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Beschreibung

Wie heimliche Helden unseren Planeten retten und den globalen Klimawandel bekämpfen

Der Permafrost taut, der Amazonas brennt, die Pole schmelzen. Der Klimawandel scheint unaufhaltsam voranzuschreiten. Ist Widerstand also zwecklos? Auf keinen Fall, wie die hier vorgestellten Klimakämpfer beweisen. Überall auf der Erde setzen sie sich mutig für den Klimaschutz und mehr Nachhaltigkeit ein, wehren sich gegen Raubbau, Lebensmittelverschwendung und Klimakrise. Die Weltreporter haben diese heimlichen Heldinnen und Helden auf dem ganzen Globus besucht und begleitet. Ihr Fazit: Es ist noch nicht zu spät, dem Klimawandel entschieden entgegenzutreten. Eine globale Bewegung ist bereits dabei, mit Mut, Erfindungsgeist und Witz unseren Planeten zu retten. Ein Buch, das Hoffnung macht und jeden dazu anregt, sich im Kampf gegen den Klimawandel selbst zu engagieren.

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MARC ENGELHARDT, Jahrgang 1971, ist Autor und freier Auslandskorrespondent. Seit gut zwei Jahrzehnten berichtet er für den Deutschlandfunk sowie ARD Hörfunk und Fernsehen, zunächst aus Nairobi und inzwischen aus Genf. Er ist Mitglied des Korrespondentennetzwerks Weltreporter, war fünf Jahre lang dessen Vorsitzender und hat mehrere gemeinsame Bücher herausgegeben, die unter anderem bei DVA und Pantheon erschienen sind.

Wie heimliche Helden unseren Planeten retten und den globalen Klimawandel bekämpfen

Der Permafrost taut, der Amazonas brennt, die Pole schmelzen. Der Klimawandel scheint unaufhaltsam voranzuschreiten. Ist Widerstand also zwecklos? Auf keinen Fall, wie die hier vorgestellten Klimakämpfer beweisen. Überall auf der Erde setzen sie sich mutig für den Klimaschutz und mehr Nachhaltigkeit ein, wehren sich gegen Raubbau, Lebensmittelverschwendung und Klimakrise. Die Weltreporter haben diese heimlichen Heldinnen und Helden auf dem ganzen Globus besucht und begleitet. Ihr Fazit: Es ist noch nicht zu spät, dem Klimawandel entschieden entgegenzutreten. Eine globale Bewegung ist bereits dabei, mit Mut, Erfindungsgeist und Witz unseren Planeten zu retten.

Ein Buch, das Hoffnung macht und jeden dazu anregt, sich im Kampf gegen den Klimawandel selbst zu engagieren.

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DIEKLIMAKÄMPFER

WER UNSEREN PLANETEN WIRKLICH RETTET UND WIE DU SELBST ZUM KLIMAHELDEN WERDEN KANNST – INSPIRIERENDE IDEEN FÜR DIE RETTUNG DER WELT

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2021 by Penguin Verlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 MünchenAbbildungen im Innenteil: © Shutterstock, Yaska (Weltkugeln)

Umschlaggestaltung: total italic, Thierry Wijnberg, Amsterdam/Berlin

Covermotiv: © Shutterstock/Cafe Racer; Shutterstock/darsi

Umschlagabbildungen (innen): total italic, Thierry Wijnberg, Amsterdam/Berlin unter Verwendung einer Vorlage von © Ed Hawkins, University of Reading, http://www.showyourstripes.info; total italic, Thierry Wijnberg, Amsterdam/Berlin, unter Verwendung einer Vorlage von © Shutterstock/Kingppin (Weltkarte)

Satz: Uhl Massopust GmbH, Aalen

ISBN 978-3-641-27259-3V001www.penguin-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Klimakämpferinnen und Klimakämpfer: Gegen die Klimadepression

Australien: Die Hoffende

Von Julica Jungehülsing

Kenia: Der Radgeber

Von Bettina Rühl

Mexiko: Der Staatsfeind

Von Wolf-Dieter Vogel

Schweiz: Der Gletscherkühler

Von Marc Engelhardt

Irak: Der Rückkehrer

Von Birgit Svensson

USA: Die Gärtnerin

Von Kerstin Zilm

Papua-Neuguinea: Die Unabhängigkeitskämpferin

Von Christina Schott

Belgien: Die Streitbare

Von Eric Bonse

Russland: Die Unverfrorenen

Von Thomas Franke

Niederlande: Die Gerichtsfeste

Von Kerstin Schweighöfer

Deutschland: Der Sturmfeste

Von Philipp Hedemann

Dänemark: Die Stadtarchitektin

Von Julia Wäschenbach

USA: Der Neofleischer

Von Christoph Drösser

Mosambik: Der Baumschullehrer

Von Leonie March

Spanien: Die Resteverwerterin

Von Julia Macher

Großbritannien: Der Baumbesetzer

Von Peter Stäuber

Kenia: Der Alchemist

Von Bettina Rühl

Frankreich: Der Unternehmer

Von Barbara Markert

Indonesien: Die Traditionsbewahrer

Von Christina Schott

Montenegro: Die Heimatbewusste

Von Danja Antonovič

Schweiz: Der Gelddrucker

Von Marc Engelhardt

Brasilien: Der Bekehrte

Von Christine Wollowski

Israel, Palästinensische Autonomiegebiete und Jordanien: Die Grenzgänger

Von Tania Krämer

Italien: Die Obstarchäologin

Von Christiane Büld Campetti

Ukraine: Der Atemlose

Von Thomas Franke

Und jetzt noch die Welt retten: Wie du selbst zum Klimahelden werden kannst

Autorinnen und Autoren

Klimakämpferinnen und Klimakämpfer: Gegen die Klimadepression

Ein Freitag im Sommer 2021: In Zürich gehen Tausende Schülerinnen und Schüler auf die Straße. Auf einem ihrer Transparente steht der Spruch: »Der beste Zeitpunkt, einen Baum zu pflanzen, war früher – der zweitbeste ist jetzt«. Einige Kilometer entfernt, auf dem Schornstein der Müllverbrennungsanlage von Hinwil, hat das Schweizer Start-up Climeworks eine Pilotanlage installiert, die Kohlendioxid aus der Luft filtert. Die beiden Ingenieure Christoph Gebald und Jan Wurzbacher, die das Unternehmen gegründet haben, gelten als Vorreiter dieser Technologie, die Negativemissionen erzeugt. Und am Rand von Basel, eine Zugstunde entfernt, hat der isländisch-dänische Künstler Olafur Eliasson die Räume eines Museums überflutet und in ein Biotop verwandelt, um für eine Welt zu werben, die für alle Spezies lebenswert ist.

An einem solchen ganz normalen Tag finden sich nicht nur in der Schweiz, sondern auch an vielen anderen Orten Menschen, die alle eins gemeinsam haben: Sie tun etwas gegen die Klimakrise. Sie lamentieren nicht über drohende Gefahren. Sie warten nicht darauf, dass jemand anderes für sie aktiv wird. Sie lassen sich nicht lähmen aus Angst vor dem, was auf uns zukommt. Sondern sie kämpfen für das Klima, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Solche Klimakämpferinnen und Klimakämpfer sind jeden Tag aktiv, an unzähligen Orten überall auf der Erde. Ihnen sind wir, Weltreporterinnen und Weltreporter auf allen Kontinenten, nachgegangen, haben ihre Ideen kennengelernt und ihr Engagement bestaunt. Den Klimakämpferinnen und Klimakämpfern zwischen Mosambik und Mexiko, Indonesien und Dänemark, Australien und Kenia ist dieses Buch gewidmet. Es erzählt ihre mutigen Geschichten.

So selbstverständlich ist es nicht, für das Klima zu kämpfen. Im Gegenteil – heute scheint es leicht, in eine Klimadepression zu verfallen. Ein Blick ins Netz reicht aus: »Apokalyptische Zustände bei Waldbränden in Kalifornien«, »Klimakrise nicht mehr aufzuhalten«, »Worst-Case-Szenario kaum noch abwendbar«. Schlagzeilen wie diese beschreiben eine Realität, die tatsächlich kaum düsterer sein könnte. Das Weltwirtschaftsforum, das nicht als alarmistisch bekannt ist, stellte 2021 zum wiederholten Male fest, dass die größte Gefahr für die Welt von der Klimakrise ausgeht und nicht etwa von der aktuell allgegenwärtigen Corona-Pandemie. Der für Risiken zuständige Chef eines großen Schweizer Versicherungskonzerns warnte: »Es gibt keinen Impfstoff gegen Klimarisiken.« Und wie vor jedem Klimagipfel, so wurde auch Ende 2021 vor dem Gipfel in Glasgow die »letzte Chance« heraufbeschworen, um ein Weltklima zu sichern, in dem der Mensch langfristig überleben kann. Wie naheliegend scheint es da, einfach aufzugeben und sich dem Fatalismus zu fügen. Zumal Wissenschaft und Politik ihrerseits wenig Hoffnung machen.

Im Pariser Klimaabkommen, auf das sich im Dezember 2015 alle 195 Staaten der Welt einigten, ist die Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad gegenüber den vorindustriellen Werten als Ziel formuliert. Der von den UN gegründete Weltklimarat IPCC warnte indes im August 2021, dass die Erde sich viel schneller aufheizt als bisher gedacht: Schon 2030 soll die kritische Marke von 1,5 Grad überschritten sein, zehn Jahre früher als bisher vorhergesagt. Wetterextreme, darunter Dürren, katastrophale Überschwemmungen und riesige Waldbrände, nehmen zu. Die Treibhausgasemissionen müssten umgehend und drastisch heruntergefahren werden, fordern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Doch dass das geschieht, ist nicht zu erwarten. Tatsächlich würden selbst die im Rahmen des Pariser Klimaabkommens gesammelten Verpflichtungen gerade einmal ausreichen, um »nur« einen Anstieg von drei Grad bis zum Jahr 2100 zu verursachen. Und das steht bislang bloß auf dem Papier, die Erreichung dieser Ziele liegt noch in weiter Ferne. Machen wir weiter wie bisher, wird die globale Temperatur wohl bis dahin um 4,5 Grad ansteigen.

Die Klimakrise ist auch deshalb die größte Gefahr für die Menschheit, weil sie praktisch alle Bereiche unseres Lebens umfasst. Krieg und Krisen; Hunger, Armut und soziale Ungleichheit (national wie global); Gesundheit im Allgemeinen und das Überspringen neuer Seuchen aus dem Tierreich auf den Menschen im Speziellen: Das sind nur einige der Probleme, die ihren Ursprung im Klimawandel haben und die die Klimakatastrophe noch radikal verschärfen wird. Von einer künftig »unbewohnbaren Erde« spricht der Autor David Wallace-Wells. Die Ursachen, die zur Erderwärmung führen, sind schon lange bekannt. Seit Beginn der Industrialisierung sorgt ein wachsender Anteil von Klimagasen (vor allem Kohlendioxid, kurz CO2) in der Atmosphäre dafür, dass die von der Erdoberfläche zurückgeworfene Sonnenstrahlung nicht mehr im normalen Maß zurück ins All gestrahlt wird, sondern in der Atmosphäre bleibt und so die Erde erwärmt. Dabei ist die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre nicht wirklich ein historisches Erbe. Mehr als die Hälfte des Kohlendioxids ist in die Atmosphäre gelangt, nachdem die Vereinten Nationen 1992 den Erdgipfel von Rio ausrichteten, auf dem die Klimarahmenkonvention beschlossen wurde – die erste multilaterale Vereinbarung, mit deren Hilfe der Klimawandel gestoppt werden sollte.

Auch die Quellen der Treibhausgase nannte der Weltklimarat schon vor Jahren: CO2, das aus der Verbrennung und Verarbeitung fossiler Brennstoffe, vor allem von Kohle, Erdgas und Erdöl entsteht, macht fast zwei Drittel aller vom Menschen verursachten Treibhausgase in der Atmosphäre aus. Noch einmal ein Zehntel ist CO2, das durch das Niederbrennen von Wäldern, das Trockenlegen von Mooren und Veränderung der Böden in die Atmosphäre gelangt ist. Dazu kommen 16 Prozent Methan aus der Massentierhaltung, aus Mülldeponien, Kläranlagen oder dem Auftauen des Permafrosts. Lachgas (vor allem aus der Landwirtschaft) macht mehr als ein Zwanzigstel, FCKWs ein Fünfzigstel aus. Zu den eigentlichen Treibhausgasen hinzu kommt klimawirksam auch der Wasserdampf, der zwei Drittel unserer Atmosphäre ausmacht und dessen Anteil steigt, je wärmer Luft und Ozeane werden.

Es ist also durchaus naheliegend, Angst vor der Klimakrise zu haben. Wer sich mit ihr beschäftigt, kommt vermutlich gar nicht umhin, sich vor ihren Folgen zu fürchten. Nur lähmen lassen darf man sich nicht. Die Gründerin von »Fridays for Future«, Greta Thunberg, formulierte das in einer Rede vor Politikerinnen und Wirtschaftsführern so: »Ich will, dass ihr Panik habt. Ich will, dass ihr die gleiche Angst spürt, die ich jeden Tag spüre. Und dann will ich, dass ihr handelt.« Das gilt letztlich für uns alle. Wir müssen gegen die Klimakrise handeln, so, als hinge unser Leben davon ab. Denn das tut es, jedenfalls das Leben, so wie wir es kennen. Die gute Nachricht: Wer handelt, der wird trotz Angst nicht trübsinnig. Ganz im Gegenteil: Etwas gegen die Klimakatastrophe zu tun, kann Spaß, Freude und Erfüllung bringen. Das zeigen die folgenden Porträts aller Klimakämpferinnen und Klimakämpfer, so unterschiedlich sie und ihre Motive auch sein mögen. Die von uns gesammelten Geschichten sollen deshalb nicht zuletzt auch Hoffnung machen. Hoffnung, dass es sich lohnt, selbst aktiv zu werden und zumindest einen kleinen Teil zur Rettung des Klimas beizutragen. Am Ende des Buchs geben unsere Klimakämpferinnen und Klimakämpfer dazu noch konkrete praktische Tipps.

Bei den Recherchen für dieses Buch haben wir versucht, so klimafreundlich wie möglich zu reisen. Dass wir alle in den Regionen leben, über die wir berichten, hat maßgeblich dazu beigetragen. Die Corona-Pandemie hat einige Recherchen durcheinandergewirbelt, aber auch gezeigt, was möglich ist, wenn eine globale Gefahr entschieden bekämpft wird. Beim Schreiben haben wir uns um eine geschlechtergerechte Sprache bemüht. Sollte uns das einmal nicht gelungen sein, bitten wir, dies zu entschuldigen. Und schließlich: Wenn wir im Untertitel des Buchs von denen sprechen, die unseren Planeten »wirklich« retten und in 25 Kapiteln Männer, Frauen, Transpersonen und Gruppen aus allen Weltregionen vorstellen, die sich für das Klima engagieren, dann soll das keinesfalls die Arbeit derjenigen abwerten, die das Gleiche auf ihre Weise tun. Die Vielfalt der von uns vorgestellten Klimakämpferinnen und Klimakämpfer soll im Gegensatz gerade zeigen, auf welch bunte und unterschiedliche Weise man für das Klima kämpfen kann. Hauptsache, man tut es.

Hannah Moloney aus Hobart, Tasmanien, Australien DIE HOFFENDE

Von Julica Jungehülsing

»Inzwischen sehe ich der Feuersaison jeden Sommer mit Furcht entgegen.« Hannah Moloney zieht die Pforte zum Ziegenstall zu und blinzelt in die Morgensonne, im Melkeimer schwappen zwei Liter Milch. »Das war vor 15 Jahren nicht so.« Die Australierin lebt an einem steilen Hang im Süden von Hobart, der Hauptstadt Tasmaniens. Tief unter ihr funkelt der River Derwent, 180-Grad-Panorama perfekt wie eine Postkarte: Dächer und Kirchtürme, kugelige braune Hügel, Brücken und Landzungen, die in die Tasmansee hinausführen. Ihre Toggenburger Ziegen Gerty und Jilly ignorieren den Traumblick und kauen Grünzeug zum Frühstück, in den Beeten zwischen Stall und Werkstatt wachsen Brokkoli, Tomaten und Äpfel. Ihr altes Holzhaus hat die Australierin mit ihrem Mann in fröhlichem Pink gestrichen, passend zu ihren langen, derzeit rosa Haaren und einem breiten Lächeln, das selten aus ihrem Gesicht weicht. Die 37-Jährige ist keine ängstliche Frau, im Gegenteil. Doch angesichts der wachsenden Intensität und Häufigkeit von extremen Bränden, Stürmen und Überschwemmungen in ihrem Land wird selbst optimistischen Australierinnen wie ihr zuweilen mulmig zumute. Erst recht seit der katastrophalen Waldbrandsaison 2019/2020, die als Black Summer in die Geschichte einging und beispiellos brutal war.

Moloney lässt sich von der Klimakrise dennoch nicht überwältigen. Die bedrohliche Situation hat sie eher darin bestärkt, weiterhin die Welt zu retten, jeden Tag ein bisschen. Als 18-Jährige hat sie vom Abholzen bedrohte Regenwälder besetzt, inzwischen wählt sie für den Klimakampf andere Waffen. Sie lebt ihre Überzeugungen und arbeitet täglich an einer Umwelt, die weniger Energie braucht: in ihrem eigenen Leben, in ihrem Permakultur-Designbetrieb »Goodlife«, vor allem aber, indem sie ihr Wissen weitergibt und andere durch ihr Beispiel und mit ihrem Enthusiasmus ansteckt. »Australier lassen sich meiner Erfahrung nach nicht gerne sagen, was sie falsch machen, oder darüber belehren, was sie besser machen sollten – vielleicht gilt das auch anderswo«, sagt Moloney. »Zugleich erlebe ich, wie sehr sich Menschen durch positive Beispiele begeistern und mitziehen lassen. Das ist so viel kraftvoller, als zu predigen.« Über einen schmalen Pfad bringt sie ihre Ziegenmilch zum Haus. Als sie dieses Stück Land 2012 kaufte, fiel der begraste Unkrauthang so steil ab, dass sie ihn kaum überqueren konnte. Neun Jahre später hat sie das Land zu blühenden Terrassen kultiviert, eine kleine Permakulturfarm mitten in der Stadt aufgebaut. Hinter Permakultur steckt die Idee, die Wechselbeziehung zwischen Menschen, Pflanzen, Tieren und der Erde zu stärken. »Es geht dabei um viel mehr als nur um nachhaltiges Gärtnern«, sagt Moloney, die das Prinzip als »eine Form des positiven, nährenden Aktivismus« beschreibt. Sie sammelt die Eier aus dem Hühnerhaus und freut sich über lila-blau blühende Artischocken: »Zu spät zum Einlegen, jetzt sind sie nur noch Augenschmaus!« Ihr Optimismus ist keine Naivität, sie sieht ihn eher als Notwendigkeit. »In der Klimawissenschaft gibt es nichts, das ›Wischiwaschi‹ ist«, sagt sie. »Die Situation ist unglaublich drängend.« Natürlich könne man sich angesichts der alarmierenden Fakten auch frustriert in einer Ecke zusammenrollen. »Aber mich motiviert etwas, das Radical Hope genannt wird – radikale Hoffnung: Es könnte ja sein, dass das, was wir tun, um nachhaltiger zu leben, funktioniert, also müssen wir es wenigstens versuchen.« Moloney schaut über die Stadt unten am Fluss und wird ernst: »Ich glaube nicht, dass wir Zeit haben, viel anderes zu tun, als jeden Tag aktiv am Klimaschutz zu arbeiten.«

Australien ist klimatisch extrem, klimapolitisch hingegen behäbig und langsam. Feuer, Wirbelstürme und Überschwemmungen gehören auf dem Kontinent seit jeher zum Alltag. Doch die Häufung und wachsende Intensität extremer Naturereignisse führen Wissenschaftler klar auf die Klimakrise zurück. »Unsere Forschung zeigt, dass sich das australische Klima aufgrund zunehmender Treibhausgase wie CO2 in der Atmosphäre weiter erwärmt und die Häufigkeit von Extremereignissen wie Waldbränden, Dürren und Hitzewellen im Meer zunimmt«, sagt Jaci Brown, Direktorin des Klimazentrums der staatlichen Forschungsbehörde CSIRO.

Dabei gehört das Land nach wie vor mit 15,5 Tonnen Jahresausstoß zu den weltweit größten Pro-Kopf-Verursachern von CO2. Dem halten konservative Politiker und Medien gerne entgegen, der Kontinent sei ja nur für 1,3 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich, ganz nach dem Motto: »Was können wir da schon groß bewirken?« Während sich andere Industrienationen auf Nullemissionen bis 2050 festlegen, bleibt Australiens konservative Regierung Klimakonferenzen fern, arbeitet an »eigenen Lösungen« oder macht vage Ansagen. Obgleich selbst die schattigsten Gegenden des Landes wie der Südwesten Tasmaniens im Durchschnitt mindestens fünf Sonnenstunden pro Tag haben und die meisten Regionen mehr als zehn, stammt australischer Strom noch immer zu 75 Prozent aus Kohle. Zudem ist Australien einer der führenden Kohleexporteure der Welt: Im Rekordjahr 2018 verließen über 200 Millionen Tonnen des fossilen Brennstoffs auf Schiffen das Land, um Kraftwerke rund um den Globus zu befeuern. Seit 2020 ist Australien außerdem der weltgrößte Gaslieferant. Daher verdankt Australien den nur 1,3-prozentigen Anteil an weltweiten Emissionen einer Deutungskapriole, denn dieser Wert berücksichtigt nur die Emissionen innerhalb des Landes. Schon 2012 schätzte der Thinktank Beyond Zero Emissions, dass der Beitrag Australiens zu den globalen CO2-Emissionen bei 4 statt 1,3 Prozent läge, würde man die exportierte Kohle mit einrechnen. Und damit wäre Australien Beyond Zero zufolge der weltweit sechstgrößte Verursacherstaat der Klimakrise.

Wasserkraft, Wind, Sonne – das Land hat alternative Ressourcen im Überfluss und ist reich und in der Lage, erneuerbare Technologien zu entwickeln und zu finanzieren, um diese effizient nutzen zu können. Selbst die Industrie dringt längst auf eine Wende. Seit dem Black Summer wollen 80 Prozent der Bevölkerung mehr Taten in der Klimapolitik sehen. Wie kann es sein, dass die Liebe zur Kohle dennoch nicht nachlässt? Ein Grund: Zusammen mit Hüttenkohle für die Stahlproduktion brachte Kohle Australien 2018 umgerechnet mehr als 42 Milliarden Euro ein, das waren 3,5 Prozent des Bruttosozialprodukts. Der andere Grund: Mehr als 15 Jahre lang prägten Leugner und Bremser die politische Landschaft, wobei das Niveau zuweilen ins Groteske abdriftete, etwa im Februar 2017. Australiens damaliger Finanzminister brachte ein Stück pechschwarze Kohle mit ins Parlament. Die Klimaanlagen in Canberra bliesen zeitgleich auf Hochtouren, draußen wütete eine der heftigsten Hitzewellen, die das Land bis dahin erlebt hatte. »Haben Sie keine Angst, es wird Ihnen nicht weh tun, es ist nur Kohle!«, rief ein aufgebrachter Scott Morrison mit dem schwarzen Klumpen wedelnd den Abgeordneten zu. Der damals 52-Jährige beschimpfte Grüne als »Kohlephobiker«, lobte den fossilen Rohstoff als »wichtigen Teil unserer nachhaltigen Energiewirtschaft der Zukunft« und versprach, er werde auch in Zukunft viele Arbeitsplätze sichern. Zwei Jahre später wählten die Australierinnen und Australier den Konservativen zum Premierminister. Ein paar Monate danach behauptete sein Parteikollege und Amtsvorgänger Tony Abbott in London, »die ›sogenannte‹ Wissenschaft zum Klimawandel [sei] absoluter Schwachsinn«. Progressive Australier duckten sich vor Scham, Wissenschaftlerinnen zuckten zusammen.

»Die Politiker haben konsequent die Angst-Karte gespielt«, sucht Hannah Moloney nach Erklärungen für das zögerliche Aufwachen vieler Landsleute angesichts der Klimakrise. »Das war Ende der 1990er mit der Flüchtlingspolitik ähnlich.« Die Angstparole damals lautete: »Wir werden von einer Flüchtlingswelle überschwemmt. Jobs, Haus und Hof sind in Gefahr!« Eine ähnliche Furcht hätten Liberals und Labour – die Parteien, die sich in Australiens absolutem Mehrheitswahlsystem in der Regierung abwechseln – zur Klimapolitik verbreitet. Statt den Übergang zu Erneuerbaren zu fördern und für die positiven Aspekte eines Wandels zu werben, werde mit Äußerungen wie »Ohne Kohle werdet ihr Jobs verlieren, ländliche Regionen werden in Armut versinken!« oder »Die Grünen wollen eure Autos verbieten!« wieder vor allem Furcht gesät.

Moloney lacht eine ihrer ansteckenden Lachsalven. Für sie hat ein Leben ohne eigenes Auto nichts Bedrohliches, im Gegenteil, sie war glücklich, als sie vor zwei Jahren ihren Wagen verkaufen konnte. »Ich würde es hassen, wieder ein eigenes Auto haben zu müssen«, sagt die überzeugte E-Bikerin. Ihre Tochter Frida reist im Kindersitz, und wenn Moloney für Jobs oder zum Campen einen fahrbaren Untersatz braucht, bucht sie den Nachbarschaftswagen. Ihr Mann Anton Vikstrom importiert gebrauchte Elektroautos aus Japan und verkauft sie in Australien, wo der Markt noch in den Kinderschuhen steckt. Ehe er die kompakten Nissan Leafs zu ihren neuen Besitzern bringt, tankt er sie an der eigenen Solaranlage auf. Die Familie fängt das in Hobart eher rare Regenwasser auf, hat mitten in bester Wohnlage eine Komposttoilette installiert und ist stolz, dass kaum Müll ihr knapp 3000 Quadratmeter großes Grundstück am Steilhang verlässt: Wurmfarm, Kompost, Ziegen, Hühner und Enten kümmern sich um die Wiederverwertung ihres organischen Abfalls. Vikstrom braut sein Bier selbst, pflegt einen Bienenstock, erntet und konserviert Früchte.

Autark ist die Familie damit jedoch keineswegs. »Selbstversorgung ist nichts für mich«, sagt Moloney, die bewusst nur auf etwa einem Fünftel ihres Grundstücks Gemüse kultiviert. Der Rest sind weniger arbeitsintensive Waldgärten, Ställe, eine Trampolinwiese und heimische Büsche. »Sich komplett selbst zu versorgen, ist furchtbar harte Arbeit und außerdem einsam und langweilig«, findet sie. Statt auf Selbst- setzt sie auf Gemeinschaftsversorgung: Die Familie tauscht Obst gegen Erzeugnisse der Nachbarn, Moloney organisiert nachhaltige Projekte in der Gemeinde und in ihrer Stadt und teilt ihr Wissen gerne, wo immer es geht – mit der ganzen Insel und mit dem Rest der Welt. Gemeinsam mit der Stadtverwaltung von Hobart organisiert sie Kompostworkshops und Touren durch die »essbaren Gärten« Tasmaniens. Sie veranstaltet Permakultur-Wochenenden und Kurse, in denen es um Bienenhaltung, Ziegen in der Stadt oder gesunde Hühner geht. Jeder Tag sei anders, freut sich Moloney, aber immer gehe es um das gleiche Ziel: nachhaltig zu leben, den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und die Welt zu retten.

In Australiens beliebtester Gartensendung gibt sie seit 2019 zur besten Fernsehsendezeit Tipps zu gesundem Boden, zu Nutztieren, Löwenzahntee oder Wurmfarmen. Im zweiten Monat der Corona-Pandemie startete sie eine Onlineserie mit Gratisvideos, in denen sie zeigt, wie sich mit wenig Aufwand auf kleinster Fläche Salat anbauen oder Tee aus vermeintlichem »Unkraut« brauen lässt. »Einige der Filme wurden über 10 0000-mal angesehen«, erzählt Moloney stolz. Feedback kam aus Europa, Afrika und Asien von Menschen, die anschließend zum ersten Mal in ihrem Leben etwas pflanzten und ernteten. »Für mich ist das einfach und selbstverständlich«, sagt Moloney, die auf einer Kräuterfarm in Brisbane aufwuchs, ehe sie in den äußersten Süden ihres Landes zog. »Für andere ist es ein radikaler Schritt. Die Reaktionen haben mir gezeigt, wie hungrig viele nach mehr Wissen sind.« Nebenbei sorgen positive Rückmeldungen dafür, dass ihr selbst der Elan nicht ausgeht. Denn natürlich sind auch die Gute-Laune-Ressourcen der Australierin nicht unerschöpflich. »Es gibt eine Menge, was mich stört und beunruhigt. So sehr ich all das Großartige fühle, so stark erlebe ich auch die Herausforderungen und schwierigen Realitäten des Lebens«, sagt sie. Im Laufe der Jahre habe sie sich daher einen Puffer zugelegt. »Ich muss nicht jeden neuen Bericht über die Klimakrise studieren, ich habe die Fakten schon vor 20 Jahren verstanden.« Sie könne sich schlicht nicht ständig dieselben traumatischen Zahlen vor Augen führen. »Das wäre einfach zu lähmend. Natürlich verfolge ich die Entwicklung, aber ich gehe nicht jeder neuen Studie auf den Grund, ich brauche meine ganze Energie dafür, das Leben und die Probleme auf eine positive Weise anzugehen. Deshalb rationiere ich deprimierende Nachrichten.« Daran sei auch Australiens Medienwelt nicht unschuldig: »Sie wird von einer Handvoll reicher Männer kontrolliert. Medien spielen eine so wichtige Rolle in unserer Politik und Kultur, leider wird diese Macht derzeit zum Schlechten, nicht zum Guten genutzt.«

Als Moloney vor fast 20 Jahren das bedrohte Styx Valley 80 Kilometer westlich von Hobart vor den Motorsägen der Holzfäller verteidigte, hatten sie und ihre Mitstreitenden Erfolg: Ein Teil des bedrohten Waldes wurde unter Schutz gestellt. Damals tobten in Australiens kleinstem Bundesstaat die sogenannten Forest Wars, Waldkriege zwischen Holzindustrie und Umweltschützern, die Gesellschaft war extrem gespalten. »Korruption und das politische Klima in Tasmanien waren gruselig«, erinnert sich Moloney an die Jahrtausendwende. Inzwischen erlebt sie die Stimmung als gemäßigter, auch wenn viele tasmanische Aktivisten sich 2021 zuweilen fühlen müssen wie im legendären Film »Und täglich grüßt das Murmeltier«. Mehr als 300 000 Hektar bis dato geschützte Waldgebiete will der kleine Inselstaat wieder für die Industrie freigeben. Auch im Styx Tal der Baumriesen, das Moloney vor Jahren »rettete«, stehen durch eine Gesetzesänderung einige Flächen wieder auf der Liste der Holzfäller. »Natürlich ist das traurig«, sagt die Australierin. »Wir gewinnen, dann wieder stecken wir Niederlagen ein. Aber wir dürfen deshalb nicht aufgeben, nicht aufhören, das Gespräch zu führen.« Sie hofft, dass sich der Einsatz für die Umwelt in den kommenden Generationen fortsetzt. Auch das gehört für sie zur »radikalen Hoffnung«, einem Begriff, den Jonathan Lear prägte. »Ethik im Angesicht kultureller Zerstörung« hat der amerikanische Philosoph sein Buch »Radical Hope« untertitelt. Er untersucht darin, wie die nordamerikanischen Crow-Ureinwohner damit umgingen, als Mitte des 19. Jahrhunderts ihre traditionelle Lebensweise vor dem Aus stand. »Es geht darum, weiterzumachen«, beschreibt Moloney, wie sie das Prinzip der radikalen Hoffnung für sich interpretiert. »Wir wissen: Die Situation ist dramatisch.« Die Prognosen von einst über die Klimakrise seien längst Tatsachen geworden, die schon jetzt viele Menschen bedrohten. Im Norden von Australien müssen Bewohner niedrig gelegener Inseln in der Torres-Straße bereits damit umgehen, dass ihr Lebensraum jede Saison etwas weiter schrumpft. Eines der größten Naturwunder der Welt, das Great Barrier Reef vor der nördlichen Ostküste Australiens, hat in den vergangenen 25 Jahren fast die Hälfte seiner Korallen verloren. Die zuständige Behörde stufte die Zukunftsaussichten des Riffs 2019 von »schlecht« auf »sehr schlecht« herunter. Auch für diese Situation ist vor allem das Klima, oder genauer, die Erwärmung und Versauerung der Ozeane verantwortlich.

Aufzugeben ist für Moloney trotzdem keine Option: »Es könnte ja sein, dass wir das Ruder noch herumreißen können«, sagt sie. »Ich bin überzeugt, dass die Menschheit intelligent ist und auf dieser Erde weiter leben will. Also müssen wir alles probieren.« Rebecca Solnits »Hope in the Dark« ist ein weiteres Buch, das sie inspiriert hat. Auch die amerikanische Schriftstellerin plädiert dafür, angesichts von Klimakrise und sozialer Ungerechtigkeit nicht zu resignieren: »Hoffnung bedeutet nicht, die Realität zu leugnen. Sie bedeutet, sich ihr zu stellen und sie anzugehen, indem man sich daran erinnert, was das 21. Jahrhundert sonst noch gebracht hat, einschließlich der Bewegungen und Helden, die diese Themen jetzt angehen«, schreibt Solnit.

»Ich kann meine Zeit heute nicht mehr mit Waldblockaden verbringen«, sagt die Frau, die Mutter, Bloggerin, Fernsehfrau, Gärtnerin und Permakultur-Planerin in einer Person ist. Aber Moloney hat die bedrohten Wälder nicht vergessen. Im März 2021 lief sie einen Halbmarathon in der Tarkine-Region im Nordosten, die Tasmaniens indigene Bewohner Takayna nennen. »Ich bin definitiv keine Läuferin – aber es war das Training wert.« Die 450 000 Hektar sind durch ihren Artenreichtum ökologisch einzigartig und der größte gemäßigte Regenwald Australiens – und akut davon bedroht, durch Bergbau und andere Erschließungsprojekte zerstört zu werden. Der Marathon mit 150 gesponserten Teilnehmern war eine Spendenaktion der Bob Brown Foundation. Über 200 000 australische Dollar kamen zusammen, die den Schutz der Region als Weltkulturerbe vorantreiben sollen. Bob Brown, der Gründer und langjährige Vorsitzende der australischen Grünen, zog sich 2012 aus der Parteipolitik zurück und kämpft seither mit seiner Stiftung gegen die Zerstörung der Umwelt, vor allem in seiner Heimat Tasmanien. Die Rettung der Takayna-Regenwälder und der Küste ist eines seiner wichtigsten Projekte. »Die Tarkine ist eine der letzten echten Wildnisregionen der Welt«, sagt Brown, dessen entschlossene Stimme für Umwelt- und Klimapolitik viele Australier im Parlament vermissen. »In Australien fehlen uns inspirierende Führungspersönlichkeiten«, findet auch Moloney. Im Nachbarland Neuseeland hingegen beeindrucke sie Premierministerin Jacinda Ardern. »Sie zeigt, wie man Menschen mitnehmen kann auf gerechte und inklusive Weise. Das geht unserer Regierung leider völlig ab.« Ardern veranschauliche damit auch: »Ja, es ist möglich, Politik kann sich ändern, und zwar in einer gar nicht so endlos langen Zeitspanne.«

Moloneys Fazit daraus lautet: »Jeder von uns hat mehr Macht, als wir glauben.« In Australien könne jede und jeder durch den Stimmzettel etwas ändern und durch Petitionen oder Proteste Druck auf die Industrie ausüben. »Nicht jeder ist ein politischer Aktivist«, weiß sie. Aber alle könnten irgendwo aktiv sein und den Boden verbessern, einen Baum pflanzen, für besseren Nahverkehr sorgen oder auf Einwegplastik verzichten – jeder kleine Schritt sei besser, als nichts zu tun. Obgleich sie ihre eigenen Hände am liebsten in der Gartenerde sieht, hat Moloney 2021 ihren Vorbildern nachgeeifert und selbst ein Buch geschrieben: »The Good Life. How to grow a better world« – Das gute Leben. Wie man eine bessere Welt wachsen lässt. »Es geht darin um unseren eigenen positiven Lebensansatz, darum, wie wir mit der Klimaherausforderung umgehen und mit den sozialen Problemen der Welt.« Einmal mehr hofft sie, mit ihrem eigenen Beispiel andere anzustecken.

»Ich denke nicht, dass jeder nach Tasmanien ziehen und einen riesigen Garten anlegen muss«, sagt Moloney. »Aber es gibt viel mehr Bedarf, Gespräche darüber zu führen, wie wir nach unseren Werten und mit radikaler Hoffnung leben und optimistisch handeln können angesichts der enormen Unsicherheit. Und das sind wichtige Gespräche.« Moloney blickt über den Fluss und die Dächer der Stadt tief unter ihr und wird ernst. »Wir haben nichts zu verlieren, aber wir haben alles zu gewinnen.«

Lincoln Wamae aus Nairobi, Kenia DER RADGEBER

Von Bettina Rühl

Lincoln Wamae sitzt vor seiner Werkstatt in der kenianischen Hauptstadt Nairobi, auf den Knien einen Teller mit Reis und gebackenen Bohnen. Der 32-Jährige hat es sich für seine Mittagspause auf einem elektrischen Rollstuhl gemütlich gemacht, der neben E-Scootern und elektrischen Motorrädern vor seiner Werkstatt geparkt ist. Wamae hat sie selbst entworfen und gebaut. »Ich wünschte, dass es nur noch elektrische Fahrzeuge gäbe«, sagt er seufzend, während sein Blick von den Bohnen und dem Reis auf seinem Teller immer wieder zur vierspurigen Schnellstraße wandert, die ein paar Meter von ihm entfernt verläuft. Die vielen Lkw, die dicht vor seiner Nase vorbeidröhnen, stoßen schwarze Rußwolken aus. Nicht viel besser riechen die vielen Motorrad-Taxen, deren Fahrer sich durch jede kleine Lücke drängen, die sich im dichten Verkehr auftut. Für Wamae ist der Wayaki Highway vor seiner Werkstatttür eine ständige Provokation. Aber auch ein Ansporn, noch mehr Energie in seine Arbeit zu stecken, die zugleich seine Leidenschaft ist: Wamae will mehr Menschen dazu bringen, auf Benzin- und Dieselmotoren zu verzichten und auf elektrische Fahrzeuge umzusteigen. »Ich kann jedem, der es wissen will, versichern, dass E-Mobilität funktioniert.«

Im vergangenen Jahr habe er nur ein einziges Mal ein benzingetriebenes Fahrzeug benutzt: »Vor einer Woche musste ich zu einer Beerdigung, die für mein E-Bike zu weit entfernt war.« Genau genommen hat Wamae nicht nur ein E-Bike, sondern sieben. Sein Lieblingsfahrzeug ist ein Trike, das vorne eines, hinten zwei Räder hat und mit dem er auch schwere Lasten transportieren kann. Mit einer Batterieladung kommt er gut 100 Kilometer weit; da er die Batterien derzeit jedoch nur zu Hause wieder auffüllen kann, bleibt ihm faktisch eine Reichweite von 50 Kilometern. Das ist ein guter Wert. Die meisten E-Bikes, die Wamaes Werkstatt verlassen, schaffen aber immerhin 20 bis 30 Kilometer.

Bisher interessiert sich in Kenia allerdings kaum jemand dafür. Einer der Gründe hierfür sind die fehlenden Ladestationen. Mit bislang bescheidenem Erfolg bieten einige Unternehmen unterschiedliche E-Fahrzeuge an, darunter umgerüstete Safari-Autos oder solarbetriebene Lastenfahrräder. Die Vereinten Nationen und die kenianische Regierung wollen die E-Mobilität fördern. Beim Pariser Klimagipfel hat sich die kenianische Regierung 2015 auf einen Klima-Aktionsplan und eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 30 Prozent bis zum Jahr 2030 verpflichtet. Beim Verkehr anzusetzen, liegt nahe, denn nach den jüngsten Zahlen von 2016 liegt er beim Ausstoß von Treibhausgasen in Kenia an dritter Stelle, die Landwirtschaft mit großem Abstand vorne.

Wamae folgt mit den Augen einem Mann, der einen anderen im Rollstuhl über den holprigen, nicht asphaltierten Randstreifen neben der Schnellstraße schiebt. Der Rollstuhl schwankt durch die Schlaglöcher wie ein Schiff auf hoher See. Das ist vermutlich beängstigend für den Geschobenen und anstrengend für den Schiebenden. »Siehst du die beiden?«, fragt Wamae. »In Kenia sind die meisten Menschen mit Behinderungen darauf angewiesen, dass jemand sie dahin schiebt, wo sie hinwollen.« Das sei für beide eine Qual. Er würde Menschen mit Beeinträchtigungen gerne ihre Unabhängigkeit zurückgeben und ihnen mehr Beweglichkeit schenken. »Mit einem elektrischen Rollstuhl können sie alleine überall hinfahren, wo sie hinwollen« – vorausgesetzt, der Rollstuhl ist für die holprigen Straßen geeignet. Seiner Überzeugung nach könnten die Gefährte ihnen sogar dabei helfen, wirtschaftlich unabhängig zu werden und eine Familie zu ernähren: »Man kann damit beispielsweise Obst ausfahren oder andere Waren auf der Straße zum Verkauf anbieten. Und zwar ohne weiter Umwelt und Klima zu zerstören.«

Die Folgen der Klimakrise beunruhigen Wamae, sie sind in Kenia schon deutlich zu spüren. Extreme Wetterereignisse wie Dürre und Überschwemmungen sind häufiger geworden. »Außerdem waren Regen- und Trockenzeiten früher klar voneinander abgegrenzt«, erinnert sich Wamae. Wer sein Feld bestellen wollte, wusste, wann die beste Zeit für die Aussaat ist. »Heute haben sich die Zeiten verschoben, mitten in der Trockenzeit kann es plötzlich sintflutartig regnen.« Während der Himmel vielleicht trocken bleibt, wenn alle schon die Felder vorbereitet haben und die Saat dringend das erste Wasser braucht, um aufgehen zu können. Besonders problematisch sind die inzwischen häufigen Wetterextreme in den trockenen und halbtrockenen Regionen Kenias, im Nordosten und Norden des Landes. Dort kommt es immer öfter zu bewaffneten Konflikten um Wasser und Weideland. An der Küste hingegen ist der Anstieg des Meereswassers teilweise schon spürbar, Salzwasser dringt dort bereits in einige Süßwassersysteme ein. Unter den Folgen der Klimakrise leiden diejenigen besonders, die wirtschaftlich ohnehin schlechter gestellt sind: Frauen, junge Menschen und ethnische Minderheiten. Nur wer finanzielle Reserven hat, kann auf die Krisen ausreichend reagieren.

Der wirtschaftliche Schaden für das Land ist jetzt schon erheblich und wird voraussichtlich weiter steigen. Denn in den Bereichen Landwirtschaft und Tourismus, Kenias wichtigsten Wirtschaftssektoren, hat die Klimakrise besonders spürbare Folgen. Die Ernteausfälle und andere Verluste infolge einer langen Dürre, die von 2008 bis 2011 andauerte, werden auf gut 12 Milliarden US-Dollar geschätzt – und diese Dürre ist nur eine von vielen. Im Jahr 2030 könnten die Schäden infolge der Wetterextreme und der unberechenbaren Jahreszeiten den Gegenwert von 2,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachen.

Um wie viel Geld es dabei geht, machen Zahlen der Weltbank deutlich. Demnach macht Kenia jetzt schon durchschnittlich alle fünf Jahre eine Dürre durch, die Kosten von 0,5 Milliarden US-Dollar verursacht. Im Durchschnitt alle sieben Jahre betragen die wirtschaftlichen Folgekosten der noch extremeren Dürre sogar 0,8 Milliarden US-Dollar.

Wamae nimmt seinen Teller und geht zurück in die Werkstatt. Sein Mitarbeiter Adam Abdelmalek steht an der Werkbank, hat einen alten Rahmen in die hydraulische Rohrbiegemaschine gespannt, um ihn in die gewünschte Form zu bringen. Der Rahmen stammt vom Schrott, wie rund 80 Prozent der Teile, die Wamae und seine inzwischen zwei Mitarbeiter verbauen. Die Energie zur Fortbewegung wird in recycelten Laptop-Batterien gespeichert. Früher ging Wamae noch selbst auf die Suche nach alten Batterien, inzwischen hat er eine Firma gefunden, mit der er kooperiert: Das private Abfallwirtschaftsunternehmen EnviroServe nimmt unter anderem gebrauchte Batterien an und gibt sie neuerdings an Wamae weiter. Eine Win-win-Situation, wie er findet: »Sie wissen endlich, wo sie ihre ganzen Batterien loswerden können, und ich brauche nicht mehr zeitaufwendig zu suchen.«

Die Batterien frischt er nicht in der Werkstatt an der Schnellstraße auf, sondern in der kleinen Bastelbude, in der seine Firma »Lincell Technologies« entstand: einem fensterlosen Raum, der in die Nische unter einer Treppe gezwängt ist. Wamae kann dort nur in einem kleinen Bereich aufrecht stehen, aber meist sitzt er ohnehin an seiner kleinen Werkbank. An den Wänden hängen so viele Werkzeuge, dass vom Mauerwerk kaum noch etwas zu sehen ist. Auf dem Boden stehen drei Plastiktonnen, gefüllt mit gebrauchten Laptop-Batterien. Geübt setzt Wamae den Schraubenzieher an und baut ein Batteriepack auseinander. Für den kenianischen Erfinder ist das fast tägliche Routine und damit die einfachste aller Übungen. Er sucht nach den Bereichen der Batterie, die noch nicht »tot« sind. Anschließend prüft er alle Zellen, die er für brauchbar hält, in einer Maschine auf deren Kapazität. Diejenigen, die noch Ladung halten können, baut er zu neuen Paketen zusammen, der Rest geht zurück an EnviroServe. Verwertbar seien etwa 20 bis 30 Prozent des Materials, das er bekomme. Dass die Batterien zuverlässig sind und nicht schon nach kurzer Zeit ausgetauscht werden müssen, ist für ihn Ehrensache. Bisher kam keine seiner Kundinnen, keiner seiner Kunden aus Nairobi. Alle müssten also eine weite Entfernung zurücklegen, um ihren Rollstuhl warten und die Batterie wechseln zu lassen. Das will er ihnen so lange wie möglich ersparen.

Die Idee, aus gebrauchten Stromspeichern und Schrott elektrische Rollstühle zu bauen, hatte er 2014. Damals war er gerade vom Land in die Hauptstadt Nairobi gezogen und musste die »Matatu« genannten Kleinbusse benutzen, die private Betreiber als einzigen Linienverkehr durch die Städte und über Land schicken. »Mir fiel auf, dass Menschen im Rollstuhl fast nie mitgenommen werden«, erinnert er sich. Vor allem nicht in der Hauptverkehrszeit, wenn es beim Drängeln und Schieben um freie Plätze am rauesten zugeht. »Den Busfahrern ist der Aufwand meist zu hoch, die Menschen in den Bus zu heben, den Rollstuhl zusammenzuklappen und ihn dann auf das Dach zu laden – Zeit ist schließlich Geld.« Also lassen sie die Menschen samt ihrer mechanischen Rollstühle einfach stehen. Sogar in der Regenzeit, obwohl manchmal regelrechte Fluten vom Himmel kommen. Eine Chance auf eine Mitfahrmöglichkeit haben Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer erst, wenn alle anderen längst zu Hause sind und freie Plätze in den Matatus nicht mehr so begehrt sind. »Ich wollte eine Lösung für diese Menschen schaffen und erfand etwas, dem ich erst einmal keinen Namen gab«, erzählt Wamae. Bis er für diesen elektrisch betriebenen »Stuhl mit Rädern« alles zusammen hatte, brauchte er drei Jahre.

Seinen Prototyp hat Lincoln Wamae noch immer in seiner kleinen Werkstatt stehen. Denn auch wenn er seitdem 25 elektrische Rollstühle gebaut und fünf weitere in Arbeit hat, ist er auf diesen ersten besonders stolz. Um ihn vorzuführen, fährt er ihn mit etwas Rangieren auf die Straße. Der Rollstuhl – ein Dreirad – passt überall gerade so hindurch. »Als ich meinen Prototyp baute, musste ich die Breite aller Türen im Blick behalten«, erzählt der Erfinder. Die Millimeterarbeit hat sich bewährt.

Draußen führt er vor, dass sein Gefährt sogar Blinker hat und außerdem Lichter vorne und hinten. Das wäre noch nicht einmal nötig, es gibt in Kenia keine Vorschriften für elektrische Fahrzeuge. Wamaes kleine Werkstatt befindet sich in Githurai, einem Vorort von Nairobi. Die nicht asphaltierte Straße vor seinem Haus ist von kleinen Verkaufsständen gesäumt, sehr belebt und mit Schlaglöchern übersät. Wamae fährt los, schaukelt durch die Schlaglöcher oder umkurvt sie, weicht geschickt den Passanten aus. Die Dreiräder seien so stabil, dass sie mit jeder Straße gut klarkämen. Um zu zeigen, was sein Rollstuhl alles aushält, geht Wamae in Seitenlage, fährt auf zwei Rädern weiter.

Sein Prototyp kommt mit einer Batterieladung 40 Kilometer weit, seine jüngsten Modelle schaffen sogar 140 Kilometer. Außer den 25 Rollstühlen hat er bis jetzt rund 50 unterschiedliche elektrische Räder und Roller konstruiert. Alle sehen anders aus, Wamae erschafft sie in etwa so, wie manche Menschen kochen: Er guckt sich die Teile an, die er gerade auf Lager hat, und stellt daraus ein neues Fahrzeug zusammen. Einige baut er von Grund auf selbst, andere konvertiert er. Zum Beispiel kaufte er mal eine Fuhre chinesischer Motorroller, die nagelneu und frisch importiert waren, aber alle nicht funktionierten. Er baute sie um und brachte sie als E-Roller auf die Straße. Auf die Frage nach dem Grund dafür sagt er: »Ich hasse Benzinmotoren und liebe es, ökologisch zu leben.« Die meisten seiner Kundinnen und Kunden fänden ihn mithilfe des Internets. Viele reizt offenbar das ungewöhnliche Design seiner Gefährte, die sozusagen alle »maßgeschneidert« sind. »Aber viele lesen nicht aufmerksam genug und übersehen, dass sie bei mir nur E-Fahrzeuge kriegen.« Diese Menschen versucht er dann für die Idee der E-Mobilität zu gewinnen. »Ansonsten trennen sich unsere Wege – von mir wird niemand je ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor bekommen.«

Zurück in der Werkstatt, fallen noch mehr von seinen Erfindungen auf. An der Wand hängen elf Batterie-Pakete, die blinken und in digitalen Anzeigen jeweils unterschiedliche Prozentzahlen anzeigen. Wamae erklärt, was es damit auf sich hat: Die Batteriepakete sind seine Back-up-Stromversorgung. Ohne eine solche Notversorgung müsste er seine Arbeit immer wieder unterbrechen, weil der Strom in Kenia fast täglich ausfällt, mal mehr und mal weniger lang. Am Vortag sei die öffentliche Versorgung den ganzen Tag lang ausgeblieben, sagt er. Dank seiner recycelten Laptop-Batterien konnte Wamae trotzdem durchgehend arbeiten. Jetzt lädt er alle wieder auf und lässt sich einzeln anzeigen, wie weit jedes Paket schon geladen ist.

Technische Lösungen für unterschiedlichste Probleme scheinen nur so aus ihm herauszusprudeln. Auch eine Anlage zur Videoüberwachung hat er sich selbst gebastelt, er steuert sie über seinen Laptop. Mehrere Kameras übertragen ihm Bilder von der Straße und vom Eingangsbereich seines Hauses auf einen Bildschirm über seiner Werkbank. »Ich habe nicht immer Lust, mein E-Bike oder die Rollstühle mit reinzunehmen«, erklärt er den Grund für die Installation. »Aber wenn ich sie unbeobachtet draußen stehen ließe, wären sie vermutlich schnell weg.« An seinen Prototyp hat er außerdem einen Bewegungsmelder gebaut. Wenn jemand das Fahrzeug anfasst, gibt sein Handy Alarm. »Eine Spielerei«, sagt er, schließlich hat er ja schon die Videoüberwachung. Etwas zu erfinden, sei ihm noch nie schwergefallen. »Gott hat mir zum Glück das passende Gehirn dafür gegeben.«

Die höhere Schule habe er »aus familiären Gründen« nicht abschließen können. Mehr will er dazu nicht sagen, vermutlich spielte es auch eine Rolle, dass seine Eltern das Geld für die Schulgebühren nicht aufbringen konnten. Dass er nicht weiter lernen konnte, empfand er zunächst als vernichtenden Schlag, denn Wamae wusste seit Jahren, dass er Mechatronik studieren und Ingenieur werden wollte. Da ihm die Universität aus finanziellen Gründen verschlossen war, sah er nur einen Ausweg: sich alles selbst beizubringen. Aber dafür brauchte er einen Laptop, um das nötige Wissen im Internet zu suchen, reichte sein Handy nicht aus. Also ließ er einst in einem Laden einen Laptop mitgehen, ohne dafür zu zahlen. »Ich bereue das nicht, ohne den Computer wäre ich nicht da, wo ich heute bin.«

Das war im Jahr 2009, und Wamae baute als Erstes eine Drohne: Er wollte um jeden Preis aus Kenia weg und irgendwohin, wo er bessere Chancen hätte, vielleicht sogar eine geregelte Arbeit fände. Er wollte eine Drohne konstruieren, die ihn fortbringen würde. Aber das Projekt scheiterte: Beim Probeflug stürzte seine Drohne ab, zum Glück ohne ihn. »Ich habe damit so viel Geld verloren, dass ich mich seitdem auf Fahrzeuge konzentriere, die am Boden bleiben.« Was er erfindet, entscheidet häufig der Bedarf. »Laptop-Batterien zu recyceln, war für mich der einfachste und billigste Weg, an Batterien zu kommen«, sagt Wamae. Importierte Batterien seien für ihn zu teuer gewesen und schienen für sein Vorhaben nicht geeignet zu sein. Lithium-Ionen-Batterien waren die einzigen, die dafür infrage kamen, möglichst lange Distanzen mit einem leichten, elektrischen Fahrzeug zurückzulegen. »Und die gab es zuhauf auf unseren Schrottplätzen.« Er habe sie nur einzusammeln brauchen, »und dann musste ich eben lernen, wie ich sie wieder arbeitsfähig und zu einem Batterie-Pack verbaut kriege«.

Im Vergleich zu importierten Rollstühlen haben seine mindestens drei deutliche Vorteile: Sie schonen die Umwelt, weil für ihren Bau fast nur recyceltes Material verwendet wird. Sie sind billiger als die importierten – Wamaes Standardrollstuhl kostet umgerechnet etwa 600 Euro. Importierte Rollstühle fangen bei 850 Euro an, manche kosten das Doppelte. »Und für unsere schlechten Straßen sind sie noch nicht einmal geeignet«, meint der Bastler. »Meine dagegen haben ein solides Fahrwerk und gute Stoßdämpfer, damit sie mit unseren Straßen klarkommen.«

Seit März 2020 hat Wamae außer dem kleinen Arbeitsbereich unter der Treppe auch die größere Werkstatt an der Schnellstraße. Von mehr Platz hatte er lange geträumt, um mehr Mitarbeiter beschäftigen und mehr elektrische Fahrzeuge produzieren zu können. Seit dem Umzug kann er zwei Angestellte beschäftigen, was ihn mit Blick auf die hohe Arbeitslosigkeit junger Menschen in Kenia zusätzlich freut. Dank einer Auszeichnung, die er 2020 für seine Arbeit bekam und die mit einem Preisgeld verbunden war, konnte er zudem die Werkstatt renovieren und vor allem auf Solarstrom umrüsten. »Ich habe mich immer schlecht gefühlt, weil ich saubere Fahrzeuge mit schmutziger Energie baue«, sagt er rückblickend. »Jetzt arbeite ich mit sauberer Energie für saubere Fahrzeuge.« Dabei beherrschen erneuerbare Energien mit 70 Prozent den kenianischen Strommarkt, wobei der größte Anteil durch Geothermie erzeugt wird. »Aber weil die öffentliche Stromversorgung so unzuverlässig ist, springen immer wieder etliche Dieselgeneratoren an.« Sein Vorteil ist nun zusätzlich, dass er dank des Solarstroms selbst dann noch arbeiten kann, wenn bei den Nachbarn gar nichts mehr geht. Da er recycelte Solarpanele gekauft habe, sei die Umrüstung gar nicht so teuer gewesen und habe umgerechnet rund 1000 Euro gekostet. Die Panele liefern genug Energie, um auch eine Ladestation zu betreiben, an der er, seine Mitarbeiter und – theoretisch – auch andere Nutzer ihre elektrischen Fahrzeuge kostenlos aufladen können.

»Wenn ich sehe, dass Menschen mit Behinderungen durch meine Erfindung unabhängig werden, erfülle ich mir damit einen Traum«, sagt er. »Wenn ich Arbeitsplätze schaffe, erfülle ich mir einen weiteren Traum.« Auch wenn er in Bezug auf neue Jobs noch längst nicht da ist, wo er hinmöchte. »Und das Dritte ist meine Zufriedenheit, wenn ich sehe, dass Menschen meine E-Roller nutzen, um zur Arbeit zu fahren.« Denn das schone das Klima, verbessere die Luft und reduziere die Lärmbelastung. »Mit diesen drei Punkten erfülle ich mir meine Träume, wenn auch noch nicht in dem Maße, wie ich mir das wünschen würde.« Dafür fehlt ihm nicht zuletzt weiteres Kapital, um eine größere Werkstatt zu mieten und mehr Menschen beschäftigen zu können. Was ihm aber auf keinen Fall fehlt, sind Ideen. Heute schon ist er froh darüber, dass er zu denen gehört, die E-Mobilität in Kenia eingeführt haben. Und vielleicht auch ein bisschen stolz.

Pablo López Alavés aus San Isidro Aloapam, Mexiko DER STAATSFEIND

Von Wolf-Dieter Vogel

Sie wollten nur zum Fluss fahren und Sand holen. Es war Regenzeit und der Boden im Dorf wie jedes Jahr durchweicht. Man musste die Wege unbedingt trockenlegen. Doch auf der Straße zum Rio Virgen, kurz vor dem Ufer, fand die Fahrt von Pablo López Alavés und seiner Familie ein jähes Ende. Ein roter Kleintransporter versperrte den Weg. Etwa 15 Männer, schwarz gekleidet, mit Tüchern vermummt, sprangen von der mit einer orangefarbenen Plane bedeckten Ladefläche und liefen auf den Wagen von López zu. Sie rissen die Autotür auf, zerrten ihn aus dem Pick-up und drückten ihn mit dem Gesicht auf den Boden. Dann warfen sie ihn auf ihren Transporter, legten ihm Fesseln an und fuhren los. Zurück blieben seine Frau Yolanda Pérez Cruz, die beiden Töchter und ein Enkelkind. »Deine Zeit ist abgelaufen«, sagte ihm einer der Männer, »du bist verhaftet.« Doch niemand zeigte ihm einen Haftbefehl. »Ich weiß bis heute nicht, wer mich festgenommen hat«, sagt López. »Sie waren jedenfalls schwer bewaffnet.«

Einen Tag später saß López im Gefängnis der Stadt Etla, rund vier Autostunden von seinem Dorf San Isidro Aloapam in der südmexikanischen Sierra Norte de Oaxaca entfernt. Auch über zehn Jahre nach diesem Überfall vom 15. August 2010 befindet sich López dort hinter Gittern. Seinen Besuch empfängt der kräftige 52-jährige Mann mit den kurzen Haaren in der Bibliothek, einem dunklen Raum mit Holzregalen, auf denen sich Bücher zu verschiedensten Themen stapeln. »Geografie« steht auf einem Schildchen, auf einem anderen »Biologie«. Auch ein Buch mit dem Titel »Geschlechtsspezifische Gewalt« steht dort. In der Bibliothek, die sich in einem separaten Blechhaus befindet, kann López in Ruhe reden. Hier stört ihn keiner der etwa 300 anderen Häftlinge. Kein Wärter kommt, und die Musik aus dem Radio im Hof verschwindet im Hintergrund. Bleibt es bei der Entscheidung des Gerichts, wird Pablo López noch weitere 20 Jahre in dieser Haftanstalt in Oaxaca verbringen. Denn die Vorwürfe gegen den Mann, der dem Volk der Zapoteken angehört, wiegen schwer: Er soll einen Mord begangen haben.