wieder seinen alltäglichen Beschäftigungen nach. Um die Fremden auf der Burg kümmerte sich niemand mehr. Deren Anspannung lockerte sich allmählich und damit leider auch die nötige Vorsicht. Man war vernarrt in Antonio, Uminas kleinen Sohn, der für sich alleine drei Hofdamen beschäftigte und ständig im Mittelpunkt des Geschehens stand. Wie sehr er doch seinem Vater Andres ähnelte. Die Hoffnungen der letzten Inkas ruhten nun auf ihn.

Unbemerkt von Gut und Böse erreichte eine andere Gruppe den Ort Niedzica. Es war Sommerzeit und die sechs Männer beschlossen in den Wäldern nahe der Burg eine vorübergehende Unterkunft zu bauen. So würden sie das Treiben dort ungestört beobachten können. Dazu wollten sie jeweils nur einzeln ins Dorf hinabsteigen, um kein unnötiges Aufsehen zu erregen. Je nach Lage der Dinge wollte man dann einen geeigneten Plan ausarbeiten und das mörderische Vorhaben ausführen. Schon bald war ihnen klar, dass sie zu einer List greifen mussten, denn es war unmöglich unerkannt auf die Burg zu gelangen. Hector der Spanier verkleidete sich als Zimmermann und suchte allabendlich die dunklen Wirtshäuser von Niedzica auf. Dort gab er sich großzügig und freundete sich mit den Einheimischen an, die wie er jene Lokalitäten besuchten. Hector ließ verlauten, er sei auf der Suche nach Arbeit und habe bereits in Frankreich auf Burgen und Schlössern gearbeitet. Unter den anrückenden Truppen Napoleons hatte er allerdings zu Verwandten nach Ungarn fliehen müssen. Seine Geschichte klang durchaus glaubhaft und man riet ihm dazu, bei der Familie Berzeviczy auf Burg Niedzica vorzusprechen. Nachdem er sich mit seinen Männern beraten hatte, betrat er einige Tage später zum ersten Mal die besagte Festung. Der Plan nahm langsam konkrete Pläne an.

»Sie kommen wie gerufen«, meinte Graf Berzeviczy zu dem angeblichen Zimmermann, der sich da bei ihm vorstellte. »Die Burg wird gerade umgebaut und das Dach eines der beiden Türme bedarf dringender Erneuerung.« Somit wurde Hector angestellt und keiner argwöhnte darüber, wen man sich da auf die Burg geholt hatte. Anfragen von Tagelöhnern und Handwerkern waren an der Tagesordnung. Niemand schöpfte Verdacht. Von nun an ging Hector täglicher seiner Arbeit nach. Schon bald erkannte er in Antonio, dem Sohn der Inkaprinzessin die eigentliche Schwachstelle der Hausherren. In dieser Zeit machte er sich rar bei seinen Kameraden, schaffte es aber trotzdem ihnen einen detaillierten Grundriss von der Burg zukommen zu lassen. Darin hatte er sämtliche Räumlichkeiten selbst eingetragen.

Umina bewohnte mit ihrem Sohn Antonio den hinteren Trakt, der hell gestrichen war und in zwei halbrunde Türme mit spitzen Dächern mündete. Ihr Vater Sebastian bewohnte das Haupthaus und die kleine Schar Verbündeter teilte sich die Räume im untersten Stockwerk. Uminas Zimmer endete in einer Aussichtsnische mit rundem Bogen. Davor stand eine Holzbank, die es ihr ermöglichte den herrlichen Ausblick auf den Fluss Dunajec zu genießen. Noch ahnte niemand etwas von der drohenden Gefahr.

Alles hatte so einfach ausgesehen, aber wo war der verdammte Schatz? Hector suchte so gut er konnte ohne jedoch das Versteck zu finden. Mittlerweile waren seine Arbeiten auf Burg Niedzica fast beendet und die bisher einzige Idee die er hatte, war den kleinen Antonio zu entführen, und ihn gegen den Schatz einzutauschen. Über die Erfolgsaussichten eines solchen Unternehmens war man jedoch unter seinen Mitstreitern geteilter Meinung. Erst nach einem längeren hin und her wurde beschlossen einen Entführungsversuch zu versuchen. Dabei dachte man zunächst daran, über das Fenster in das Zimmer der Prinzessin einzudringen. Dann aber hatte Hector einen besseren Vorschlag. Er wollte am kommenden Abend beim Verlassen der Burg das Gittertor der Katakomben geöffnet lassen. Mit Hilfe seines selbst erstellten Plans würden dann seine Helfer in den unteren Teil der Burg eindringen und sich bis zu Uminas Räumlichkeiten vorarbeiten können. Aus diesem Grund hatte er bereits seit Tagen die von den Adeligen üblicherweise getragenen Samtroben im Kellergewölbe versteckt. Diese würden sich seine Männer überziehen und noch zusätzlich eine traditionelle, schwarze Kopfbedeckung tief ins Gesicht drücken. Damit, so hofften sie, würden sie nicht weiter auffallen. Stets befand sich eine größere Anzahl Kaufleute zu Besuch bei den Berzeviczys. Unbekannte Gesichter auf der Burg Niedzica waren keine Seltenheit und absolut nichts, worüber man sich Gedanken machen musste.

Mühelos drangen die Männer bis zum Gemach der Prinzessin vor und hebelten geräuschlos die schwere Holztür aus ihrer Befestigung. Von dem kleinen Jungen war allerdings nichts zu sehen. Umina, die mittlerweile aufgewacht war, wollte um Hilfe schreien, wurde aber sofort von Hectors Männern überwältigt.

Eine der Hofdamen würde sie später im Morgengrauen, auf dem Bett liegend vorfinden. Sie war mit ihrem eigenen, seidenen Schal erdrosselt worden. Dabei hatten Uminas Mörder sie allerdings so geschickt eingewickelt, dass jeder annehmen musste, sie würde noch schlafen. Unerkannt konnten die Häscher über die naheliegende ungarische Grenze entkommen. Ein Suchtrupp des Grafen kehrte unverrichteter Dinge nach Niedzica zurück. Die Nachricht von der Ermordung der Inka-Prinzessin verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter der Bevölkerung. Fieberhaft wurde nach den Mördern gesucht. Ohne Erfolg. Seltsamerweise wurde auch ein gewisser Hector seit dem Vorfall nicht mehr auf der Burg gesichtet, obwohl im noch ein Großteil seines Lohnes zustand. Über sein Verschwinden wurde wild spekuliert.

Die Familie Berzeviczy stand unter Schock. Besonders Sebastian machte sich schwere Vorwürfe. Schließlich hatte er die letzten Nachkommen der Inka auf sein Gut geführt und nun war seine Tochter auf gewaltsame Art und Weise ums Leben gekommen.

War ihr Schicksal von den Göttern vorbestimmt gewesen? Lag gar ein Fluch auf Uminas Familie?

Unter großer Anteilnahme der Dorfgemeinschaft fand die Inkaprinzessin ihre letzte Ruhe in der Familiengruft der Berzeviczys auf der Burg Niedzica.

Sebastian Berzeviczy war verzweifelt und fühlte sich unendlich müde. Man hatte ihm alles genommen, was er in seinem Leben liebte. Er hatte alles getan, um das Herrschergeschlecht der Inkas zu retten, hatte sich selbst unsagbaren Strapazen ausgesetzt, nur um sich am Ende seine eigene Hilflosigkeit eingestehen zu müssen. Er, der die grausamen Bluttaten nicht hatte verhindern können, wollte nun wenigstens versuchen, seinen Enkel, den kleinen Antonio und nunmehr letzten Inkaprinzen, ein- und für allemal vor Verfolgungen zu schützen. Dafür gab es nur einen Ausweg. Antonio musste schleunigst von der Burg Niedzica verschwinden und dazu am besten auch ganz aus der Familie Berzeviczy und Tupac Amaru. Und trotzdem sollte sein Enkel wohlbehütet und in geregelten Verhältnissen aufwachsen. Die Lösung war denkbar einfach. Er würde den kleinen Antonio zur Adoption freigeben. Ein entsprechendes Ehepaar war schnell gefunden, und so wurde aus Antonio Tupac Amaru am 21. Juni 1797 Anton Benesz. Die Kostbaren Goldobjekte wurden irgendwo vergraben. Der geheime Code aus geknüpften Schnüren aber sollte Antonio später einmal zu seinem Erbe führen. Das bestimmte die Adoptionsurkunde. Uminas Vermächtnis enthielt genaue Informationen über die Verstecke der sagenumwobenen Schätze der Inkas.

Sebastian Berzeviczy starb 1798 in Krakau und Anton Benesz heiratete die Polin Jagiella mit der zusammen er zwei Söhne und zwei Töchter hatte. Nach dem Tod seines Vaters Anton im Jahre 1877 bekam dessen ältester Sohn Ernst die Familiendokumente überreicht und fast hätten sich die Vorfälle für immer im Dunkel der Geschichte verloren, weil sich dieser Zeit seines Lebens nicht für den Schatz interessiert.

Anders jedoch sein Urenkel, ein gewisser Andrzej Benesz. Der spätere Vizepräsident des Parlaments der Volksrepublik Polen sollte in den dreißiger Jahren erstmals von dem geheimnisvollen Schatz erfahren…

Krakau, 1946

Schon seit zwei Tagen saß Andrzej Benesz aus dem kleinen Dorf Bochnia über Archiven im Sanktuarium des Heiligen Kreuzes in Krakau. Unablässig wühlte er in den historischen Schriften. Erst nach langjähriger Arbeit hatte er etwas Licht in die dunkle Vergangenheit seiner Familie bringen können, doch seit er etwas über einen mysteriösen Schatz und der direkten Verbindung seiner Familie zu den einst mächtigen Inkas im fernen Peru erfahren hatte, ließ in der Gedanke daran nicht mehr los. Dabei war er auf das riesige Archiv der Heiligen Kreuz Kirche gestoßen, wo sämtliche Unterlagen der Herrschaftsfamilien von Burg Niedzica aufbewahrt wurden. Verloren wühlte er sich durch die Unterlagen und begutachtete ein vergilbtes Dokument nach dem anderen. Und dabei konnte er sich noch glücklich schätzen, denn es war gar nicht so einfach gewesen, die Obrigen des Zisterzienserordens für sein Vorhaben zu gewinnen. Immerhin hatte man nach einigen Verhandlungen dann doch für seinen Wunsch, etwas mehr über die Geschichte seiner Familie in Erfahrung zu bringen, Verständnis gezeigt. Den Schatz der Inkas hatte er natürlich mit keinem Wort erwähnt. Zunächst erschienen Urkunden von Käufen irgendwelcher Ländereien, die zur Burg Niedzica gehörten und die seine Ahnen getätigt hatten. Aber die Besitzer der Burg hatten mehrfach gewechselt. Und dann sah er es und wäre vor Freude fast in die Luft gesprungen. In seinen zitternden Händen hielt er eine längst verschollen geglaubte Adoptionsurkunde seines Urgroßvaters. Die im Exil lebenden Inkas hatten ausdrücklich darauf bestanden, dass der Adoptivvater Vaclav Benesz-Berzeviczy das Vermächtnis Tupac Amarus an dessen Sohn Anton bei Erreichen der Volljährigkeit weitergeben musste. Andrzej Benesz konnte sein Glück kaum fassen. Vorsicht schaute er sich immer wieder nach allen Seiten um, bevor er anfing, die der Adoptionsurkunde beigefügten Schriften zu entziffern. Die Burg Niedzica wurde erwähnt und von einer Stufe unterhalb der Eingangstür, die zum hinteren Teil der Burg führte war da auf Umwegen die Rede. Das genügte ihm. Zwar täuschte er Gleichgültigkeit vor, als er das Archiv der Heilig- Kreuzkirche verließ, innerlich jedoch war er vollkommen aufgewühlt. Der geheimnisvolle Inkaschatz schien jetzt zum Greifen nah zu sein. Er konnte nur nicht einfach auf die Burg marschieren und dort anfangen zu Graben. Die noch ungarischen Besitzer würden sicher etwas dagegen haben. Also versuchte er es mit dem offiziellen Weg. Zunächst schenkte man ihm keinen Glauben. Erst als er sich an einen lokalen Archäologen wandte, reagierte die hiesige Verwaltungsbehörde. Am 31. Juli 1946 entfernte man auf der Burg in Zusammenarbeit mit dem Tischler Szydlakow die obere Treppenstufe und fand dort ein verschlossenes Zinnrohr von etwa fünfzehn Zentimetern Länge, genau wie in Uminas Testament beschrieben. Hastig versuchte man die Endkappen zu öffnen. Keiner sprach ein Wort. Die Anspannung war kaum noch zu ertragen. Zum Vorschein kamen: Eine abgenutzte Ledermappe und ein kleines Etui gleichen Materials. Letzteres enthielt verschiedene goldene Schmuckstücke: Zwei paar Ohrringe, einen Siegelring und einen Armreif. Voller Ehrfurcht nahm Andrzej Benesz die wertvollen Artefakte in seine Hand. Das alles müssen seine Vorfahren vor vielen Jahren einmal getragen haben. Das außergewöhnlichste Objekt jedoch war ein Gebilde aus Knotenschnüren, wie sie es nur die Inkas anfertigen konnten. Fortan war Andrzej Benesz überzeugt: Irgendwo in der Nähe von Niedzica mussten die Inkas einen gewaltigen Schatz versteckt haben, mit dem sie eventuell Waffen für den Kampf ihrer Landsleute gegen die Spanier kaufen wollten. Die Frage war nur wo. Benesz wusste es nicht. Und wo immer er sich auch in den kommenden Jahren erkundigen würde, das Quipu konnte niemand mehr entschlüsseln. Das genaue Wissen um die Knotenschnüre war mit dem Untergang des Inka-Reiches verloren gegangen. Beim Versuch den Inhalt des Quipu zu entschlüsseln kam es im Laufe der Zeit zu mehreren mysteriösen Todesfällen und Personen die damit zu tun hatten verschwanden spurlos. Bekannt ist der Inhalt bis heute nicht, da das Quipu selbst verloren ging. Vielleicht hätte man Andrzej Benesz nicht wirklich ernst genommen, wäre er nicht später Präsident des polnischen Parlaments geworden. Da er in Polen den Schatz nicht finden konnte, organisierte der hochrangige Politiker Anfang der siebziger Jahre zwei Expeditionen nach Peru. Nochmals versuchte er die geheimnisvolle Schrift entziffern zu lassen. Doch beide Male verschwanden die Expeditionsteilnehmer spurlos. Ende Februar 1976 fand die Jahrzehnte lange Schatzsuche ein jähes Ende. Andrzej Benesz verunglückte tödlich bei einem nie vollständig geklärten Autounfall auf dem Weg von Warschau nach Danzig. Angeblich genau einen Tag bevor er seinen Sohn zu dessen achtzehnten Geburtstag gemäß alter Familientradition in die Geheimnisse der Familie Benesz einführen wollte. Bis heute reisen die Schatzsucher zur Burg Niedzica und werden regelmäßig von den Bewohnern der umliegenden Dörfer auf die unsichtbare Gefahr hingewiesen. Auf dem Inka-Schatz lastet ein Fluch, dem alle zum Opfer fallen, die danach suchen. Man erinnere sich nur an den Museumskurator, der eines Tages die Burg einfach verließ und dann nur noch einmal gesehen worden sein soll, angeblich in einem Archiv in Madrid, über alte Schriften gebeugt und unverständliches Zeug murmelnd. Und war nicht Ende der achtziger Jahre ein Pendelkundiger aus Kattowitz in den Ort gekommen und bei seinen Berechnungen tot am Tisch zusammengebrochen?

Kapitel 2

Southampton, England

07. Nov. 2007

Die platinblonde Lady, die an der Stirnseite unseres perfekt gedeckten Tisches saß, starrte mich mit einem Blick an, der mich prompt zu dieser Hilflosigkeit verdammte, die einem toten Fisch aus meiner Tiefkühltruhe gleichkam.