Die Kunst des Bittens - Sabine Heß - E-Book

Die Kunst des Bittens E-Book

Sabine Hess

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Beschreibung

Sabine Heß ist seit fast 30 Jahren im Marketing und Vertrieb tätig und hat vor über zehn Jahren ihre Leidenschaft für den gemeinnützigen Sektor entdeckt. Heute begleitet sie Vereine, Stiftungen, Projekte, Initativen und Visionäre im Marketing und Fundraising und stößt dabei immer wieder auf dieselbe Herausforderung: Jedes Projekt kann noch so leidenschaftlich initiiert und jede Vision kann inhaltlich noch so ausgefeilt sein – wenn wir nicht in der Lage sind, die Idee zum richtigen Zeitpunkt bei den richtigen Personen zu platzieren und um Unterstützung zu bitten, werden wir bei der Umsetzung an Grenzen kommen. Die These des Buches: Professionell und gleichzeitig mutig um Unterstützung zu bitten, ist eine der schwierigsten Aufgaben überhaupt. Wenn wir diese »Kunst des Bittens« aber beherrschen, können wir große Visionen Wirklichkeit werden lassen. Sabine Heß erläutert in ihrem Buch das Potential, das entfaltet werden kann, wenn die richtigen Menschen auf Augenhöhe zusammenkommen. Sie zeigt, wie passende Netzwerke für ein Anliegen identifiziert werden, wie eine optimale Gesprächsvorbereitung und -führung aussieht, welche Skills wir benötigen, wenn wir andere um Unterstützung bitten, und wie wir langfristige Beziehungen aufbauen können.

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SABINE HESS

DIE KUNST DES BITTENS

WIE DU UNTERSTÜTZUNG FÜR DEIN HERZENSPROJEKT FINDEST

Inhalt

Bevor es losgeht

Für wen dieses Buch geeignet ist

01 Grundlagen für die Kunst des Bittens

Von Non-Profit-Organisationen lernen

Verbindungen gründen auf gemeinsamen Werten

Kurz und knapp: Grundlagen für die Kunst des Bittens

02 Die Sache mit der Komfortzone

Grenzen, die die Komfortzone setzt

Strategien zur Vergrößerung der Komfortzone

Die Nerven beruhigen

Brücken bauen

Kurz und knapp: Die Sache mit der Komfortzone

03 Die optimale Vorbereitung

Zeige dein Warum und deinen Bedarf

Ankündigung des Anliegens

Der Umgang mit Webseiten und Social Media

Die letzten Vorbereitungen

Kurz und knapp: Die optimale Vorbereitung

04 Netzwerke identifizieren

Die Bedeutung eines guten Netzwerkes

Menschen mit unseren Werten finden

Kurz und knapp: Netzwerke identifizieren

05 Sieben Dinge, auf die es ankommt

Offenheit hilft leichter ins Gespräch zu kommen

Zwischen Selbstbewusstsein und Respekt

Andere großmachen, ohne sich selbst kleinzumachen

Empathie und die Kunst des Bittens

Storytelling und Begeisterungsfähigkeit

Authentisch sein bedeutet, man selbst zu sein

Humor und Schlagfertigkeit sorgen für positive Atmosphäre

Kurz und knapp: Sieben Dinge, auf die es ankommt

06 Vom One-Day-Stand zur langfristigen Beziehung

Fahrstuhl zu langfristigen Beziehungen

In regelmäßigem Kontakt stehen

Feedback ernst nehmen

Die Besonderheit mit der Zeit

Auf Events über Projekte berichten

Löschen, Wenn es brennt

Dankbarkeit zeigen

Kurz und knapp: Vom One-Day-Stand zur langfristigen Beziehung

Fazit: Sechs Learnings für die Kunst des Bittens

Danksagung

Benötigst du Unterstützung?

Über die Autorin

Dieses Buch widme ich meinen Eltern, Christel und Hans-Christoph Fischer. Ihr habt mir alles mitgegeben, was ich für ein selbstbestimmtes Leben brauche. Ich danke euch von ganzem Herzen.

Bevor es losgeht

Andere um Unterstützung zu bitten, ist eine Kunst. Und wie bei jeder Art von Kunst braucht es auch hier Übung und die richtige Technik. Mein Learning in dieser Kunst des Bittens begann für mich in Siegen. Meinem nicht ganz freiwillig gewählten Studienort – die damalige Zentrale Vergabestelle für Studienplätze hatte mich, wenn man so will, dorthin verbannt. Unter den Studierenden kursierte zu dieser Zeit der wenig schmeichelhafte Spruch: »Was ist schlimmer als verlieren?« – Die Antwort erübrigt sich. Aus Hamburg kommend, hatte tatsächlich auch ich mir eher einen Studienort wie Kiel, Münster oder Köln gewünscht, also eine Universität, die durch einen guten Ruf glänzte. Damals ahnte ich nicht, wie gut es mir an der vergleichsweise kleinen Universität Siegen gefallen sollte.

Ein wesentlicher Vorteil war, dass sich auf dem Campus schnell neue Kontakte und Freundschaften aufbauen ließen, die manchmal auch – und das traf auf mich zu – zu gemeinsamen Projekten führten. Zu viert, drei Studienkollegen und ich, machten wir uns daran, im Rahmen der größten fächerübergreifenden Studierendeninitiative Deutschlands auch in Siegen eine Gruppe zu etablieren. Market Team, so der Name des Netzwerks, ist gegründet worden, um den Austausch von Studierenden mit Unternehmen zu befördern. Noch heute werden dazu Workshops, Vorträge und Diskussionsveranstaltungen organisiert, die erste Kontaktmöglichkeiten bieten. Zu unseren Veranstaltungen hatten wir Unternehmen wie Coca-Cola und die Otto Group eingeladen, auch die Werbeagentur BMZ (Baus, Mang, Zimmermann), bekannt für ihren geradezu triumphalen Toyota-Slogan »Nichts ist unmöglich«. Die Gäste sollten Vorträge zum Beispiel über erfolgreiche Kampagnen halten und Workshops in kleinen Gruppen oder Gespräche zu speziellen Themen anbieten. Zu unseren Aufgaben als Veranstalter gehörte es, die diversen Angebote zu moderieren, vorab nach geeigneten Räumlichkeiten zu suchen, die erforderliche Technik zu installieren – und natürlich kräftig die Werbetrommel zu rühren, um möglichst viele Teilnehmende zu gewinnen. Dieses Konzept, Netzwerkveranstaltungen für die Wirtschaft und interessierte Studierende anzubieten, hat sich bis heute nicht geändert. So können Unternehmen Hochschulmarketing betreiben und Kontakte zu potenziellen Nachwuchskräften herstellen. Die Kosten für die teilweise aufwendigen Veranstaltungen werden in der Regel durch Unternehmensspenden gedeckt.

Auch wir mussten damals also Gelder für unser Vorhaben einwerben, sprich die eingeladenen Unternehmen um Unterstützung bitten. Ich erinnere mich an das Vorabgespräch mit Mitgliedern der Personalabteilung von Coca-Cola, die eigens aus Essen angereist waren. Wir hatten es bis dahin schon mal geschafft, das Interesse des Unternehmens zu wecken, durften den angereisten Gästen die vorgesehenen Räumlichkeiten zeigen und schon viele Details vorab besprechen. Offen war am Ende dann nur noch die Frage der Finanzierung. Als unsere Gäste sich schon bereit machten zum Aufbruch und wir von unserer Seite noch nichts zu diesem heiklen Thema hatten verlauten lassen, atmete ich nach einem kurzen Blickkontakt zu meinen Mitstreitern einmal tief durch und sagte mir innerlich: Jetzt oder nie! Freundlich erklärte ich unseren Gästen, wie sehr wir uns auf die Veranstaltung freuen würden, uns nur die nicht unerheblichen Kosten noch gewisse Probleme bereiten würden. Was anfiel, waren Kosten für die Raummiete, die Erstellung von Flyern und Plakaten und das Anmieten von Technik. Das ließe sich, so fuhr ich fort, nur mithilfe von Spenden finanzieren, für die wir üblicherweise die eingeladenen Unternehmen ansprechen würden. Nachdem ich dann noch die konkret an die Vertreter von Coca-Cola gerichtete Bitte ausgesprochen hatte, hielt ich kurz die Luft an. Kennt ihr dieses Gefühl, wenn wir uns aus der Komfortzone wagen, um eine Bitte an jemanden zu richten? Tausend Fragen schossen mir durch den Kopf: Springen sie jetzt ab?, War das zu forsch?, Vielleicht hätte ich später besser eine E-Mail dazu schreiben sollen? Zum Glück kam dann aber schnell Antwort. Das Team von Coca-Cola reagierte mit großem Verständnis und sagte uns sofort eine großzügig bemessene Spende zu. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie groß die Erleichterung auf unserer Seite war. Überglücklich gingen wir aus dem Gespräch heraus.

Damit begann meine Geschichte als Studentin der Kunst des Bittens. Außer meine Eltern hatte ich bis zu dem Zeitpunkt andere nicht wirklich um Unterstützung bitten müssen. Dass es einmal mein Job werden könnte, andere Menschen regelmäßig um Hilfe zu bitten, war damals nicht vorherzusehen.

Auch wenn ich es in meinen jungen Jahren so noch nicht genannt habe, wusste ich schon damals, dass ich einmal einer Aufgabe mit Purpose nachgehen wollte. Ich wusste, dass ich, wenn ich es mir irgendwie leisten könnte, Menschen helfen wollte, die Unterstützung benötigen. Bis es aber so weit sein sollte, wollte ich mir mit meinem Mann die finanzielle Grundlage für eine Familie schaffen. Ich fand meine Erfüllung in den ersten Jahren in der Wirtschaft. Bei der Otto Group habe ich eine Ausbildung gemacht, danach Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Marketing und Organisation studiert. Mein erster Job nach dem Studium sollte mich nach Mailand zu einem mittelständischen Bekleidungshersteller führen, wo ich nach einer Einführungsphase den Vertrieb einer Kinderunterwäschekollektion mit Disney-Motiven übernahm. Nach zwei Jahren führte mich mein Weg dann zur Walt Disney Company Germany. Als »Licensing Manager Apparel and Fashion Accessories« verkaufte ich Lizenzen an Hersteller aus der Bekleidungsbranche in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ich stellte auf Veranstaltungen Disney-Themen vor, verhandelte Lizenzverträge und Sortimentsumfänge, begleitete kreative Prozesse und unterstützte unsere Lizenznehmer und Lizenznehmerinnen bei ihrem Vertrieb. Diese Aufgabe hat mir große Freude bereitet. Nicht nur durfte ich in die Filme meiner Kindheit eintauchen, vor allem habe ich gelernt, mit Menschen auf Augenhöhe zu kommunizieren, strategisch zu arbeiten, meine Zahlen im Griff zu haben und begeisternd zu verkaufen. Bereits in jungen Jahren mit dem C-Level bekannter Unternehmen zu kommunizieren, hat mich entscheidend geprägt. Nach der Geburt meiner ersten Tochter bot mein Chef mir an, meinen Job part-time zu machen, zumal mein Mann und ich inzwischen nach Hamburg gezogen waren und Disney ein Büro in München hatte. Damals kannte man den Begriff »Homeoffice« noch nicht. Ich hatte von meinem Arbeitgeber einen »Telearbeitsvertrag« angeboten bekommen – in gewisser Weise also ein Vorreiter dessen, was zur heutigen Remote Work zählt. Ich verbrachte jeden Monat für meine Arbeit eine Woche in München und arbeitete ansonsten von zu Hause. Erst als ich meinen Sohn und später meine jüngste Tochter bekam, wurde die Pendelei schwieriger, ich verabschiedete mich von Disney und arbeitete in der Umgebung.

Als meine drei Kinder aus dem Gröbsten raus waren, wagte ich einen Neubeginn und machte mich als Beraterin selbstständig. Der Zufall wollte es, dass ich auch ziemlich schnell eine Aufgabe fand, die genau meinem frühen Wunsch nach einer Beschäftigung mit Purpose entsprach. Eine Freundin erzählte mir von einer Stiftung, die jemanden suchte für den Bereich Marketing und Fundraising. So wurde die Stiftung Kultur Palast mit Sitz in Hamburg meine erste Kundin als Freelancerin. Ihr Stiftungszweck ist, Kindern und Jugendlichen einen Zugang zu Kultur und Bildung zu ermöglichen und so Bildungschancen zu öffnen, unabhängig von der individuellen Herkunft und kulkturelle Teilhabe für alle zu ermöglichen. Die Finanzierung der Stiftungsarbeit basiert zu einem großen Teil auf eigenen Einnahmen und Spenden. Was genau Fundraising ist und an Voraussetzungen erfordert und welche Besonderheiten eine Stiftungsarbeit ausmachen, war mir damals nicht wirklich klar. Also musste ich zunächst einmal gründlich recherchieren.

Generell beschreibt Fundraising den Prozess der Kapitalbeschaffung sowohl für den Bereich der Start-ups wie für Non-Profit-Organisationen. Der grundlegende Unterschied zwischen den Unternehmensformen ist, dass Start-ups betriebswirtschaftlich ausgerichtet und gewinnorientiert sind und zur Finanzierung ihrer Geschäftsidee entweder Kredite aufnehmen oder aber Kapital von Investoren und Investorinnen erhalten. Diese wiederum erwarten eine Rendite auf ihr investiertes Kapital, erhalten also eine Gegenleistung für ihre finanzielle Unterstützung. Non-Profit-Organisationen dagegen sind, wie ihr Name schon sagt, in ihrem Kerngeschäft nicht auf Gewinne, sondern auf Gemeinnützigkeit ausgerichtet. Sie setzen sich für gesellschaftliche oder soziale Ziele ein. Ihre hierfür aufgestellten Projekte werden zu einem erheblichen Teil durch Spenden finanziert und eventuell erzielte Überschüsse in die weitere Projektarbeit investiert. Ihre Spender und Spenderinnen können für ihre Unterstützung also keine Gegenleistung erwarten – und tun es auch nicht, weil es ihnen darum geht, mit ihrem Geld einen positiven Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Das Einzige, was sie zurückbekommen, ist ein gutes Gefühl.

Fundraising im Non-Profit-Bereich ist Marketing für einen guten Zweck.

Ob also Unterstützende eine Gegenleistung erhalten oder nicht, ist ein großer Unterschied in der Zusammenarbeit. Während in der Wirtschaft bei jedem Verkauf das Preis-Leistungs-Verhältnis eines Produktes oder einer Dienstleistung eine Rolle spielt, verkaufen Non-Profit-Organisationen Angebote, ohne dass die Zahlenden deren Nutznießer sind. Den Nutzen hat eine dritte Gruppe, nämlich die Zielgruppe, für die Angebote gemacht werden, die sie sich aus eigenen Mitteln nicht leisten können. Hieraus ergibt sich eine »Dreiecksbeziehung«, auf die ich im ersten Teil des Buches genauer eingehen werde.

»Fundraising is the gentle art of teaching the joy of giving.«

Henry A. Rosso

Man könnte Fundraising in einer Welt, in der es um Spenden geht, als die sanfte Kunst, andere die Freude des Gebens zu lehren, bezeichnen. Das heißt, hier geht es darum, potenzielle Geldgeber und Geldgeberinnen für ein Vorhaben zu begeistern und Menschen zu gewinnen, die sich für ein gemeinsam getragenes Anliegen einsetzen und daran mitarbeiten. Spendende tun dies freiwillig, ohne eine Gegenleistung zu erwarten und dennoch einen positiven Nutzen daraus ziehen, nämlich die Freude, etwas Gutes und Sinnvolles getan zu haben.

Um das zu erreichen, bedient sich das Fundraising aller gängigen Marketinginstrumente. In Mailings wird zum Spenden eingeladen, es werden Spendenflyer entworfen und schriftliche Förderanträge gestellt, es wird an Ausschreibungen teilgenommen und Benefizveranstaltungen werden durchgeführt. Neben solchen an eine Allgemeinheit gerichteten Maßnahmen kommt der individuellen, persönlichen Ansprache eine besondere Bedeutung zu. Gerade für die Vergrößerung des Netzwerks und einen langfristigen Beziehungsaufbau ist das persönliche Gespräch von essenziellem Wert. In diesem Fall werden Kontakte telefonisch, per Video-Call oder face to face angesprochen und um Hilfe gebeten.

Ich war mit meiner selbstständigen Tätigkeit also in einer Branche gelandet, in der wir andere regelmäßig um Unterstützung bitten. Für meine Projekte, die ich begleite, empfinde ich eine große Begeisterung und habe in dieser Arbeit meinen Purpose gefunden. In Bezug auf »Die Kunst des Bittens« stufe ich mich daher selbst als lebenslange Studentin ein. Insgesamt blicke ich inzwischen auf fast 30 Jahre Erfahrung im Marketing und Vertrieb und auf über 13 Jahre Erfahrung in der Non-Profit-Branche zurück. Neben der Stiftung Kultur Palast begleite ich andere Stiftungen, Vereine, Projekte und Visionäre dabei, ihr Netzwerk aufzubauen und um Unterstützung für ihre jeweiligen Vorhaben zu bitten.

Dabei stoße ich mit meinen Kunden und Kundinnen immer wieder auf dieselbe Herausforderung: Jedes Projekt kann noch so leidenschaftlich initiiert und jede Vision kann inhaltlich noch so ausgefeilt sein – wenn wir nicht in der Lage sind, die Idee zum richtigen Zeitpunkt bei den richtigen Personen zu platzieren und um Unterstützung zu bitten, werden wir bei der Umsetzung an Grenzen kommen. Professionell und mutig um Unterstützung zu bitten, ist eine der schwierigsten Aufgaben überhaupt.

Wenn wir die »Kunst des Bittens« meistern, können große Visionen Wirklichkeit werden.

Für wen dieses Buch geeignet ist

»Wen soll ich um Hilfe bitten?«, fragte mich einer meiner Projektpartner. »Ich habe keinerlei Netzwerk, das ich um Unterstützung bitten kann.« Eine Projektpartnerin bat mich mehr oder weniger offen, für sie jemanden um Hilfe zu bitten: »Ich kann doch nicht einfach die Unternehmerin XY ansprechen – überhaupt bin ich auch eher der introvertierte Typ.« Noch ein anderer meinte: »Immer, wenn wir zum Ende eines Gespräches kommen, weiß ich nicht, wie ich meine Bitte am besten vorbringen kann.« Als ich die Initiatorin einer kleinen gemeinnützigen Stiftung fragte, ob sie auf der eigenen Website zeigt, dass sie Unterstützung benötigt, verneinte sie. Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht. In einem Gespräch mit einem jungen Gründer offenbarte dieser, dass er die Notwendigkeit, um Hilfe zu bitten, als Ausdruck persönlicher Schwäche betrachtet. »Wie soll ich denn andere um einen Rat fragen, ohne dass ich als schwach angesehen werde?« Und ein anderer Kunde klagte: »Ich habe immer das Gefühl, dass ich alles alleine schaffen muss.« Schließlich sagte mir eine junge Frau, dass es ihr unangenehm sei, ihren Mentor wieder und wieder mit einer Frage zu belästigen: »Meinst du, es ist okay, dass ich ihn noch mal kontaktiere, obwohl er mir schon einmal seine Hilfe angeboten hat?«

Meine Tätigkeit hat mir unzählige Male gezeigt, wie schwer es vielen fällt, andere um Hilfe zu bitten. Bei einigen geht es so weit, dass sie kaum nach dem Weg oder der Uhrzeit fragen möchten. Eine Bitte hervorzubringen, bringt Menschen aus der Komfortzone. Wir fühlen uns als Bittende, die es nicht schaffen, ihre Aufgaben aus eigener Kraft zu lösen. Die meisten haben den Anspruch, ihre Vorhaben ohne fremde Hilfe umzusetzen.

Gedanken, die uns in den Kopf schießen, wenn wir andere um Unterstützung bitten

Vermeintlich stichhaltige Gründe, die es verbieten, andere um Hilfe zu bitten, sind dabei schnell und zahlreich zur Hand. Mir sind sie alle schon in den Kopf gekommen. Hier eine kleine Auswahl aus dem ABC der Gründe, die gegen eine Bitte sprechen:

•Abhängigkeit: Eine Bitte macht mich abhängig von anderen, weil sie zeigt, dass ich eine Aufgabe nicht alleine lösen kann.

•Belästigung: Auf gar keinen Fall möchte ich mit einer Bitte jemanden belästigen.

•Blamage: Mein Herzensthema ist sehr persönlich. Ich müsste mich für eine Bitte so weit öffnen, dass es mir peinlich ist.

•Kommunikation: Die Bitte ist so diffizil, dass ich sie einfach nicht klar und präzise formulieren kann.

•Kultur: Die Art zu bitten ist so sehr kulturell geprägt, dass ich mich auf Gesprächspartner meines »Kulturkreises« beschränken muss.

•Netzwerke: Ich habe zu wenig soziale Kontakte, insofern fehlen mir die richtigen Ansprechpartner und -partnerinnen für eine Suche nach Unterstützung.

•Persönlichkeitstyp: Als introvertierter Typ öffne ich mich nicht so gerne anderen gegenüber und löse Probleme lieber eigenständig, bevor ich andere um Hilfe bitte.

•Schamgefühl: Ich schäme mich dafür, dass ich alleine nicht weiterkomme.

•Selbstwertgefühl: Eine Bitte lässt in mir das Gefühl von Schwäche aufkommen, mein Selbstwert fordert klar, selbstständig zu agieren und Stärke zu zeigen.

•Zeitknappheit: Den vollen Terminkalender meines Gesprächspartners möchte ich nicht noch mehr strapazieren.

•Zurückweisung: Ich habe Angst, dass meine Bitte abgelehnt wird, also trage ich sie besser niemandem vor.

Ich habe Kunden und Kundinnen mit ausgezeichneter fachlicher Ausbildung und professioneller Kompetenz. Doch auch die meisten von ihnen empfinden es als eine Herausforderung, andere für das eigene Anliegen um Hilfe zu bitten. Zumal dann, wenn Angesprochene eine höhere Position bekleiden oder besonders großen Einfluss haben, fällt das souveräne Auftreten verbunden mit einer Bitte plötzlich schwer. Auch in Unternehmen gibt es nicht wenige Mitarbeitende, die es geradezu krampfhaft vermeiden, Vorgesetzte und wichtige Kunden um etwas zu bitten, indem sie ihnen penibel aus dem Weg gehen, bis ein Gespräch sich nicht mehr umgehen lässt. Sogar unter Führungskräften kommt es vor, dass sie es bei sehr selbstbewussten Kollegen oder Kolleginnen kaum wagen, ein Anliegen vorzutragen. Als besonders herausfordernd empfinden es die meisten, wenn sie an andere eine Bitte richten sollen, bei der es um eine finanzielle Unterstützung geht.

Wir können überdurchschnittlich ausgebildet sein, besonders schnell denken und großartige Ideen haben, aber wenn wir nicht in der Lage sind, unser Netzwerk auszubauen und unsere Idee zum richtigen Zeitpunkt zu pitchen, werden wir unser maximales Potenzial nie ausschöpfen. Die Kunst des Bittens ist eine der wichtigsten Soft Skills für den Erfolg großartiger Projekte und wird doch von so vielen als nahezu unbezwingbare Herausforderung gesehen.

»Oftmals sind die Berührungsängste viel größer als erwartet. Ich möchte die Menschen ermutigen, den persönlichen Kontakt zu suchen.«

Alexander Otto

Mitarbeitende von Non-Profit-Organisationen müssen regelmäßig um Unterstützung für ihre Arbeit bitten. Ob es um finanzielle Hilfe, Pro-bono-Leistungen, Sachspenden oder einen Rat geht – jede Art von Hilfe ist für sie unendlich wertvoll, um Projekte für die Gesellschaft erfolgreich durchführen zu können. Doch auch Gründer und Gründerinnen benötigen immer wieder Inspiration und Motivation auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit und wünschen sich Mentoren und Mentorinnen an ihrer Seite, von denen sie lernen können, wie sie die vielen Hürden bis zum Gelingen ihres Geschäftsmodells bewältigen können. Und auch Angestellte in Unternehmen suchen hin und wieder den Rat von Kollegen und Kolleginnen oder auch Vorgesetzten und müssen um etwas bitten. Fast alle von uns kommen irgendwann einmal an einen Punkt, an dem wir ohne Hilfe oder einen Rat nicht wirklich weiterkommen – ob es dabei um Alltägliches geht wie die tatkräftige Hilfe an der Treppe, um den Kinderwagen zu befördern, oder um 100 000 Euro für den Bau einer Schule in Afrika – eine Bitte muss ausgesprochen werden, um gehört und erfüllt zu werden.

Hilfe bei der Umsetzung individueller Ziele

Auch zur Realisierung individueller Herzenswünsche, also der Vision Einzelner, braucht es oft die Hilfe von anderen. Nicht nur im Hinblick auf die erforderlichen Mittel, sondern vielleicht schon dafür, den Kern einer Idee herauszuarbeiten, um daraus überhaupt ein Projekt entstehen lassen zu können. Der Blick von außen und der Rat anderer kann hier wertvolle Hilfestellung geben. Denn ohne diese Unterstützung verliert ein Wunsch womöglich an Kraft und Ziele erscheinen unerreichbar. Dabei ist es unendlich wertvoll, in so einem Fall genauer hinzuschauen und zu versuchen, aus einem vagen Gefühl einen konkreten Herzenswunsch herauszukristallisieren. Es lohnt sich, keinesfalls vorschnell aufzugeben, egal, wie groß die Barrieren erscheinen mögen, Herzenswünsche in eine greifbare Form zu bringen. Alles ist möglich, wenn wir etwas wirklich wollen.

Um das, was uns wirklich wichtig ist, zu erkennen, hilft es vielleicht, in unsere Kindheit und Jugend zu schauen, auf das, was wir in jungen Jahren wirklich gerne gemacht haben. Denn Dinge, die uns in unserer Jugend eine besondere Freude waren, können uns Hinweise dafür geben, was uns heute glücklich macht. Wenn sich Menschen in mittlerem Alter die Frage stellen, was jetzt noch für sie kommen könnte, gelingt ihnen mit einem Blick auf ihre jugendlichen Vorlieben und Neigungen vielleicht ein Neustart oder zumindest die Öffnung einer neuen Perspektive. Und genau an diesem Punkt hilft es schon, sich Hilfe von außen zu holen, um die eigene Motivation zu befeuern und dem Wunsch die nötige Stärke zu geben. Ein klares Bewusstsein zu entwickeln für die Wichtigkeit, die eine bestimmte Sache für uns ganz persönlich hat, ist bereits der halbe Erfolg.

Junge Menschen heute stellen sich in der Regel viel früher die Frage, ob sie glücklich sind mit dem, was sie machen, als es in meiner Generation üblich war. Das ist eine großartige Veränderung, denn immerhin haben wir nur dieses eine Leben. Ich selbst bin glücklicherweise geprägt von einem Elternhaus, in dem ich immer motiviert wurde, das zu tun, was mir Freude bereitet. So kann ich heute sagen, dass ich bei jedem Job, den ich bisher gemacht habe, große Freude hatte. Und doch komme ich wie die meisten von uns in unterschiedlichen Lebensbereichen regelmäßig irgendwann einmal an einen Punkt, an dem es ohne Hilfe von außen nicht weiterzugehen scheint. Mal genügt ein kleiner Rat, etwas Inspiration oder schlicht ein sanfter Tritt in den Hintern. In anderen Fällen braucht es auch mal intensivere Zuwendung und tatkräftige Hilfe, um den entscheidenden nächsten Schritt aus der Sackgasse zu machen.

Für Menschen mit Herzenswünschen oder besonderen Herausforderungen sind Rat, Motivation und Inspiration besonders wertvoll.

Unterstützung bei gesellschaftlichen und sozialen Projekten und Start-ups

Im Unterschied zu individuellen Herzenswünschen, deren Unterstützung für eine Person gilt und finanziell und zeitlich gesehen meist überschaubar bleibt, geht es bei Organisationen, die ihre Arbeit in den Dienst gesellschaftlicher Aufgaben stellen, sowie bei Start-ups um eine Auswirkung auf mehrere Menschen. Es handelt sich dabei in vielen Fällen um langfristigere Hilfe: zum Beispiel bei der Beratung zu Strategie und Zielsetzungen, der tatkräftigen Unterstützung, der Finanzierung nachhaltiger Projekte oder auch der Vermittlung relevanter Kontakte.

Hilfe durch andere

Welche Art der Hilfe Organisationen und Start-ups konkret benötigen, unterscheidet sich von Fall zu Fall. Wie wertvoll diese ist, erweist sich oft erst dann, wenn wir sie als Bittende erfahren, wie zum Beispiel:

1.Rat: Wenn wir Menschen um Rat bitten und sie uns ihre Expertise anbieten, hilft uns das, meist schneller zu Ergebnissen zu kommen, schwerwiegende Fehler zu vermeiden und Motivation zu erhalten. Ideen, die von außen kommen, eröffnen uns neue und zielführende Perspektiven. Diese helfen, die Hürden, die wir bis dahin vor uns sahen, zu beseitigen: durch Denkanstöße für die Weiterentwicklung von Projekten, für zusätzliche Einnahmequellen, Ausschreibungen, die nicht bekannt sind, durch Ideen für Kampagnen, die mehr öffentliche Aufmerksamkeit bringen, die Klärung rechtlicher Fragen oder den Zugang zu Menschen mit Einfluss. Es gibt Zeiten und Phasen, in denen ein Rat von außen hilft, um das große Ganze wieder zu überblicken und zu verstehen. Beim Schreiben dieses Buches habe ich mich auf ein mir unbekanntes Feld begeben, entsprechend viele Fragen stellten sich: Wie finde ich einen Verlag? Wie schreibe ich ein Exposé? Wie sichere ich meine Daten? Welchen mentalen Herausforderungen werde ich gegenüberstehen? Wie bewerbe ich mein Buch? Die Liste meiner Fragen ließe sich problemlos verlängern. Der Rat und die Motivation anderer Personen und die Zeit, die sie mir geschenkt haben, haben es möglich gemacht, dass ihr heute dieses Buch in den Händen haltet.

2.Tatkräftige Unterstützung: