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Eine Komödie in fünf Akten. Der mit dem Leben trotz großer Reichtümer unzufriedene Kaufmann Garilan steht am Ende einer Weltreise. Auch sie hat ihm, dem Gottsucher, nicht den ersehnten Augenblick tiefen, inneren Glücks gebracht und den richtigen Weg zu seinem Gott finden lassen. Wird er durch eine Saharareise dieses Ziel erreichen? In Leontine, der Frau des ehemaligen Tänzers Kaleve, hat Garilan eine Reisebegleiterin gefunden. Beide treffen sich in einem Hotel am Wüstenrand wieder, und hier, am Rand der Wüste scheint der entscheidende Augenblick in Garilans Leben gekommen zu sein: er versteckt einen Schwarzen vor dessen Verfolgern in dem tiefen großen Glauben, daß die Menschen sich in jeder Lebenslage gegenseitig helfen müssen. Aber ... Garilan wandert für diese Tat ins Gefängnis, in dieselbe Zelle, in der der Agent Sandmann den letzten Tag seiner Haft verbüßt. Sandmann will nicht nur Garilan, sondern auch gegen große Provision seinem Zellennachbarn, einem "Lebenslänglichen", die Freiheit wieder verschaffen, auf Garilans Wunsch, der dadurch die große Tat seines Lebens zu begehen glaubt und sich und der Menschheit nützen will. Aber Sandmann spielt ein falsches Spiel ...
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Seitenzahl: 63
Veröffentlichungsjahr: 2025
Die Karawane
MAX MOHR
Die Karawane, M. Mohr
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN:9783988682673
Folgt der Ausgabe Georg Müller Verlag, München, 1924. Quelle: http://digital.bib-bvb.de/view/bvb_mets/viewer.0.6.5.jsp?folder_id=0&dvs=1755597520945~606&pid=16173124&locale=de&usePid1=true&usePid2=true
www.jazzybee-verlag.de
INHALT:
Personen. 1
Erster Akt2
Zweiter Akt16
Dritter Akt24
Vierter Akt34
Kaleve, ein Tänzer.
Leontine, seine Frau.
Garilan, ein Kaufmann.
Sandmann, ein Agent.
Ein Kellner, ein Schwarzer, ein Liftjunge, zwei Polizisten, ein Karawanenführer.
Die Szene ist in einer nordafrikanischen Hafenstadt und deren benachbarter Wüste. Gegenwart. Erster und zweiter Akt in einem Hotelzimmer, zweiter Akt in einer Zelle der Hafenpolizei, vierter und fünfter Akt in der Wüste.
Sahara-Palace-Hotel. Großes, freies Zimmer mit drei Türen: links zum Gang, rechts zu Schlafzimmer und Bad, hinten zum Balkon. Abend. Leuchter brennen. Der Kellner führt Leontine ins Zimmer. Kaleve, als Gepäckträger, mit Leontines Koffer beladen, folgt; er hinkt.
Kellner: Willkommen im Sahara-Palace-Hotel, meine Dame. Dies sind unsere besten Räume, meine Dame.
Leontine: Danke.
Kaleve (setzt den Koffer ab)
Kellner: Zu den Schlafzimmern, zum Bad, meine Dame —
Leontine: Danke.
Kaleve: (wartend, gespannt)
Kellner: Darf ich um Ihre Personalien bitten, meine Dame?
Leontine: Mein Mann wird sogleich eintreffen. Bitte regeln Sie alles mit ihm. Bitte gehen Sie.
Kellner: Gewiss, meine Dame — darf ich Ihren Gepäckträger entlohnen?
Leontine: Danke. Ich besorge es selbst.
Kellner: Gewiss, meine Dame — diese Leute fordern meist zu viel, wenn ich Sie darauf aufmerksam machen darf.
Kaleve: (heiser, drohend) Ich fordere nicht zu viel, mein Herr.
Leontine: Bitte gehen Sie, Kellner!
Kellner: Gewiss, meine Dame. (Kellner zögernd ab; Leontine sinkt in einen Sessel; Kaleve nähert sich ihr)
Kaleve: Das ist ein schönes Kleid, Leontine. Das hat gewiss nicht dieser Kerl gewählt, der es bezahlt hat? Das hast du selbst gewählt? Sage ja!
Leontine: (schweigt)
Kaleve: Was kostet so ein Kleid, Leontine? Ungefähr? Ich habe manche schöneren Kleider für dich gekauft, aber damals kannte ich nicht den Preis. Ungefähr?
Leontine: (schweigt)
Kaleve: Das war keine Kleinigkeit, dein Gepäckträger zu werden: die Gepäckträger im Hafen sind organisiert, ein Schwarzer gab mir einen Faustschlag ins Genick, pfui Teufel!
Leontine: (schweigt)
Kaleve:: Ich danke dir übrigens, dass du deinen Kerl in der Reiseagentur zurückgelassen hast und allein vorausgegangen bist. Das war sehr liebenswürdig von dir. Was will dein Kerl in der Agentur? Wohin geht eure Reise?
Leontine: Er bestellt eine Karawane.
Kaleve: Eine Karawane? Er will dich in die Wüste schleppen? Natürlich! Er hat die ganze Welt gesehen, nun will er auch die Wüste sehen. Das ist selbstverständlich für diesen reichen Mann. Ich kenne das. Man geht in die Agentur und bestellt. „Eine Karawane, mein Herr? — Jawohl, acht Tage, oder zwei Monate, nach Mursuk, nach Timbuktu vielleicht. — Kostet soundsoviel, mein Herr. — Abgemacht. — Übermorgen stehen die Führer mit den Dromedaren bereit." Und du sollst ihn begleiten?
Leontine: Und ich soll ihn begleiten.
Kaleve: Und ich?
Leontine: Du? Du hast es so gewollt, Kaleve, mein Gemahl.
Kaleve: Ich habe es nicht so gewollt! Bei Gott nicht! Habe ich dies gewollt, dich zu meiner Ware machen und verschachern, als ich dich aus dem lauwarmen Nest deiner Eltern empor riss in die heiße Bahn des unsterblichen Tänzers Kaleve?
Leontine: Damals hast du es nicht gewollt.
Kaleve: Habe ich dies gewollt, als ich die Gagen von fünf Kontinenten umwechselte in Sterne und Musik für Leontine Kaleve? Dieser Sprung: ein neues Gewand für sie! Dieser Wirbel: ich werde ihr eine Luftfahrt über den Kaukasus schenken! Und klatscht nur, ihr Leute, wenn der Vorhang fällt: mein Weib sitzt unter euch, also will ich auch euch lieben, ihr tausend verfluchten Gesichter aus Kot und Neid — damals, Leontine, wollte ich dich damals zu meiner Ware machen und verschachern?
Leontine: Damals hast du es nicht gewollt.
Kaleve: Dann habe ich wohl gewollt, dass mein Auto zerschmetterte und mein Schenkel zerbrach und mein Ruhm zerschmolz! Natürlich. So ist es. „Gottes Wege sind wunderbar, aber er führt es herrlich hinaus." Ich habe meinen Sturz nur gewollt, um mein Weib verschachern zu können. Du hast es gewollt, Kaleve, und jetzt tanze nur, Krüppel, dazu! Eine Pirouette gefällig? Tarimtarata — (singt, tanzt, hinkt) Und wie ging der Walzer, den meine Königin immer wieder begehrte, valse grande et banale? Singe, meine Königin!
Leontine: (singt leise) Ich bin dein und du bist mein Tarim tara tata –– Und so soll es ewig sein —
Kaleve:(tanzt, hinkt) Tarim tara tata — (bricht ab) — Ich habe es nicht gewollt, Leontine!
Leontine: Du hast es so gewollt. Erinnerst du dich nicht mehr an den Tag, da unser letzter Schmuck verkauft war?
Kaleve: Ich erinnere mich. Das Wort ist gefallen. Ich kann es nicht zurückrufen. Ich wollte dich auf die Straße schicken. Ich wollte dich verkaufen. Aber das war nur ein Wort, wie viele Worte, wenn der Hunger wütet! Das war die lächerliche Erhabenheit des letzten Jammers! Das war ein Klang jenes Teufels, der in jedes Mannes Brust sitzt, doch der nur im Fieber laut wird! Hüte dich, diesem Teufel allzu bereit zu dienen! Hüte dich, ihn ganz in mir zu wecken! Lass uns den besseren Ausweg wählen! Lass uns ein Ende machen!
Leontine: (schweigt)
Kaleve: Das ist so einfach, meine Dame: Wir schlafen wie die müden Tiere ein, Und ich bin dein und du bist mein Und so soll es ewig sein.
Leontine: (erhebt sich) Ich aber will nicht einschlafen, Kaleve, mein Gemahl! Ich will nicht sein wie ein müdes Tier. Ich bin kein Tier, ich bin ein Mensch, ich will meine Opfer bringen, da ich ein Mensch bin. Und du? So opfere nun auch du, da du ein Mensch bist.
Kaleve: Opfern, mich, alles — nicht dieses Opfer annehmen von dir.
Leontine: Ich bin dein und du bist mein, Unser Opfer wird das gleiche sein, Da gibt es nicht Rechnung, nicht Quittung.
Kaleve: Lass uns ein Ende machen. Wir haben genug geopfert.
Leontine: Was hast du denn geopfert? Du hast Unglück gehabt. Ist das ein Opfer? Was opfert ihr denn viel, ihr müden Tiere? Der große Tänzer hinkt am rechten Bein, ein Eisenbahnzusammenstoß in Südamerika, die Mama hat ihre Perücke verlegt, dem Papa ist sein ganzes Gummiwarenlager abgebrannt; so opfert auch ein Kalb, das man zum Metzger schleppt: das glotzt erschrocken auf das Messer und das spricht nicht: „Stich zu!"
Kaleve: Und wir sollen sprechen: „Stich zu"? Lass uns verzichten auf ein Leben, das nur durch solche Opfer zu retten ist!
Leontine: Wir können nicht verzichten, Kaleve. Wir haben bereits bei der Geburt gewählt. Du wurdest kein Gletschersturz, ich wurde kein Kälblein, wir wurden Menschen, wir müssen es tragen. Und wenn du wirklich geopfert hast, wirst du es in Freuden tragen.
Kaleve: Dir scheint es ja schon Freude zu sein, mit deinem reichen Metzger in die Wüste zu ziehen? Liebst du ihn schon?
Leontine: Nur zu! Nur zu, mein Freund!
Kaleve: Ich will dir nicht wehtun. Ich kann dir wohl auch gar nicht mehr wehtun: ich bin ausgebrannt und tot, beerdigt und verwest —
Leontine: Du wirst auferstehen.
Kaleve: Aber auf dem Dampfer und in der Stadt konnte ich noch in deiner Nähe sein, konnte dich sehen, wenn auch nur von ferne, konnte unter dem gleichen Dache mit dir schlafen, wenn auch auf der Treppe nur: was soll ich während der Wochen tun, da dich der Kerl zu seinem Vergnügen in die Wüste schleppt?
Leontine: Betteln, wenn du keine Arbeit findest, warten, opfern — was bleibt uns anderes, Kaleve? Ich habe endlich meinen reichen Metzger gefunden, ich muss mit ihm ziehen, alle Notausgänge sind uns gesperrt.
Kaleve: Einen gibt es noch: zum letzten Mal, Leontine.
Leontine: Ich will nicht sterben, nenn' es Feigheit, nenn' es Mut. Ich höre den Lift gehen, er darf dich hier nicht sehen.
Kaleve: Ich bin ja nur Gepäckträger hier: darf ich um meinen Tarif bitten, gnädige Frau, ich habe zwei Tage nichts gegessen.
Leontine: Ist es wahr, Liebster?
Kaleve: Es ist wahr, gnädige Frau.
Leontine: Und ich habe noch kein Geld von ihm bekommen — meine große Gage, unser neues Vermögen, unser neues Leben, es ist alles verloren, wenn er dich hier sieht —
Kaleve: Neues Leben, gnädige Frau?
Leontine: Wo schläfst du, Liebster, ich will Vorschuss von ihm fordern und es dir senden —