Die Känguru-Apokryphen - Marc-Uwe Kling - E-Book

Die Känguru-Apokryphen E-Book

Marc-Uwe Kling

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Beschreibung

Sensation, Sensation: Archäologen haben in einem Geheimfach in Marc-Uwes Schreibtisch neue Geschichten vom Känguru und seinem Kleinkünstler gefunden! Dies ist nicht die Fortsetzung der Fortsetzung der Fortsetzung der Känguru-Chroniken. Triologie bleibt Triologie. Aber ein anständiger Kleinkünstler hat natürlich eine Zugabe vorbereitet. »Die Känguru-Apokryphen« versammeln zum ersten Mal alle weniger bekannten Eskapaden des dynamischen Duos: Episoden, die zwar nicht im allgemein gültigen Hochkanon der »Känguru-Trilogie« vertreten, aber ebenso witzig sind. Geschichten aus Anthologien, Live-Programmen ... und aus besagtem Geheimfach.

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Seitenzahl: 177

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Das Buch

Dieser Ratgeber führt Sie sicher durch alle Lebenslagen. Egal, ob ein Treffen mit Donald Trump ansteht oder der Geburtstag von Kim Jong-Un, Sie werden beim Smalltalk die Argumente auf Ihrer Seite haben.

Dieses Buch lehrt Sie, wie Sie im Schlaf intelligenter, selbstbewusster und schlanker werden. Dieses Buch wird Ihre Entscheidungsfindungsprozesse auf ein höheres Level heben, durch eine revolutionär-neue Art, Schnick-Schnack-Schnuck zu spielen. Dieses Buch wird Ihre Meinung über folgende Themen nachhaltig beeinflussen: Handwerker, Koriander, Nazis, Töpfern, SPD.

Außerdem kommt ein Känguru darin vor.

Der Autor

Marc-Uwe Kling ist das Pseudonym der legendären zapotokischen Schriftstellerin Len Wiramkucg. Ihre vor über 7.387 Jahren mit einem unbekannten Material auf Tontafeln geritzten Worte gaben ihren Zeitgenossen große Rätsel auf und scheinen erst in unserer Zeit Sinn zu ergeben. Len Wiramkucg lebt auf dem Elysium Mons 64, 1024 Elysium Planitia, Mars.

Aktuelle Auftrittstermine und Neuigkeiten unter:

www.marcuwekling.de

Von Marc-Uwe Kling sind bei Ullstein bereits erschienen:

Die Känguru-Chroniken (2009)

Das Känguru-Manifest (2011)

Die Känguru-Offenbarung (2014)

Die Känguru-Trilogie (2015)

Marc-Uwe Kling

Die Känguru‐Apokryphen

Ullstein

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ISBN 978-3-8437-1821-9

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018Umschlaggestaltung: Roman Klein, www.romanklein.comTitelabbildung: Alexander KleinComic: Astrid Henn

E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

»Wenn man eine Zugabe gibt, dann gibt man ja dem Wortsinn nach etwas zu, und zwar, dass äh …, man gibt zu, dass äh …, dass äh … Ich glaube, ich habe den Faden verloren.«

Oscar Wilde

»Viele sagen, man soll dann gehen, wenn es am schönsten ist,aber ich finde, man soll lieber dahin gehen, wo’s am schönsten ist.«

Das Känguru

WAS BISHER GESCHAH:

Es war einmal ein Punkt, an dem die Materie- und Energiedichte unendlich war. Eine Singularität, in der die allgemeine Relativitätstheorie nicht galt. Dann hat es geknallt. Etwa 13,8 Milliarden Jahre später ist ein kommunistisches Känguru in mein Wohnzimmer eingezogen. Seitdem knallt es die ganze Zeit. Der Rest ist selbsterklärend.

Ich sitze gerade am Schreibtisch, als das Känguru ohne anzuklopfen in mein Zimmer gestürmt kommt.

»Diese selbst ernannten Experten und Auskenner sagen immer, wir dürfen den Anschluss nicht verlieren«, ruft es. »Was aber, wenn die, die vorausrennen, in die falsche Richtung laufen?«

»Hm?«

»Dann wäre es doch dumm, hinterherzurennen!«

»Ja«, sage ich geistesabwesend.

»Außerdem habe ich schon vor gut einer Stunde mal angemerkt, dass ich Hunger habe.«

»Ja, ja«, sage ich. »Beschwer dich ruhig. Mal kucken, ob was passiert.«

»Ich beschwere mich nicht«, sagt das Känguru. »Ich informiere dich nur.«

»So, so.«

»Mir ist kalt«, sagt das Känguru. »Und langweilig. Und ich habe keine Lust mehr, mich mit einem pubertierenden Pinguinküken über World of Warcraft zu streiten. Überdies sind die Schnapspralinen alle.«

»Was wird das hier? Eine Informationsoffensive?«

»Jawohl!«, ruft das Känguru. »Ich habe kein Geld, ich habe schlechte Laune, und ich lebe in einer Welt, die von solch grotesken Witzfiguren beherrscht wird, dass sich nur schwer sagen lässt, ob wir in einem Horrorfilm leben oder einer Farce. Außerdem müssen wir dringend mal wieder das Bad putzen, und mit wir meine ich dich.«

»Ja, ja.«

»Aber weißt du, was das Schlimmste ist?«

»Hm?«

»Du hörst mir überhaupt nicht richtig zu!«

»Ja«, sage ich.

»Was machst du da überhaupt so Wichtiges?«

»Ich stelle ein paar unserer weniger bekannten Eskapaden für ein neues Buch zusammen.«

»Geht dir das Geld aus?«, fragt das Känguru. »Muss ich mir Sorgen machen?«

»Ich habe zu viel in deine Geschäftsideen investiert«, sage ich. »Der Stuhl ohne Beine … die App, die Zitate falsch zuordnet …«

»Was denn! Die App ist doch super!«

»Superteuer war die.«

»Jetzt mal ernsthaft«, sagt das Känguru leicht panisch. »Uns geht das Geld aus?«

»Nee«, sage ich.

»Warum machst du es dann?«

»Nun, mein liebes Känguru«, sage ich, »ich bin an einem Punkt meines Lebens angekommen, an dem es nur noch einen einzigen Grund gibt, aus dem ich überhaupt noch Dinge tue: weil ich Lust darauf habe.«

»Ich nehme an, das erklärt in einem Umkehrschluss auch, warum du nicht das Bad geputzt hast.«

»Korrekt«, sage ich und kratze mich am Bart. »Das Buch soll übrigens DieKänguru-Apokryphen heißen.«

»Das«, sagt das Känguru, »ist ein richtiger Kacktitel.«

»Vielen Dank. Deine destruktive Kritik ist immer sehr hilfreich für mich.«

»Bitte, gerne.«

»Warum magst du den Titel denn nicht?«

»Na, zum Beispiel, weil ihn kein Schwein versteht«, sagt das Känguru. »Weil kein Schwein auch nur eine Ahnung hat, wie man dieses Kackwort schreibt!«

»A, P, O, K, R …«

»Es interessiert mich nicht, wie das geschrieben wird.«

»Aber du hast doch gerade gesagt …«

»Ja, ja. Go tell it to the mountain.«

Ich bin still. Wir blicken uns schweigend in der Wohnung um. Schließlich seufzt das Känguru.

»Okay«, sagt es, »okay. Schieß los. Was sind Apokryphen?«

»Das sind religiöse Schriften, die es nicht in die Bibel geschafft haben.«

Das Känguru beginnt zu grinsen.

»Wir verstehen«, sagt es. »Fahre er fort.«

»Die apokryphen Schriften waren zu unbekannt, zu widersprüchlich oder zu ketzerisch, um in den biblischen Kanon aufgenommen zu werden«, sage ich. »Und bei unseren unbekannten Abenteuern gibt es ja auch oft widersprüchliche Fassungen.«

»Du meinst deine und die Wahrheit?«, fragt das Känguru.

»Genau«, sage ich. »Deine und die Wahrheit.«

»Hm.«

»Na gut«, sage ich. »Ich gebe zu, ganz am Anfang meiner Karriere …«

»Welche Karriere?«

»… da habe ich dich immer aus unseren Abenteuern rausgeschrieben, weil ich Angst hatte, dass mich die Leute sonst nicht ernst nehmen.«

»Und hat’s geholfen?«

Ich wechsle das Thema: »Das Schwierigste ist, die Anekdoten in die richtige zeitliche Abfolge zu bringen. Mein Gedächtnis hat keine vernünftige Timeline.«

»Deine Antwort scheint mir nicht zu meiner Frage zu passen.«

»Ich denke, das Problem ist vielmehr, dass deine Frage nicht zu meiner Antwort gepasst hat.«

»Du wirst immer wunderlicher.«

»Jedenfalls habe ich es nicht mal geschafft, die Geschichten sicher den Büchern zuzuordnen. Ich weiß nicht mehr, welche zeitlich zu den Chroniken gehören, welche zum Manifest, welche zur Offenbarung und welche danach spielen.«

»Scheiß doch einfach auf die korrekte Chronologie«, sagt das Känguru, »und bringe sie stattdessen in eine witzige Reihenfolge.«

Ich überlege sechzehn Sekunden lang.

»Das scheint mir eine für alle zufriedenstellende Lösung zu sein«, sage ich dann.

»Für diese Idee will ich zehn Prozent der Einnahmen.«

Ich wechsle das Thema: »Es gibt unter den Apokryphen übrigens auch ein Judasevangelium«, sage ich. »Haste das gewusst?«

»Offensichtlich nicht.«

»Laut einer umstrittenen Übersetzung ist die Kernaussage des Judasevangeliums, dass Judas der beste Kumpel von Jesus war. Und Judas hat Jesus nur deshalb verraten, weil Jesus ihn darum gebeten hatte! Verstehste? Weil Jesus halt verraten werden musste, um in das wahre göttliche Reich zurückkehren zu können und der ganze Hokuspokus. Judas hat dann gefragt, was sein Lohn für den Verrat sei, und Jesus hat gesagt, dass die ganze Welt ihn auf ewig hassen und verdammen würde. Und Judas hat das auf sich genommen, genauso wie Batman am Ende von The Dark Knight die Sünden von Two Face auf sich nimmt. Also, nicht genauso. Aber so ähnlich. Oder, na ja, also Judas hatte jetzt natürlich keine geheime Identität, und er war auch kein Milliardär. Und Jesus war auch kein Superbösewicht. Im Gegenteil. Hm. Okay, vielleicht passt der Vergleich doch nicht. Aber jedenfalls voll die tragische Story, oder?«

»TL.DL«, sagt das Känguru.

»Wie bitte?«

»Too long. Didn’t listen.«

Ich verdrehe die Augen.

»Aber nun, wo du das alles weißt«, sage ich. »wie findest du jetzt den Titel Die Känguru-Apokryphen?«

»Ich finde Apokryphen immer noch kacke.«

»Na toll.«

»Aber …«

»Aber was?«

»Der Titel ist trotzdem okay, weil er von diesem anderen ganz hervorragenden Wort getragen wird.«

DIE KÄNGURU-APOKRYPHEN

(in chronologischer Reihenfolge)

»Die alles entscheidende Frage«, sage ich, »lautet doch: Wer von uns beiden geht Pizza holen?«

»Schnick, Schnack, Schnuck?«, fragt das Känguru.

Ich seufze.

»Okay.«

»Ich habe mir neue Regeln ausgedacht«, sagt das Känguru.

»Du hast was?«

»Neue Regeln«, sagt das Känguru. »Diese ewige Limitierung auf vier Symbole konnte ich nicht länger akzeptieren.«

»Drei Symbole!«

»Noch schlimmer.«

»Und wie lauten deine neuen Regeln?«

»Jeder formt mit seinen Händen ein beliebiges Symbol seiner Wahl. Danach wird ausdiskutiert, wer gewonnen hat.«

»Das klingt total bescheuert.«

»Bist du dabei?«

»Natürlich!«

»Schnick, Schnack, Schnuck!«, ruft das Känguru.

Mein Ellbogen zeigt nach unten, mein Unterarm nach oben, Mittel- und Ringfinger habe ich auf den ausgestreckten Daumen gelegt, und Zeige- und kleiner Finger deuten gen Decke.

Das Känguru hält in seiner linken Pfote einen imaginären Gegenstand und reißt mit seiner rechten Pfote an einer imaginären Schnur. Dabei macht es »Wrrrrumm«.

»Was soll das darstellen?«, frage ich.

»Eine Kettensäge«, sagt es. »Was hast du?«

Ich blicke auf meinen Arm. Meine Hand dreht sich zu mir.

»Ich, äh«, sage ich, »ich habe eine Giraffe.«

»Giraffe gegen Kettensäge«, sagt das Känguru. »Da müssen wir wohl gar nicht diskutieren.«

»Nee.«

»Nur so aus Neugier«, sagt das Känguru. »Gegen was hattest du denn gehofft, mit einer Giraffe gewinnen zu können?«

»Äh …«, sage ich, »gegen ein hoch oben wachsendes Blatt?«

»Warum zum Teufel hätte ich ein hoch oben wachsendes Blatt machen sollen? Wogegen hätte ich denn damit gewonnen?«

»Gegen ein, äh, Tier ohne langen Hals?«, frage ich. »Ey! Ich stand unter Zeitdruck. Ich gebe zu, dass Giraffe nicht die beste aller möglichen Optionen war. Mir ist aber auf die Schnelle nichts Besseres eingefallen!«

»Das war ja wohl die krachendste Niederlage, die jemals jemand bei einem Open-Schnick eingefahren hat.«

»Open-Schnick?«, frage ich.

»Wie würdest du es nennen?«

»Free-Schnick«, schlage ich vor.

»Nee. Das klingt wie Frühstück«, sagt das Känguru. »Ich könnte mich höchstens auf Frei-Schnick einlassen.«

»Auf keinen Fall!«, sage ich. »Frei-Schnick hört sich an wie etwas, das man von einer Prostituierten bekommt, wenn man das Stempelheft vollgemacht hat.«

»Also doch Open-Schnick?«

»Von mir aus«, sage ich. »Komm, wir machen zwei aus drei.«

»Was hab ich dabei zu gewinnen?«, fragt das Känguru.

»Wenn ich wieder verliere, geh ich auch noch in den Späti und kaufe Schnapspralinen.«

»Schnick, Schnack, Schnuck!«, ruft das Känguru.

Es lässt seine Faust schräg von oben nach unten sausen. Ich habe meinen Arm am Ellbogen nach oben geklappt und lasse meine Finger auf den Daumen schnappen.

»Was soll das sein?«, fragt das Känguru. »Schon wieder eine Giraffe?«

»Das ist ein Tyrannosaurus Rex, du Opfer!«

Das Känguru lächelt.

»Meine Faust war ein herabstürzender Meteorit.«

»Ph«, sage ich. »Mit einem Meteoriten kann ja jeder gewinnen.«

»Ich will ’ne Pizza Hawaii«, sagt das Känguru.

»Außerdem ist ›herabstürzender Meteorit‹ ein Pleonasmus«, sage ich. »Ein Asteroid zum Beispiel wird ja gerade dadurch zum Meteoriten, dass er herabstürzt.«

»Tja«, sagt das Känguru, »hätteste beim Open-Schnick mal auf dich gezeigt und ’nen Klugscheißer gemacht, dann hätteste die Runde gewonnen.«

»Drei aus fünf«, sage ich. »Wenn ich verliere, putze ich auch noch das Bad.«

»Schnick, Schnack, Schnuck!«, ruft das Känguru.

Ich lasse meine Faust auf das Känguru zurasen.

»Meteorit!«, rufe ich, das Känguru nachäffend. »Jetzt kannste mal sehen: Meteorit gewinnt gegen alles!«

Das Känguru hat sich eine Pfote flach auf den Kopf gelegt und bei der anderen Pfote den Zeigefinger ausgestreckt.

»Was soll das sein?«, frage ich.

»Glatze und Knarre«, sagt das Känguru.

»Bruce Willis, oder was?«

»Ganz genau. Und was macht Bruce Willis mit Meteoriten?«

Ich verdrehe die Augen.

»Er sprengt sie in die Luft«, sage ich.

»Pizza Hawaii«, sagt das Känguru.

»Aber halt!«, rufe ich. »In Armageddon geht Bruce Willis selber drauf, als er den Meteoriten in die Luft jagt! Du hättest Ben Affleck machen müssen! Ha! Das war also gerade mal ein Unentschieden. Noch mal!«

»Schnick, Schnack, Schnuck!«, ruft das Känguru.

Ich bewege wild meine Finger hoch und runter.

»Feuersturm!«, sage ich.

Das Känguru hat einen Brunnen.

»Ohne Brunnen!«, rufe ich.

»Das ist doch totaler Quatsch!«, ruft das Känguru. »Ich darf alles machen, was mir in den Sinn kommt, aber keinen Brunnen?«

»Ja.«

»Blödsinn. Außerdem hättest du das vorher sagen müssen. Jedenfalls kann man mit dem Wasser aus meinem Brunnen dein kleines Feuer löschen.«

»Ich hatte kein kleines Feuer, sondern einen Feuersturm!«, sage ich empört.

»Und ich hatte keinen kleinen Brunnen, sondern den größten Brunnen der Welt, in dem zwei Dutzend Löschflugzeuge auf einmal landen können. Es ist ganz einfach, Alter: Wasser gewinnt gegen Feuer!«

»Sagen wir: unentschieden.«

»Hawaii«, sagt das Känguru.

»Vier aus sieben«, sage ich. »Ich mache auch noch den Abwasch!«

»Och, nee.«

»Was dann?«, frage ich völlig im Spielfieber. »Ich mach alles.«

»Die Rumpelkammer aufräumen«, sagt das Känguru.

»Die Rumpelkammer des Schreckens?«, frage ich.

»Ebendiese.«

»Gut. Los jetzt!«, rufe ich. »Schnick, Schnack …«

»Ohne schwarzes Loch«, sagt das Känguru.

»Was?«, frage ich. »Woher wusstest du …«

»… Schnuck!«, ruft das Känguru.

Schnell mache ich Papier. Das Känguru hat eine Schere.

»Es ist kein Glücksspiel«, sagt es.

»Tss.«

»Jetzt geh mal los«, sagt das Känguru. »Du hast heute noch viel vor.«

»Habe ich dir eigentlich schon mein neuestes Reimwerk vorgetragen?«, frage ich.

Das Känguru senkt den Kopf, schließt die Augen, faltet seine Pfoten und beginnt zu beten: »Herr, der du mich geleitet hast durch manch finsteres Tal, lass mich auch jetzt nicht im Stich und bewahre mich vor dem jüngsten Gedicht.«

»Sehr lustig«, sage ich. »Da fällt mir ein Witz ein, den ich mir gerade ausgedacht habe. Was sagt ein schwedischer Christ, dem im Wald ein ortsansässiges Wildtier begegnet?«

»Was sagt er?«

»Möge dieser Elch an mir vorübergehen.«

»Okay«, sagt das Känguru. »Sag dein neues Gedicht auf, bevor du dir noch mehr Witze ausdenkst.«

»Eines Tages lag der Nebel schwer auf dem Land.

Adam war müßig, kratzte ein Bild in den Sand.

Es war das allererste Bild, und es war ihm geglückt!

Adam war stolz, zufrieden, entzückt!

Bis er den Teufel hörte aus dem nebligen Dunst:

»Sehr hübsch, mein Freund, aber ist es Kunst?«

»Also, wenn du mich fragst, nein«, sagt das Känguru. »Höchstens Kleinkunst.«

»Scheiße, ist das kalt!«, flucht das Känguru.

Es hüpft vor mir durch den Schnee, die roten Boxhandschuhe über den Pfoten und unfassbar rosafarbene Ohrenschützer auf dem Kopf.

»Glotz nich so blöd«, schimpft es. »Ich weiß, dass das scheiße aussieht.«

Es lässt einen Ast los, der mir direkt ins Gesicht klatscht.

»Warum folge ich dir nur immer wieder auf diese ›Abkürzungen‹?«, murre ich, aber die Frage bleibt nur als lauwarmer Nebel in der eiskalten Abenddämmerung hängen.

»Da vorne müsste der Weg sein«, sagt das Känguru. »Vertrau mir. Meine alten Dschungelinstinkte werden wieder wach.«

»Dschungelinstinkte. Tss. Ich kann es gar nicht fassen, dass wir uns im Tiergarten verlaufen haben …«

15 MINUTEN SPÄTER

»Ich denke, wir sollten unsere Lage akzeptieren und hier Feuer machen«, sagt das Känguru, als wir zum dritten Mal dieselbe Lichtung betreten. »Wenn der Tag anbricht, finde ich auf jeden Fall hier raus.«

Ich verdrehe die Augen und schimpfe vor mich hin. Das Känguru macht derweil Feuer. Plötzlich blickt es mich seltsam an.

»Sag mal … darf ich dich essen, falls du erfrierst?«

»Was?«, frage ich verstört. »Nein!«

»Wieso denn nicht?«, fragt das Känguru. »Ich finde das sehr egoistisch von dir. Wenn ich vor dir erfriere, darfst du mich essen.«

»Ich will dich nicht essen. Das ist ja ekelhaft.«

»Na, danke«, sagt das Känguru. »Du bist auch ekelhaft.«

Es wirft einen Ast ins Feuer und reibt sich die Pfoten.

»Du müsstest mich ja nicht roh essen«, sagt es nach einer Weile. »Du könntest mich ja grillen. Ich würde dich grillen.«

Es zieht etwas aus seinem Beutel.

»Du hast Gewürze dabei?«, frage ich.

»Na?! Na?!«, ruft das Känguru herausfordernd und bestreut sich selbst. »Wollen mal sehen, ob ich mich dir nicht doch schmackhaft machen kann! Ein bisschen Curry hier, ein bisschen Koriander da.«

»Bäh. Ich hasse Koriander.«

»Hörense ma«, brummt da plötzlich eine fremde Stimme. »Die Diskussion könnense sich gleich ma spar’n. Grill’n is in dem Teil vom Tierjarten sowieso nich erlaubt. Ick bin vom Ordnungsamt. Dat jibt ’nen saftijen Strafzettel.«

Das Känguru mustert unseren ungebetenen Gast.

»Sagen Sie mal«, sagt es, »würden Sie sich von Ihrem besten Freund aufessen lassen? In einer Notsituation. Wenn Sie sowieso sterben würden, ihn aber retten könnten?«

Recht lange sieht der Mann so aus, als sei sein Betriebssystem abgestürzt.

»Ick arbeite fürs Ordnungsamt«, sagt er schließlich. »Ick habe keene Freunde.«

»Aber können Sie uns vielleicht sagen, wie wir hier wieder rauskommen?«, frage ich.

»Sie ham sich verloofen?«

Ich nicke.

»Im Tierjarten?«

Ich seufze.

»Dit is nich meen Zuständigkeitsjebiet.«

»Wenn du erfrierst«, sagt das Känguru zu mir, »esse ich dich einfach trotzdem.«

»Ich verbiete dir ein für alle Mal, mich zu essen«, zische ich.

»Also, ick hab zwar keene Freunde«, funkt der Mann vom Ordnungsamt dazwischen, »aber eenet sag ick Ihnen: Wenn ick Freunde hätte, würd ick mir uff da Stelle von selbigen uffessen lassen. Stante pede. Dafür müsst ick nich mal erfroren sein. Einfach so würd ick mir von die uffessen lassen. Nur damit die nich verhungern. Ick meen, wofür hat man denn Freunde? Oda och wenn die keen Jeld für Mittach dabeiham. Würd ick mir uffessen lassen. Oda wenn die einfach Lust uff ’nen kleenen Snack ham. Würd ick mir uffessen lassen. Oda wenn beim Videoabend alle traurig wären, weil keener Schüps mitjebracht hat, würd ick sag’n: ›Freunde! Hier bin icke! Esst doch mir uff.‹«

»Da hörst du’s!«, ruft das Känguru mir zu. Sein Magen knurrt. Es wendet sich wieder dem Mann vom Ordnungsamt zu.

»Wollen wir Freunde werden?«

»Ich habe eine Liste mit Neujahrsvorsätzen gemacht«, sagt das Känguru. »Damit will ich alle meine Fehler ausmerzen.«

»Alle deine Fehler?«, frage ich ungläubig.

»Alle.«

»Noch nie habe ich jemanden so freudig und wagemutig von einem Unterfangen sprechen hören, dessen wahrhaft biblische Ausmaße für den einfachen Beobachter nicht mal annähernd begreifbar sind.«

»Ich habe nur einen Punkt auf der Liste«, sagt das Känguru.

»Oh«, sage ich. »So gehen die Einschätzungen auseinander. Was steht auf deiner Liste?«

»Das ist doch klar«, sagt das Känguru. »Es fehlt mir an Selbstvertrauen. Nur mangelndes Selbstvertrauen kann erklären, wie jemand mit meinen Fähigkeiten, meiner Bildung, meinem Witz, meiner Kreativität, meiner Intelligenz und, nicht zuletzt, mit meinem guten Aussehen auf den törichten Gedanken verfallen kann, nicht perfekt zu sein. Ich brauche mehr Selbstvertrauen.«

»Ich glaube, du bist auf einem guten Weg.«

Ich reibe mir die Augen und nehme einen großen Schluck Kaffee. In unserer Küche läuft das Radio.

»Eine internationale Vergleichsstudie der Bertelsmann-Stiftung«, sagt der Nachrichtensprecher, »brachte erstaunliche Ergebnisse. Im Vatikanstaat werde nämlich, im Gegensatz zu Deutschland, kein Kindergeld gezahlt, und die Arbeitslosenquote liege im kaum messbaren Bereich. Es sei daher naheliegend, so die Stiftung, dass eine Streichung des Kindergeldes in Deutschland auch hierzulande zu einer signifikanten Senkung der Arbeitslosenzahlen führen würde.«

Ich seufze und mache das Radio aus. Das Känguru kommt lasziv in die Küche geschlendert.

»Hier sehen Sie das Känguru«, sagt es, »in seiner neuesten Kreation.«

Es deutet auf sein T-Shirt voller Nullen und Einsen und sagt: »Ein Nerd-Shirt.«

»Was soll das?«, frage ich.

»Geschäftsidee.«

»Was steht da auf deinem T-Shirt?«

»Auf meinem Nerd-Shirt«, verbessert mich das Känguru.

»Ja. Auf deinem Nerd-Shirt. Was steht da?«

»Das siehst du doch.«

»0100011001110101011000110110101100100000011110010110111101110101«, lese ich vor.

Das Känguru nickt. »›Fuck you‹ im Binärcode.«

Es setzt sich zu mir an den Küchentisch.

»Hatte noch eine Geschäftsidee«, sagt es.

»Bist ja richtig produktiv heute.«

»Ist dir auch schon mal aufgefallen«, fragt das Känguru, »dass die Spülmaschine unerfreulich oft das Geschirr nicht sauber kriegt?«

»Ja«, sage ich, nehme einen Schluck Kaffee und kratze dann ein angetrocknetes Salatblatt von der Tasse.

»Im krassen Gegensatz zur Waschmaschine«, sagt das Känguru, »die die Wäsche eigentlich immer sauber kriegt.«

»Worauf willst du hinaus?«

»Vergleichen und optimieren.«

»Wie bitte?«

»Ich denke, ich habe herausgefunden, was die Waschmaschine der Spülmaschine voraushat. Gleich morgen werde ich darum zum Patentamt gehen und die erste Spülmaschine mit Schleudergang anmelden!«

Ich blinzle.

»Haste Lust zu investieren?«, fragt das Känguru.

»Wie willst du dein Spülmaschinenmodell denn nennen?«, frage ich. »Polterabend?«

Das Känguru blinzelt.

»Ich sehe, worauf du hinauswillst«, sagt es.

»Vielleicht«, sage ich, »ist das mit dem Vergleichen und Optimieren gar nicht so einfach, wie uns die Bertelsmann-Stiftung glauben machen will.«

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