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Die jungen Königinnen E-Book

Kendare Blake

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Beschreibung

Die Vorgeschichte zu "Der schwarze Thron" über die Kindheit der Königinnen von Fennbirn.

Es gab eine Zeit, in der Mirabella, Arsinoe und Katharine noch nicht alles dafür getan hätten, den Thron zu erringen. Eine Zeit, in der sie nicht von rivalisierenden Herrscherhäusern darauf trainiert wurden, ihre Schwestern zu töten. Eine Zeit, in der sie einfach Schwestern waren. Dies ist die Geschichte der drei Königinnen bevor sie getrennt wurden, als sie sich noch lieben und beschützen durften. Und es ist die Geschichte ihrer Trennung, die Geschichte wie sie zu Rivalinnen bis auf den Tod wurden ...

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Buch

Es gab eine Zeit, in der Mirabella, Arsinoe und Katharine noch nicht alles dafür getan hätten, den Thron zu erringen. Eine Zeit, in der sie nicht von rivalisierenden Herrscherhäusern darauf trainiert wurden, ihre Schwestern zu töten. Eine Zeit, in der sie einfach Schwestern waren. Dies ist die Geschichte der drei Königinnen bevor sie getrennt wurden, als sie sich noch lieben und beschützen durften. Und es ist die Geschichte ihrer Trennung, die Geschichte wie sie zu Rivalinnen bis auf den Tod wurden …

Autorin

Kendare Blake studierte in London Creative Writing, ehe sie ihre Leidenschaft zum Beruf machte. Die »New York Times«-Bestsellerautorin hat bereits mehrere Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht, der große Durchbruch aber gelang ihr mit der düsteren Fantasy-Saga »Der Schwarze Thron«. Kendare Blake wurde in Südkorea geboren und lebt heute in Kent, Washington. Die Tierfreundin liebt Reisen, Schokolade und Computerspiele.

Kendare Blake

Die jungen Königinnen

Short Story

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Charlotte Lungstrass-Kapfer

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Die amerikanische Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel »The Young Queens« bei HarperTeen.
E-Book-Ausgabe 2019 bei Penhaligon, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, München Neumarkter Str. 28, 81673 München All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. Umschlaggestaltung und -illustration: Isabelle Hirtz, Inkcraft Redaktion: Waltraut Horbas Herstellung: SaM Satz: dtp im Verlag ISBN: 978-3-641-23411-9 V002
www.penhaligon.de

Prolog

Die Schwarze Kate

Der Tag, an dem jene Königinnen geboren wurden, die man später als Mirabella, Arsinoe und Katharine kennen sollte, war sehr ruhig – vollkommen gewöhnlich, ohne jedes Vorzeichen. Kein Sturm kündigte heulend die Geburt einer Elementwandlerin an. Keine blutige Fischschwemme an den Klippen deutete auf eine Kriegerin hin. Überall auf Fennbirn – von der Hauptstadt Indridskamm bis zu den kleinsten Dörfern – trafen die Alten und die immer seltener werdenden Seher ihre Vorhersagen und schluckten Tränke, um sich in Trance zu versetzen. Es endete damit, dass sie betrunken umkippten, während die Orakelknochen auf dem Boden noch immer keinerlei Sinn ergaben. Die Drillinge wurden in aller Stille geboren, und die einzigen Zeugen waren die Königin, ihr Prinzgemahl und die Hebamme.

Drei schwarze Hexen, hätte man auf dem Festland gesagt. Zur Welt gebracht von einer scheidenden Königin. Eine von ihnen würde letztlich ihre Nachfolge antreten. Vielleicht die stärkste der drei. Vielleicht die schlaueste. Oder vielleicht auch das Mädchen, das vom Glück bevorzugt wurde.

»Eine leichte Geburt«, stellte die Hebamme fest. »Du hattest Glück, Königin Camille.«

»Leicht«, höhnte Camille gereizt. »Du hast leicht reden, Willa.« Doch auch wenn ihr gesamter Körper schmerzte und brannte und sie kaum noch die Augen offen halten konnte, wusste sie, dass es schlimmer hätte verlaufen können. Von dem Moment an, als ihre Schwangerschaft bekannt wurde, hatte ihre Ziehschwester Genevieve Arron sie mit Geschichten über Geburten traktiert, die schiefgelaufen waren. An Camilles letztem Tag im Volroy vor ihrer Abreise zur Schwarzen Kate, wo die Niederkunft stattfinden sollte, hatte Genevieve so lange von Blut und Schmerzen gesprochen, dass Camille beinahe ohnmächtig geworden wäre. Sie war ruckartig stehen geblieben und hatte sich nicht mehr gerührt – als ob sie durch absolute Reglosigkeit verhindern könnte, dass die Drillinge sich auf den Weg machten. Erst als ihre älteste Ziehschwester Natalia stützend ihren Arm nahm, hatte sie sich von ihr zur Kutsche führen lassen.

»Lass dich nicht verrückt machen, Camille«, hatte Natalia gesagt. »Königinnen bringen seit Jahrtausenden Drillinge zur Welt.«

»Aber die haben nicht alle überlebt«, hatte Genevieve weiter gestichelt. »Ich wollte sie nur darauf vorbereiten, damit sie die Zeichen erkennt, wenn etwas schiefgeht. Dann kann sie um ihr Leben kämpfen.«

Genevieve – jünger als die Königin und extrem verzogen, außerdem so niederträchtig wie die Schlangen, mit denen sie sich bei formellen Anlässen schmückten.

Camille ließ sich in die Kissen sinken und dachte an ihre letzten Tage im Volroy zurück. Willa legte ihr einen kühlen Lappen auf die Stirn.

»Tja«, die Hebamme strich der Königin die schwarzen Haare aus dem Gesicht. »Du atmest noch, oder?«

Camilles Blick wanderte zu den drei Korbwiegen auf der anderen Seite des Raumes, in denen die schlafenden Königinnen lagen. Die erste von ihnen – Mirabella – war in einem solchen Sturm und mit so viel knisternder Energie auf die Welt gekommen, dass Camille ihre Gabe herausgebrüllt hatte, noch bevor sie ihr einen Namen gab: Elementwandlerin Mirabella. Wenig später war Arsinoe die Giftmischerin gekommen; Willa hatte kaum genug Zeit gehabt, Mirabella zu waschen und in eine Decke zu wickeln. Doch die kleine Naturbegabte Katharine hatte ihr eine Pause gegönnt und sich so viel Zeit gelassen, dass zu befürchten war, ihre Schwestern würden anfangen zu quengeln.

»Ich habe es geschafft«, flüsterte Camille, während ihr die Augen zufielen. »Ich habe überlebt. Nun ist meine Herrschaft beendet.«

*

Als sie aufwachte, waren die Wiegen verschwunden. Willa hatte sie bereits in die Kinderstube am anderen Ende des Flurs gebracht. Stattdessen war ein Sessel aufgetaucht, in dem leise schnarchend ihr Prinzgemahl saß.

Der liebe Philippe. Da sie unter den Freiern, die von den Arrons gebilligt wurden, keinen Favoriten gehabt hatte, war die Entscheidung um ihre Hand bei der großen Hirschjagd gefallen. Manchmal hatte sie das Gefühl, als wäre dies das einzige Mal gewesen, dass die Göttin ihr etwas Glück zugestand. Obwohl er gegenüber den Arrons kaum Macht besaß, hatte er Camille immer aufrichtig geliebt, und ein Leben mit ihm fernab von der Insel war alles, was sie sich seit Langem erträumte. Als sich bereits in ihrem siebten Regierungsjahr die Drillinge ankündigten, war sie überglücklich gewesen.

Nun würden sie gehen und diese Insel gegen eine ganze Welt eintauschen. Dort draußen wäre sie einfach nur eine Frau, die selbst über ihr Leben bestimmen konnte. Dafür musste sie lediglich ihre Krone aufgeben, und die hatte sie sich bereits während der Wehen vom Kopf gerissen.

Camille sah sich im Zimmer um. Willa hatte sorgfältig aufgeräumt, während sie geschlafen hatte. Die blutigen Tücher und das Tablett mit den scharfen Klingen waren verschwunden – der Stoff verbrannt und die Messer wieder im Schrank verstaut, bis die nächste Königin vielleicht weniger Glück hatte, sodass man die Drillinge aus ihr rausschneiden musste. Milder Weihrauchduft vertrieb den Gestank von Schweiß und Blut, und im Kamin brannte ein warmes, knisterndes Feuer.

Draußen herrschte tiefe Dunkelheit – die Schneewehen reflektierten kaum das Mondlicht der kalten Dezembernacht. Camille schwang vorsichtig die Füße über die Bettkante und zuckte sofort zusammen. Nachdem sie kurz durchgeatmet hatte, stützte sie ihren leeren, schwer herabhängenden Bauch und wuchtete sich mithilfe der freien Hand hoch. Einen Moment lang war ihr schwindelig, sodass sie schon befürchtete, der Aufprall ihres ohnmächtigen Körpers würde Philippe aus dem Schlaf reißen. Doch die Schwäche verging schnell. Sie legte sich die Bettdecke wie ein Umschlagtuch um die Schultern und ging hinaus.

»Wo willst du hin, Liebste?« Anscheinend hatte Philippe weniger tief geschlafen als angenommen, denn als sie an ihm vorbeiging, hielt er sie am Handgelenk fest. »Du musst dich ausruhen. Wir haben morgen eine lange Reise vor uns.« Nachdem er ihr bleiches Gesicht gemustert hatte, wanderte sein Blick zu der Spur aus feinen Blutstropfen auf dem Boden.

Ein sanftes Tätscheln reichte aus, damit er sie losließ. Seine schweren Lider schlossen sich bereits wieder. Auch nach sieben Jahren auf der Insel war er innerlich noch immer ein Mann vom Festland und deshalb davon überzeugt, dass sie sich mit diesen weiblichen Mysterien besser auskannte.

»Ich will nur kurz nach ihnen sehen.«

»Soll ich mitkommen?«

Camille schüttelte den Kopf. Philippe war ein starker Prinzgemahl, aber dafür war er einfach zu weichherzig. Wenn er die Drillinge erst einmal sah, würde er sie halten wollen. Und wenn er sie hielt, könnte er auf die Idee kommen, dass die Mädchen seine Kinder waren, und nicht die Kinder der Insel.

Königin Camille ging durch den hohen Korridor der Schwarzen Kate und stützte sich vorsichtig mit einer Hand an der Wand ab. Die Lampen in der Kinderstube verbreiteten sanftes, warmes Licht, und drinnen vertrieb ein fröhliches Feuer die Kälte.

Ganz ähnlich wie Camilles Prinzgemahl saß auch Willa schlafend in einem Sessel. Allerdings sah sie dabei weniger hübsch aus. Ihr Kinn war herabgesunken und der Kopf zur Seite gerollt. Ihr Schnarchen erinnerte an ein Trüffelschwein kurz vor dem großen Fund.

Leise schlich Camille an ihr vorbei. Die frisch geborenen Königinnen waren ganz in Schwarz gekleidet, jeweils mit einem kleinen Farbtupfer, der ihre jeweilige Gabe zeigte: blaue Knöpfe für Elementwandlerin Mirabella und ein violetter Aufnäher bei Giftmischerin Arsinoe. Die winzige Naturbegabte Katharine war mit hübschen grünen Bändern geschmückt. Auch an den Wiegen waren Dekorationen angebracht, die für die verschiedenen Gaben standen – ein Kissen in Form einer Wolke, ein Mobile mit Schlangen und Spinnen, eine mit Blumen bestickte Steppdecke.

»Erfreut euch an den Farben, meine kleinen Königinnen«, flüsterte Camille. »Schon bald heißt es nur noch schwarz, schwarz, schwarz.«

Die schlafenden kleinen Gesichter waren rot und faltig. Selbst bei ihrer Geburt hatten sie zornig ausgesehen, was Camille ihnen nicht verdenken konnte. Sie würden kein einfaches Leben haben. Und für zwei von ihnen würde es schnell zu Ende gehen.

Camille war eine Giftmischerin, wie vor ihr auch schon Königin Nicola und Königin Sylvia. Drei Generationen von Giftmischerköniginnen. Fast schon eine Dynastie. Doch das Blut der Giftmischerköniginnen wurde dadurch nicht, wie anzunehmen gewesen wäre, gestärkt, sondern es schien vielmehr immer schwächer zu werden. Die Arrons gediehen prächtig in ihrer Machtposition – ebenso wie die anderen Giftmischerfamilien in Prynn und in der Hauptstadt –, aber Sylvia war stärker gewesen als Nicola, und Camille war von ihnen allen die schwächste. Im Laufe der Jahrhunderte hatten sich die anderen Gaben auf der Insel nach und nach abgeschwächt: Elementwandler beherrschten nun nicht mehr alle, sondern nur noch je ein Element, und die Krieger verloren die Fähigkeit, nur mithilfe ihrer Gedanken ihre Waffen zu lenken. Die Familien der Naturbegabten wurden kleiner und kleiner. Und die Propheten … Wahre Seher gab es so gut wie gar keine mehr, nachdem nun schon seit Generationen alle Prophetenköniginnen direkt nach der Geburt ertränkt wurden.

Mit der Insel ging eine Veränderung vor sich, und auch mit dem Blut der Königinnen. Camille konnte es spüren. Was ihr allerdings niemand glaubte. Wenn sie anfing, von so etwas wie den Instinkten einer Königin zu sprechen, hörten die Arrons einfach nicht hin. Eigentlich hörten sie sowieso nie hin, wenn Camille etwas sagte. Ihr ganzes Leben lang war sie von ihnen herumgeschubst worden, bereits von dem Moment an, als man sie hier in dieser Kate abgeholt hatte. Versagte sie, hagelte es Vorwürfe. Regieren ließ man sie nicht. Mit jeder weiteren Giftmischerin auf dem Thron wurde die Königin selbst unbedeutender. Das Blut der Königinnen sei nicht wichtig, behaupteten die Arrons. Wichtig sei nur, dass die Göttin die Giftmischer offenbar bevorzuge.

Die kleinen Drillinge waren schon in ihren Wiegen von einer Art summender Aura umgeben, die mit ihrer Gabe einherging. Diese Energie, die man wohl am ehesten mit einem individuellen Geruch oder einem Herzschlag vergleichen konnte, war ihre Verbindung zur Göttin und zu der Blutlinie der Königinnen, aus der auch Camille hervorgegangen war. Durch sie hatte die Königin auch gewusst, welche Gaben ihre Kinder in sich trugen, und sie Willa wie in Trance noch während der Geburt genannt, zusammen mit ihren Namen. Ja, es war wie eine Trance. Bei Arsinoe und Katharine war von dieser Aura nun kaum noch etwas geblieben – vor allem bei Katharine war es nur ein feiner Hauch. Aber Mirabella strahlte geradezu.

»Was machst du hier, Königin Camille?«

Erschrocken zuckte Camille zusammen. Einen Moment lang hatte Willa geklungen wie das Oberhaupt des Arron-Clans.

»Gar nichts.« Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, während Willa sich aus dem Sessel erhob und langsam zu ihr herüberkam. »Ich sehe sie mir nur an. Wurden die Boten bereits ausgesandt?« Noch während sie in den Wehen gelegen hatte, waren Boten zur Schwarzen Kate bestellt worden, die nun die Nachricht nach Rolanth, Indridskamm und Wolfsquell bringen würden – also in die Städte der Elementwandler, Giftmischer und Naturbegabten.

»Wurden sie. Sind losgeritten, bevor es dunkel wurde.«

Camille saugte an ihrer Wange. Nach Indridskamm hätte man kaum noch jemanden schicken müssen. Die Giftmischer waren sich ihrer Bestimmung nur allzu sicher.

Dann deutete sie mit dem Kopf auf das Baby in der himmelblauen Decke.

»Sie, Mirabella. Sie wird die nächste Königin sein.«

Obwohl sie schon lange keine Priesterin mehr war, blieb Willa den Traditionen des Tempels offenbar treu, denn sie vollzog eine fromme Geste, indem sie die Hand zunächst an die Augen und dann ans Herz führte.

»Diese Entscheidung liegt bei der Göttin«, sagte sie. »Sie allein bestimmt, wer über die Insel herrscht.«

Camille holte tief Luft. Plötzlich schienen die Wände der weitläufigen Kate, in der diese Königinnen ebenso ihre ersten sechs Lebensjahre verbringen würden wie sie selbst es getan hatte, immer näher zu rücken. Schienen sie zu zerquetschen. Hier würden sie spielen, hier würden sie sich Zöpfe flechten. Hier würden sie Laufen lernen, herumrennen und sich – wenn sie Glück hatten – nicht allzu liebgewinnen.

»Sie entscheidet«, nickte Camille. »Aber die Königin weiß es. Und bei diesen beiden habe ich mich geirrt.« Sie zeigte auf Giftmischerin Arsinoe und Naturbegabte Katharine. »Arsinoe ist die Naturbegabte. Katharine ist … eine Giftmischerin.« Beinahe hätte sie Kriegerin gesagt, um den Arrons ihre Königin komplett zu verweigern. Aber das würden sie niemals glauben. Sie würden Untersuchungen anstellen und es zu gründlich nachprüfen.

»Camille …« Willa schüttelte warnend den Kopf.

Verbissen knirschte Camille mit den Zähnen. Sie hatte noch immer Blutungen und war vollkommen erschöpft. Vermutlich starb sie nun doch noch, aber ganz langsam. Doch mit reiner Willenskraft schaffte sie es, Stärke zu zeigen. Sich dieses eine Mal als wahre Königin zu zeigen.

»Mirabella wird auf dem Thron sitzen, das kann ich deutlich sehen. Ich spüre es. Und sie wird eine große Königin sein. Die beiden anderen werden nicht lange leben. Katharines Gabe ist so schwach, dass sie sich niemals ganz entwickeln wird. Und Arsinoe … Es wird nicht noch eine Giftmischerin auf dem Thron geben. Aber wenn die Arrons eine talentierte Giftmischerin bekommen, werden sie sie leiden lassen. Sie werden sie ausbilden und niedermachen. Werden sie schlagen, wenn sie etwas falsch macht. Wie sie es mit mir gemacht haben.«

»Was werden sie dann erst mit Königin Katharine anstellen?«, gab Willa zu bedenken.

»Was können sie mit einem Mädchen ohne Gabe schon anderes tun, als es in Frieden zu lassen?« Camille schluckte krampfhaft. Eine Lüge. Es gab eine Menge, was die Arrons einem Mädchen ohne Gabe antun konnten. Alles, was sie Camille angetan hatten, und Schlimmeres. Aber zumindest würden sie scheitern. Zumindest würde ihre Königin nicht gewinnen.

Sie musterte die kleine Katharine; das Kind, das bereits dem Untergang geweiht war. »Zieh die Königinnen um, Willa, damit die Farben richtig sind.«

Willas Blick wanderte zwischen Arsinoe und Katharine hin und her. »Wenn Mirabella die auserwählte Königin ist, spielt es ja eigentlich keine Rolle.«

»Ganz genau«, bekräftigte Camille. Sie kannte Willa, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war. Damals war Willa noch jung gewesen, hatte mitten in der Ausbildung zur Hebamme gesteckt, als sie die Geburt von Camille und ihren Schwestern begleitet hatte. Und sie hatte die drei Königinnen dann auch großgezogen. Hatte sie mit Süßigkeiten und lustigen Spielen überhäuft. Sie waren glücklich gewesen.

»Du hast dich so gut um mich gekümmert, Willa«, sagte Camille. »Du hast mich geliebt.«

»Ich habe euch alle geliebt.«

»Und du liebst mich heute noch.« Camille presste die Lippen zusammen. Während der schlimmen Albträume, der Schreikrämpfe, der drückenden Depressionen, die sich wie eine Schlinge um den Hals einer Königin legten, wenn die Geburt näher rückte. Während der tagelangen Krämpfe, bei denen Camille versucht hatte, sich die Bauchdecke aufzukratzen, nur um die Babys herauszubekommen. Willa war da gewesen, hatte ihr beruhigenden Tee gekocht, ihr erklärt, dass das völlig normal sei. Dass die Geburt neuer Königinnen immer von jenen heimgesucht wurde, die es nicht auf den Thron geschafft hatten, dass die Schwarze Kate voller Geister sei. Auch die von Camilles vergifteten Schwestern waren darunter.

Da hatte Willa zum ersten Mal Camilles Schwestern erwähnt. Nach ihrem Tod wurde niemals über die Königinnen gesprochen, die es nicht auf den Thron schafften. Jeder vergaß sie, außer den Familien, die sie aufgezogen hatten, und der überlebenden Schwester. Camille hatte überlebt und den Thron bestiegen. Ihre Schwestern nicht. Als Schwestern einer Giftmischerin waren sie am gleichen Tag gestorben, sogar zur selben Stunde, von heftigen Krämpfen geplagt. Hatten Blut gespuckt.

»Ich liebe dich auch heute noch, und ich werde dich immer lieben, Camille«, antwortete Willa. »Aber das kann ich nicht tun.«

»Dann tue ich es eben.« Camille legte der Hebamme eine Hand auf die Schulter. »Ich weiß, dass ich mir die Krone vom Kopf gerissen und sie nach dir geworfen habe. Aber noch bin ich die Königin.«

*

Am Morgen machten Königin Camille und ihr Prinzgemahl sich bereit, die Insel zu verlassen. Es war seltsam für sie, ihre Koffer selbst zu packen und allein dafür zu sorgen, dass ihr schmerzender Körper angemessen bekleidet war. Aber sie würde sich daran gewöhnen.

»Bist du sicher, dass du es schaffst?«, fragte Philippe mit einem vielsagenden Blick auf den Boden, wo rote Flecken zu sehen waren, und auf das Blut im Bett, das sogar durch ihr Nachtgewand und die Stoffbinden gedrungen war. »Das Schiff kann warten, wenn du dich noch länger ausruhen musst. Die legen bestimmt nicht ohne uns ab.«

»Wir brechen heute auf«, bestimmte Camille. Sie fühlte sich jetzt am Morgen schwächer als in der Nacht, als sie die neuen Königinnen begutachtet hatte. Aber ihre Zeit auf dieser Insel war vorüber. Und sie hatte alles getan, was in ihrer Macht stand, um den dreien den Weg zu ebnen.

Das hast du nicht für sie getan, mahnte ihr Gewissen. Du hast es für dich selbst getan. Das ist deine Rache.

»Ich habe es für die Insel getan«, murmelte sie leise. Außerdem war es sowieso keine wirklich befriedigende Rache, wenn sie nicht dabei sein konnte, um ihre Auswirkungen zu sehen.

»Was hast du gesagt? Camille …«

»Ich sagte, es geht mir gut. Diese Blutungen sind normal.« Inzwischen zitterte sie leicht. Vielleicht war die Blutung wirklich etwas stark, aber sicher wusste sie es nicht. Immerhin hatte sie vorher noch nie Drillinge zur Welt gebracht.

Philippe sah sie noch einmal prüfend an, dann nickte er seufzend. Er würde erleichtert sein, wenn sie in seine Welt zurückkehrten. In eine Welt, in der Männer herrschten. Manchmal beunruhigte sie dieser Gedanke, und sie fragte sich, inwieweit ihn das verändern würde. Hier auf der Insel liebte er sie, aber dort draußen konnte alles anders sein. Vielleicht erwartete er dann von ihr, etwas zu sein, was sie nicht einmal kannte.

»Ich bringe das mal zur Kutsche«, verkündete er nun und griff nach den letzten Koffern. Camille folgte ihm bis in den Flur hinaus, blieb dann aber nahe der Kinderstube stehen. Durch die offene Tür konnte sie sehen, wie Willa die neuen Königinnen wiegte und ihnen leise etwas zuflüsterte.

Die Leute sagten immer, die alte Königin sei froh, wenn sie gehen könne. Sei froh, fortzukommen. Dass die Geburt der Königinnen und die anschließende Flucht ein tief in ihnen verwurzelter Instinkt war.

Aber als sie nun die Babys sah, wünschte sie sich für einen Moment, sie hätte ausrenkbare Kiefer wie ihre geliebten Schlangen, damit sie die Mädchen verschlingen und für immer bei sich haben könnte.

»Wie soll ich denn gehen?«, flüsterte sie.

»Du wirst vergessen«, versicherte ihr Willa sanft, die sich zu ihr umgedreht hatte. »Schon wenn du über die Schwelle trittst. Und mit jedem Schritt, der dich über die Insel führt. Wenn du das Schiff besteigst. Du wirst vergessen.«

»Ich … mache mir Sorgen um sie.«

»Obwohl du bereits weißt, welche von ihnen die Krone tragen wird?« Willa sah sie forschend an, sodass Camille den Blick abwandte. Mirabella war die Stärkste von den dreien, das stand fest. Und während des Rausches der Geburt in der letzten Nacht hatte sie geglaubt, einen Blick in die Zukunft dieser kleinen Königin werfen zu können. Eine Bestimmung zu sehen. Doch nun, im hellen Tageslicht, wurde ihr wieder bewusst, dass sie nichts weiter war als ein – nun nicht mehr benötigtes – Gefäß. Welche Gaben die drei Königinnen von der Göttin bekommen hatten, wusste sie. Aber ihr Schicksal lag ganz allein bei ihnen. Sie war kein Orakel.