GÖTTERBLUT: Norðurvindur - T. Stern - E-Book

GÖTTERBLUT: Norðurvindur E-Book

T. Stern

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Beschreibung

Fannar zählt neunzehn Winter und lebt in dem kleinen Dorf Freyvik nah des Flusses Frigg im Lande Sundur. Im Hause der Familie Olofsson führt er ein hartes aber halbwegs sicheres Leben. Für ein Findelkind mit seinem Naturell ist das mehr, als man erhoffen kann. Menschen mit Magie im Blut werden nicht gern gesehen und hierzulande gar nicht erst geduldet. Eines Tages kommt ein Fremder ins Dorf und mit seinem Auftauchen soll sich Fannars Leben für immer ändern. Eirik offenbart, dass die Lande seit einiger Zeit von der Verderbnis heimgesucht werden, weshalb Krieger und Magier alles unternehmen, um die Menschen davor zu beschützen. Zudem sieht er in Fannar eine unfassbar große Magiequelle, die ihm wahrlich Rätsel aufgibt. Während den Jungen die Unsicherheit plagt, überschlagen sich die Ereignisse. Nicht nur die Anziehung des Kriegers bereitet ihm Sorge, sondern ebenso unzählige Fragen über sich selbst und seine Magie. Am schlimmsten aber ist die Tatsache, dass Freyvik in großer Gefahr schwebt. Das Verderben ist auf dem Vormarsch.

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T. Stern

GÖTTERBLUT: Norðurvindur

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Titel

Handlung

Fannar zählt neunzehn Winter und lebt in dem kleinen Dorf Freyvik nah des Flusses Frigg im Lande Sundur. Im Hause der Familie Olofsson führt er ein hartes aber halbwegs sicheres Leben. Für ein Findelkind mit seinem Naturell ist das mehr, als man erhoffen kann. Menschen mit Magie im Blut werden nicht gern gesehen und hierzulande gar nicht erst geduldet.

Eines Tages kommt ein Fremder ins Dorf und mit seinem Auftauchen soll sich Fannars Leben für immer ändern.

Eirik offenbart, dass die Lande seit einiger Zeit von der Verderbnis heimgesucht werden, weshalb Krieger und Magier alles unternehmen, um die Menschen davor zu beschützen. Zudem sieht er in Fannar eine unfassbar große Magiequelle, die ihm wahrlich Rätsel aufgibt.

Während den Jungen die Unsicherheit plagt, überschlagen sich die Ereignisse. Nicht nur die Anziehung des Kriegers bereitet ihm Sorge, sondern ebenso unzählige Fragen über sich selbst und seine Magie.

Am schlimmsten aber ist die Tatsache, dass Freyvik in großer Gefahr schwebt. Das Verderben ist auf dem Vormarsch.

 

Vorwort

Willkommen in der Welt von Götterblut, meiner kleinen Fantasy-Reihe. Mit Norðurvindur findet der Dreiteiler seinen Anfang.

Was erwartet euch?

Eine Reise durch eine Welt, die inspiriert ist durch die nordische Mythologie. Diese Sagenwelt hat mich schon immer fasziniert. Ich dachte mir, es wird Zeit, eine eigene zu erschaffen. Sich inspirieren lassen bedeutet nicht, dass man sich zwingend an Vorgaben hält. Deswegen nennt es sich inspiriert und nicht auf Tatsachen beruhend. Erwartungsgemäß findet man Parallelen zu den Inspirationsquellen, das bleibt nicht aus.

Allumfassend ist Götterblut schlicht und einfach: Fantasy.

Fernab der Realität, in einer Zeit, die keine festen Vorgaben hat, in einem Land, welches ich erbaut habe, wo all das möglich ist, was meine Vorstellungskraft dieser zuschreibt.

Es gibt Monster, mysteriöse Wesen, Magie und Götter.

Neben einer langen Reise erwartet euch so allerlei. Diese Welt hat ihre Geschichte und einen Teil davon werdet ihr kennenlernen. Ebenso haben die Hauptprotagonisten ihre gelebte Zeit und gleicherweise wird es da so manches zu erfahren geben.

Für die alte Sprache, die hin und wieder genutzt wird, diente Isländisch als Inspirationsquelle. Wer diese beherrscht, möge nicht erwarten, dass alles grammatikalisch korrekt ist.

Der Sinn von Götterblut ist nicht der, mit realem Wissen zu trumpfen, sondern es geht darum, in eine fremde Welt zu entführen. Mein Wunsch ist es, euch Bilder sehen zu lassen, während ihr dabei seid und mit den Protagonisten ein Abenteuer erlebt. Ich will, dass ihr abtaucht und mit Fannar und Eirik diese Welt bereist. Seht, was sie sehen, erlebt, was sie erleben, fühlt, was sie fühlen. Kämpft, wenn sie kämpfen. Hofft und bangt, spürt Freude und Erleichterung, seht die Zauber, die sie wirken.

Fantasy sollte nicht an die Realität gebunden sein müssen, sondern eben diese vergessen lassen können.

Genug der Rede, ich schweige jetzt und wünsche jedem fantastisches Lesevergnügen mit Götterblut und eine magische Reise durch die Götterwelt.

 

Danksagung

Diesmal entrichte ich lange überfälligen Dank an meinen treuen und wunderbaren „Drogon“, der sich tagtäglich mit mir herumschlägt und erträgt, mehr als sonst jemand es könnte. Er steht mir stets zur Seite, ganz gleich was ich ihm abverlange.

Danke, Drogon! Mein heißgeliebter Computer.

 

Tausend Dank geht an die geduldige und nervenstarke Götterblut-Arbeitsgruppe. Von der ersten fixen Idee bis zum ersten vollendeten Buch eisern dabei. Wohlwissend, dass es weitergehen wird. Nichts schreckte sie ab. Hut ab.

Wie immer sind eure Zeit, euer Engagement, jedes Wort, Lob und Kritik, die Stunden gemeinsamer Arbeitszeit in Asgard, unbezahlbare Unterstützung.

Ihr verleiht mir Flügel und lasst mich fliegen, weil ihr auch dann an mich glaubt, wenn ich selbst es mal wieder nicht kann. Danke, dass ihr mir erneut auf die Beine geholfen habt, als mein persönliches Monster mich in seinen Klauen hielt.

 

Diesmal hat sich die liebe „Petra Schütze“ ans Ausmerzen der Fehler gewagt. Katerlichster Dank dafür!

 

Zum Abschluss ein riesengroßes Dankeschön an genau dich, der du dieses Buch erworben hast. Herzlichen Dank für deine Unterstützung.

Ich wünsche dir viel Lesevergnügen mit GÖTTERBLUT: Norðurvindur.

1

Freyvik. Das kleine Dorf liegt am Fluss Frigg, im Südwesten von Sundur. Es zählt nur vierzig Häuser, wovon die Hälfte Höfe sind. Die Einwohner sind Selbstversorger. Sie arbeiten hart, um die Versorgung ihrer Familien zu gewährleisten.

So mancher Winter hat es ihnen allen schon schwer gestaltet.

Nicht selten musste sich ein Viehhalter letztlich von einer Milchkuh oder einer Muttersau verabschieden und diese auf dem Markt in Aykevik verkaufen, um Frau und Kinder ernähren zu können. Doch selbst dies war immer mit Gefahren verbunden. Um in das große Dorf zu gelangen, plant jeder Fuhrmann alleine im Sommer zwei bis drei Tage ein. Die Winter sind stets unberechenbar und warten mit vielen unangenehmen Überraschungen. So mancher leichtsinnige Dörfler verlor die Ware für den Markt, ein Zugtier, seinen Wagen oder gar alles und selbst sein Leben.

Doch bis zum Winter dauert es drei Monde. Noch ist die Kälte in weiter Ferne, was nicht bedeutet, dass es keine Arbeit zu tun gibt.

Auf einigen Feldern wird die Ernte eingeholt. Wiederum andere werden neu bestellt. Die Familien arbeiten auf ihren Gehöften und bereiten sich, wie jedes Jahr, auf die kalte Jahreszeit vor.

Fannar wuchtet die schwere Gabel voll Mist auf den hölzernen Schubwagen, wischt sich dann mit einem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Um ihn herum toben die kleinen Ferkel, beobachtet er sie einen Augenblick und seufzt bei dem Gedanken, dass ihr Schicksal schon jetzt feststeht. Sie werden sterben. Wie all ihre Geschwister zuvor. Ein notwendiges Übel, wenn man nicht hungern und überleben will.

„Fannar! Steh da nicht so faul herum, du nutzloser Bastard!“

Die Härte der Stimme geht ihm wie immer unter die Haut. Sofort macht er weiter und kümmert sich um seine Arbeit.

Gustav Olofsson. So heißt der Mann, der ihm regelmäßig das Unwohlsein in den Magen treibt. Fannar würde niemals etwas Schlechtes über ihn sagen, denn er verdankt ihm sein Zuhause. Wenngleich sich das für ihn nie wie eines anfühlte. Vielmehr hat Fannar einen Platz zum Schlafen, obwohl dieser kein Nachtlager im geschützten Haus ist, und wenn er seinen Herrn nicht erzürnt hat, sogar eine warme Mahlzeit am Tag.

Manchmal steckt ihm die Hausherrin, Urda, heimlich ein Stück Brot zu. Sie ist nett. Fannar mag ihr liebevolles Lächeln und vor allem den Ausdruck in ihrem Gesicht, das Strahlen in ihren Augen, wenn sie mit ihren Kindern spricht. Gustav und Urda haben drei Töchter und zwei Söhne, zwischen vierundzwanzig und zwölf Wintern.

Fannar zählt nicht dazu. Es herrscht eine strikte Trennlinie, welche ihn von der Familie abgrenzt. Er ist nicht mehr als ein geduldeter Arbeiter. Wobei er Gustav oftmals, trotz allen Bemühens, nicht zufriedenstellen kann. Dabei gibt Fannar täglich sein Bestes. Gewissenhaft und schnell erledigt er die ihm auferlegten Aufgaben. Gustavs Abneigung ist nicht damit zu begründen, dass er ein fauler Taugenichts ist. Vielmehr liegt es an Fannars Wesen. Seinem Naturell, welches nicht zu verbergen oder zu leugnen ist.

„Hier, Junge. Trink“, vernimmt er die sanfte Stimme Urdas, schreckt aus seinen Gedanken und sieht sie an. Doch zwischen ihnen ist ein Becher, den sie Fannar entgegenhält. Zaghaft greift er nach diesem und lächelt ihr dankbar entgegen.

Der angenehme Geruch von Kräutern steigt ihm in die Nase und berauscht seine Sinne. Urdas Kräutertee ist der Beste, den er je getrunken hat. Bei weitem auch der Einzige, aber es ändert nichts daran. Das Gebräu ist lauwarm, gut geeignet, um es schnell zu trinken.

„Wenn du mit den Schweinen fertig bist, komm ins Haus. Ich habe frisches Brot gebacken“, sagt Urda und streckt eine Hand aus, streicht einige blonde Strähnen aus Fannars Gesicht.

Sein Blick genügt und die Hausherrin versteht seine Sorge.

„Gustav ist in die Dorfschenke. Er wird erst spät nachts wiederkommen. Betrunken.“ Ihrer sanften Stimme ist deutlich der Gräuel anzuhören.

Fannar weiß genau, was das bedeutet. Immer wenn Gustav in der Schenke war und zu viel getrunken hat, lässt er seinen Frust ebenso an seinem Eheweib und seinen Kindern aus. Zwar haben sich diese Ausfälle schon gebessert, seit sein ältester Sohn Sven ihm die Stirn bot, als er drohte, seine Frau zu schlagen, doch waren seine harschen Worte ebenso verletzend. Wenn das einer wusste, dann Fannar. Er musste es täglich ertragen. Manchmal schmerzte es ihn, wenngleich er im Laufe der Zeit lernte, das meiste davon zu ignorieren. Außerdem machten es diese kleinen Aufmerksamkeiten von Urda wieder gut.

Zaghaft nickt er ihr zu, reicht ihr den Becher zurück und setzt an weiterzumachen, doch Urdas Hand an seiner Wange hält ihn davon ab.

„Du hättest Besseres verdient, Fannar“, seufzt sie kleinlaut und in ihrem Gesicht zeichnet sich Pein über diese Erkenntnis.

„Ich habe einen Platz zum Schlafen und täglich etwas zu essen. Hättet ihr mich nicht aufgenommen, wäre ich schon als Säugling gestorben.“ Mit dieser Aussage löst sich Fannar aus Urdas Hand und widmet sich wieder seiner Arbeit.

Es gibt nichts Besseres als frisch gebackenes warmes Brot. Der bloße Gedanke an den Duft und den Geschmack treiben ihn zur Eile an. Gewiss auch ein wenig die Befürchtung, Gustav könnte früher als sonst zurückkehren und das verlockende Angebot von Urda damit vereiteln.

Die Hausherrin verlässt den Stall und Fannar macht weiter, denkt unterdessen über seine eigenen Worte nach.

Er war ein Säugling, als Urda und Gustav ihn im Winter fanden. Nackt, nur in einen dünnen Stoff gewickelt, lag er am Waldrand, nahe des Frigg. Immer wieder erzählte ihm seine Ziehmutter, dass er nicht schrie, nicht weinte, obwohl er hauchdünn vom Schnee bedeckt war, seine Haut so weiß, dass er wie vom Tod geküsst wirkte. Doch er lebte, sah sie aus seinen blauen Augen an und lächelte, kaum dass sie ihn aufhob. Urda schwor auf die Götter, dass sie schon damals spürte, dass Fannar etwas Besonderes sei.

Sie sollte damit recht behalten, denn im zarten Alter von fünf Wintern wurde deutlich, dass Fannar nicht normal war.

Er trägt etwas in sich, was die meisten ängstigt. Verheimlichen konnte er es nicht lange, weswegen das Dorf natürlich Bescheid weiß. Es führte unweigerlich dazu, dass er gemieden und hinter seinem Rücken geredet wurde. Die Erwachsenen verachteten ihn, sprachen davon, dass er verflucht sei und Unglück bringe.

Die Kinder aber, die liebten Fannar und seine kleinen Kunststücke. Sie kamen immer alle freudig zu ihm gelaufen, sobald er mal im Dorf unterwegs war. Ab und an ließ er sich hinreißen, genoss das Lachen und die Freude der Kinder, wenn sie durch die Blätter tanzten, welche er durch die Luft wirbeln ließ. Wurde er dabei erwischt, setzte es immer gewaltige Strafen. Einmal hatte Gustav ihn mit dem Lederriemen verprügelt, solange, bis die Haut tiefrot war. Fannar zweifelt selbst heute nicht daran, hätte Urda ihren Gemahl nicht gestoppt, wäre sein Leben schon mit zehn Wintern erneut frühzeitig geendet.

Zwar versuchte er immer, sein Naturell zu verbergen, doch gewisse Situationen erforderten ein Einschreiten. Und obwohl er nur Gutes bewirkte, ein Kind vor dem Ertrinken rettete, ein Feuer auf dem Nachbarhof löschte, die Wunden eines verletzten Reisenden heilte, vermochten die Dorfbewohner nicht von ihrer starren Ansicht abzuweichen. In ihren Augen war Magie etwas Böses. Fannar trägt sie in seinem Blut. Durch seine Adern fließt eine unvorstellbare Gabe, welche er nie zu seinen Gunsten missbrauchte, geschweige denn um jemandem zu schaden. Es gab eine Zeit, da fand er es verlockend herauszufinden, was er alles bewirken könnte, welch enormes Potenzial in ihm schlummert, doch lernte er die Strafen so zu fürchten, dass er es nicht wagte, diese zu provozieren.

Nach getaner Arbeit begibt er sich an den Brunnen mittig des Hofes, wäscht sich mit dem Wasser aus dem Eimer die Hände und lässt dann seinen Blick schweifen.

Er erkennt Sven und seine Schwester Brinja, die von der Jagd zurückkehren. Diese war erfolgreich, was der geschulterte Junghirsch und die fünf Hasen zeigen.

„Fannar, morgen gibt es Hase!“, ruft Sven in seine Richtung und Brinja präsentiert veranschaulichend die Beute.

Anerkennend für ihren Erfolg nickt Fannar ihnen zu und ringt sich ein Lächeln ab. Doch unterschwellig ahnt er, dass er den Hausherrn gewiss wieder verärgern und für ihn das festliche Mahl deshalb ausfallen wird. Fannar hat das Gefühl, diesen schon mit einem bloßen Atemzug zu erzürnen.

Oft genug ist er genötigt, sich bitterböse Worte anzuhören, welche ihm nahelegen, es wäre für alle Beteiligten besser, hätte der Tod ihn direkt bei seiner Geburt dahingerafft.

Ganze viermal wollte Fannar weglaufen. Doch immer, wenn er es versuchte, passierte etwas, was ihn festhielt. Er weiß, dass Gustav ihm keine Träne nachweinen würde. Den Hof zu verlassen wirkt so leicht, losgehen und nie wieder zurückkehren, aber das ist es nicht. Es ist, als wäre Fannar mit diesem Stück Land verbunden. Eine unsichtbare Barriere hält ihn in Freyvik.

Seufzend wendet er sich gen Haus und steuert darauf zu. Die Tür öffnet sich und Sven tritt heraus, bepackt mit den erlegten Kleintieren.

„Benötigst du Hilfe, Bruder?“, ruft Brinja ihm hinterher.

„Nein. Fannar geht mir kurz zur Hand. Kümmert ihr euch um warmes Brot mit Butter und Tee“, lässt er sie wissen, drückt Fannar die Hasen in die Arme und fordert ihn mit einer Kopfgeste auf, ihm zu folgen.

Wenige Schritte vom Haus entfernt ist Sven damit beschäftigt, den Hasen das Fell vom Leib zu ziehen und sie auszuweiden.

Fannar rümpft die Nase, behagt ihm der Geruch von Blut nicht. Aus unerfindlichen Gründen wird ihm davon übel.

Sven steckt sein Messer in die Scheide am Gürtel, grinst amüsiert über den Anblick seines Nebenmannes und beschließt, sich einen Spaß zu erlauben. Handfest entfernt er die Eingeweide aus dem Bauchraum des Hasen und ohne zu zögern reicht er diese an Fannar. Überfordert starrt der diese an, spürt die Feuchtigkeit an seinen Händen, die letzte Wärme in den Organen. Schwer schluckt er und würde die Innereien am liebsten zu den anderen in die Schüssel schmeißen, doch etwas hält ihn davon ab. Sein Blick verfinstert sich, starrt er auf das Herz, welches zwischen den Darmschlingen hervorlugt.

Paralysiert fangen seine Finger an die Eingeweide zu kneten, steigt ein bitterer Geruch auf, der Fannar zum Würgen bringt. Die Kombination aus allem versetzt ihm Bilder in den Kopf, die ihn das Fürchten neu lehren. Mit einem Laut des Schrecks lässt er das unförmige Gebilde zerdrückter Organe auf den Boden fallen.

„Fannar?“, grummelt Sven und lässt ihm einen bitteren Blick zukommen. „Die Innereien hätten ebenso Verwendung gefunden.“

Mit starrem Blick beobachtet Fannar, wie geübte Schnitte an den Hinterläufen Fellüberreste lösen, die Klinge die Haut vom Fleisch trennt. Es ist reiner Instinkt, basierend auf dem, was Fannar vor seinem geistigen Auge sah. Ungehalten verpasst er Sven einen Stoß, welcher diesen zur Seite drängt. Ohne eine Erklärung packt er nach dem toten Tier und wirft es vom Tisch auf den Boden. Der strafende Blick seines Nebenmannes haftet auf ihm, geprägt von Unverständnis und Überforderung.

„Fannar! Was soll das?“, grummelt Sven, macht Anstalten, um den Tisch herumzutreten, als Fannar endlich seine Stimme findet.

„Er ist verflucht, Sven! Sein Körper besessen vom Geist des Verderbens. In seinem Blut lebt der sichere Tod für alle, die von ihm zehren!“

Sven stockt und der Ernst weicht aus seiner Mimik, macht Platz für Erstaunen und den Schock.

„Woher weißt du das?“, will er wissen, wechselt sein Augenmerk auf den am Boden liegenden Kadaver.

Schuldbewusst lässt Fannar den Kopf hängen, wagt kaum es auszusprechen, fürchtet er, dass, obwohl Sven nie gegen seine ungewöhnlichen Fähigkeiten gewettert hat, dieser ausgerechnet jetzt damit anfängt. Zu Recht.

„Magie“, erklärt Fannar leise und lugt verunsichert zu ihm.

Doch anstatt an seinen Worten zu zweifeln, sieht Sven ihn prüfend an, hakt nach: „Bist du dir sicher?“

Ohne zu zögern, nickt er und spürt die innere Unruhe in sich erneut ansteigen. Die Angst vor einer Strafe ist sein stetiger Begleiter. Seine Magie ist fähig, Leben zu retten, das hat er schon oft genug bewiesen. Doch interessiert es niemanden, wird er immer wieder behandelt und geahndet, wie ein Verdammter.

„Das Fleisch von dem Vieh sieht wirklich nicht normal aus“, mischt sich Urda ein, fährt Fannar erschrocken herum und starrt sie aus weiten Augen an.

„Wascht euch die Hände, reinigt sie gründlich. Ich entsorge dieses Vieh des Verderbens.“ Beherrscht tritt die Hausherrin an den Leichnam und sammelt diesen auf, lässt die am Boden liegenden Eingeweide folgen.

„Los! Hört ihr nicht?“, drängt sie die beiden jungen Männer, die sich augenblicklich in Bewegung setzen und zum Brunnen steuern.

„Brinja, bring die Hasen ins Haus. Euer Vater wird sich morgen um den Hirsch kümmern. Thade soll Sven und Fannar etwas von der Kräutertinktur zur Reinigung bringen. Beeil dich!“

Brinja gehorcht, wenngleich Fannar ihr deutlich die Neugier ansieht, welche sie am liebsten nachfragen lassen würde, was überhaupt los ist. Sie verkneift es sich, kommt respektvoll den Wünschen ihrer Mutter nach.

Etwas später sitzt Fannar mit der Familie am Tisch. Urda zerreißt ein gewärmtes Fladenbrot und verteilt es. Dazu gibt es frisch aufgebrühten Kräutertee. Sven wirkt gedankenverloren, hat kein einziges Wort mehr mit Fannar gesprochen. Diesen plagt sein Gewissen.

„Entschuldige, Sven. Es war nicht meine Absicht, den Erfolg eurer Jagd zu mindern“, richtet Fannar das Wort an ihn, brechen alle anderen Gespräche am Tisch abrupt ab.

Überrascht schaut der ihm gegenübersitzende ihn an, schüttelt dann mit dem Kopf: „Nein. Du hast uns vor einem schrecklichen Schicksal bewahrt. Wenn ich mir vorstelle, dass wir das Fleisch gegessen hätten, wird mir flau im Bauch.“

Fannar schweigt, senkt betreten den Kopf und flüstert dann doch leise: „Könnten wir das nicht vor dem Herrn erwähnen?“

„Mach dir keine Gedanken, Junge. Iss dein Brot, solange es warm ist. Greif zu. Keine falsche Scheu, Fannar.“ Urda schließt das Thema ab, wissend, was dieser mehr fürchtet als alles andere.

Zaghaft aber gehorsam greift Fannar das Brot vor sich und reißt ein kleines Stück ab, schiebt es sich in den Mund und kaut es, doch gedanklich ist er bei den schlimmsten Erinnerungen seines Lebens. Wie oft wurde er bestraft, obwohl er nur Gutes im Sinn hatte?

Beiläufig lauscht er dem Gespräch zwischen Urda und ihren Kindern, genießt es, den Zusammenhalt der Familie zu spüren. Es erwärmt sein Herz, wenngleich es einen bitteren Beigeschmack birgt. Er hatte weder eine ihn liebende und umsorgende Mutter, geschweige denn einen Vater, der ihn zu einem richtigen Mann erziehen konnte.

Seit seinem ersten Kontakt mit Magie, dem Augenblick, wo er sie wirkte, hatte er jegliche Möglichkeit vertan, in irgendeiner Form ein Teil dieser Familie zu sein.

Keine späte Reue vermochte die Zeit zurückzudrehen oder die Erinnerungen anderer daran auszulöschen. Manchmal ertappt er sich selbst bei der Frage, ob seine Fähigkeiten so etwas bewirken könnten. Die Vergangenheit oder zumindest das gedankliche Wiedererleben daran zu verändern. War das möglich?

Jedes Mal aufs Neue schallt er sich danach einen Narren, einen Egoisten, der die Magie in sich niemals zu seinen Gunsten nutzen will, was in seinen Augen schon damit anfängt, es gedanklich in Erwägung zu ziehen.

So sitzen sie eine Weile beisammen, lauscht Fannar den Gesprächen der anderen, wenn er nicht damit beschäftigt ist, schweigend Monologe zu führen, beschließt, sich zurückzuziehen. Er bedankt sich für die Nettigkeit und verlässt das Haus, obwohl Urda ihn zu gerne länger mit am Tisch gewusst hätte. Sein Weg führt ihn zum Stall. Dort hat er seinen Schlafplatz. Bei den Tieren. Gustav sagte, so könne er sich wenigstens nützlich erweisen und auf die kostbaren Säue aufpassen. Der Geruch war gewöhnungsbedürftig. Wer es nicht anders kannte, der störte sich daran nicht. Einen letzten Blick richtet er in die Ferne. Die Felder erstrecken sich, taucht die untergehende Sonne alles in ein warmes, orangenes Licht. Bald wird es dunkel sein und eine weitere Nacht wird er schlaflos damit zubringen, sich zu fragen, was ihn an diesem Ort hält. Sind es Urda und ihre Kinder? Sie kämen doch sicher ohne ihn aus, oder? Wozu brauchten sie Fannar? Die Schweine benötigen gewiss keinen Aufpasser. Weder konnten sie weglaufen noch gab es gefährliche Raubtiere in der näheren Umgebung.

Den Kopf schüttelnd reißt er sich vom Anblick der Getreidefelder los, tritt in den Stall, schließt hinter sich die Tür und steigt die hölzerne Leiter in den kleinen Raum unter dem Dach hinauf. Die groben Strohhalme piksen in seine Handflächen und Knie, kriecht er auf das Laken zu, was sein Nachtlager ist. Das zusammengerollte Fell, welches als Kopfkissen dient, im Winter seine Wärmequelle ist, rückt er zurecht und legt sich nieder. Er ist müde, doch der erholsame Schlaf weit entfernt.

 

2

Aufrecht und nach Luft röchelnd sitzt er auf seinem Nachtlager. Der Schweiß läuft ihm über den Körper und Schmerz betäubt seine Arme und Beine. Albträume ist er gewohnt, doch dieser, der ihn so heftig erwischt hat, war anders. Sah er sonst nur einen schrecklichen, brutalen Kampf vor sich, welchem er wie ein Geist beiwohnte, so übertraf dieser Nachtmahr alles vorher dagewesene.

Üblicherweise schwebte er nur um die Teilnehmer herum, versuchte, deren Gesichter zu erkennen, doch waren es immer nur verzogene Fratzen. Umso erschreckender war dieser Traum, unterschied er sich so vehement von dem, was er gewohnt war. Alles zuvor konnte er von der Realität unterscheiden, wusste um die Tatsache, dass es nur ein Geflecht aus Bildern in seinem vom Schlaf betäubten Kopf war.

Doch diesmal spürte er den Boden unter seinen Füßen, fühlte den Wind auf seiner Haut, roch das Blut und den Rauch der in der näheren Umgebung schwelenden Feuer. Da waren die Geräusche gegeneinander schlagender Schwerter. Wütende, verzweifelte, angstverzerrte, von Schmerz erfüllte Schreie. Die donnernden und schnell näherkommenden Schritte weiterer Krieger. Ihr Gebrüll, so unvorstellbar nah. Und dann, aus dem Nichts, dieses raue Schnaufen an seinem Ohr. Er drehte sich um und erstarrte, als er anstatt in Augen in zwei leere Augenhöhlen starrte. In diesen krabbelten längst die ersten Maden und fauliger Atem stieg ihm in die Nase.

Der nächste Herzschlag schon bescherte ihm unsagbaren Schmerz im Brustkorb. Eine Klinge bohrte sich in seinen Bauchraum. Dieses Gefühl absoluter Machtlosigkeit, als sie sich langsam in seinen Leib schob, war so unfassbar real. Selbst jetzt bringt er Fannar zum Zittern.

„Ein Albtraum?“, haucht eine ihm bekannte Stimme leise. Mühsam hebt er den Kopf, sieht zum Aufstieg und erkennt Levke, die Familienjüngste. Nur ein Nicken, mehr ist nicht nötig, schon versteht sie. Sie klettert in den schmalen Raum unter dem Giebel, krabbelt bis zu Fannar, problemlos, obwohl sie einen Krug und ein Stoffbündel in einer Hand hält. Ohne jegliche Berührungsängste setzt sie sich zu ihm und sieht ihn aus ihren grünen Augen an.

Levkes Anblick schafft es, Fannar langsam wieder zu erden. Er beruhigt sich, mustert das vertraute Gesicht des jungen Mädchens vor sich. Ihre helle Haut ist übersät mit Sommersprossen und die roten Locken fallen ihr wild über die Stirn.

„Hier, trink etwas“, sagt sie und reicht ihm den Krug. Fannar kommt ihrer Aufforderung nach, doch bleibt ihm der dritte Schluck schier im Hals stecken. Levkes Handrücken fühlt seine Stirn und sie gibt einen nachdenklichen Laut von sich, ehe sie ihren Gedanken mit ihm teilt: „Du glühst, Fannar. Das ist Fieber. Ich werde Mutter Bescheid sagen.“

„Nein!“, bricht es ungehalten aus ihm hervor und sie hält in der Bewegung inne, sieht ihn fragend an. „Der Herr wird nur wieder wütend. Ich fühle mich gut, Levke. Mach dir bitte keine Sorgen. Es ist nur der Albtraum. Das ist schnell vorbei.“

Skeptisch mustert sie ihn und Fannar fühlt sich ihr gegenüber für einen Augenblick vollkommen ausgeliefert. Levke wird sicher mal eine willensstarke Frau. Der Mann, der sie an seine Seite bekommt, wird nicht nur eine liebevolle Mutter für seine Kinder, sondern ebenso eine kriegerische Kämpferin an sich binden. Aber bis dahin, so hofft er, kann Levke, die erst zwölf Winter zählt, noch stärker und starrsinniger werden.

„Zieh dich an und dann komm mit!“, befiehlt sie harsch und Fannar zieht beide Augenbrauen hoch. Vermutlich wird ihr Zukünftiger nicht viel zum Lachen haben, wenn er versucht, sich mit ihr zu messen. Mit einem tiefen Seufzen hört er auf die Jüngere und zieht sich sein Hemd an.