Die körperlich kranke Seele I - Günter von Hummel - E-Book

Die körperlich kranke Seele I E-Book

Günter von Hummel

4,8

Beschreibung

Körperliche Krankheiten haben oft psychische Ursachen. Die Analytische Psychokatharsis ist eine der Psychoanalyse entnommene und der Oberstufe des "autogenen Trainings" verwandte Methode der Selbsterfahrung und der Behandlung psychischer und psychosomatischer Beschwerden. Im Zentrum dieses Verfahrens stehen sogenannte FORMEL-WORTE, Formulierungen, die am Rande des Sprachlichen stehen und doch mehrere Bedeutungen in einem Wortzug enthalten. Dadurch sind sie so aufgebaut wie das seelisch Unbewusste selbst, das Lacan eben aus dem gleichen Grunde einen "linguistischen Kristall" nannte. Der Autor, Arzt und Psychotherapeut, hat die Analytische Psychokatharsis in vielen Seminaren und Büchern veröffentlicht. In dieser Broschüre liegt eine kurze Anleitung zum Selbsterüben vor.

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Das Bild auf der Umschlagseite zeigt eine Fotographie des Autors vom heimischen Abendhimmel. Bei der Erstauflage befand sich dort ein Tranguloid (Abb. unten), das eine mathematisch berechenbare und auch geometrisch (besser topologisch) anschauliche Struktur sich einander durchschlingender Flächen vermittelte. So schwer erkennbar und verknotet durchwoben sollte man sich auch Körper und Seele des Menschen vorstellen. Es bedarf daher eines ebenso komplex strukturierten Verfahrens, um diese Vielschichtigkeit zwischen Körper und Seele wissenschaftlich zu behandeln, aufzuschließen und neu zu formen. Doch für die heutige Zeit ist eine Rückkehr zum schlichten Wolkenhimmel als topologisches Gebilde der Seele vielleicht besser. Ich habe dieses Verfahren Analytische Psychokatharsis genannt, weil es psychoanalytische Erkenntnis mit kathartischer (reinigender, meditativer) Erfahrung in eben solch durchwobener Form verbindet.

Inhaltsverzeichnis

Einführung

Vorübung zur Praxis des Verfahrens

Aspekte der Psychoanalyse

Erneute praktische Übungen

Das Wesen des

Formel-Wortes

Die zweite Übung und das Wesen der

Pass-Worte

Körperbild und Zusammenfassung

Psychosomatik und ein weiteres

Formel-Wort

Literaturhinweise

1. Einführung

Auch wenn im Titel von ‚körperlich krank‘ die Rede ist, so hat diese Broschüre doch auch mit der ‚psychisch kranken Seele‘ zu tun. Schließlich geht es ja gerade darum, wie Körper und Psyche in dem von mir jetzt als übergeordnet gesetzten Begriff der Seele verbunden sind. Das ‚körperlich krank‘ der Seele stellt nur einen Schwerpunkt des Verfahrens (Analytische Psychokatharsis) dar, das modernen und exakten, wissenschaftlichen Ansprüchen genügt und dessen einfaches und klares Konzept ich hier erläutern will. Es hat vielleicht eine entfernte Verwandtschaft mit dem „autogenen Training“ von I. H. Schulz, insbesondere mit dessen sogenannter „Oberstufe“. D. h. man kann dieses Verfahren genauso wie das „autogene Training“ oder eine Meditationsübung zu Hause selbst erlernen, wenn man diese Broschüre studiert hat. Dazu biete ich in diesem Text zwei Vorübungen an, mit denen man – nach ein paar einführenden theoretischen Bemerkungen – schon einmal eine praktische Erfahrung machen kann.

Dennoch darf der Leser nicht erwarten, dass die weitere Lektüre dieses Textes leicht und völlig unproblematisch ist. Um eine der üblichen Abhandlungen, die z. B. Depressionen auf falsch entwickelte Gefühle zurückführen, ein paar warmherzige Anweisungen geben und positives Denken empfehlen, handelt es sich nicht. Ich könnte die Praxis des Verfahrens zwar auf ein paar Seiten darstellen, aber selbst wenn man dann bereits mit den ersten Übungen einen gewissen Erfolg hätte, könnte es durchaus noch sein, dass man nicht genügend überzeugt ist. Eine Darstellung der dazugehörigen Theorie bzw. des wissenschaftlichen Rahmens ist nämlich notwendig, um ausreichendes Vertrauen und Sicherheit bezüglich der Methode zu haben. Dass ein Psychotherapeut oder ein Meditationslehrer so wie früher einfach eine gewisse Seriosität ausstrahlt, reicht heutzutage nicht mehr aus. Entweder ist er in einem wissenschaftlichen Verfahren wie zum Beispiel der Psychoanalyse geschult, oder er kann nach ausführlichen Beweisen den Erfolg seiner Methode als umfangreich und gesichert nachweisen. Ich denke ich kann mich auf beides berufen und dies bereits an Hand es vorliegenden Textes plausibel machen.

Und so ist der hier vorgelegte Text keine Broschüre in der Form eines simplen Ratgebers oder beruhigender Suggestionen, sondern wissenschaftskonformes Traktat über ein in Theorie und Praxis bewährtes Verfahrens. Ein gewisses intellektuelles Verständnis ist also erforderlich. Jedoch auch von sonstigen Darstellungen etablierter Psychotherapien, verhaltenstherapeutischen Methoden oder auch sogenannt ‚alternativer’ psychotherapeutischer Verfahren grenzt sich dieser Text hier ab. Denn die Lektüre der ersteren setzt ein Fachwissen voraus, die der letzteren hat jedoch den Nachteil, dass sie – wie etwa verschiedene Schilderungen von Meditation, Gesprächs- und Entspannungstherapien – zwar einfach, klar und praxisbezogen ist, aber keine genügende beweisgestützte Begründung aufweist.

Eine solche ist in der vom französischen Psychoanalytiker J. Lacan beschriebenen Form gegeben, deren therapeutisches Vorgehen aber aufwendig und deren theoretischer Hintergrund sehr komplex ist. Trotz des Aufwands und ihrer Komplexität ist die Psychoanalyse aber eben wissenschaftlich präzise, sie garantiert Gewissheit und Zuverlässigkeit, weshalb ich für viele begriffliche Erklärungen auf sie zurückgreife. Mein Vorgehen erreicht außer der Wissenschaftlichkeit auch Einfachheit und Klarheit durch einen doppelten Ausgangspunkt, indem es kombiniert mit der Psychoanalyse auch den meditativen Zugang benutzt, wie oben schon mit dem „autogenen Training“ und der Praxisbezogenheit angedeutet. Psychoanalytische Theorie und meditative Praxis sind nur scheinbar widersprüchlich, zusammengeführt ergeben sie jedoch einen starken selbstverbessernden und selbsttherapeutischen Effekt.1

Auch der Psychoanalytiker muss meditieren, wenn er – wie es heißt – seinem Patienten mit „gleichschwebender [also kontemplativer] Aufmerksamkeit“ zuhören soll, wie es Sigmund Freud formulierte. Und der Meditierende muss die Ergebnisse seiner Kontemplation auch analytisch nachbearbeiten, will er zu der befreienden, beglückenden Katharsis eine verstandesmäßige Erkenntnis erreichen. So ist das grundlegende Konzept des seelisch Unbewussten für beide Methoden das gleiche. Das Unbewusste ist mit verdrängten, verschlüsselten Inhalten, die nach außen drängen gefüllt, und muss so in der psychoanalytischen wie in der meditativen Methode behutsam geöffnet, erschlossen und letztendlich logisch interpretiert in die bewusste Seele integriert werden. Man kann es vereinfacht in zwei Bereiche, Grundtriebe oder primäre Ordnungen einteilen.

Den erste Bereich, der mehr mit dem meditativen Vorgehen zu tun hat, nenne ich eine ‚imaginäre Ordnung‘ (ein Bild-Wirkendes, Ikonisches). Der zweite Bereich, der mehr mit dem analytischen Vorgehen zu tun hat, ist am besten als ‚symbolische Ordnung‘ (als ein Wort-Wirkendes, Sprachbezogenes) bezeichnet. Dieser zweifache Ausgangspunkt sagt schon fast alles, was von Theorie und fundiert belegtem Hintergrund verstanden werden sollte. Er erfasst nämlich das Wesen der Psychoanalyse darin, dass dort der Patient spontan gedankliche, „freie Assoziationen“ äußern soll, die bis zu Einfällen auch absurder und peinlicher Art gehen können, und so Aspekte der ‚imaginären Ordnung‘ enthalten. Mit Hilfe von Übertragung und Deutung kommt nun jedoch auch die ‚symbolische Ordnung‘ zum Zug. Übertragung heißt, dass Bedeutungen, Konflikte, Gefühle auf den Therapeuten übertragen werden, die mit ihm selbst nur indirekt etwas zu tun haben, weil sie aus früheren oder zeitnahen anderen Beziehungen des Patienten selber stammen, also vorwiegend inadäquat sind. Durch Deutung der Zusammenhänge werden die Probleme jedoch einer Lösung zugeführt.

Assoziative Gedanken und Bilder, das Imaginäre, werden in meditativen Verfahren meistens durch immer erneutes Wegschieben gefiltert, gereinigt, und so – ich sage es einmal selbst noch ungefiltert – einem letztendlichen Weisheitsaspekt zugeführt. Um was es sich dabei genau handelt muss ich hier nicht weiter erörtern, denn in dem entsprechenden meditativen Teil der Analytischen Psychokatharsis spielt ein derartiges Vorgehen eine gewisse Rolle und wird so noch ausführlich behandelt. Im Mittelpunkt dieses Verfahrens steht ein schlichtes, aber präzises Werkzeug, das für die Aufschlüsselung und Neugestaltung der ‚kranken Seele‘ notwendig ist, und das die imaginäre und symbolische Ordnung schon von vornherein miteinander – allerdings zuerst einmal in rein formaler Weise – verbindet.

Es handelt sich um sich überlappende, formelhaften Wortbildungen. (sogenannte Formel-Worte), die in einer Formulierung, das heißt also in einem einzigen Schriftzug, mehrere Bedeutungen in sich tragen. Das heißt, dass von jeweils anderen Schnittstellen in diesem Schriftzug aus gelesen, ergeben sich verschiedene Bedeutungen. Ich gebe gleich im nächsten Kapitel ein Beispiel, doch die Sache ist nicht schwer zu begreifen: Je mehr ganz unterschiedliche Bedeutungen sich in einem einzigen Ausdruck überlappen und verschachteln, desto weniger lässt sich aus der Formulierung als solcher ein eindeutiger Sinn herauslesen. Dies ist für eine Meditation jedoch von Vorteil, weil so nicht alles schon von vornherein apodiktisch bestimmt ist, sondern das Unbewusste vollkommen und unbeeinflusst zum Zug kommt.

Es ist nicht nur von Vorteil, es ist notwendig, denn der Sinn soll ja erst durch die Meditation entstehen. Man könnte es grob und vereinfacht so ausdrücken, dass beispielsweise ein Gebet eine Meditation mit Inhalt, mit festgelegtem Sinn, darstellt, indem der Betende sich seelisch vollends in das Inhaltliche versenkt. Ein Verfahren wie die Analytische Psychokatharsis könnte man eher mit einem Gebet ohne Inhalt, ohne unmittelbaren Sinn, vergleichen, denn hier steht die volle seelische Hinwendung zum Vorgang alleine (inhaltslos) im Zentrum.

Während nämlich beim Wiederholen eines vorgegebenen Gebetsinhaltes speziell nur dessen schon vorgegebener Sinn verstärkt wird, wird mit den Übungen der Analytischen Psychokatharsis gerade das unbewusst Seelische, das Bild- und Wort-Wirkendes ist, durch die Buchstaben einer Formulierung, die keinen vordergründigen Sinn hat, geweckt. Denn diese Formulierung ist ebenso bild-wortwirkend aufgebaut und provoziert somit das Unbewusste, den versteckten und damit eigentlichen Sinn herauszugeben. Die genannten Formel-Worte werden gedanklich hintereinander wiederholt und repräsentieren somit rein formal,rein strukturell, die Lösung, deren Wahrheit der Übende selbst eben nur noch für sich seelisch-leibhaft erfahren und vertiefen muss, um beides zu gewinnen, Lösung durch Entspannung (Katharsis) und Wahrheit (Analyse) in wissenschaftlicher Form.

Der im üblichen Gebet verstärkte Sinn dagegen bietet eine Lösung nur durch Glauben, der jedoch sehr intensiv und originär sein muss, um hohes, stringentes Ziel zu erreichen. Ein Alltagsglaube genügt nicht, und die katechetisch vorgefassten Sprüche lassen eine individuelle, intellektuelle Freiheit nicht zu, die heute für alle Menschen der demokratischen und von abendländischer Kultur geprägten Lebendweise notwendig ist. Und wenn sich zudem alles noch klar und logisch erfassen lässt, ist es auch von Vorteil. Nochmals kurz: zwei Grundkräfte, Freud nannte sie Grundtriebe, einer etwas mehr dem Bildhaften, Imaginären und einer etwas mehr dem Worthaften, Symbolischen zugetan, durchwirken sich gegen- und miteinander in substanzieller Form (physisch/psychisch), und können nur in dieser Form (ebenso überlappend und durchwirkt) auch aufgegriffen und behandelt werden.

Bei der Analytischen Psychokatharsis muss man sich – anfänglich am besten mit geschlossenen Augen – in bequemer Haltung hinsetzen, auf das bildlich Innere achten und dabei rein gedanklich diese Formulierungen (Formel-Worte) üben, um danach, in einer zweiten Übung, eine Antwort aus dem Unbewussten zu bekommen. Die Praxis des Verfahrens ist – ich betone dies nochmals – sehr einfach zu erlernen, wozu ich daher bereits auf den nächsten Seiten vorschlagen werde, nach weiter einführender Beschreibung einen Erstversuch (Vorübung) damit zu machen. Denn die Praxis erleichtert auch das Verständnis der Theorie, die sich allerdings nicht als so kompliziertkomplex erweisen wird, wie es sicher zeitweise beim Lesen den Anschein erwecken kann. Die wissenschaftliche Grundlage ist nicht wegen eines szientistischen Ehrgeizes notwendig, sondern weil Sicherheit und Vertrauen dadurch besonders garantiert sind und damit Glaube an einen Lehrer bzw. Therapeuten allein nicht nötig ist. Auch durch das Lesen anderer, entsprechender, zum Beispiel der von mir am Ende empfohlenen Literatur, kann das Verständnis der Methode erweitert werden.

Die Analytische Psychokatharsis antwortet also auf die elementare Frage nach der Wahrheit der Heilung durch psycho-physische Veränderung in zweifachen Hinsicht: des Meditierens als eines inneren Wahrnehmens, einer mehr ‚imaginären Ordnung‘, einer Vielschichtigkeit des Bild-Wirken-den, und des Analysierens als eines inneren Sprechens, einer mehr ‚symbolischen Ordnung‘, des Wort-Wirkenden.2 Oft ist die Wahrheit schon in der Frage nach der Heilung verborgen, aber es wird ihr nicht entsprochen, weil sie zu vordergründig, zu wunsch-orientiert gestellt ist. Doch wenn man seine Frage in ein Formel-Wort