Die kleinen Strolche - Didier Desmerveilles - E-Book

Die kleinen Strolche E-Book

Didier Desmerveilles

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Beschreibung

Sie leben ohne Eltern, sie leben vom Betteln und vom Müll, die drei obdachlosen Jungen Jingbo, Haifu und Xiao Chong. Als überraschend schnell der Winter in die nordchinesische Stadt einzieht, deren Straßen ihr Zuhause sind, nimmt ein beispielloses Drama seinen Lauf. Werden die arglosen Kinder der tödlichen Gefahr entrinnen, die da heraufzieht? --- Im November 2012 trug sich in Bijie (Provinz Guiyang) Dramatisches zu. Der Vorfall schlug danach in der chinesischen Öffentlichkeit hohe Wellen und diente dieser Novelle als Inspiration. Auch die Flüchtlingsdramen, die sich regelmäßig an der Grenze zwischen den Volksrepubliken China und Nordkorea abspielen, dem Schauplatz der Ereignisse von "Die kleinen Strolche", hatten Einfluss auf dieses kleine Prosa-Meisterwerk, das zugleich ein ergreifender Diskussionsbeitrag zur Flüchtlingsproblematik ist. Didier Desmerveilles hat um die unerhörte Begebenheit, die im Zentrum seiner Schilderung steht, eine mitreißende und zu Tränen rührende Geschichte komponiert. Das Ergebnis ist eine Novelle im besten Sinne des Wortes.

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Seitenzahl: 34

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Didier Desmerveilles

Die kleinen Strolche

Eine Geschichte aus China Lickie Nr. 31

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Impressum neobooks

Erstes Kapitel

Vor langer, langer Zeit, als es in unserem Land noch einen Kaiser gab und die mächtigen Feudalherren die Armen ausbeuteten und auf ihre Kosten reich und dick und fett wurden, da lebte in einem kleinen Dorf in der Provinz Henan der Waisenjunge Ma Liang. Ma Liangs Vater war von dem Grundbesitzer, für den er schuften musste, so lange gequält und mit schweren Lasten beladen worden, dass er eines Tages auf dem Acker tot zusammengebrochen war. Das hatte Ma Liangs Mutter, die ihren Mann liebte wie ihr eigenes Fleisch, nicht verwunden und wenige Tage nach der Beerdigung von Ma Liangs Vater war sie ihm ins Grab gefolgt. Sein Onkel Wu nahm sich des kleinen Jungen an. Doch Onkel Wu hatte ein Herz aus Stein und sah in Ma Liang nur eine billige Arbeitskraft. Jeden Tag musste er mit dem Ochsen das Feld pflügen. Und am Abend war er so erschöpft, dass er es kaum noch fertigbrachte, den Löffel für die dünne Suppe in der Hand zu halten, mit der der hartherzige Onkel ihn ernährte. Die Suppe, die er seine Frau jeden Tag für seinen Neffen kochen ließ, bestand außerdem fast nur aus Wasser, nur am Sonntag gab es ein paar verschrumpelte Mantou, die die Tante sonst hätte wegwerfen müssen. Ma Liang wurde immer dünner und kraftloser, woraufhin ihn der böse Onkel Wu noch schlechter versorgte. »Du arbeitest wie ein Schwächling«, schimpfte er ihn aus, »und willst essen wie ein starker Mann?« Die Tante lachte jedes Mal laut, wenn sein böser Onkel ihn das fragte.

Seit sie auf das Feuerzeug und die Knallkörper gestoßen waren, hatte sich Geges Stimmung gebessert. In dem halb abgerissenen Haus, in dem sie ein paar Nächte verbracht hatten, musste sie jemand nach den Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag vergessen haben. Mit den Böllern in der Hand wanderten sie über den Damm am Kanal, links die alten eingeschossigen Backsteinhäuser, die alle bald dem Neubaugebiet gewichen sein würden, rechts die trübe Brühe des Kanals und auf beiden Seiten des Damms Müll, Müll und noch mal Müll. Ab und zu ließ Gege auch ihn mal einen von den Böllern – natürlich nur von den kleinen – in den Müll hineinwerfen und manchmal, wenn Xiao Chong Glück hatte, flogen bei der Explosion ein paar Papiertüten oder Stoff-Fetzen und mitunter sogar eine leere Zigarettenschachtel mit in die Luft, wenn es bumm! machte. Das war ein Spaß! Ma hatte ihnen zwar verboten, mit Feuer zu spielen, aber Ma musste ja den weißen Panda suchen und konnte nicht mehr auf sie aufpassen. Was für Gege bedeutete: »Wir sind jetzt unsere eigenen Erwachsenen. Und auf die anderen Erwachsenen brauchen wir gar nicht mehr zu hören.«

Das hatte Xiao Chong eingeleuchtet. »Dann bin ich jetzt also auch mein eigener Erwachsener, Gege, oder? Sag, Gege, dann bin ich doch jetzt auch mein eigener Erwachsener?« Er hätte es gern gehört, denn obwohl eine entfernte Stimme in seinem Inneren Xiao Chong zuflüsterte, dass etwas an der Erklärung seines großen Bruders nicht stimmte, lag darin doch eine unbezweifelbare Logik: Jetzt, wo Mama und Baba und auch Shushu nicht mehr da waren, um sich um sie zu kümmern, da waren sie eben ihre eigenen Erwachsenen. Und sie – das schloss selbstverständlich ihn, den Kleinsten in der Gruppe, den kleinen Bruder, mit ein.

»Klar«, sagte Gege und zündete einen Böller an, »nur bist du eben bloß ein kleiner Erwachsener. Und die kleinen Erwachsenen müssen auf die großen Erwachsenen hören. Daran führt kein Weg vorbei.«