Die Kriegerin aus Freyvik - T. Stern - E-Book

Die Kriegerin aus Freyvik E-Book

T. Stern

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Beschreibung

Das kleine Dorf Freyvik, nahe dem Fluss Frigg, im Lande Sundur ist etwas Besonderes. Vor allem für Levke, die dort lebt und es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Erbe ihres Bruders zu bewahren. Gemeinsam mit dem Elchbullen Sjur sorgt sie für Sicherheit und weist das sich vermehrende Übel in seine Schranken. Zur selben Zeit befindet sich der Krieger Raigan, ein Hexer und Jäger des Übels, mit seinem treuen Frostwolf Vali auf einer Reise, deren Ziel nur der Nordwind kennt. Es verschlägt ihn nach Freyvik und er lernt nicht nur die Besonderheit des Dorfes kennen, sondern auch diese ungewöhnliche Kriegerin, die sein eisiges Herz entflammt. Doch Gefahren unergründlichen Ausmaßes nahen und viel früher als erwartet müssen sich Levke und Raigan dem Freyvik bedrohenden Übel stellen. Mögen die Götter ihnen gnädig sein.   (Sequel zur Götterblut-Trilogie - kann ohne Vorwissen gelesen werden)

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T. Stern

Die Kriegerin aus Freyvik

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Titel

Handlung

Das kleine Dorf Freyvik, nahe dem Fluss Frigg, im Lande Sundur ist etwas Besonderes. Vor allem für Levke, die dort lebt und es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Erbe ihres Bruders zu bewahren. Gemeinsam mit dem Elchbullen Sjur sorgt sie für Sicherheit und weist das sich vermehrende Übel in seine Schranken.

Zur selben Zeit befindet sich der Krieger Raigan, ein Hexer und Jäger des Übels, mit seinem treuen Frostwolf Vali, auf einer Reise, deren Ziel nur der Nordwind kennt. Es verschlägt ihn nach Freyvik und er lernt nicht nur die Besonderheit des Dorfes kennen, sondern auch diese ungewöhnliche Kriegerin, die sein eisiges Herz entflammt.

Doch Gefahren unergründlichen Ausmaßes nahen und viel früher als erwartet müssen sich Levke und Raigan dem Freyvik bedrohenden Übel stellen.

Mögen die Götter ihnen gnädig sein.

 

Vorwort

 

Ich heiße euch willkommen, ihr Reisenden, die es euch hierher verschlagen hat. Willkommen in der mythischen Welt der Götter. Ehe ihr euch ins Abenteuer stürzt, möchte ich euch etwas mit auf den Weg geben, so lauschet aufmerksam.

Götterblut ist angehaucht von der nordischen Mythologie, die mir als große Inspirationsquelle diente, was nicht bedeutet, dass es ein Sachbuch ist. Natürlich habe ich meine Fantasie spielen lassen und alles so verbaut, wie es in meine Geschichte gepasst hat. Gewiss wird man den ein oder anderen Namen schon einmal gehört haben, doch bitte ich darum, von etwaigen Vergleichen mit den originalen Werken abzusehen.

Götterblut ist meine Welt und hier habe ich Gott gespielt.

«Die Kriegerin aus Freyvik» ist ein Sequel zur bereits erschienen «Götterblut-Trilogie», in der es sich um die Geschichte von Fannar und Eirik dreht. Hierzu sei Folgendes erwähnt: «Die Kriegerin aus Freyvik» kann OHNE Vorwissen gelesen werden. Es ist also nicht nötig, die Götterblut-Trilogie zu lesen. Was nicht bedeutet, dass es mich nicht doch freuen würde, wenn sich so manche neugierige Seele dorthin verirren würde. Dazu sei jedoch erwähnt, dass die Trilogie homosexuellen Content beinhaltet. Fannar und Eirik teilen mehr als nur ein Ziel.

Zudem möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass es sich hierbei um einen Fantasy-Roman handelt. Gewiss mag es einige Aspekte geben, die an die Realität angelehnt sind, doch bewegt sich alles weit entfernt davon. Wer also den Pfad ins Königreich der Realität sucht, ist hier vollkommen falsch.

Kleiner Funfact: Geplant waren 40.000 Wörter. Es wurden dann fast 60.000.

Und ehe ich mich jetzt noch mehr in meinem Wortchaos verliere, entlasse ich euch auf die Reise. Möge sie euch gut unterhalten und euch selbstverständlich eine wunderbare Zeit an der Seite von Levke und Raigan bescheren.

Mögen die Götter euch gnädig sein.

T. Stern

 

Kleine Anmerkung zum Schluss: Ehe mich einer verflucht oder steinigt, sei erwähnt, dass ich hier das erste Mal mit Leerzeilen gearbeitet habe, um alles etwas aufzulockern. Ja, der eine wird es begrüßen, der andere wird es überflüssig oder übertrieben finden. Einigen wir uns bitte einfach darauf, dass unterschiedliche Geschmäcker sich nicht nur an einer Geschichte selbst, sondern auch an der Form des Textes orientieren. Also kein Hass nötig. Ihr greift damit ja nicht mich an, sondern all jene, für die es so vielleicht einfacher zu Lesen ist.

Please no hate.

Danksagung

 

Mein aufrichtiger Dank gilt wie immer dir, der du dich auf diese Reise begibst und die Götterwelt erkunden willst.

 

Für den Beistand während der Grundidee und im Entstehungsprozess gilt mein herzlicher Dank meiner lieben Sister from another Mister, meinem lieben Brother from another Mother: Diana «Thörchen» B.

 

Unendlich viel Dankeswellen sende ich an meine geduldige und wunderbare Beta(rianerin), die sich unermüdlich durch mein Chaos kämpft und mit ihrer liebevollen Art selbst meine Konzentrationsprobleme beim Überarbeiten niederringt. Danke, Danke, Danke: Nadja F.

 

Auch der kleinen Arbeitsgruppe, mit der ich hier zusammengearbeitet habe, möchte ich selbstverständlich meinen herzlichsten Dank zukommen lassen. Danke für so manche Lacher, für einige Rempler in die Seite und selbstverständlich für eure Zeit, die ihr mit Levke, Raigan, Sjur und Vali verbracht habt: Angelika, Sandra, Tirs & Diana

 

Selbstverständlich darf nicht fehlen: BookRix

Prolog

 

Diese Welt, einst erschaffen vom Allvater und seinen Nachkommen, war schon immer von der Vielfalt der Magie erfüllt. Geformt von der Mutter allen Lebens, durch den Allvater selbst in menschliche Obhut übergeben, beschützt und bewacht durch die Kinder des Götterpaares.

In der Vergangenheit zog sich die magische Wirkung durch alle Lande. Der hohe Norden trumpfte mit seinen eisigen Bestien, während im felsigen Westen die Drachen lebten. Süden und Osten teilten sich weite grüne Flur und üppige Wälder, wo Steppenelche und das Volk der Börn náttúrunnar, die Kinder der Natur, lebten.

Über lange Zeit verweilten die Götter auf dieser Welt, formten Bündnisse zwischen magischen Wesen und Menschen, die darin resultierten, dass manchen bei der Geburt eine besondere Gabe in die Wiege gelegt wurde. Das Blut der magischen Götterwesen verband sich mit dem der Menschen und erschuf eine neue Lebensform. Die Magiegeborenen. Menschen, denen die Macht gegeben war, Zauber zu wirken.

Das ewig währende Spiel zwischen Gut und Böse nahm seinen Lauf. Was über Jahrhunderte aufrechterhalten wurde, zerfiel langsam. Immer mehr zogen sich die Götter zurück, nahmen einige der erschaffenen Wunder mit sich. Nur wenig der hohen und starken Magie blieb zurück, da der Mensch dazu neigt, diese Mächte zu missbrauchen, um seinen eigenen Machthunger zu stillen und dabei in endlose Gier zu verfallen.

Der Fluss des Zeitstroms blieb niemals stehen. So vergingen viele Winter und neben Veränderungen hielt auch das Vergessen Einzug. Die Menschen verloren die Erinnerung an dieses Intervall der Bündnisse zu den Göttern, mieden die Erzählungen über die Alte Welt, bis sie schließlich gänzlich im Dunkel der Vergangenheit verschwanden.

 

Nur der hohe Norden, das eisige Land Ísbygg, wo einst der Hain der mächtigen Götter lag, hielt an seinem Glauben an diese fest und ehrte die Magie, welche sie den frostigen Ebenen eingehaucht hatten.

Hier blieb das Leben erhalten, welches aus den anderen Teilen der Welt immer mehr verschwand.

Frostwölfe, Schneebären, Eishirsche und Winterelche, von beeindruckender Größe und majestätischem Aussehen, zogen weiterhin durch die ewig weißen Einöden und waren die überlebenden Zeugen der Übermacht, welche diese Welt einst erschaffen hatte.

 

Der Mensch, getrieben von seinem endlosen Hunger nach Besitz und Herrschaft, glaubte Reichtümer im götterverbundenen Norden. Immer wieder suchten Heere die weißen Lande heim und mordeten blind die Nachfahren jener, denen sie eigentlich ihr Leben zu verdanken hatten.

Im Sog der Vergessenheit ging unter, wie die magischen Wesen entstanden und anstatt ihre Existenz als eine Bestätigung für die alte Zeit zu sehen, fingen Menschen an, wilde Geschichten zu erzählen, in denen sie alles verfluchten, was sie sich nicht erklären konnten.

So erschufen sie Kluften zwischen Völkern, die über Jahrhunderte gemeinsam in Schlachten zogen, diese Welt vereint beschützten, Seite an Seite jeden Kampf bestritten. Stück für Stück nahmen die Menschen die Position der Götter ein und vertrieben die magischen Wesen immer mehr in die Dunkelheit.

Magiegeborene wurden nur dann akzeptiert, wenn sie als Krieger im Dienste der Menschen kämpften. Einst friedliche Völker magischen Ursprungs wurden verfolgt und beinahe ausgelöscht. Die Überlebenden wurden vertrieben und mussten sich verbergen.

 

So erging es auch den Ísfjandi. Einem alten Volk, welches als eines der ersten und direkte Nachfahren der Götter galt.

Sie wurden gejagt, hingerichtet, beinahe ausgelöscht, in die tiefen Einöden der frostigen Lande Ísbyggs vertrieben, wo sie ausharrten und seit vielen Jahren versuchten, den Hochverrat der Menschen zu verarbeiten, die unzähligen Verluste, die ihr Volk hinnehmen musste, weil man einem nicht existierenden Goldschatz mehr Wert zusprach, als dem Leben von Männern, Frauen und Kindern.

Fjandinn í ísnum, kurz Ísfjandi. Diesen Namen hatten die Menschen ihnen gegeben, als sie die Familien in die tiefen Gefilde des Frostes gejagt hatten, um bösartige Geschichten über dieses einst friedliche magische Volk zu verbreiten. Die Bande zwischen dem Magievolk und den Menschen waren zerrissen. Einst kämpften sie gemeinsam, nun mussten die wenigen Überlebenden ihre ehemaligen Verbündeten als Feinde ansehen und mit der Schmach leben, dass man ihnen einen schaurigen Namen auferlegte. Der Allvater verlieh ihnen bei ihrer Entstehung den klangvollen Titel Ísálfar. Eis-Elben. Doch diese Ehre wurde ihnen von den Menschen geraubt und verwehrt, nannte man sie nun die Ísfjandi, die ins Eis Verdammten.

 

Der schlimmste Feind aller Abkömmlinge der alten Götterzeit war das Vergessen der Menschen. Die unüberwindbare Kluft, die zwischen Magiegeborene und menschliche Wesen geschlagen wurde.

Doch das Leben fand immer einen Weg. Auch das Volk der Ísálfar gab nicht auf und siedelte sich in den Gebieten an, die für den Menschen nur schwer zu erreichen waren.

In den eisigen Klippen der hohen Berge errichteten sie ihre Hütten und Häuser, lernten, von dem zu leben, was die eisige Einöde ihnen bot. Den Kontakt zu Menschen mieden sie, dafür hatten sie eine sehr enge Verbindung zu den Frostwölfen aufgebaut, mit denen sie sich den Lebensraum teilten.

Die Ísálfar, bekannt für ihr Aussehen und das hohe Alter, welches sie erreichen konnten, gerieten im Lauf der Zeit in Vergessenheit, wie so vieles aus der Alten Welt. Und obwohl die machtgierigen Menschen irgendwann die eisigen Gefilde verließen, blieben die Eis-Elben in ihrem sicheren Versteck, verspürten nicht den Drang, sich jenen wieder anzunähern, die sie beinahe ausgelöscht hätten.

 

Eine von ihnen war die sechzig Winter zählende Mánadis. Noch jung, im Vergleich zu ihrem Vater, der mit seinen über dreihundert Wintern zur älteren Generation zählte, welche einen Teil dieser schrecklichen Geschehnisse erleben musste.

Ihre Mutter fiel der stählernen Klinge eines Menschen zum Opfer, raubte dieser ihr den Lebensatem, während sie ihre neugeborene Tochter beschützen wollte und ihr dies nur gelang, weil sie ihren treuen Frostwolf bat, das Bündel Leben in Sicherheit zu bringen.

Seither wich das monströse Tier Mánadis nicht von der Seite, sah es dadurch eine Möglichkeit der Wiedergutmachung, weil es ihre Mutter nicht hatte schützen können.

 

Mánadis wusste, dass sie die Menschen nicht weniger verachten sollte, als ihr Vater und einige andere der ältesten Eis-Elben es taten. Was ihrem Volk angetan wurde, war nicht zu entschuldigen.

 

Doch Mánadis war anders. Sie hörte von der Geschichte der Riesen frostklirrenden Blutes, dass diese ihren Schwur nicht brachen, obwohl auch sie dem Machthunger der Menschen zum Opfer gefallen waren. Auch ihr Volk wurde mehrfach angegriffen und stark dezimiert. Männer, Frauen und Kinder hingerichtet. Das Blut ihrer beider Völker färbte die weißen Ebenen rot und noch lange Zeit später konnte man den rötlichen Schimmer dieser Ermordungen wahrnehmen.

Die Menschen verachteten die Ísálfar noch immer, nannten sie nur bei dem Namen, den sie ihnen selbst gegeben hatten. Ísfjandi. Nie wurde ein Versuch der Versöhnung unternommen, war die Kluft zu tief und zu breit, um sie zu überwinden.

 

All das änderte nichts daran, dass Mánadis wusste, dass ihr Schicksal nicht das der anderen Eis-Elben sein sollte. Sie spürte tief in sich, dass sie für etwas Größeres bestimmt war.

Dabei spielte ein Mensch eine große Rolle.

 

Völlig unerwartet begegnete sie bei einem ihrer nächtlichen Spaziergänge, welche ihr Vater ihr eigentlich immer verbot, einem Fremden. Zu ihrer Verwunderung ritt auch dieser auf einem Wolf.

Sie erkannte schnell, dass es sich bei dem Unbekannten um einen Menschen handelte. Dennoch wollte sie keine Angst vor ihm zeigen, bot ihm also die Stirn, wich nicht aus, woraufhin sich ihr offenbarte, dass dieser Mann ihr nicht feindlich gesonnen schien.

Wölfe, so hieß es, konnten in die tiefsten Abgründe eines Geistes blicken und verbündeten sich nur mit jenen, deren Absichten stets rein und guten Herzens waren. Dass dieser Wolf sich einem Menschen angeschlossen hatte, musste etwas bedeuten.

Ihre Neugier trieb sie in jener Nacht an und sie folgte dem Eindringling, beobachtete ihn, als er ein Nachtlager aufschlug. Er sah nicht aus wie die Monster, die ihr von den Ältesten beschrieben worden waren.

Immer wieder schaute er mit aufgeweckten, ebenso neugierigen Augen in ihre Richtung, ehe er ihr ein sanftes Lächeln schenkte, welches sie, ohne es kontrollieren zu können, erwiderte.

Dem Ruf ihres Herzens erlegen, suchte sie seine Nähe.

Überrascht stellte sie fest, dass der Fremde mehr als nur eine Sprache beherrschte. Sogar einige Worte der Ísálfar entwichen den Lippen, denen Mánadis gebannt lauschte.

Sie saßen die ganze Nacht am Feuer und redeten. Mánadis stellte unzählige Fragen, die er bemüht beantwortete. Dabei verheimlichte er nichts und sprach auch nicht nur gut über die Menschen, zu denen er gehörte.

Mittlerweile, so erzählte er ihr, wären die Kluften nicht nur zwischen Magiegeborenen und Menschen, sondern auch unter den Menschen selbst. Die Länder waren immer mehr uneins, entfernten sich voneinander und eine ungewöhnliche Finsternis machte sich in den Herzen aller breit.

Nach all dem Erzählen begehrte er, eine Frage zu stellen. Obwohl sie glaubte, dass er nach dem Versteck der Eis-Elben fragen würde, wurde sie eines Besseren belehrt.

Alles, was er von ihr wissen wollte, war ihr Name.

Auf die Gegenfrage, wozu er ihren Namen wissen wollte, sagte er ihr nur, dass er den Namen der Schönheit erfahren muss, die ihm das Herz geraubt hat.

 

Einar. So wurde er genannt. Er war ein Krieger, der aus Nótholm stammte. Da ihm die Veränderungen in Eldfjöll nicht zusagten, entsagte er seinem Land und machte sich auf die Reise nach Ísbygg.

Er wollte die alten Orte aufsuchen, an denen die Götter dieser Welt einst lebten, sie um Vergebung bitten, dass er vor seiner Verantwortung geflohen war. Zugleich, so versicherte er ihr, wollte er seine Dienste in die Hände der Götter legen. Nicht mehr für niedere Gründe in menschlichen Schlachten kämpfen, sondern beschützen, was die Götter selbst ihnen einst überließen.

 

Mánadis konnte in Einars Herz nichts Dunkles erkennen, geschweige denn schaffte sie es, auf ihre Vernunft zu hören. Um sicher zu sein, dass sie sich nicht irrte, bat sie Einar, ein paar Tage zu rasten, zeigte ihm eine verlassene Höhle, beschaffte ihm Holz für Feuer, versorgte ihn mit Essen und sprach jede weitere Nacht mit ihm.

Einar war ihr Schicksal. Dies war der Mann, an dessen Seite sie gehörte. Und obwohl sie wusste, dass weder ihr Vater noch die Ältesten es gutheißen, gar verstehen würden, beschloss sie, dass sie Einar nicht mehr gehen lassen würde. Um dieses Band zu festigen, gab sie sich ihm hin, schlugen ihre Herzen im Einklang, während ihre Körper und ihre Geister eins wurden und das Band der Liebe sie eng aneinanderfesselte.

Am nächsten Tag beschloss Mánadis, ihren Liebsten Einar in das Dorf der Eis-Elben zu geleiten, wenngleich sie wusste, dass man ihn dort nicht willkommen heißen würde.

 

Auch Einar war dies klar und so versprach er, dass er dennoch bei ihr bleiben würde. Ganz gleich, welchen Prüfungen und Herausforderungen er sich stellen müsse. Nichts und niemand könnte ihn je von ihrer Seite reißen.

Es war ein kühler Empfang für Einar. Verachtung und Hass schlugen ihm entgegen, doch alleine Mánadis‘ Hand in der seinen zu halten, ließ ihn immer weitergehen, all der Abneigung trotzen.

 

Ihr Vater glaubte, seine Tochter hätte ihren Verstand verloren. Er beharrte darauf, dass eine Liebe zwischen Ísálfar und Menschen nicht akzeptabel sei! Niemals könnte daraus etwas Gutes entstehen. Jede Saat, so pochte er eisern, wäre dem Verderben geweiht.

Doch Mánadis behauptete sich gegen ihren Vater und die Ältesten, ließ sie wissen, dass sie spürte, dass in ihr bereits Leben entstehen würde. Die Saat, die bezeugen würde, dass sie alle falsch lagen. In ihr reifte ein Kind, welches gezeugt in Liebe von Mensch und magischem Wesen, ihre These sprengen würde.

 

Einars Gefühle für seine Mánadis waren unendlich stark. Er nahm jeden Tag die Abneigung gegen seine Anwesenheit und die Ablehnung gegen seine Herkunft auf sich, blieb treu an ihrer Seite und bat sie sogar um den Bund der gemeinsamen Zukunft.

Mánadis willigte ein, wünschte sich, dass ihr gemeinsames Kind Vater und Mutter haben würde.

In einer Vollmondnacht ließen sie sich vermählen und Einar schwor den Göttern ewige Treue, entsagte seinen menschlichen Banden, um an der Seite seiner über alles geliebten Eis-Elbin leben zu können.

 

Im darauffolgenden Jahr wurde diese Bindung mit dem Wunder der Geburt belohnt. Mánadis schenkte einem kleinen Jungen das Leben. Ihr gemeinsamer Sohn war ihrer beider ganzer Stolz und der lebende Beweis, dass Ísálfar und Menschen durchaus fähig sein konnten, gemeinsam Leben zu schenken, nachdem sie sich unzählige Winter nur den Tod brachten.

 

Vier Winter vergingen und der kleine Junge wuchs heran. Er war mit schneller Auffassungsgabe gesegnet und einem Menschenkind gegenüber deutlich weiter in seiner Entwicklung.

Mánadis erfreute es, dass ihr Kind seinem Vater sehr ähnlich sah. Er hatte Einars blonde Haare und die sanften, blauen Augen ihres geliebten Mannes. Seitens der Mutter wurde dem Kind die Fähigkeit der Magie in die Wiege gelegt. Trotz seiner erst vier Lebensjahre wirkte der Kleine schon seine ersten Zauber und das schien nicht allen Eis-Elben zuzusagen. Sie sahen in dem Jungen eine Gefahr für ihr Volk und immer häufiger drangen Worte an die Ohren der Eltern, dass manchen im Dorf lieber wäre, das Kind würde verschwinden oder gar einfach sterben. Einige gingen sogar so weit, dass sie Einar und das Kind vertreiben wollten, damit Mánadis wieder zu klarem Verstand kommen würde.

Für Mánadis und Einar stand jedoch fest, dass sie den Schwur, den sie bei der Zeremonie ihrer Vermählung geleistet hatten, niemals brechen würden. Eins vor den Göttern, sowohl im Leben als auch im Tod.

Der Schutz ihres Kindes war ihnen beiden das Wichtigste. Alles andere verlor an Bedeutung. Sie spürten die Schatten, die immer größer wurden und drohten ihr gemeinsames Glück zu verschlingen, auszulöschen, was sie sich aufgebaut hatten. Der Ursprung lag jedoch nicht auf der Seite der Menschen, sondern in den Reihen der Eis-Elben selbst. Manche konnten sich nicht damit abfinden, dass es ein Kind gab, welches bewies, dass jeder Abgrund überwunden werden konnte. Sie klammerten sich an die Vergangenheit, all das Übel, welches ihnen dort angetan wurde. Niemals wollten sie den Menschen vergeben.

 

Das Liebesglück von Mánadis und Einar endete jäh, als es ihren Gegnern gelang, dafür zu sorgen, dass sich das Dorf gegen die kleine Familie stellte. Entschlossen, ihr Kind nicht dem Wahnsinn der Alten zu opfern, riefen die Eltern ihre treuen Wölfe zu sich. Während in ihrem Rücken bereits die Dolche geschärft wurden, sie um ihr Schicksal wussten, blieb ihnen nur die Hoffnung, dass ihr gemeinsames Kind, die Frucht ihrer reinen Liebe, überleben würde.

 

Mánadis sprach ihrem vierjährigen Sohn ins Gewissen: «Halte dich stets im Verborgenen. Zeige niemandem, wer du bist, es sei denn, du findest diese eine Person, der du dein Herz anvertrauen kannst. Deine Gabe, mein Sohn, ist mächtig und von vielen gefürchtet. Sie würden dich nur für ihre Zwecke missbrauchen. Vergiss niemals, dass wir dich lieben. So sehr, dass du uns das Wertvollste bist.»

 

Einar legte ihm ans Herz: «Wir können dich nicht länger in unseren Armen halten, doch wir werden stets über dich wachen, mein Sohn. Mögen die Götter dir wohlgesonnen sein und dich behüten, während du zu einem starken Mann heranwächst, der in dieser Welt nur Gutes bewirken wird.»

 

Die Wölfe setzten sich in Bewegung und Mánadis‘ Wölfin trug den Jungen auf ihrem Rücken hinfort. Dieser warf einen letzten Blick über die Schulter, auf seine Mutter und seinen Vater, wie sie sich Seite an Seite den Gegnern in den Weg stellten. Sie kämpften für ihn.

Es war das letzte Mal, dass er seine geliebten Eltern sah, die letzte Erinnerung, die er an sie hatte.

Er war erst vier Winter alt, doch brannte sich das Bild tief in sein Gedächtnis. Ebenso wie die Worte, die Vater und Mutter ihm mit auf den Weg gegeben hatten. Was mit ihnen an jenem Tag geschah, wusste er. Sie opferten sich, um sein Leben zu retten.

 

Monde lang reiste er an der Seite der beiden Wölfe durch die eisigen Einöden, ehe die beiden ihn nahe einem Dorf absetzten und verschwanden. Dort nahmen ihn Magier in ihre Obhut und brachten ihn an einen ihm fremden Ort.

So zogen die Jahre dahin und aus dem kleinen Kind wurde ein junger Knabe.

Er behielt sein Geheimnis für sich, offenbarte nicht sein wahres Naturell. Doch immerzu richtete er melancholische Blicke gen eisige Lande.

1

 

Der eisige Wind bläst ihm ins Gesicht, zerrt an seiner Kleidung und nagt an deren Schichten, als wolle er sich durch diese hindurchfressen. Von unstillbarer Gier angetrieben sehnt sich das beißende Eis nach der Wärme seines Fleisches, welches geschützt unter Leder und Fell weilt. Schweigend lässt er den Blick schweifen, beobachtet die Landschaft. Es ist lange her, dass es in dieser Gegend so kalt war. Erst vor zehn Wintern, nach dem großen Kampf von Ísbygg löste der Nordwind seine Ketten und fegte in vollkommener Freiheit über die Welt. Er brachte das Eis, die Kälte, den klirrenden Wind der ewig weißen Lande überall hin.

Während andere gewiss die Rückkehr der Kälte verfluchen, beobachtet er diese Magie voller Faszination. Die kleinen tanzenden Eiskristalle fallen unaufhörlich herab und legen sich auf die Umgebung nieder, vereinen sich zu einer weißen Decke, die jegliche Farbe unter sich begräbt.

Sein Reittier schreitet unbeirrt voran. Lobend krault er mit einer Hand durch das dichte Nackenfell, entlockt dem großen Tier einen genießerischen Laut, der ihn amüsiert Lächeln lässt, ehe er sich wieder dem Beobachten der Gegend widmet.

Er ist immer wachsam. Genauso wie sein Wolf es ist. Das liegt an ihrer Vorgeschichte, welche beide gelehrt hat, dass man nie achtsam genug sein kann und Vertrauen etwas ist, das man niemals leichtfertig vergeben sollte.

Für den jungen Mann gibt es nur ein Wesen, dem er bedingungslos sein Leben anvertraut. Es trägt ihn durch die Welt und kämpft loyal an seiner Seite.

Vali. So heißt der große Frostwolf aus den Gefilden des ewigen Eises. Wenig verwunderlich, dass dieses majestätische Tier seine Nähe gesucht hat. Durch ihrer beider Adern fließt die Kälte der weißen Einöden Ísbyggs. Für den stolzen Nordmann manchmal mehr Fluch als Segen.

 

Die Erinnerung an das Gefühl, als er den Anblick seiner Heimat nach so langer Zeit wieder genießen durfte, genügt, ihm warm ums Herz werden zu lassen. Im Kindesalter musste er aus Ísbygg fort, riss das Schicksal ihn aus den Armen seiner Eltern. Magier fanden ihn und brachten ihn nach Galdurjan, wo man ihn zu einem Krieger des Nordens formen wollte. Fast zehn Jahre war er dort, ehe durch den großen Krieg die alten Bande der Hochmagier zerbrachen und sich die Magiergilde spaltete. Ihm gelang in dieser Zeit die Flucht von der Insel. Der Moment, als er nach all dieser Zeit einen Fuß auf die eisigen Felder setzte, wird ihm auf ewig im Gedächtnis bleiben. Zuhause. Genau da war er endlich angekommen.

Im Gegensatz zu allen anderen fürchtete er die Kälte nicht. Sie konnte ihm nichts anhaben. Sein Körper schien eins damit zu werden, weswegen es ihm gelang, in den frostigen Landen zu überleben, obwohl er nichts hatte außer weniger Kleidungstücke an seinem Körper. Diese Gabe sorgte damals auch dafür, dass die Hochmagier Galdurjans auf ihn aufmerksam wurden. Doch während der gefühlten Ewigkeit, in der man ihn auf der Insel der Magie gefangen hielt, gelang es niemandem, ihn zu brechen. Schon als Kind war er unantastbar und all das Leid, welches ihm in den Kerkern angetan wurde, erschuf einen unzerbrechbaren Jungen. Ihm war bewusst, was er war und wie wichtig es sein würde, dass er sich niemals zu erkennen gibt. Als er nach Ísbygg zurückkehrte, fühlte er sich endlich frei und sein wahres Naturell, welches er über all die Jahre der Qual mit allen Mitteln beschützt hatte, entfaltete endlich seine wahre Kraft.

Nur wenige Tage nach seiner Ankunft in den eisigen Einöden traf er auf den weiß-grauen Frostwolf, der ihm auf Schritt und Tritt folgte, nicht mehr von seiner Seite wich. Es war der Wille der Götter, dass sie einander trafen und die Fäden ihres Schicksals sich vereinten. Seither sind sie unzertrennlich.

 

Zehn Winter ist es her, zählt er nun vierundzwanzig Jahre und trotz aller Widrigkeiten hat er sich zu einem starken Mann entwickelt.

Der einst verlorene Junge, dessen Gabe ihm beinahe zum Verhängnis wurde, ist nun ein erwachsener und hoch angesehner Krieger des Nordens, in dessen Adern eisige Kälte und Magie fließt.

Raigan Carden, so nennt man ihn. Einen Hexer und Jäger des Übels.

 

Zwar ist die Verderbnis seit der großen Schlacht von Ísbygg verschwunden, doch das Böse existiert weiterhin. Trotz des Sieges, so hat Raigan das Gefühl, ist es stärker geworden. Die Menschen sind oftmals machtlos gegen diese Bestien. Deshalb zieht er durch die Lande und bekämpft die Wesen der Schattenwelt, geboren aus Angst und Zorn, geformt durch Täuschung und Blendwerk, genähert durch Neid und Missgunst.

Bisher hatte er damit im Norden genug zu tun. Das im Krieg gefallene Herrscherhaus Sigurborg eröffnete dem Feind, der seinen Sitz damals in Eldfjölls Herrscherhaus Svartborg hatte, das Land Lifgard. Die Hälfte konnte durch die Zusammenarbeit der anderen Länder gerettet werden, doch der nördliche Teil Lifgards, der auch als Schlachtfeld für den Kampf zwischen Ísbygg und Eldfjöll diente, war lange Zeit kaum bewohnbar. Die Überbleibsel der Verderbnis zogen das Übel an, wie ein Kadaver die Aasfresser. Ísbygg ist nach wie vor bemüht, die Lande zu befreien, wenngleich es ein langwieriger Prozess ist.

 

Raigan selbst zog mit anderen Magiern in Richtung Eldfjöll, um den Menschen dort zu helfen, dieses Land wieder mit Leben füllen zu können, nachdem es so lange der Verderbnis als Unterschlupf dienen musste.

Seine harte Arbeit und seine treuen Dienste brachten ihm schließlich den Beinamen Carden ein. Denn als nach Galdurjan geschickter Magiegeborener besaß er kein Anrecht auf einen Familiennamen mehr. So betrachtet nahm man den Kindern damals alles, was sie annähernd individuell machte, um aus ihnen hörige Kämpfer zu machen. Ohne Emotionen, ohne störende Bindung an etwas, was sie schwächen könnte. Nein, in Raigans Augen hatte all das nie etwas damit zu tun, dass man Magiegeborenen lehren wollte, ihre Kraft zu kontrollieren. Eher wollte man sie im Griff haben und für etwaige eigene Zwecke einsetzen.

Umso wertvoller war ihm der Beiname, der ihm von den Menschen verliehen wurde, denen er so lange Zeit half. Carden bedeutet so viel wie „von der schwarzen Festung“, was nur dann an Bedeutung gewinnt, wenn man betrachtet, dass sein Vorname Raigan „kleiner König“ bedeutet. Nicht, dass Raigan dem viel Wert zumessen würde, aber dennoch haben ihn die Bewohner Eldfjölls damit durchaus geehrt.

 

Doch all das ist Vergangenheit. Nur ein Hauch dessen, was ihn zu dem Mann gemacht hat, der er heute ist.

Weder ist er der kleine Junge, der die Welt nicht versteht und sich einsam fühlt noch ist er der junge Bursche, der alles tat, um seine wahre Herkunft vor den Hochmagiern geheim zu halten.

Raigan ist nun ein Mann. Großgewachsen, von starkem Körperbau, voller Kraft und Mut. Er beherrscht den Kampf und seine Magie, spielt mit den Eiszaubern ebenso, wie mit seiner geliebten Streitaxt. Sein Blick ist scharf und seiner inneren Ruhe verdankt er es, dass er auch auf Distanz ein ernstzunehmender Gegner ist, denn seine Pfeile treffen immer ihr erwähltes Ziel. Den Umgang mit den Messern hat er ebenso erlernt, wie das Beherrschen seiner magischen Fähigkeiten. Sein Element ist das Eis. Der eisige Wind des Nordens. Außerdem hat er noch Vali an seiner Seite, der durch seine Größe alleine einschüchtert, mit seiner Körperkraft und dem bedrohlichen Gebiss selbst starke Gegner in die Knie zwingt und erledigt. Zusammen sind sie eine todbringende Kombination.

 

„Raykheim“, murmelt er vor sich hin, als er in der Ferne die unscharfen Konturen einer kleinen Stadt erkennt. Er wusste, seit sie den Fluss Rayk passiert hatten, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis der dazugehörige Mittelpunkt des Lebens auftauchen würde.

Vali und Raigan befinden sich auf der Reise gen Süden. Seit geraumer Zeit verspürt der junge Hexer ein Gefühl der Unruhe in sich, welches nicht von ihm ablassen will. Es zieht ihn magisch auf die andere Seite der Welt. Wieso kann er sich allerdings nicht erklären. Dennoch gab er dem inneren Drang nach und so befinden er und sein treuer Wolf sich seit Tagen auf dem Weg in die der Heimat fernen Gefilde. Was genau ihn dort erwarten wird, vermag er nicht zu sagen, geschweige denn, ob diese Reise überhaupt einen Sinn hat. Trotz aller Bemühungen sind zufriedenstellende Antworten bisher das rarste Gut, weswegen er sich dem Schicksal beugt und unbeirrt dem Weg folgt, welchen der Nordwind ihm vorgibt.

 

Vor wenigen Monden kam das Gerücht auf, dass die Aura der Wächter Ísbyggs entfacht wäre, was darauf hindeuten könnte, dass die beiden Drachen den jungen König der eisigen Lande erneut wiederbelebt hätten. Vielleicht gab es da einen Zusammenhang?

 

Der König Ísbyggs. Eine tragische Geschichte. Ein bitteres Schicksal. Fannar. Sein Opfer rettete diese Welt vor dem Untergang. Raigan hat ihn nie kennengelernt, dennoch verspürt er ein starkes Band der Loyalität zu ihm. Immerhin war und ist Fannar der letzte Herrscher Ísbyggs gewesen. Ebenso, wie in seiner vorherigen Gestalt als Líf.

Auf den Mosaiken in den Katakomben, sowie auf dem majestätischen Thron Kuldaborgs, wird der junge König nach wie vor geehrt.

Fannar frá Freyvik. Guð lífsins. Konungur Íslandsins. Stjórnandi elds og ís.

Fannar aus Freyvik. Gott des Lebens. König der eisigen Lande. Herrscher über Feuer und Eis.

Vor allem Ísbyggs Wächter, die Riesen frostklirrenden Blutes, scheinen überzeugt zu sein, dass ihr König zurückkehren wird. Früher als beim letzten Mal.

 

Raigan bewundert diese weisen Wesen und empfindet tiefen Respekt für ihre Rasse, wenn er betrachtet, dass sie eisern ihre Stellung halten und sich nicht von ihrem Versprechen abbringen lassen, den Thron der eisigen Lande zu beschützen, bis der rechtmäßige Thronerbe zurückkehrt, um Norðurljós erneut für sich zu beanspruchen und seinen Platz darauf einzunehmen.

Dieses Gerücht, dass die Wächter den Erben des Throns wiederbelebt haben, fühlt sich für Raigan mittlerweile wie ein Wunsch an. Zu lebhaft ist die Erinnerung an den Tag, als er Galdurjan entfloh und nach Ísbygg zurückkehrte, in den Himmel sah und dort dieser monströse Drache über ihm flog, dessen Schatten die weißen Ebenen zu verschlucken schien.

 

Er holt tief Luft, spürt die liebliche Käte in seinem Inneren nagen, huscht ein Lächeln über seine Lippen, genießt er dieses angenehme Kribbeln in seinem Brustkorb, atmet deutlich entspannter wieder aus. Die Atemwolke vor seinem Gesicht steigt auf und wirbelt wilder als der Schnee durch die Luft.

„Vali! Nach Raykheim!“

 

Der Wolf beschleunigt sofort, peitscht alsbald in rasendem Tempo über die weiße Ebene, die sich vor ihnen erstreckt. Sie halten direkt auf die Gebirgskette zu, an deren Fuß sich das Städtchen befindet. Anthrazitfarben ragen die Berge empor, schmeicheln vereinzelte weiße Schneeschichten dem dunklen Anblick.

Der Himmel ist grau, doch wiegt ein feiner Schimmer Orange in der Tristheit, während unaufhörlich kleine Gebilde aus Eiskristallen herniederfallen.

 

Immer näher rückt die kleine Stadt Raykheim, erkennt Raigan deutlich aufsteigende Rauchsäulen, die von wärmenden Feuern in den Häusern und Hütten zeugen. Zwar stört ihn die Kälte nicht, dennoch erfüllt ihn Vorfreude, wenn er an eine warme Speise denkt. Ein deftiger Eintopf mit einem guten Stück Fleisch würde ihm jetzt munden, daran besteht kein Zweifel.

 

Vali schlendert gemütlich in die kleine Stadt, sich der Blicke der wenigen Menschen in den Straßen und Gassen bewusst. Der Anblick eines Mannes auf einem Wolf ist gewiss nichts Ungewöhnliches. Vor allem die Krieger aus dem Norden sind dafür bekannt, Wölfe und Bären wegen ihrer Stärke zu bevorzugen. Dass Raigan einer jener stolzen Kämpfer ist, sieht man ihm trotz des mit viel Fell ausgestatteten Umhangs an. Selbst ohne Vali wüssten die Menschen, mit wem sie es zu tun haben.

Vor der Schenke hält der große Wolf an. Raigan springt von seinem Rücken, krault seinen treuen Verbündeten am Hals, was dem Tier ein zufriedenes Gähnen entlockt.

„Stille deinen Hunger und ruh dich aus, mein Freund. Wir sehen uns bei Sonnenaufgang.“ Mit diesen Worten entlässt Raigan seinen Gefährten, damit auch Vali sich stärken kann. Schon dreht sich dieser um, trottet los und Raigan weiß, der Wolf wird jagen.

 

Der Krieger selbst öffnet die Tür der Taverne, tritt einen Schritt vor und bringt Kälte und Wind in den warmen Raum. Sofort haften alle Blicke auf ihm. Nicht jeder heißt ihn willkommen. Manchen Gesichtern entnimmt er sofort Abneigung und Verachtung.

Die Meinung über das Nordvolk ist zwar gut, doch die Krieger zählen nach wie vor zu jenen, die man eher mit Skepsis betrachtet. Man benötigt ihre Dienstleistungen, doch gegenüber der Magie in ihren Adern ist man nach wie vor misstrauisch.

Wenn es um die Kunst der Hexerei geht, so sind die Lande nach wie vor gespaltener Meinung. Die einen sind der festen Überzeugung, dass es Magie war, die überhaupt zu dieser Schlacht vor zehn Wintern führte, andere sagen, dass es die Magie war, die alle gerettet hatte.

Raigan selbst versteht den Zwiespalt, denn er weiß, dass jeder Magiegeborene am Ende selbst festlegt, ob seine Gabe Fluch oder Segen ist. Nicht immer entscheiden die Auserwählten weise. Magie ist eine große Verantwortung und wer sich davon überfordert fühlt, der sieht sich schnell mit endlosen Abgründen konfrontiert, denen zu entkommen, nicht möglich scheint. Jene sind anfällig für die Düsternis, den Wahnsinn, der dafür sorgt, dass man den Unterschied zwischen Gut und Böse nicht mehr erkennt.

 

Unbeeindruckt von den Blicken steuert Raigan einen Tisch an, setzt sich auf die Bank und schiebt die vom Schnee bedeckte Kapuze seines Umhangs nach hinten, legt damit sein Gesicht frei, in welches einige wilde blonde Strähnen fallen.

Das ungestüme Munkeln beginnt. Hinter vorgehaltenen Händen wird spekuliert, wer er ist und was ihn hierhergeführt hat. Manche möchten ihn am liebsten verjagen, andere würde interessieren, ob er spannende Geschichten zu erzählen hat. Doch das möchte er nicht. Raigan war noch nie ein großer Redner, geschweige denn fühlt er sich wohl, wenn er mit Menschen sprechen soll. Stets weilt das Gefühl an seiner Seite, sich für alles rechtfertigen zu müssen. Dinge, von denen man annimmt, er habe sie getan und Dinge, die man ihm unterstellt, von denen man überzeugt ist, dass er sie tun würde.

 

Eine Frau mittleren Alters steuert auf den Tisch zu, an welchem er sich niedergelassen hat, kommt direkt daneben zum Stehen und mustert ihn einen Moment, ehe sie ihn anspricht: „Was darf es sein, Reisender?“