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Die Magie des inneren Lachens
Freude ist pure Lebensenergie, sie schenkt uns Kraft und Selbstvertrauen. Doch wie können wir sie in kritischen Situationen bewahren, wenn die Angst vor Misserfolg uns lähmt? Darüber weiß Michael Stuhlmiller mehr als jeder andere, denn er ist Clown. Erstmals stellt er seine authentische und tausendfach erprobte »Clown-Methode« vor, die uns lehrt, selbst im Scheitern noch zu gewinnen: indem wir unsere Welt durch Spiel bewegen statt durch Druck. Dieses Buch bietet einen umfassenden psychologischen Werkzeugkasten, um aus Angst, Schüchternheit oder negativem Denken in die Freude zu finden.
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Seitenzahl: 350
Veröffentlichungsjahr: 2016
Über das Buch
Können wir ausgerechnet von einem Clown lernen, wahres Selbstvertrauen zu erlangen? Dem Tollpatsch, bei dem immer alles schiefgeht? Ja, denn genau darin liegt die Lösung verborgen. Gegen Probleme kämpft ein Clown nicht an. Vielmehr sind sie eine Einladung für ihn, einen anderen Blick auf eine Situation zu werfen. Statt an Konflikten zu scheitern, ist er in der Lage, sie spielerisch aufzulösen.
Der renommierte Clownlehrer und Kommunikationstrainer Michael Stuhlmiller hat diese Gesetzmäßigkeiten seines Berufs zu seiner alltagstauglichen Clownsmethode verdichtet. Anhand vieler Übungen lernen wir, Druck als stabilisierend statt als bedrohlich zu begreifen, uns vom Außen unabhängig zu machen und einen magischen innerlichen Raum zu schaffen.
Eine praxiserprobte Strategie für ein besseres, humorvolles und selbstbestimmtes Leben.
Über den Autor
Michael Stuhlmiller studierte Jura in Heidelberg sowie Musik und Kunst in Kassel. Dort war er Mitglied einer Performance-Gruppe, die bei der Documenta 8 über Nacht berühmt wurde. Er absolvierte eine Schauspielausbildung beim Teatro Nucleo und eine Gesangsausbildung bei Nurit Goren und Walker Wayatt. Als Mitbegründer von Theater Blauhaus nahm er an internationalen Theaterfestivals teil, erlernte Musiktherapie und Integrative Körperpsychotherapie und gründete 1994 die Clownschule Mainz – heute »Staatlich anerkannte Berufsfachschule – Schule für Clowns, Komik und Comedy« in Hofheim bei Frankfurt. In den Medien ist er ein gern gesehener Gast.
Weitere Informationen unter www.clownschule.de.
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Die 5 Räume des Lachens©ist eine eingetragene Marke von Michael Stuhlmiller
1. Auflage
Originalausgabe
© 2016 Kailash Verlag, München
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Lektorat: Anne Nordmann
Umschlaggestaltung: ki 36 Editorial Design, München, Daniela Hofner
Umschlagmotiv: Shutterstock Images LLC
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
ISBN 978-3-641-17403-3V001
www.kailash-verlag.de
Inhalt
Kapitel 1: Wie Sie wahres Selbstvertrauen erwerben
Starten Sie Ihren persönlichen Wachstumsprozess
Die Methode des Clowns als Lebensschule
Was muss ich können, um wahres Selbstvertrauen zu erlangen?
Wie gelangen wir vom Denken ins Fühlen?
Übung 1: Ihre persönliche Blumenwiese
Bei sich sein – was heißt das und wie geht das?
Wie uns der Atem hilft
Übung 2: Das tägliche Tänzchen
SOS-Notfalltropfen für Ihr Selbstvertrauen: Die innere Achse
Was tun im Konflikt?
Wahres Selbstvertrauen im Gespräch
Zwei praktische Beispiele aus der Arbeitswelt
Was ist zu tun, wenn man sich selbst zu sehr unter Druck setzt?
Übung 3: Neue Stabilität, die durch Druck entsteht
Wie kann ich äußeren Druck für meine innere Stabilität nutzen?
Probleme annehmen – ja oder nein?
Übung 4: Ihr kleiner persönlicher Ball
Ein guter Schluss ziert alles
Was Sie in diesem Kapitel erfahren haben
Kapitel 2: Wie Sie sich stabilisieren
Lernen Sie einen mächtigen Verbündeten kennen – Ihre Atemsäule
Übung 5: Die innere Achse
Das Käsetheken-Syndrom
Übung 6: Das Innen und das Außen
Entspannung ist nicht gleich Entspannung
Übung 7: Das IH-HU-Manöver
Übung 8: Der Paternoster
Wie wir uns einen Schutzraum schaffen
Bilden Sie Ihre Atemblase
Übung 9: Wo ist meine Body Buffer Zone?
Übung 10: Das Training meiner Atemblase
Der Gang durch die Fußgängerzone
Kontrollieren Sie die Energie, die Sie abstrahlen
Die goldene Regel im Umgang mit Konflikten
Übung 11: Abgesetzte Bewegungen
Sich selbst in den Fokus rücken
Wie maximales Selbstinteresse zu spielerischem Erfolg führt
Wecken Sie in sich das Gefühl der inneren Stärke
Übung 12: Unser Torso-Atem
Verkörpertes Handeln – ohne Atmung geht nichts
Übung 13: Clown-Tai-Chi
Wie wir einem anderen Menschen die Hand geben
Ein wichtiges Prinzip: Legen Sie nicht gleich los
Das pure Spiel in der Clownmethode
Mit der Fokusbeziehung dem Zweifel ein Schnippchen schlagen
Der Zwilling
Übung 14: Ich bin
Übung 15: Ich finde es gut!
Was Sie in diesem Kapitel erfahren haben
Kapitel 3: Wie Sie sich vom reinen Funktionieren befreien
Fremdbestimmung und Eigenbestimmung
Die Magie des Staunens
Übung 16: Let’s staun!
Ihr Staunen ist die Wertschätzung des Augenblicks
Das Loch in der Tasche – sich selbst und andere anders erleben
Übung 17: Sich willkommen fühlen
Wie vergrößere ich meinen inneren Raum?
Übung 18: Ihr Energiewesen
Über die Kunst, sich inspirieren zu lassen
Was berührt uns, wo berührt es uns, wie berührt es uns?
Übung 19: Fragen auf sinnliche Art und Weise stellen – Teil 1
Übung 19: Fragen auf sinnliche Art und Weise stellen – Teil 2
Und der Clown fragt weiter
Übung 19: Fragen auf sinnliche Art und Weise stellen – Teil 3
Übung 19: Fragen auf sinnliche Art und Weise stellen – Teil 4
Die beseelte Welt des Clowns
Die Kunst, andere Menschen zu inspirieren
Welches Beziehungsangebot mache ich?
Ich als Komplize anderer Menschen
Gegen das Misstrauen – nehmen und loslassen
Übung 20: Mal was anders tun
Was Sie in diesem Kapitel erfahren haben
Kapitel 4: Wie Sie äußeren Druck spielerisch nutzen können
To do oder to be
Ein Clown weicht Druck niemals aus. Er sucht ihn.
Übung 21: Herkunft und Ziel
Der klare Anfang. Und das klare Ende
Wie reagiere ich auf Druck?
Übung 22: Der bewegte Standpunkt
Wir haben Ziele. Und wir kontrollieren sie
Übung 23: Das Energiekreuz
Der Charakterclown betritt die reale Welt
Übung 24: Der Raum als Partner
Wie wir aus Druck Leidenschaft machen
Wie wir mit der zusätzlichen Energie umgehen lernen
Jede Beziehung braucht ein Gegenüber
Die Statusbeziehung – wenn Druck und Gegendruck uns ins Spiel bringen
Übung 25: Die Wand, mein unterer Rücken und meine Füße
Das »große Ja« in der Statusbeziehung
Das Ich braucht das Du
Hochstatus und Tiefstatus aus der Perspektive des Clowns
Wie wir den Statuswechsel herbeiführen
Vorhang auf für ein Statusspiel
Wo der Spaß aufhört
Übung 26: Meine Spaßgrenze
Auch der Hochstatus darf fragen
Reagieren Sie auf Druck nicht mit Verletzung
Was Sie in diesem Kapitel erfahren haben
Kapitel 5: Wie Sie mit Krisen umgehen
Wenn kein Problem zu haben, zum Problem wird
Was ist denn eine Krise?
Scheitern: ein großes Missverständnis
Die Kunst des Stolperns
Es geht uns ums Fallen
Lassen Sie es kippen
Übung 27: Es kippen lassen
Wie wir uns mit dem Problem verbünden
Welche Lösungen halten Probleme für uns bereit?
Der Konflikt und seine Folgen
Die Kräfteverhältnisse im Konflikt
Was habe ich davon?
Warum der Clown nicht an Glaubenssätze glaubt
Übung 28: Das Schaukeln auf dem Konflikt
Streiten mit Humor
Die Austerntechnik
Die Scheiterbeziehung
Uns steht alles zu, wenn wir es uns selbst gönnen
Flirten Sie mit Ihrem Scheiterpartner
Was Sie in diesem Kapitel erfahren haben
Kapitel 6: Wie Sie nichts mehr müssen, sondern nur noch wollen
Das Lösen der Reaktionskette
Wollen ist nicht das Gegenteil von Müssen
Wollen will gelernt sein
Der Clown führt uns von innen nach außen
Übung 29: Die Verbindung mit der Essenz
Wie wir unser Mitgefühl weiter stärken
Übung 30: Das Spiel mit Projektionen
Übung 31: Ich umgebe mich mit Essenz
Damit uns der Zweifel nicht spaltet
Der magische Augenblick
Übung 32: Wie sich ein magischer Augenblick anfühlt
Die Welt mit anderen Augen sehen
Übung 33: Den magischen Augenblick herbeiführen
Das Wollen in der Beziehung
Die Clownmethode als Lebensstil
Was Sie in diesem Kapitel erfahren haben
Danksagung
Clownschule Michael Stuhlmiller
Kapitel 1: Wie Sie wahres Selbstvertrauen erwerben
Starten Sie Ihren persönlichen Wachstumsprozess
Sicher kennen Sie das auch, dass Sie Pläne hegen, sich aber die Durchführung nicht zutrauen? Oder das Gefühl, völlig neben sich zu stehen? Alle anderen scheinen zu wissen, was sie wollen, nur Sie nicht? Die anderen strotzen vor Selbstvertrauen, aber Ihres scheint irgendwie abhandengekommen zu sein? Oder war ohnehin noch nie besonders gut ausgeprägt?
Dann wissen Sie bestimmt auch, wie es sich anfühlt, wenn es Ihnen den Hals zuschnürt? Wenn Ihnen alles zu eng wird? Vielleicht merken Sie auch, dass das früher anders war: Da hatten Sie Durchsetzungskraft, doch dann hat sich das geändert, in einem schleichenden Prozess, den Sie gar nicht so richtig wahrgenommen haben. Ist das der Preis, den man bezahlen muss, weil man im Leben eben nicht nur Siege feiert, sondern auch Niederlagen einsteckt? Doch was geschieht, wenn wir diese Niederlagen gar nicht als Niederlagen ansehen? Das würde doch unserem Selbstbewusstsein sehr guttun, oder?
Vielleicht haben Sie schon einige Bücher über Selbstvertrauen gelesen, und sicher hat Ihnen der eine oder andere Tipp darin weiterhelfen können. Aber ist es Ihnen auch gelungen, auf lange Sicht Ihre Grundhaltung zu ändern? Um Selbstvertrauen genau in den Momenten zu spüren, in denen Sie es wirklich brauchen?
Um auch peinliche oder unangenehme Situationen mit Selbstvertrauen zu meistern, brauchen Sie mehr als Tipps und Tricks. Dieser Umstand stand mir klar vor Augen, als ich begonnen habe, einen Ansatz zu entwickeln, den ich die 5 Räume des Lachensnannte. Diese 5 Räume des Lachens lehren uns, frei zu atmen, uns frei zu bewegen und den Raum um uns zu fühlen. Sie zeigen uns, wie man trotz Angst wieder in die Bewegung findet, und sie können bei jedem von uns einen persönlichen Wachstumsprozess auslösen.
Warum können wir gerade von einem Clown lernen, wie wir wahres Selbstvertrauen erwerben? Ist ein Clown nicht der Tollpatsch, bei dem immer alles schiefgeht? Ich möchte Sie an dieser Stelle mit einer grundsätzlichen Wahrheit vertraut machen: Alles, was ein Clown tut, wird für ihn tatsächlich zu einem Problem. Alles, was er anfasst, wird zum Problem. Und wissen Sie was? Genau darin liegt auch die Lösung verborgen. Denn Probleme sind für einen Clown lediglich eine Einladung, einen anderen Blick auf eine Situation zu werfen. Während für die meisten Menschen Probleme eine Aufforderung sind, dagegen anzukämpfen. Das würde ein Clown niemals tun. Statt an Problemen und Konflikten zu scheitern, ist der Clown in der Lage, alles spielerisch aufzulösen. Seine Strategie kann auch Sie dazu befähigen, allen Arten von Problemen mit einem völlig neuen Selbstvertrauen zu begegnen.
In diesem Buch lade ich Sie dazu ein, mit der Methode des Clowns neuen Lebensmut zu gewinnen, Alltagsprobleme und Konflikte frisch und fröhlich anzugehen und mit neuem Selbstvertrauen die Kunst des spielerischen Scheiterns zu erlernen.
Die Methode des Clowns als Lebensschule
Der Clown Grock gilt als der größte und erfolgreichste Clown aller Zeiten. Er war in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts ein Superstar, so bekannt wie heutzutage ein Hollywood-Schauspieler oder Rocksänger. Einmal gab er eine Vorstellung vor mehreren Tausend Menschen in einem prächtigen Theater. Dort saß er auf der Lehne eines Stuhles, die Füße auf der Sitzfläche, und spielte auf seiner berühmten Minigeige. Plötzlich zerbrach die Sitzfläche, Grock verlor das Gleichgewicht und stand auf einmal in dem Stuhlgerippe. Das Publikum prustete vor Lachen, denn es dachte, das gehöre zum Programm. Dem war aber nicht so, Grock war selbst von der Situation überrascht. Nun stellen Sie sich einmal vor, das wäre Ihnen passiert. Wahrscheinlich sitzen Sie selten auf der Lehne eines Stuhls, doch wie peinlich ist es, wenn man mit dem Stuhl schaukelt und auf einmal umkippt, am besten in einem vollbesetzten Restaurant. Alle starren Sie an, alle sind voller Schadenfreude. Clown Grock passierte dasselbe, und als das Publikum seinen verdutzen Gesichtsausdruck wahrnahm, bog es sich erst recht vor Lachen. Doch anders als wir wusste der Meister aller Clowns mit so einer Situation umzugehen. Grock spürte noch immer die Energie des Sturzes in sich, und er nutzte den Impuls des Hinabfallens. Was er tat, soll uns im Laufe des Buches immer wieder als Vorbild dienen: Er kehrte diese Energie um, schnalzte wie ein Springmesser auf und landete mit einem Satz wieder auf der Stuhllehne, die Füße auf dem Rahmen der Sitzfläche. Mit seinem legendären Spruch »Nit möööglich« rundet er den Auftritt ab. Im weiteren Verlauf seiner Karriere wurde dieses ursprüngliche Missgeschick zu seiner erfolgreichsten Nummer, von nun an natürlich mit Absicht durchgeführt. Sie bescherte ihm einen noch größeren Erfolg rund um den Erdball.
Aus einem Nachtteil macht der Clown einen Vorteil. Kein Wunder, dass sein Selbstvertrauen unendlich groß ist.
Viele großartige Clownsnummern beginnen also mit dem Scheitern. Sie wissen, was ich damit meine: wenn die Dinge nicht so laufen, wie wir sie geplant haben. In meiner Clownsschule unterrichte ich angehende Clownprofis, aber auch Tausende von Menschen wie du und ich, die in berufsbegleitenden Kursen lernen wollen, dieses Scheitern durch eine spielerische Herangehensweise zu verwandeln. Hier erlebe ich jeden Tag, wie man es schaffen kann, aus dem Nachteil einen Vorteil zu machen.
Eine meiner Profi-Schülerinnen hat genau das kürzlich getan: Carmen brach sich kurz vor der Abschlussprüfung zur Diplom-Clownschauspielerin den linken Fuß. Ein Desaster – es schien, als sollte das jahrelange Üben und Vorbereiten nun umsonst gewesen sein. Denn ausgerechnet Carmen hatte für ihre Abschlusspräsentation eine poetische Nummer mit Tanz und clownesker Jonglage geplant! Was nun? Gescheitert und zurück auf null? So denken wir im Alltag – doch so denkt kein Clown.
In den mehr als 30 Jahren, in denen ich selbst als Clown aufgetreten bin, war mir eines immer besonders wichtig: Clowns müssen ihre eigenen Möglichkeiten finden, die Dinge anzupacken, wenn etwas nicht klappt. Das bringe ich heute auch meinen Schülern bei. Von dem wunderbaren Volksschauspieler Karl Valentin wissen wir, dass jede Sache drei Seiten hat: eine gute, eine schlechte und eine komische.
Daher ermutigte ich Carmen, die komische Seite in ihrem Dilemma zu finden. Das war gar nicht einfach, denn sie war eine hervorragende Jongleurin, tanzte wundervoll und war entsprechend erpicht darauf, allen Leuten ihr Können zu zeigen. Mit gebrochenem Fuß ging das aber nicht. Wir saßen zusammen in meinem Büro und überlegten, was jetzt zu tun sei. Mir fiel auf, wie sie nervös mit Sachen spielte, die auf dem Tisch herumlagen. Diesen Impuls griff ich auf – ähnlich wie Grock den Impuls aufgriff, als er durch den Stuhl krachte – und fragte sie, ob sie Lust hätte, eine Tisch-Jonglage-Nummer zu entwickeln. Sicher würde diese nicht ihr eigentliches Können widerspiegeln, doch ich hatte noch nie eine clowneske Tisch-Jonglage gesehen. Wir würden also aus dem Nachteil einen Vorteil machen, und das gleich im doppelten Sinn: Carmen könnte auftreten, und zwar mit einer Nummer, die noch keiner vor ihr auf die Bühne gebracht hatte. Sie ließ sich darauf ein, und ihre Abschlussprüfung wurde ein Volltreffer. Carmen verwandelte ihr Scheitern in einen Erfolg.
Viele Biografien erfolgreicher Menschen beginnen mit schwierigen Verhältnissen, da machen die Lebensläufe großer Clowns keine Ausnahme. Clowns und Narren sind oft eine Mischung aus Quertreibern, Draufgängern und Rabauken, die gleichzeitig ein sanftmütiges Herz in sich tragen. (Ich nehme mich selbst aus dieser Beschreibung nicht aus.) Das Wunderbare ist, auch dann zum Lachen zu finden, wenn unser Lebensweg gerade nicht lustig ist.
Mit wahrem Selbstvertrauen finden wir zum Lachen, auch wenn uns ursprünglich nicht danach zumute war.
Es sind nicht Geschichten über Sieger, die Menschen dazu bringen, sich für eine Clownausbildung zu interessieren. Die jungen Leute, die bei mir eine Profiausbildung zum Clownschauspieler machen, verbindet die Frage, wie sie ein eigenständiges Leben mit einer echten Perspektive entwickeln können. Sie verspüren keine Lust dazu, das übliche Spiel von Gewinnen und Verlieren mitzuspielen. Wie immer fordert uns die Jugend auf, auch über uns selbst nachzudenken. Meine Clownschüler kritisieren ein System, in dem wir Menschen aus Angst handeln oder aufgrund der Hoffnung auf eine Belohnung und gleichzeitig davon überzeugt sind, dass diese Belohnung nur durch Manipulation erreicht werden kann. Während ich diese Zeilen schreibe, haben Manager und Ingenieure des größten Autoherstellers der Welt mit genau solchen Manipulationen das wieder einmal bestätigt.
Was uns der Clown zeigen kann: Wie orientiere ich mich neu?
Mit ähnlichen Gedanken kam meine Schülerin Felicita zu mir. Sie war 19 Jahre alt, als sie sich für die Clownausbildung entschied. Eben hatte sie ihr Soziales Jahr abgeschlossen und davor ihr Abitur mit der Traumnote 1 bestanden. Trotzdem fühlte sie sich für ein Studium nicht bereit. Scheinbar aus einem spontanen Impuls heraus entschied sie sich für die dreijährige Profiausbildung. Diese Ausbildung war prägend für ihr ganzes weiteres Leben. Mit dem Clowndiplom in der Tasche ging Felicita nicht zum Zirkus oder zum Varieté, sie bewarb sich auch nicht bei Kleinkunstbühnen und Festivals, sondern sie begann ein Medizinstudium und wurde eine sehr erfolgreiche Ärztin. Durch die Clownmethode kann sie in diesem fordernden Beruf bis heute ihr offenes Herz bewahren, was sie in schwierigen Situationen vor Zynismus und Selbstverlust bewahrt. Für Felicita war die Clownausbildung eine Lebensschule, in der sie erfahren hat, wie einmalig sie ist und wie sie auf der Klaviatur der persönlichen Erfahrungen und Gefühle spielen kann. Genau das soll die Methode des Clowns auch Ihnen zeigen.
An einem anderen Punkt starten Menschen, die schon mitten im Berufsleben stehen oder kurz vor der Rente sind. Sie spüren, dass sie ihrem Leben einen neuen Sinn geben möchten. Irgendetwas ist auf der Strecke geblieben oder wurde nie beachtet. Wenn sie sich dann auf die Suche nach ihrem inneren Clown begeben und seiner Perspektive auf das Leben folgen, entfaltet sich ein Potenzial, das sie immer wieder zum Staunen bringt.
Um mit der Methode eines Clowns wahres Selbstvertrauen zu gewinnen und sein ganzes Potenzial zu wecken, ist es nie zu spät.
So beginnen die einen am Anfang ihres Lebens mit der Clownmethode und stemmen sich damit mutig gegen eine Welt, die ihnen Angst macht, während die anderen, die schon häufig gescheitert sind, sie nutzen, um sich nicht länger ausbremsen, abwerten oder verleugnen zu lassen.
Auch dazu will ich Ihnen ein Beispiel geben. Ulrike ist 50 Jahre alt. Sie war 20 Jahre lang bei einer großen Versicherung angestellt. Dort stieg der Druck seitens der Geschäftsleitung immer mehr an, weil man sich dort der Gewinnmaximierung verschrieben hatte. Selbst gute Kollegen und Kolleginnen beäugten sich auf einmal misstrauisch und begannen, sich gegenseitig zu kritisieren. Aus ehemals guten Arbeitsverhältnissen wurde ein Konkurrenzrennen, bei dem die Angst den Ton angab. »Es herrscht Klassenkampfstimmung«, erzählte mir Ulrike. Und weil sie da irgendwann nicht länger mitmachen konnte, kündigte sie. Wichtiger als die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes waren ihr Gesundheit und Lebensfreude. »Den Mut dazu habe ich durch meinen inneren Clown gefunden«, sagt sie. Ich erinnere mich, wie sie seinerzeit in einem übergroßen Judoanzug und Turnschuhen Größe 60 im Proberaum der Schule stand und Clown-Kung-Fu übte. Mit einem herzzerreißenden »Hiiijaiiii!« schlug sie Löcher in die Luft, und es kam allen so vor, als kämpfe sie gegen ihre alte Geschäftsleitung. Doch jedes Mal, bevor sie zuschlagen konnte, schlief sie ein. Um dann gleich wieder aufzuwachen und neue Luftgegner zu suchen. Alle lachten herzlich, und Ulrike spürte wahres Selbstvertrauen in sich aufsteigen. Der innere Clown hat ihr Mut gemacht, ihren eigenen Weg zu finden und zu beschreiten.
Wenn es also heißt, »Entdecke den Clown in dir«, geht es darum, Persönlichkeitsanteile in sich aufzuspüren, die bisher im Verborgenen geschlummert haben. Dass es dabei nicht immer lustig zugeht, versteht sich fast von selbst, denn wir begegnen auf dieser Suche auch unseren Niederlagen. Trotzdem ist der Clown die angenehmste Form der Selbsterfahrung, denn er bringt uns immer wieder zum Lachen. Dazu ist er behutsam und wohlwollend, und er wertet nicht. Er führt aber auch nicht ins Chaos oder in ein verwirrendes Durcheinander, ganz im Gegenteil. In der Clownmethode gibt es klare Spielregeln, die Ihnen helfen, das Leben zu strukturieren. Dabei steht die eigene körperliche und emotionale Erfahrung im Mittelpunkt des spielerischen Erlebens. Schließlich braucht wahres Selbstvertrauen eine körperliche Basis, auf der es wachsen kann. Auch das werden Sie in diesem Buch lernen.
Was muss ich können, um wahres Selbstvertrauen zu erlangen?
Ohne Zweifel leben wir in einer Leistungsgesellschaft. Den ersten Preis scheint immer der zu gewinnen, der schneller rennt, der stärker oder ausdauernder ist als alle anderen. Manche Menschen haben das Motto: »Ich will immer Erster sein, weil sich niemand für den Zweiten interessiert.« Wer nach diesem Leitsatz lebt, muss sich auf ein anstrengendes Leben gefasst machen. Und was passiert, wenn einer kommt, der dann doch noch schneller ist? Dann ist es fix wieder futsch, solch ein mühsam erkämpftes Selbstvertrauen.
Beim Clown ist es anders: Er überzeugt nicht durch sein Können, sondern nur durch sein Sein.
Um das zu schaffen, um dem Sein mehr Wertschätzung entgegenzubringen als dem Können, müssen wir dem Scheitern mutig ins Gesicht blicken. Nicht ohne Grund hat der Clown die rote Nase auf. Mit ihr sehen wir alle gleich doof aus, egal, welchen Beruf wir ausüben und welche soziale Stellung wir innehaben. Die Maske des Clowns ermöglicht es uns, alle anderen Masken fallen zu lassen. So lernen wir, uns selbst zu spüren und mit Humor wahrzunehmen. Ob wir übertreiben, untertreiben oder es einfach nur bunt treiben, spielt dann keine Rolle mehr. Mit der Maske des Clowns müssen wir uns nicht mehr verstellen, sondern wir sind in der Lage, unsere Scheu und Scham zu überwinden. Wir erfahren auf spielerische Art und Weise, wie es ist, dem Jasagen zu vertrauen, Impulse anzunehmen und deutliche Signale auszusenden, ohne auf den inneren Zensor zu hören. So erleben wir uns und andere im Fluss, über gesellschaftliche und geistige Schranken hinweg.
Was Sie daher als Erstes lernen werden, ist, wie sich ein Clown auf seinen Auftritt vorbereitet, nämlich indem er vom Denken ins Fühlen findet und dabei seine »innere Achse« stabilisiert. Dann stelle ich Ihnen vor, wie Sie die Angst vor dem Versagen verlieren können, sobald Sie »die Kunst, sich inspirieren zu lassen« kennenlernen. Auch äußerer Druck muss Sie nicht länger belasten, weil Sie lernen werden, durch das Wechselspiel von Druck und Gegendruck Stabilität und Dynamik zu entwickeln. Schließlich entdecken Sie, wie die Angst vor dem Scheitern zur Lust am Kippen werden kann – oder anders gesagt, wie Sie in jedem Problem eine neue Inspiration entdecken. Und zum Abschluss lehrt uns die Methode des Clowns, wie wir vom Müssen ins Wollen kommen. Gerade dieser Schritt wird Ihnen nochmal viel neues Selbstvertrauen vermitteln.
Wie gelangen wir vom Denken ins Fühlen?
Als ich vor vielen Jahren anfing, mich mit der Frage zu beschäftigen, was wahres Selbstvertrauen eigentlich bedeutet, begann ich ganz am Anfang: bei unserer Geburt. Es ist gut möglich, dass wir, als wir auf die Welt kamen, bereits verglichen wurden, weil die Frage im Raum stand, ob wir die schönen Augen von der Mama oder die hässliche Nase von Onkel Herbert geerbt haben. Für manche begann die »Härte des Lebens« mit dem ersten Schultag. Als wir zum ersten Mal mutterseelenallein auf dem Schulhof standen oder im Unterricht unverständliche Fragen der Lehrer beantworten mussten, während uns alle anderen Kinder mit Argusaugen beobachteten. Oder später beim täglichen Kampf im Job. Stets müssen wir Tausende von Entscheidungen treffen, die immer davon abhängen, was wir uns zutrauen. Denn neben logischen Abwägungen hängen unsere Entscheidungen davon ab, was wir uns zutrauen und inwieweit wir ein Gefühl dafür haben, was für uns richtig und was falsch war. Wohin soll uns die Entscheidung führen? Wo wollen wir am Ende landen? Manche handeln mutig, andere eher nicht, denn unsere Antworten hängen immer auch zu einem Teil von unserem Selbstvertrauen ab.
Während wir beim logischen Abwägen Klarheit durch das Anstellen von Vergleichen gewinnen, gründet sich unser Selbstvertrauen auf ein inneres Gefühl und kann nicht durch unser Denken gesteuert werden.
In der Clownmethode stärken wir dieses innere Gefühl. Das passiert auf verschiedene Weisen, und eine davon möchte ich Ihnen jetzt vorstellen. Wir nennen sie die »Clownwiese«. Stellen Sie sich vor, da stehen zwei Menschen auf einer Wiese, Margret und Manfred. Im »normalen Leben« leitet Margret ein Seniorenheim, während Manfred als IT-Fachmann Netzwerke zum Laufen bringt. Doch jetzt trainieren sie gerade, die Welt mit den Augen eines Clowns zu sehen.
Diese Welt ist viel mehr vom Fühlen als vom Denken geprägt und erschließt einem völlig neue Erfahrungsebenen.
Auch alltägliche Dinge, an denen man normalerweise achtlos vorübergeht, nimmt ein Clown intensiv wahr. Denn durch seine gesteigerte Sensibilität wachsen seine Durchlässigkeit und seine Fähigkeit, auf jeden noch so kleinen Impuls zu reagieren. Je durchlässiger wir sind, umso mehr Erfahrungen können wir aufnehmen und verarbeiten.
Margret und Manfred haben sich die Augen mit einem weichen Tuch verbunden. Blind ertastet Margret einen Zweig und nimmt ihn in die Hand. Aufmerksam konzentriert sie ihre Sinne auf jede Verästelung, auf die Struktur des Holzes, den Geruch und das knackende Geräusch, das entsteht, wenn sie ihn an einer Stelle knickt. Manfred geht dem Duft einer Blüte nach und erzählt später, sein ganzes Leben noch nie so intensiv gerochen zu haben. Beide machen eine innere Abenteuerreise, bei der das Waten durch einen Bach und das Ertasten einer Baumrinde zärtliche Gefühle weckt. Jede Kleinigkeit wird durch die veränderte Wahrnehmung zur Sensation. Für wunderbare Augenblicke fühlen sich Margret und Manfred in eine unbeschwerte Kindheit zurückversetzt. Gleichzeitig spüren sie, wie nah dieses Erleben am Heute ist. Sie stellen aber auch fest, wie herausfordernd es ist, sich der Blindheit hinzugeben. Sie erkennen, wie eng ihr Sehsinn mit dem Denken verbunden ist.
Wenn wir sehen, heften wir die Dinge schnell nach dem Motto »Das kenn ich ja schon« ab. Sobald wir den Sehsinn aber ausschalten, geht das nicht mehr. Wir beginnen, mit unseren anderen Sinnen achtsam jedes Detail wahrzunehmen. Wenn wir die Dinge nur betrachten, halten wir Distanz. Mit dem Denken erschaffen wir Konzepte. Indem wir tasten, riechen, schmecken und genau hinhören, verbinden wir Handeln und Fühlen. Wir sind nicht mehr getrennt. Wenn unser Fühlen und unsere Handlung eins werden, wächst das Selbstvertrauen.
Übung 1: Ihre persönliche Blumenwiese
Alle Übungen können Sie alleine durchführen. Wenn Sie sich aber bei der einen oder anderen wohler durch die Anwesenheit eines Partners fühlen, oder einfach mehr Spaß haben, wenn Sie zu zweit sind, ist Ihnen natürlich freigestellt, die Übung zu zweit auszuführen. Für Ihre persönliche Blumenwiese suchen Sie sich einen Ort in der freien Natur aus, den Sie gut kennen und an dem Sie sich sicher fühlen. Binden Sie sich ein weiches Tuch vor die Augen und erkunden Sie diesen Ort mit allen anderen Sinnen. Lassen Sie sich Zeit, gehen Sie kein Risiko ein. Es geht überhaupt nicht darum, Grenzen auszuloten, sondern einen Ort, den Sie zu kennen glauben, neu wahrzunehmen.
Neben der gesteigerten sinnlichen Wahrnehmung vollzieht sich der Wechsel vom Denken zum Fühlen über das körperliche Einschwingen. Die unmittelbarste Form des Einschwingens ist die Imitation. Mit Imitation ist aber nicht kopieren gemeint. Bei der Imitation schwingt das persönliche Erleben und Empfinden mit. Je durchlässiger wir sind, umso leichter fällt uns die Imitation. Vertrauen und Sicherheit durch Imitation entstehen, wenn es uns gelingt, das Einlassen auf äußere Impulse mit dem inneren Erleben abzugleichen. In der Methode des Clowns nenne ich diese Technik die »Zwillingstechnik«. Auch im Alltag wird diese Zwillingstechnik häufig (unbewusst) angewandt, manchmal von enorm vielen Menschen gleichzeitig!
Bejubeln im Fußballstadion 50.000 Menschen ihren Lieblingsverein, liegt zum Beispiel eine typische Zwillingssituation vor. Denn alle sind sich einig, was in den nächsten zwei Stunden ihres Lebens passieren soll. Zwillinge erleben immer ein hohes Maß an gegenseitigem Verständnis, deshalb macht das Zwillingsspiel auch sehr viel Spaß. Anstatt lange darüber nachzugrübeln, wie oder warum man etwas tun sollte, probieren Zwillinge aus, wie es sich anfühlt, wenn man es einfach tut. Der berühmte Slogan eines Sportschuhherstellers ist wie für den Zwilling gemacht: Just do it.
Wenn Sie wissen wollen, wie es Ihrem Gegenüber geht, dann gehen Sie wie er oder sie. Wollen Sie seinen Standpunkt kennenlernen, stellen Sie sich an seine oder ihre Stelle.
Werfen wir in diesem Zusammenhang noch mal einen Blick auf die Wiese mit Manfred und Margret. Mittlerweile steht Margret vor einigen hohen Pappeln und Birken. Sie imitiert die schwingenden Bewegungen der Äste und das Flirren der Blätter – oder anders gesagt: Sie spielt mit den Bäumen das Zwillingsspiel. Später hat sie mir erzählt, dass sie diese Erfahrung in ihre Arbeit mit den Senioren einbaut. Sie betritt nicht mehr ein Zimmer und schaut, wie es dem Bewohner dort geht, sondern Sie betritt das Zimmer, geht in den Zwilling und fühlt, wie es dem Bewohner geht. »Mit dem Zwilling erfasse ich über die Imitation der Körperhaltung, Stimmung, Gestik, Mimik und Verhaltensweisen meines Gegenübers dessen Erleben. Damit entsteht unmittelbar ein empathisches Beziehungsband, das verbindet und gegenseitiges Vertrauen schafft. Ohne viele Worte befindet man sich im Einvernehmen mit dem anderen. Seither kann ich den Senioren mit einem ganz neuen Selbstvertrauen ohne Anstrengung zur Seite stehen. Es ergeben sich spontan spielerische und humorvolle Begegnungen, die allen guttun. Es wird viel mehr gelacht, und die Senioren fühlen sich gehört und wahrgenommen«, sagt Margret.
Bei sich sein – was heißt das und wie geht das?
Neulich war ich als Referent bei einem Großunternehmen eingeladen, das sich auf das Recyclen von Haushaltsabfällen spezialisiert hat. Dort gebe ich schon seit einiger Zeit Kurse in der Clownmethode, weil längst auch in der Industrie angekommen ist, dass sich Erfolg dann einstellt, wenn die Mitarbeiter das tun, was in diesem Wort als Aufgabe steckt: miteinander arbeiten und nicht gegeneinander. Es ist ein Weg, den wir alle gemeinsam einschlagen, und da man sich bei der Clownmethode besonders gut kennenlernt, bin ich an jedem Kurstag aufs Neue gespannt, wie die Teilnehmer gerade drauf sind. Wie gesagt: Nicht, was wir können, ist entscheidend, sondern unser Sein. »Ich bin«, »du bist«, »wir sind«, das ist das, was den Clown interessiert und inspiriert.
An besagtem Tag herrschte die übliche Hektik. Alle kommen direkt von ihrem Arbeitsplatz und sollen nun »clownen«. Für die einen ist das ein Riesenspaß, sie freuen sich schon die ganze Woche darauf. Andere sind noch nicht richtig anwesend, denken an die E-Mails, die eigentlich noch hätten geschrieben werden sollen, und an all die anderen Dinge, die sie noch zu erledigen haben. Ich fragte, ob es losgehen könne, und bekam als Antwort: »Nein, wir müssen noch auf Uwe warten.«
»Uwe mal wieder«, hörte ich. Und: »Das ist ja typisch.«
Und so warteten wir alle auf Uwe. Dabei war Uwe längst da – das war nur keinem außer mir aufgefallen. Das meine ich genau so, wie ich es hier schreibe: Keiner der Anwesenden hatte bemerkt, dass Uwe bereits hier war, und – fast noch schlimmer – Uwe selbst merkte nicht, dass alle auf ihn warteten. Die ganze Aufmerksamkeit lag bei Jens, der, wie ich das schon kannte, die Gruppe mit seinen Anekdoten unterhielt. Darin war er einsame Spitze, wortgewandt, gestenreich, der geborene Alleinunterhalter. Er hatte seine Bewunderer um sich geschart, während alle auf Uwe warteten, der verloren abseits stand.
Obwohl Uwe und Jens so völlig gegensätzlich auftreten, haben sie eine ganz wichtige Sache gemeinsam: Sie sind beide mit ihrer Aufmerksamkeit nicht bei sich. Stattdessen sind sie damit beschäftigt, sich auszumalen, was die anderen von ihnen halten, wie sie von ihnen bewertet werden. Das Ergebnis, zu dem sie kommen, ist allerdings sehr unterschiedlich: Uwe glaubt, dass die anderen ihn ohnehin nicht mögen, daher besteht seine Strategie darin, sich zu verstecken, während Jens versucht, mögliche negative Bewertungen seiner Person gleich im Keim zu ersticken. Seht mich Prachtkerl an, drückt jede seiner Gesten und seiner Worte aus: Ich bin es doch wert, dass man mich liebt!
ENDE DER LESEPROBE