Die Leidenschaft des Ritters - Nicole Jordan - E-Book
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Die Leidenschaft des Ritters E-Book

Nicole Jordan

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Beschreibung

In den Fesseln des Ritters: Das Romance-Highlight »Die Leidenschaft des Ritters« von Bestseller-Autorin Nicole Jordan jetzt als eBook bei dotbooks. Burg Claredon, England im Jahre 1155. Schon seit vielen Jahren ist die schöne Lady Ariane dem normannischen Ritter Ranulf versprochen. Nun kehrt er aus dem Krieg zurück – doch nicht als Bräutigam, sondern als Eroberer! Fassungslos erfährt Ariane, dass eine niederträchtige Intrige ihre Familie in Verruf gebracht hat, Verräter der Krone zu sein … und Ranulf sie für diese Schande büßen lassen soll. Obwohl Ariane weiß, dass sie in größter Gefahr schwebt, kann sie ihre Liebe für den stolzen Ritter einfach nicht vergessen. Aber wird diese Leidenschaft ihr Verhängnis werden? »Nicole Jordan versteht es meisterhaft, ihren Fans ein sinnliches Lesevergnügen zu bieten.« Romantic Times Books Reviews Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der historische Liebesroman »Die Leidenschaft des Ritters« von Bestseller-Autorin Nicole Jordan. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 632

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Über dieses Buch:

Burg Claredon, England im Jahre 1155. Schon seit vielen Jahren ist die schöne Lady Ariane dem normannischen Ritter Ranulf versprochen. Nun kehrt er aus dem Krieg zurück – doch nicht als Bräutigam, sondern als Eroberer! Fassungslos erfährt Ariane, dass eine niederträchtige Intrige ihre Familie in Verruf gebracht hat, Verräter der Krone zu sein … und Ranulf sie für diese Schande büßen lassen soll. Obwohl Ariane weiß, dass sie in größter Gefahr schwebt, kann sie ihre Liebe für den stolzen Ritter einfach nicht vergessen. Aber wird diese Leidenschaft ihr Verhängnis werden?

»Nicole Jordan versteht es meisterhaft, ihren Fans ein sinnliches Lesevergnügen zu bieten.« Romantic Times Books Reviews

Über die Autorin:

Nicole Jordan wurde 1954 in Oklahoma geboren und verlor ihr Herz restlos an Liebesromane, als ihre Mutter ihr zum ersten Mal aus »Stolz und Vorurteil« vorlas. Nicole Jordan eroberte mit ihren historischen Liebesromanen wiederholt die »New York Times«-Bestsellerliste und wurde mehrmals für den begehrten RITA Award nominiert. Heute lebt Nicole Jordan in Utah.

Nicole Jordan veröffentlichte bei dotbooks auch ihre historischen Liebesromane »In den Fesseln des Piraten« und »Die Gefangene des Wüstenprinzen«.

Außerdem veröffentlichte sie in der »Regency Love«-Reihe:

»Die Küsse des Lords«

»Die Sehnsucht der Lady«

»Die Versuchung des Marquis«

Und in der »Rocky Mountains«-Reihe:

»Wild Rebels – Gefangen«

»Wild Rebels – Entführt«

»Wild Rebels – Ausgeliefert«

***

eBook-Neuausgabe November 2019

Dieses Buch erschien bereits 1997 unter dem Titel »Der schwarze Drache« bei Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1995 by Anne Bushyhead

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1995 unter dem Titel »The Warrior« bei Avon Books.

Copyright © der deutschen Ausgabe 1997 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

By arrangement with Spencerhill Associates

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Langenbuch & Weiß Literaturagentur, Hamburg/Berlin.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von

© shutterstock / Serge Lee, PJ_Photography, iLongLoveKing, Oeksandr Zamurulev, Sean Pavone

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96148-920-6

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

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Nicole Jordan

Die Leidenschaft des Ritters

Roman

Aus dem Amerikanischen von Amanda Loewenthal und Delphine Forrest

dotbooks.

Für Sandra Chastain, die stets hilfsbereite Freundin.

Alle Liebende sind Krieger,und Cupido hat sein Feldlager auch.

Ovid

Anmerkung der Autorin

Ein Königreich in Aufruhr ...Als Heinrich I. von England 1135 starb, raubte sein Neffe, Stephan von Blois, Heinrichs Tochter Mathilde den Thron und stürzte England in einen Bürgerkrieg, der fast zwei Jahrzehnte andauerte. Mächtige Grafen und Barone schlugen sich auf die eine oder andere Seite und trugen private Fehden um Grund und Boden und Macht aus, bis selbst Stephans Anhänger über das Chaos und die Gesetzlosigkeit unter der Herrschaft ihres Königs klagten.

Von überlegenen Streitkräften besiegt, zog sich Mathilde schließlich über den Ärmelkanal in die Normandie zurück, wo sie weitere Intrigen spann, um die englische Krone für ihren ältesten Sohn, Heinrich Plantagenet von Anjou, zurückzugewinnen. Der junge Heinrich erhob mit etlichen, wenn auch erfolglosen Versuchen Anspruch auf seinen Thron, doch erst 1153, als Stephan Mathildes Sohn zum Erben einsetzte, kam ein Friede zustande.

Allerdings wurde dieser Friede nicht von Englands gesamtem Adel gebilligt. Obwohl die meisten Heinrich, der jetzt Herzog der Normandie war, Gefolgstreue gelobten, stellten sich einige aufrührerische Barone hinter Stephans Bruder, während andere Stephans unehelichem Sohn zur Herrschaft verhelfen wollten. Und so geriet England in dem Jahr nach Stephans Tod erneut in Aufruhr ...

Prolog

Burg Claredon, England: Juni 1150

Sein Geschenk – eine Rose – verwirrte sie. Blutrot und vollkommen geformt, schien diese Blume zu zart für die Hand des harten Kriegers, der das Schwert so führen konnte, daß es tötete. Der Schwarze Drache von Vernay hatte die Rose gepflückt, während sie durch den Burggarten spazierten, und nun war er stehengeblieben und hielt sie Ariane mit seinen langen, sehnigen Fingern entgegen.

Überrascht von dieser Geste, die eher zu einem schwärmerischen Liebhaber gepaßt hätte, blickte Ariane zu dem normannischen Ritter mit dem kantigen Gesicht auf, der sie um einiges überragte. Bernsteingelbe Augen, so durchdringend wie die eines Falken, betrachteten sie unter dichten schwarzen Brauen, und in den goldenen Tiefen jener Augen schlummerte eine Frage.

»Habe ich Euch sprachlos gemacht, edles Fräulein?«

Ariane spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoß, doch sie reckte tapfer das Kinn. »Ich ... ich bin nur verwundert.«

Als sie sein Geschenk nicht gleich annahm, schüttelte er den Kopf. »Ach, ich habe die Dornen übersehen«, sagte er leise mit seiner tiefen Stimme.

Ariane beobachtete erstaunt, wie Lord Ranulf den Dolch aus seinem Gürtel zog und in stummer Konzentration die Dornen vom Stiel der Rose abschnitt. Sie wagte kaum zu atmen und musterte den Mann, der bald ihr Verlobter werden sollte.

Von der Sonne gebräunt und wie aus Stein gemeißelt, waren seine Gesichtszüge eher außergewöhnlich als schön. Das beinahe drahtige, ungebändigte Haar fiel in Überlänge fast bis zu den Schultern. Von prächtiger Statur und eine ehrfurchtsgebietende Kraft ausstrahlend, versetzte er seine Feinde in Angst und Schrecken. Seine Freunde hingegen faßten respektvoll Mut.

In all ihren vierzehn Jahren war Ariane noch keinem Mann wie ihm begegnet.

Die Damen und die Aufwärterinnen von Claredon beneideten sie einerseits, andererseits zitterten sie um Ariane. An diesem Morgen freilich überwog der Neid. Ariane dagegen zitterte eher. Schließlich war sie es, die in ein paar Stunden ihre Verlobung feiern würde. Sie würde eines Tages jenen dunklen Fremden zum gesetzlich angetrauten Mann nehmen. Würde ihn in ihrem Bett empfangen und seine Kinder gebären.

Als Ranulf sie ansah und ihrem aufmerksamen Blick begegnete, flatterte Arianes Herz.

»Fürchtet Ihr mich, Demoiselle?« fragte er, als ob er Gedanken lesen könnte.

Fürchtete sie ihn? Bis zu diesem Moment hätte Ariane ja gesagt. Ranulf war fast zehn Jahre älter als sie. Mit seiner stattlichen Körpergröße und seiner gewaltigen Statur überragte er andere bei weitem. Auch waren seine Taten in der Schlacht und beim Turnier bereits Legende. Am meisten aber beunruhigte Ariane sein ziemlich zweifelhafter Ruf. Man sprach nur mit gedämpfter Stimme davon, aber der Schwarze Drache von Vernay war Gegenstand von schlimmen Geschichten und skandalösen Gerüchten, die ihren Weg aus der Normandie über den Kanal gefunden hatten.

Ariane wäre lieber in der Geborgenheit von Claredons großem Saal geblieben, bei den zahlreichen Gästen, die sich dort zur Verlobungsfeier eingefunden hatten. Doch als der Herr von Vernay sie gebeten hatte, sich mit ihm allein im Garten zu ergehen, hatte sie's ihm nicht abzuschlagen gewagt. Zu ihrer Bestürzung fielen ihr, die von ihrer Mutter so oft für ihr dreistes Mundwerk und ihren respektlosen Witz gescholten worden war, keine passenden Worte ein.

Er wird sich fragen, ob er den Dorftrottel überhaupt heiraten soll, wenn du weiterhin stumm bleibst, haderte Ariane mit sich, als sie zu ihm aufblickte.

Völlig überraschend hob Ranulf die Rose, um Arianes Wange damit zu liebkosen. Er ließ die samtigen Blütenblätter mit einer Behutsamkeit über Arianes Haut streifen, die bei einem solchen Mann fast unmöglich schien.

»Solche Unschuld«, murmelte er, als sei er ihn Gedanken weit fort. »Wie lange sie wohl hält?«

Ariane war nicht sicher, ober er von der Rose sprach oder von ihr. Dann aber schien sich der mächtige Ritter zu sammeln. »Ich glaube, Ihr habt meine Frage nicht beantwortet, Demoiselle.«

»Welche Frage, edler Herr?« erkundigte sich Ariane, wie gebannt von der stillen Kraft seiner bernsteingelben Augen.

»Ob Ihr mich fürchtet.«

Ja, wollte Ariane erwidern. Sie verstand, warum Männer vor diesem Krieger zitterten. Nie mehr würde sie vergessen, wie sich Lord Ranulf gestern Claredon genähert hatte. Hoch zu Roß, in einen Kettenpanzer gekleidet, war er eine bedrohliche Gestalt mit Banner und Schild, die sein Wappentier zeigten – einen schwarzen Drachen, drohend aufgerichtet auf rotem Grund. Seit seiner Ankunft hatte er einen distanzierten, ja abweisenden Eindruck gemacht, und bis zu diesem Moment hatte Ariane ihn für kalt, hart, gefährlich gehalten. Doch schien er nicht so wild, so erbittert, wenn er eine Rose in der Hand hatte statt eines Schwertes.

»Nein, edler Herr, ich fürchte Euch nicht«, antwortete Ariane schließlich und erkannte überrascht, daß es der Wahrheit entsprach.

»Dann werdet Ihr diese Blume als mein bescheidenes Geschenk annehmen?« Der Ritter neigte sich formvollendet, und die Andeutung eines Lächelns kräuselte seine Lippen. »Ihr müßt, Demoiselle, und sei es auch nur, um mich zu beschützen.«

»Um Euch zu beschützen?«

»Ganz recht. Wenn einer bei Edlen Rosen stiehlt, wird das gemeinhin als Verbrechen betrachtet, doch wenn ich sie Euch gebe, brauche ich keine Vergeltung zu fürchten.«

Ariane riß verblüfft die Augen auf. Machte er Scherze? Doch die Vorstellung, ein so gefürchteter Ritter brauche ihren Schutz, ließ sie lächeln.

»So ist es viel besser«, sagte er zufrieden.

Ariane nahm die Rose entgegen und steckte ihre Nase, froh um seine Bemühungen, ihre Angst zu lindern, zwischen die duftenden Blütenblätter. »Ich danke Euch, edler Herr«, murmelte sie. »Diese Rosen sind der Stolz meiner Mutter, aber sie wird Euch sicher keine mißgönnen, da wir uns so bald verloben.«

Jetzt schien es naheliegend, daß Ariane äußerte, was sie beschäftigte, seit sie mit Lord Ranulf durch den Garten spazierte. »Gibt es einen bestimmten Grund dafür, daß Ihr in meiner Gesellschaft sein wolltet, edler Herr?«

Er schien zu zögern, bevor er ihr einen kurzen, rätselhaften Blick zuwarf. »Ja, Demoiselle. Ich habe Euch eine Frage zu stellen.« Und wieder trat eine. Pause ein. »Wünscht Ihr Euch, daß wir heiraten?«

»Ich bin nicht sicher, ob ich begreife, was Ihr meint.«

»Seid Ihr mit der Verlobung einverstanden?«

Arianes Augen wurden ein wenig größer. »Ja, edler Herr. Ich kenne meine Pflichten. Ich bin bereit, meinem Vater zu gehorchen.« Als Ranulf die Stirn runzelte, erkannte Ariane, daß dies nicht die Antwort war, die er erwartet hatte.

Sie beeilte sich hinzuzufügen: »Ich weiß, daß Claredon einen starken Herrn braucht. Und nun, da mein Bruder ... nicht mehr da ist und mein Vater keinen Erben mehr hat, möchte er Vorkehrungen für die Zeit treffen, wenn er nicht mehr wirken kann – möchte sein Land in tüchtige Hände geben und mich in die Obhut eines starken Ehemanns.«

»Darum ging es nicht bei meiner Frage, Demoiselle. Ich begreife sehr wohl, warum Sir Walter für diese Verbindung ist.«

Ariane blickte zu Ranulf auf und wußte nicht, was er von ihr hören wollte. Sie war so erzogen, daß sie Pflicht und Verantwortung über persönliche Erwägungen stellte, und durch den Tod ihres Bruders Jocelin in diesem Jahr war sie Erbin geworden mit allen Verbindlichkeiten, die eine solche Position beinhaltete. Wenn ihr Vater wünschte, daß sie jemanden aus politischen Gründen heiratete, würde sie es bereitwillig tun. Doch Lord Ranulf brauchte wohl keine derartige Erklärung, denn diese Ehe würde auch für ihn ein politisches Bündnis sein.

Es dauerte eine Weile, bis er wieder sprach, und nun klang seine Stimme seltsam angespannt, ja gepreßt. »Ich möchte keine junge Dame zwingen, meine Werbung zu erhören. Ich habe des öfteren gesehen, wie Ehen als Katastrophen endeten, wenn die Braut im Grunde nicht heiraten wollte.«

Ariane beobachtete Ranulf immer noch, und ihr fiel auf, wie sein Unterkiefer straffer wurde, hörte den Beiklang von Verbitterung in seinen Worten und fragte sich, ob er von eigenen Erfahrungen sprach.

Aber vielleicht mißdeutete sie seine Worte. Vielleicht versuchte er, die Verlobung zu widerrufen und es ihr auf möglichst freundliche Weise beizubringen.

Ariane streckte ihre Hand aus und berührte Ranulfs Arm – eine Geste, die ihn zu erstaunen schien und bei der er abrupt stehenblieb. »Möchtet Ihr aus der Verlobung entlassen werden, edler Herr?«

Er erforschte ihr Gesicht, und als sie seinem faszinierenden goldenen Blick begegnete, meinte sie, in der Tiefe jener Augen Untröstlichkeit zu sehen, eine Regung von Qual. Doch sogleich war es wieder verschwunden. »Ich möchte sicher sein, daß Ihr nichts gegen eine Heirat mit mir einzuwenden habt.«

Fragte er tatsächlich, ob sie ihrer Vermählung zustimmte? Arianes zugegebenermaßen begrenzter Erfahrung nach suchte kein Kriegsherr das Einverständnis eines Mädchens – es ging ihm nur um Land- und Machtgewinn. Gewiß zählte Grundbesitz in der Normandie wie in England sehr viel und das Einverständnis der Dame sehr wenig, obwohl sich die Kirche bemühte, Bräute, die eine Verbindung nicht wollten, besser zu schützen. Lord Ranulf heiratete Ariane wegen der weitläufigen Ländereien, die sie ihm eines Tages bringen würde, wenn ihr Vater starb, das wußte Ariane.

Sie konnte die Frage in seinen Augen nicht ergründen. Er war still geworden, sein Gesichtsausdruck ernst, fast reserviert. Ariane vertraute diesen Augen. Sie waren hart und durchdringend, aber nicht grausam.

»Ich habe keine Einwände, edler Herr. Ich stimme der Verlobung aus freien Stücken zu.«

Die Härte wich aus seinen Zügen, der strichdünne Mund wurde weicher, und der starke Körper schien sich zu entspannen. Erst jetzt erkannte Ariane, daß er ihre Frage nicht beantwortet hatte. Sie wollte so dringend wissen, ob er sich die Ehe mit ihr wünschte, aber Ranulf war ein mächtiger, begüterter Ritter, der es sich leisten konnte, seine Braut selbst auszusuchen. Wenn er gegen die Verbindung gewesen wäre, hätte er den Vorschlag von Arianes Vater gewiß nicht angenommen.

»Wolltet Ihr das hören?« erkundigte sie sich unsicher.

»Ja, Demoiselle. Es war mir darum zu tun, Eure Meinung zu ergründen.« Das Thema – oder Ariane – schien ihm plötzlich Unbehagen zu bereiten, denn er schaute weg zur Außenmauer der Burg.

Auch Ariane wollte ihm die Befangenheit nehmen. Sie lächelte ironisch. »Mein Vater würde sagen, daß Töchtern keine Meinung zusteht und daß ich bereits mehr Meinungen habe, als gut für mich ist. Es mag sein, daß er recht hat.«

Ranulf sah Ariane verwundert an. »Und seid Ihr immer einig mit Eurem Vater, edles Fräulein?«

Ariane rümpfte die Nase. »Nein, nur selten. Er behauptet, das sei mein größter Fehler.«

Ranulf kicherte. Es hörte sich kratzig und rostig an, und Ariane war sicher, daß er kein Mann war, der oft lachte.

»Vater möchte mich unbedingt loswerden – ich glaube, er ist froh, daß Ihr hier seid und mir den Hof macht.«

»Daß ich Euch den Hof mache?« Der hochgewachsene Ritter verzog das Gesicht ein wenig. »Ich bin Soldat, Demoiselle, kein Dichter.« Ein bescheidenes, irgendwie gewinnendes Lächeln umspielte seine Lippen. »Ich verstehe mich kaum darauf, um eine Dame zu freien.«

Ariane war sicher, daß das nicht stimmte. Sie vermutete, wenn dieser starke, charismatische Mann es sich vornahm, konnte er die Nachtigallen in den Bäumen verführen.

»Nun, auch ich verstehe gar nichts vom freien«, erwiderte Ariane dreist, »also braucht Ihr kein hartes Urteil von mir zu befürchten. Tatsächlich seid Ihr der erste, der um mich wirbt.«

»Der erste? Nicht zu fassen. Kann es sein, daß die Männer in England blind sind?«

Jetzt wußte Ariane, daß Ranulf sie auf freundliche Weise zum Narren hielt. Sie konnte schwerlich behaupten, schön zu sein angesichts ihrer wenig eleganten Körpergröße und der Sommersprossen, die ihre helle Haut verunzierten und von ihren blonden Haaren ablenkten. Ihre Hauptvorteile waren ihre vornehme Geburt und Claredon mit seinen weitläufigen Ländereien, das war ihr nur zu klar.

»In dieser Angelegenheit«, lachte sie, »besagt mein Aussehen leider wenig. Mein Vater wollte nichts von Freiern hören, bevor er sicher war, woher der Wind wehte – politisch gesprochen.«

Ranulf betrachtete Ariane nachdenklich. »Ihr scheut Euch offenbar nicht, freimütig zu sein.«

Ariane fragte sich, ob sie diese Bemerkung als Kritik auffassen sollte, und errötete. Ihre Mutter hatte sie immer gewarnt, daß sie eines Tages mit ihrer losen Zunge in Schwierigkeiten geraten werde. Vielleicht war sie Lord Ranulf gegenüber zu naseweis gewesen, aber ein natürliches Gespür sagte Ariane, daß er keine duckmäuserische Braut würde haben wollen. Sie reckte das Kinn. »Nein, und ich scheue mich auch nicht, Euch zu heiraten, edler Herr.«

Da lächelte er. Breit, langsam, zärtlich, sinnlich. Es machte seine harten Züge weicher und ließ Arianes Herz ins Stolpern geraten. Nicht vorbereitet auf die Hitzewallung, die sich plötzlich in ihr regte, blinzelte sie, hatte das Gefühl, die Sonne sei hinter dichten Wolken hervorgekommen.

Hatten Arianes Frauen das bewundert und ihr geneidet? Dies Kühne, Männliche, das so schockierend war wie ein Blitzstrahl? Sollte es möglich sein, daß er mit einem einzigen Lächeln das Herz der Damen gewann?

Dann hob Ranulf behutsam die Hand, um mit der Spitze seines Zeigefingers über Arianes Unterlippe zu streichen. Er hatte sie kaum berührt, doch ihr Puls schlug wie wild, und eine seltsame Wärme breitete sich in ihr aus, verwirrte all ihre Sinne.

Ariane blickte in stummer Betroffenheit zu Ranulf auf, fast entsetzt über die Empfindungen, die er mit einer kleinen Zärtlichkeit in ihr wachgerufen hatte. Noch nie war sie sich so bewußt gewesen, Frau zu sein, wie in diesem Moment.

»Dann sind wir uns einig, edles Fräulein? Die Verlobung findet statt?«

»Ja, edler Herr«, murmelte Ariane atemlos.

Als Ranulf ihr seine Hand entgegenstreckte, zitterte Ariane. Nicht aus Bangigkeit, sondern aus Faszination und Erregung. Sie wollte mit diesem Mann verheiratet sein. Sie wollte diesen mächtigen Ritter, dem immerhin soviel an ihr lag, daß er sich mit ihren Gefühlen und Befürchtungen beschäftigte, als Bräutigam haben. Einen Mann, der sie beben machte mit einem einzigen Lächeln, einer einzigen Berührung. Trotz der wilden Gerüchte über seine Vergangenheit wollte sie Teil seiner Zukunft sein.

Hoffnung beflügelte Ariane, als sie Ranulf ihre zitternde Hand gab. Sie würde eine glückliche Ehe führen, das schwor sie sich stumm. Sie würde versuchen, Ranulf eine gute Frau zu sein, sich bemühen, daß er nie Grund hatte, diesen Tag zu bereuen.

Mit zaghaftem Lächeln faßte Ariane die Rose, die ihr der Schwarze Drache von Vernay gegeben hatte, fester, und ließ sich von ihm in den Großen Saal von Claredon geleiten, wo schon bald die Verlobungsfeier beginnen würde.

Kapitel 1

Burg Vernay, Normandie: November 1154

Die warmen Lippen, die seine nackte Haut liebkosten, vermochten ihn jetzt ebensowenig zu erregen wie das kühle, seidige Haar, das aufreizend über seinen bloßen Rücken strich. Ranulf lag, Arme und Beine von sich gestreckt, in einem nach Moschus duftenden Bett, befriedigt und verausgabt. Nach all den Bemühungen glänzte sein Körper von Schweiß. Zwei sinnliche junge Frauen zu befriedigen, forderte selbst einen Mann von seiner Kraft und Ausdauer heraus.

Doch Layla setzte ihren gnadenlosen Angriff mit Mund und Zunge fort, drückte ihre Rundungen gegen Ranulf, jagte ihm mit ihren Fingernägeln wohlige Schauer über den Rücken und biß hin und wieder mit den Zähnen in seine Hinterbacken, mit einer Festigkeit, die an Schmerz grenzte.

»Genug«, murmelte er heiser, doch er hatte nicht mehr die Energie, seinem Befehl Geltung zu verschaffen.

Als sie sich über ihn beugte und ihm spielerisch eine schwere Brust anbot, mit der dunklen Spitze seinen Mund berührte, wandte Ranulf den Kopf ab. Als sie mit ihren Fingern durch seine rabenschwarzen Haare fuhr und an ihnen zerrte, packte er Layla bloß beim Handgelenk und lockerte ihren Griff. Erst als sie die Nägel in breiter Spur über seinen vernarbten Rücken zog, reagierte er deutlich. Sie wußte sehr wohl, daß sie dies nicht durfte, auch wenn es ihm nicht gelungen war, ihr diese Unart auszutreiben.

»Laß das, Mädchen.«

Angesichts seines scharfen Tons zuckte der zweite reife junge Körper auf Ranulfs anderer Seite zusammen, und er mußte Flore etwas Freundliches zumurmeln und sie beruhigend streicheln, bevor sie sich wieder an ihn schmiegte.

Was das Temperament anging, zog er die zierliche blonde Flore bei weitem der üppigen Layla vor, deren Flechten den seinen so sehr glichen: dunkel wie Ebenholz. Flore war eine fast unterwürfige, süße Normannin, immer bereit zu tun, was Ranulf sie hieß, während Layla ein fragendes, aufrührerisches Wesen hatte. Nur ihrer exquisiten Fähigkeit wegen ließ er der schönen Sarazenin ihren Willen.

»Ich möchte Euch bloß befriedigen, Herr«, sagte sie jetzt schmollend mit ihrem breiten Akzent. »Ihr wißt doch genau, Layla befriedigt Euch besser als jede andere.«

Das konnte Ranulf nicht bestreiten. Layla war ihrer Familie entrissen, in einem Bordell für Ungläubige versklavt und in den erotischen Künsten des Orients unterwiesen worden. Sie verstand sich wirklich darauf, Männer zu befriedigen und ihre Begierde bis zum Wahnsinn zu steigern. Auch wenn es ihm eine bittere Genugtuung bereitete, die exotische Konkubine zu besitzen, die sein verhaßter Vater aus dem Heiligen Land mitgebracht hatte ... nun, er versagte sich diese Lust nicht, obwohl er dafür Laylas scharfe Zunge und ihre rasende Eifersucht ertragen mußte. Er hätte die Wahl unter einem Dutzend Bauernmädchen gehabt, die genauso beflissen waren, sein Bett zu wärmen, doch heute abend hatte er die wilde Erleichterung gebraucht, die ihm die Sarazenin schenken konnte. Er mußte vergessen. Flore hatte er dazugeholt, weil es dadurch noch wahrscheinlicher wurde, daß ihm die Dämonen, die im Hintergrund lauerten, eine Ruhepause gönnten.

»Ihr seid grausam, Herr«, beschwerte sich Layla und fuhr mit der Zunge über ihre vorgeschobene Unterlippe.

»Mir scheint, dreimal ist selbst für eine so leidenschaftliche Frau wie dich genug«, erwiderte Ranulf trocken.

Layla faßte seine Hand und führte sie an ihre Brust. »Ihr verabscheut meine Leidenschaft? Ihr wollt Layla nicht mehr?«

Ranulf grinste unwillkürlich, als er Laylas straffe Brustknospe drückte. »Um meine Begierde nach dir zu unterdrücken müßtest du mich entmannen, Mädchen. Nein, es wird nur Zeit, daß du dein Lager aufsuchst.« Als Layla protestieren wollte, hob Ranulf seinen mächtigen Körper an. »Du kennst meine Wünsche. Ich schlafe allein.«

Tatsächlich bestrafte er sie nicht, indem er sie fortschickte. Sein einsamer Schlummer war eine Regel, die er sich selbst auferlegt hatte. Obwohl er sich stets gerne an weiblichen Körpern freute, verweilte er selten bei Frauen. Zuviel sinnlicher Luxus verweichlichte den Krieger. Wer zu oft solche Kurzweil suchte, wurde faul und nachlässig.

Als Layla nicht nachgab, versetzte Ranulf ihrer bloßen Flanke einen leichten Klaps, gegen den sie lautstark Einspruch erhob.

Trotzig legte sie sich wieder in die zerwühlten Kissen und blickte schmachtend-verführerisch zu Ranulf auf. Sie spielte mit ihren Brüsten, liebkoste die dunkelroten Spitzen, lud ihn dazu ein, Gleiches zu tun, während sie ihren üppigen Schenkel öffnete. »Nur noch einmal, edler Herr, ich flehe Euch an ...«

Trotz ihres Ungehorsams lachte Ranulf rauh. Er war im Moment befriedigt genug, um sich über ihre Strategie zu amüsieren, und weise genug, um nachzugeben. Manchmal sollte ein Mann seine Dirne kleine Siege erringen lassen, dann gab sie in wichtigeren Angelegenheiten schneller nach.

»Also gut, noch einmal.« Ranulf legte die Hand auf den weichen kleinen Hügel zwischen Laylas Schenkeln, rasiert nach Sarazenenart, schob die Lippen auseinander, suchte das zarte Gebilde, das Sitz der Lust der Frauen war.

Layla rang nach Atem und schloß die Augen, während sie die Beine weit öffnete und Ranulfs Fingern vollen Zugang zu ihrer erhitzten, feuchten Mitte gewährte. Behutsam und erfahren liebkoste er ihr Fleisch, streichelte die heiße, glatte Feuchtigkeit. Layla bebte vor Erregung. Es dauerte nur einen Moment, bis sie kehlig aufstöhnte. Sie wölbte den Rücken, und ihr Kopf fiel ekstatisch zurück, während sich ihr goldener Körper im Flackerschein der Kerzen wand.

Ranulf beobachtete ihre Reaktion mit Dankbarkeit. Gewiß hatte Layla eine Belohnung für ihre Dienste verdient. Sie hatte ihm heute abend Trost gespendet, da war es nur fair, daß er sich revanchierte. Tatsächlich hatte ihm Layla in den vergangenen vierzehn Tagen – seit er nach Vernay heimgekehrt war, um darauf zu warten, daß Herzog Heinrich ihn zu sich rief – häufig beigestanden. Vielleicht hätte er seine Abweichung von der selbstauferlegten, gewohnten Selbstzucht bedauern sollen. Doch daß er seiner Lust öfter frönte als sonst auf Burg Vernay, lag daran, daß solche Ablenkung half, Erinnerungen zu unterdrücken.

Nervös wandte Ranulf jetzt den Blick von der keuchenden Frau ab und schaute durch die offenen Bettvorhänge. Das Turmzimmer von Vernay, wo der Burgherr schlief und seine freie Zeit verbrachte, war und blieb eine kalte, kahle, spartanisch eingerichtete Kammer ohne Komfort, bis auf ein gelegentliches Feuer im Kamin und mehrere Wandbehänge zum Zurückdämmen der eisigen Kälte, die von den Mauern ausging. Ranulf hatte sich geweigert, etwas an der Einrichtung aus der Zeit seines Vaters zu ändern, war fest entschlossen, die bittere Erinnerung an seine Vergangenheit zu bewahren.

Doch jetzt bin ich hier der Herr, sagte sich Ranulf. Vernay gehörte ihm. Herzog Heinrich hatte es ihm samt einem Privileg verliehen, das ihn wieder in seinen rechtmäßigen Stand einsetzte. Ranulf war kein enterbter Ausgestoßener mehr.

Doch trotz all seiner gegenwärtigen Macht und Wohlhabenheit konnte er sich nicht des Unbehagens erwehren, das ihn immer in dieser Kammer überfiel, wo ihm sein Vater das Fleisch vom Rücken gepeitscht hatte. Selbst jetzt wurde ihm jedesmal, wenn er den Raum betrat, beklommen zumute, denn er mußte an das Entsetzen und die Qual seiner Jugend denken. Er brauchte keineswegs die Augen zu schließen, um sich darauf zu besinnen, wie er als Kind, nackt und zitternd, an der Wand gegenüber gehockt und auf die Strafe seines rachsüchtigen Vaters gewartet hatte. Selbst der momentane Trost des warmen, weiblichen Fleisches konnte die Erinnerungen nicht ganz vertreiben – obwohl er bis zu einem gewissen Grad die Stunden der Furcht und des Schmerzes aufwog, die Ranulf hier verbracht hatte.

Vom Nachtwächter kam ein Hornsignal, und der Ritter hob den Kopf wie ein Wolf, der etwas im Wind gewittert hat. Ebenso plötzlich schlug Layla die Augen auf.

»Nein! Edler Herr! Ihr könnt doch nicht ...« Es klang fordernd – und atemlos.

Ranulf lächelte, während seine brutalen Erinnerungen verblaßten. »Uns bleibt noch Zeit genug.«

Und das stimmte. Jeder Neuankömmling mußte darauf warten, daß sich die Zugbrücke senkte. Dann ging es über den äußeren und inneren Burghof. Eher gelangte man nicht zum Bergfried von Vernay.

Ranulf hatte tatsächlich die Muße, Layla zur Erfüllung zu verhelfen.

Doch bevor die dankbare, schluchzende Frau gegen ihn gesunken war, waren Ranulfs Gedanken bereits vorausgewandert. Er überblickte noch einmal seine Pläne. Wenn der Neuankömmling des Herzogs Bote war und einen Befehl brachte, bedeutete dies, daß König Stephan gestorben war und Heinrich sich darauf vorbereitete, seine legitimen Rechte auf die englische Krone geltend zu machen. Und da Heinrich gewiß auf Widerstand treffen würde, mußte er Streitkräfte aufbieten, die ihm zur Thronbesteigung verhalfen.

Ranulf blickte dem Konflikt mit Spannung entgegen. Er war nicht nur bereit, an Geldeswert zu geben, was er als Lehnsmann seinem Lehnsherrn schuldete, er fieberte vielmehr dem Zeitpunkt entgegen, da er für Heinrich zu den Waffen eilen konnte. Er war zu lange tatenlos gewesen, sein Schwert und seine Lanze hatten Rost angesetzt. Für ein gutes Vierteljahr hatte Friede in der Normandie geherrscht. Es hatte keinen Aufruhr gegeben, keine Scharmützel, nicht einmal Turniere, bei denen er seine Fähigkeiten perfektionieren, seine Frustration im Getümmel abbauen oder seinen Reichtum vermehren konnte, indem er feindliche Ritter gegen Lösegeld gefangennahm.

In den letzten zwei Wochen war deshalb alles bereit gewesen für die bevorstehende Reise: die Rüstung poliert, die Waffen geschärft, die Wagen für den Troß nur noch ihrer Beladung harrend. Ranulfs Ritter und Bewaffnete hatten sich täglich geübt mit Scheingefechten, waren mit der Lanze gegen Holzpuppen geritten, hatten mit Pfeil und Bogen auf Scheiben geschossen. Doch auch sie sahen mit Nervosität, daß sich alles verzögerte, und wollten, daß der Feldzug endlich wirklich begann.

Nun schien es soweit zu sein.

Wie Ranulf erwartet hatte, verging geraume Zeit, bevor jemand an die eisenbeschlagene Tür klopfte – unterdessen kümmerte er sich zum Dank für ihre süße Art und Geduld um Flores Lust. Auf seinen Befehl, einzutreten, schritt Ranulfs Vasall Payn FitzOsbern in den Raum, halb angezogen mit einem nicht zugeschnürten Hemd und breit grinsend.

»Herzog Heinrich?« fragte Ranulf, als er sich aufsetzte.

»Ja, der Herzog – bald wird er König von England sein. Er bricht in zwei Tagen zur Küste auf und erwartet, daß wir mit ihm reiten.« Payn versuchte nicht, den freudigen Ton in seiner Stimme zu unterdrücken. »Der Bote wollte mit dir sprechen.«

Ranulf lächelte breit und zog die Decke über die beiden nackten Frauen in seinem Bett. »Dann laß ihn ein.«

Der Bote hatte offenbar einen anstrengenden Ritt hinter sich, den sein Umhang und sein Gesicht waren mit Dreck bespritzt, und er wirkte erschöpft. Er bestätigte, was Payn bereits verkündet hatte, fügte weitere Einzelheiten über die Abreisepläne und die Aufstellung von Heinrichs Streitkräften hinzu und machte warnend auf den Widerstand aufmerksam, den man in England von den Anhängern des verstorbenen Königs zu erwarten habe.

Zufrieden entließ Ranulf den Mann mit der Anweisung, sich im Saal Essen und ein Lager zu suchen. Dann schritt er nackt zu einem Tisch, auf dem Erfrischungen standen. Er goß Wein aus einem Krug in zwei Zinnbecher, gab Payn den einen und erhob den anderen selbst.

»Also auf nach England!«

»Ja, auf nach England! Mögen wir zahlreiche englische Rebellen finden, die wir zerschmettern können, bevor du durch deine Ungeduld noch übellauniger wirst als in jüngster Zeit.«

»Ich?« Ranulf zog in gespielter Unschuld eine schwarze Augenbraue hoch. »Ich bin immer lammfromm gewesen.«

Ranulfs Vasall schnaubte vor Lachen. »Und was ist dann mit den drei Turnierpuppen, die du gestern vernichtet hast? Wären es Ungläubige gewesen, so hätten wir inzwischen das Heilige Land befreit! Seit du hier längere Zeit auf Vernay eingesperrt bist, sind mir wilde Keiler untergekommen, die nicht halb so gefährlich waren wie du.«

Ranulf zuckte mit den Achseln, während er seinen Becher leerte. »Vielleicht.«

»Doch ich sehe, daß du an einer Kur für deine Übellaunigkeit gearbeitet hast.« Payn deutete grinsend auf die Frauen im Bett seines Herrn. »Und dann gleich zwei auf einmal, Ranulf? Hättest du nicht wenigstens eine für uns aufsparen können?«

Ranulf betrachtete den hübschen Ritter mit seinen kastanienbraunen Haaren ironisch und amüsiert. »Mußtest du denn jegliche weibliche Gesellschaft entbehren?«

»Das nicht, aber aus irgendeinem Grund, der mir völlig rätselhaft ist, geben die Frauen offenbar dir den Vorzug, obwohl du immer ein so finsteres Gesicht machst.«

»Einfach weil ich mir Zeit nehme, auch für ihre Lust zu sorgen, statt bloß meine zu suchen.« Als Payn das Gesicht verzog, war es an Ranulf, zu grinsen. »Weniger Selbstsucht würde dir gute Dienste leisten, mein Freund.«

»Da hast du sicher recht.« Payn warf den Kopf zurück, schluckte die Neige seines Weins und blickte dann mit einer gewissen Verschlagenheit zu Ranulf auf. »Und du handelst überdies klug. Befaßt dich mit deinen Mätressen, solange es geht. Deine Braut wird dich schließlich nach der Vermählung nicht teilen wollen. Eine Dame von solch hohem Stand erwartet, daß du deine Aufmerksamkeit gänzlich ihr widmest, zumindest am Anfang.«

Ranulfs gute Laune verschwand angesichts dieses Hinweises. In England erwartete ihn seine Verlobte – der einzige Grund, weshalb ihm jener Feldzug nicht ganz zusagte. »Bei dem Widerstand, der uns zweifellos erwartet«, meinte er steif, »kann es Monate dauern, bis ich Zeit für die Vermählungsfeierlichkeiten finde.«

»Trotzdem werden sie sich nicht mehr lange aufschieben lassen, diese Feierlichkeiten«, meinte Payn lachend.

Um seine Gedanken zu verbergen, drehte sich Ranulf abrupt um und füllte seinen Becher nach. Payn wußte schon seit geraumer Zeit vom Widerwillen seines Freundes, England zu besuchen, doch erst vor kurzem waren ihm die Gründe dafür aufgegangen: Der Schwarze Drache von Vernay hatte sich mit seinem vielgepriesenen Mut in einer Sackgasse verrannt.

Ranulf schüttelte den Kopf. Wie war das möglich? Er war ein Krieger, ein mächtiger Ritter, der sich schon früh – mit siebzehn – seine ersten Sporen verdient hatte. In den elf Jahren seitdem hatte er immer wieder seinen Mut bewiesen. Seine bemerkenswerten Leistungen im Kampf hatten ihm den Namen ›Schwarzer Drache‹ eingetragen – seine Feinde zitterten, wenn sie ihn hörten. Und doch entnervte ihn der Gedanke, die Erbin von Claredon zu heiraten.

Er fürchtete sich vor einem kleinen Mädchen.

Payn hätte das für einen ungeheuren Spaß gehalten, für wahnwitzig komisch. Und es war in der Tat lustig, das mußte Ranulf zugeben, wenn auch nicht im Hinblick auf die Folgen. Erfuhren seine Männer von seiner Angst, so würden sie ihn nicht nur aufziehen, sondern ihr Respekt vor ihm würde nachlassen, was sich als verheerend erweisen konnte.

Als spürte er Ranulfs Unbehagen, gab Payn ein wieherndes Lachen von sich und klopfte ihm auf die Schulter. »Sei guten Mutes! Wie du schon gesagt hast – es dauert vielleicht Monate, bis du deiner Braut gegenübertreten mußt. Wenn du Glück hast, geben Stephans Anhänger ihr England nicht so leicht auf, und du wirst kämpfen und Aufsässige unterdrücken müssen. Vielleicht kannst du deinen Besuch auf Claredon bis zum Sommer nächsten Jahres verschieben.«

»Ja«, bestätigte Ranulf und trank einen großen Schluck Wein. Zur Ablenkung von der bevorstehenden Hochzeit hatte er einen hitzigen Kampf gebraucht. Krieg, Jagd, Turniere, das waren seine Passionen. Nicht Frauen. Auch nicht seine Braut. Ihm stand der Sinn nach Auseinandersetzungen, und sei es auch nur, damit er noch eine kurze Weile den Bedrängnissen der Ehe entkam.

»Ich kümmere mich um die letzten Reisevorbereitungen, du kannst dich auf mich verlassen«, sagte Payn. »Wir werden beim ersten Morgenstrahl aufbrechen.«

Ranulf nickte, doch als sein Vasall ging, merkte er es kaum, so sehr war er mit dem Schicksal beschäftigt, das ihn jenseits des Kanals erwartete. Nein, abgesehen von der Vorfreude auf den Feldzug drängte es ihn wahrhaft nicht, seinen Fuß auf englischen Boden zu setzen.

Vor über vier Jahren war der Verlobungsvertrag unterzeichnet worden, und Ranulf hatte diese Zeit mit Kampf und Diensten für seinen Lehnsherrn verbracht. Er hatte die Monate verstreichen lassen, zu beschäftigt mit seinen Pflichten in der Normandie und überzeugt davon, daß seine Verlobte lieber bei ihrer Familie in England blieb, als in die angsterregende Höhle des Schwarzen Drachen verschleppt zu werden. Dann hatte sich zwar eine Gelegenheit gegeben, aber auch da hatte Ranulf keinen Anspruch auf seine Braut erhoben, sondern einen Grund gefunden, in der Normandie zu verweilen. Und voriges Jahr hatte er nicht einmal Heinrich nach England begleitet – als der Herzog mit König Stephan zusammengetroffen war und die Thronfolge gesichert hatte.

Ranulf stand zerstreut vor dem prasselnden Feuer im Kamin, den Blick auf die Flammen gerichtet.

Ursprünglich schien die Verlobung mit Ariane von Claredon eine gute Idee gewesen zu sein – ein politisch zweckdienliches Manöver, das Land und Erben bringen würde. Außerdem wurde dadurch das Bündnis mit einer mächtigen Familie geschmiedet, die Lehen in ganz England hatte. Und nachdem Ranulf einen großen Teil seines bisherigen Lebens ohne Grundbesitz, ja ohne Namen gewesen war, hatte er bei dieser Gelegenheit vor, seinen Wohlstand zu mehren und seine Macht auf England auszuweiten, wo er nur kleinere Liegenschaften besaß. Er legte großen Wert auf die Verbindung, die ihm angeboten wurde, war fest entschlossen, mächtiger als sein verhaßter Vater zu werden, eine Dynastie zu schaffen, die sich mit denen der anderen Herren im Land messen konnte. Daß zu dem Geschäft eine Dame von vornehmer Geburt gehörte, schien ihn kein allzu hoher Preis zu sein. Jedenfalls damals nicht.

Auch Walter, der Vater der Dame, wollte diese Ehe, und seine Gründe dafür waren ebenso materiell – und vielleicht ein bißchen mehr politisch. Walter unterstützte König Stephan, wußte aber, Kaiserin Mathilde und ihr Sohn Heinrich konnten eines Tages die Oberhand gewinnen. Und so hatte der Herr von Claredon seine vierzehnjährige Tochter klugerweise mit einem normannischen Kriegsherrn verlobt, der Heinrich unterstützte. Damit war das Mädchen, sollte die englische Krone in den Besitz von jemand anderem übergehen, gut versorgt von einem mächtigen Ehemann.

Der Skandal seiner Geburt und seine zweifelhafte Abstammung waren nun kein Hindernis mehr, dachte Ranulf, denn er war in sein Erbe wiedereingesetzt worden und durfte sich Herr von Vernay nennen. Das machte ihn neben den Wertgegenständen, die er im Krieg und bei Turnieren erbeutet hatte, zu einem der vermögendsten Ritter der Normandie.

Es hatte also auf beiden Seiten nach einer guten Partie ausgesehen.

Nur war die Tinte auf dem Pergament kaum trocken, da sehnte sich Ranulf schon nach seiner Freiheit zurück.

In diesen unsicheren Zeiten war es ein Leichtes, Verlobungsverträge zu brechen, denn wer konnte dem Gesetz Geltung verschaffen? Die Herrschaft des Staatswesens gab es in England praktisch nicht mehr. König Stephan vermochte seine Untertanen weder zu kontrollieren noch Recht zu sprechen. Doch im Laufe der Jahre hatte Ranulf keinen guten Grund zur Auflösung des Vertrags gefunden. Was sollte er sagen? Daß er eine solch vorteilhafte Ehe fürchtete? Seine Feinde wären entzückt gewesen über seine Hasenfüßigkeit, und er hätte als Narr dagestanden. Durch den Tod ihres Bruders war Ariane von Claredon eine große Erbin geworden, eine Trophäe, um die jeder Adlige gekämpft hätte.

Ranulf strich mit flachen Händen über seine entblößte Brust, während er in die züngelnden Flammen starrte, und nahm vage die Hitze wahr, die seine nackten Lenden wärmte.

Er hatte seine Braut nur ein einziges Mal gesehen – bei der Verlobungsfeier. Ariane war damals ein kleines Mädchen gewesen, aber er erinnerte sich nach wie vor an sie: ein langer, magerer Körper, noch mit einer Spur von Fohlenanmut, helles Haar irgendwo zwischen strohblond und rötlich, klare, scharfgeschnittene, mit Sommersprossen bedeckte Gesichtszüge, große graue Augen, die mehr zu sehen schienen, als Ranulf offenbaren wollte.

Er hielt ihre Jugend für einen Vorteil. Eine sanfte Braut, das hatte er sich gewünscht – jemand Formbares, den er dazu bringen konnte, seinem Willen zu gehorchen, den er, wenn schon nicht Loyalität, so doch Ergebenheit zu lehren vermochte. Er hatte sich sehr gründlich ihrer Ehebereitschaft versichert, die Treulosigkeit seiner Mutter gegen seinen Vater sollte sich nicht wiederholen.

Ariane war, so schien es, unschuldig genug, sie besaß sogar einen jungfräulichen Charme, der Ranulf überrascht und bezaubert hatte. Doch im Laufe der letzten Jahre, so vermutete er bedauernd, würde sie sich wohl verändert haben. Inzwischen hätte sie vermutlich Gelegenheit gehabt, die Künste zu erlernen, die bei ihrem Geschlecht so weit verbreitet waren: Grausamkeit und Lügen und Verrat.

Schon ihre Abkunft und hohe Stellung galten Ranulf als Anlaß zur Vorsicht. Von der Wiege an hatten qualvolle Erlebnisse mit vornehmen Frauen seine Seele so gezeichnet, wie ihm die Geißel seines Vaters den Rücken aufgerissen hatte. Seine ehebrecherische Mutter hatte ihn zu einem Leben im Schmerz verurteilt, ihn in die Hölle des Zorns seines Vaters gesperrt. Mütterlicher Untreue wegen war er gezwungen gewesen, um sein Geburtsrecht zu kämpfen, um seine Identität, seine schiere Existenz.

Tatsächlich hatte er wenig Verwendung für Frauen, jenseits der Lust, die sie mit ihren Körpern spendeten. Er war ein Mann von geradezu gefräßigem erotischem Appetit, aber den hochwohlgeborenen Damen zog er schlichte Bäuerinnen vor. Lebenslustige Dirnen, deren einfache und bescheidene Bedürfnisse leicht zu befriedigen waren. Die nicht so taten, als verständen sie Prinzipien wie Ehre und Loyalität und Ergebenheit. Die ihn nicht seiner unwürdigen Herkunft wegen verachteten.

Kurz, er brauchte eigentlich jemand anderen als seine Verlobte, Ariane von Claredon.

Ranulf stieß einen tiefen Seufzer aus und erinnerte sich abermals daran, daß es viel zu spät war, seinen Antrag rückgängig zu machen. Er würde sein Wort halten, den Vertrag erfüllen. Wenn England erobert und Heinrichs Herrschaft gefestigt war, würde er nach Claredon reisen und die Hochzeitsfeierlichkeiten, die er allzu lange aufgeschoben hatte, über sich ergehen lassen. Selbst wenn er lieber gegen ein feindliches Heer gekämpft hätte, als sich seiner Verlobten zu stellen.

Ranulf bemerkte die Absurdität dieses Gedankens und lachte leise über sich selbst. Wie war er in jenes Dilemma geraten? Angst vor einem kleinen Mädchen, das halb soviel wog wie er und vielleicht ein Zehntel seiner Kraft besaß? Was konnte sie ihm eigentlich anhaben?

Ranulf schüttelte den Kopf, um Klarheit in seine Gedanken zu bringen. Warum befaßte er sich mit seiner Braut? Warum überhaupt mit Frauen, welche es auch sei? Der Kampf war das, worauf er sich wirklich verstand. Und zwei, drei schneidige Schlachten waren das, was er wirklich wollte. Und doch ... Seine Zukunft stand auf dem Spiel. In dem Moment, da er den Fuß auf englischen Boden setzte, würde sein Schicksal besiegelt sein. Er konnte nur auf eine Verzögerung hoffen: Aufstände gegen den neuen König, die niedergeworfen werden mußten –

Ranulf wurde durch seidenweiche Arme aus seinen unangenehmen Überlegungen gerissen, die sich von hinten um ihn legten, von einem üppigen, vertrauten weiblichen Körper, der sich verführerisch an seinen schmiegte. Layla spürte die Kälte unter der vom Feuer oberflächlich erwärmten Haut, während sie Ranulf streichelte. Seine verspannten Muskeln lockerten sich. »Sie wird Euch keine solche Lust bereiten wie ich«, gurrte Layla, die jetzt an seinem Bizeps knabberte.

»Sie?«

»Eure englische Braut.«

Ranulf verzog das Gesicht. Er mochte sich nicht über seine Braut auslassen, wollte auch nicht mit seiner Mätresse über das Thema Ehe sprechen. »Sie ist keine Engländerin, sondern Normannin wie die Mitglieder aller tonangebenden Familien dort.«

»Ob Normannin oder Engländerin ... sie wird Euch keine solche Lust bereiten wie Layla.«

»Genug.« Ranulf hob die Hände, um die Arme seiner Konkubine von seiner Taille zu entfernen. »Ich möchte nicht über sie reden.«

Layla stellte sich mit schlangengleicher Bewegung vor Ranulf hin und machte einen Schmollmund. »Verzeiht mir, edler Herr, Layla will Euch nicht erzürnen.«

Ranulfs Lippen kräuselten sich amüsiert. »Nein? Es ist dir ein Vergnügen, mich zu ärgern, das weiß ich doch, Mädchen.«

Unbeeindruckt kam Layla näher, um ihren Mund an Ranulfs Brust zu drücken. Sie ließ ihre Zunge über seine Brustwarze kreisen. Weiter, durch den schwarzen Pelz auf seinem Bauch, und noch weiter, an seinem schlaffen Glied entlang. Und dann kniete sie auf dem steinernen Boden und erregte ihn. »Nur weil ich mich darauf verstehe, meinen prachtvollen Hengst danach wieder zu besänftigen«, flüsterte sie.

»Ja«, bestätigte er mit fast erstickter Stimme. Schon rührte sich etwas in seinen Lenden, pulste sein Schwert. »Was zauderst du? Besänftige mich jetzt.«

Eine Hand auf ihrer Schulter, zog er Layla an sich. Sie wußte, was er von ihr wollte, was er brauchte. Lächelnd schloß sie liebkosende Finger um sein Glied, das jetzt groß und steif war, und nahm es in ihren warmen Mund.

Ranulf schloß lustvoll die Augen. Sein Gesäß straffte sich, während er mit langsamer, schaudernder Zurückhaltung in Laylas Wärme hineinstieß. Dies war seine letzte Nacht in Vernay, und er würde sie nutzen, würde die ungewöhnlichen Fähigkeiten der exotischen Sarazenin voll auskosten.

Seine Hand lag auf ihrem Kopf, während er versuchte, sich in die Lust fallenzulassen, die sie ihm bot, während er sich erfolglos bemühte, sein lachhaftes Dilemma zu vergessen. Er, ein mächtiger normannischer Kriegsherr und einer von Herzog Heinrichs fähigsten Vasallen, hatte sich zum Feigling gewandelt.

Und das war nicht auf seine bedrohlichen Feinde und deren Heere zurückzuführen, sondern auf eine junge Adlige. Ein Mädchen.

Absurderweise, wider alle Vernunft und sämtlichen Argumenten zum Trotz, die er selbst ins Feld brachte, fürchtete Ranulf seine Braut.

Und die Begegnung mit ihr ließ sich nicht mehr lang aufschieben.

Kapitel 2

Burg Claredon, England: April 1155

Als Ranulf seine reizende Braut auf den Zinnen erspähte, reagierte er zunächst mit äußerster Vorsicht. Dann war er angenehm überrascht. Das magere, fast unscheinbare Kind, das er vor fünf Jahren kennengelernt hatte, wies kaum Ähnlichkeit mit der hochgewachsenen, königlichen Schönheit auf, die er jetzt zu Gesicht bekam.

Heiliger Gott! Die jüngsten Meldungen von Arianes verwirrender Schönheit waren vielleicht übertrieben, aber nicht sehr, das mußte Ranulf widerwillig zugeben. Die untergehende Sonne verwandelte ihr helles, zu Zöpfen geflochtenes Haar in lichte Flammen, und ihr feinknochiges Profil hätte aus Alabaster sein können.

Ranulf spürte unwillkürlich ein Gefühl von Spannung in den Lenden und unterdrückte es abrupt. Ansehnliche Frauen sprachen ihn immer an, doch dies war nicht die Zeit, seine Braut zu begehren – gewiß nicht, wenn sie mit dem Gedanken an Verrat gegenüber der Krone spielte.

Ranulf fluchte leise, als er so dastand und Ariane aus dem Schatten heraus beobachtete. Während der vergangenen Monate hatte er in ganz England rebellische Regungen gegen den neuen König unterdrückt, doch der Widerstand aus dieser Richtung kam gänzlich unerwartet. König Heinrich hatte Walter von Claredon zu seinen treuesten Anhängern gerechnet, was Walters Verrat um so empörender machte. Walter hatte sich Hugh Mortimers Revolte in Bridgenorth angeschlossen und damit Heinrichs berühmt-berüchtigten Zorn auf sich gezogen. Ranulf war nach Claredon geschickt worden, damit er den Grundbesitz des Verräters konfiszierte und dessen Tochter festnahm.

Im Moment stand sie kühl und trotzig auf dem Wehrgang, von dem man das Tor überblicken konnte, und leitete die Vorbereitungen zur Verteidigung der Burg. Unten war alles Chaos. Menschen und Tiere wirbelten bunt durcheinander und brachten eine Fülle von ohrenbetäubenden Geräuschen hervor – Rufe, Hufschlag, Schreie, Quieken und Brüllen –, indes sie über die Zugbrücke in den äußeren Burghof strömten. Die Leibeigenen und Dörfler von Claredon waren nicht dumm. Sie suchten Schutz hinter den dicken Mauern der Burg, flohen vor dem Zorn des Schwarzen Drachens.

Doch keiner ahnte, daß jener Ritter schon vor Stunden mit der ersten Flüchtlingswelle durchs Tor gezogen war und nun im Schatten einer Nische in der Mauer stand, nur einen Steinwurf von Ariane entfernt.

»Herr?« flüsterte Burc, sein Schildknappe. »Nehmen wir die Demoiselle jetzt fest oder warten wie noch?«

»Wir warten noch.«

Ranulf würde seiner Verlobten erlauben zu zeigen, was sie vorhatte. Ihr Vater empörte sich offensichtlich gegen König Heinrich, was an sich ihre Verhaftung rechtfertigte, aber es würde leichter mit ihr gehen, wenn sie Sir Walters Verrat verurteilte und kapitulierte. Noch war es möglich, daß sie nachgab, obwohl ihre momentanen Aktionen das Gegenteil nahelegten. Allem Anschein nach rüstete sich die Erbin von Claredon zum Kampf.

Ranulf hätte sie am liebsten gleich verhört, doch er mochte es nicht riskieren, jetzt schon an sie heranzutreten. Erst wenn es dunkel wurde und er sich einigermaßen sicher fühlen konnte in seiner Verkleidung. Die Mönchskutte verbarg mit ihrer Kapuze sein Gesicht und seine Haare, doch seine Körpergröße und muskelstarke Statur ließ sich kaum verbergen. Er hatte die Schultern gekrümmt und sich ein Kissen um den Bauch gebunden, damit er feister wirkte, denn er zog es vor, nicht erkannt zu werden. Es paßte ihm nicht ins Konzept, daß er sich den Weg durch eine so bunte Menge bahnen mußte.

Die Ritter und Bogenschützen mit ihren Rüstungen, die die Zinnen säumten, ließen bereits das verletzliche Fleisch zwischen Ranulfs Schultern zucken. Er trug keinen Kettenpanzer und kein Schwert unter seinem Mönchsgewand und war nur mit einem Dolch bewaffnet. Ranulfs bester Knappe würde, so aufgeweckt er war, wenig Schutz bieten, sollten Claredons Streitkräfte den Feind in ihrer Mitte entdecken. Doch Ranulf hatte sich für die Kutte entschieden, weil sie den geringsten Argwohn weckte, ihm gleichzeitig die beste Gelegenheit gab, seine Verlobte zu beobachten – und ihm ein wirksameres Handeln ermöglichte, falls sie dem Befehl des Königs trotzte und die Tore vor dem Schwarzen Drachen schließen ließ.

Und genau das stand, nach den hektischen Vorbereitungen des Moments zu schließen, unmittelbar bevor.

Ranulf knirschte mit den Zähnen. Wenn seine Braut ihn zwang, die Burg zu belagern und das Leben seiner Männer aufs Spiel zu setzen, würde er es ihr mit dem Schwert vergelten.

Ranulf kniff die Augen zusammen, betrachtete Ariane, ohne es zu wollen, mit Bewunderung. Sie war hochgewachsen, anmutig, gertenschlank, mit rostroter und goldfarbener Rüstung angetan und, so schien es, zu zart, um einen Trupp von Rittern und Bewaffneten gegen ihren neuen Lehnsherren zu führen. Sie würde unter Heinrichs Untertanen weder der erste noch der letzte sein, der es versuchte. Heinrich hatte, seit er vor vier Monaten gelandet war, stets Auseinandersetzungen mit unbotmäßigen englischen Baronen gehabt. Nach der Krönung hatte er sich sofort bemüht, die Ordnung in England wiederherzustellen, Burgen niederzureißen, die während der Regierung des verstorbenen Stephan unrechtmäßig erbaut worden waren, Aufstände niederzuschlagen und sämtliche Anhänger Stephans, die ihrem neuen Herrscher den Treueid verweigerten, zum Einlenken zu zwingen.

Der gegenwärtige Aufstand wurde angeführt von Hugh Mortimer. Hugh wollte an Heinrichs Stelle dessen unehelichen Sohn Wilhelm auf den Thron bringen. König Heinrich belagerte im Moment Hughs Burgen in Shropshire. Und Ranulf war nach Berkshire geschickt worden, um Walter von Claredons Besitz zu konfiszieren und dessen Tochter kaltzustellen. Offenbar überlegte sie gerade angestrengt, was Ranulfs Mißtrauen nur noch vermehrte. Seiner Erfahrung nach führten Frauen ihres Standes, die zuviel dachten, Ungutes im Schilde. Oder sie intrigierten.

Ranulf beobachtete, wie Ariane eine Hand an die Stirn hob und ihren Kopf beugte. Weinte sie? Betete sie?

Egal. Er würde sich nicht von ihren Tränen beeinflussen lassen. Und Gott konnte sie nicht vor seinem, Ranulfs, Zorn bewahren, wenn sie Verrat üben wollte. Wenn auch sie sich gegen Englands rechtmäßigen König erhob, würde sie teuer für ihren Verrat bezahlen. Es lag allein bei ihr.

»Sollen wir die Zugbrücke schließen, edles Fräulein?« erkundigte sich Simon Crecy leise bei seiner Herrin. »Für die meisten Leibeigenen ist gesorgt.«

»Warten wir noch eine Weile«, antwortete Ariane. »Es kann sein, daß die einen oder anderen noch unterwegs sind, um Schutz auf Claredon zu suchen.«

Ariane spürte, daß Simon neben ihr blieb. Als wichtigster Vasall und Befehlshaber der Garnison von Claredon war Simon mit einem Trupp von Rittern und Bewaffneten zurückgelassen worden, während sich Walter auf den Weg zu Hugh Mortimer machte. Ariane war dankbar für Simons Gesellschaft – so wurde ihr die große Last der Verantwortung, die sie trug, ein wenig erleichtert.

»Simon?«

»Ja, my Lady?«

»Ihr habt Eure Sache gut gemacht. Mein Vater wird von Euren Bemühungen erfahren.«

Ariane blickte verstohlen zur Seite und sah, daß Simon bei ihrem Lob rot geworden war. Sie waren gleich groß, aber Simon war um einige Dutzend Jahre älter als Ariane und weitaus erfahrener in politischen und militärischen Dingen. Ariane hatte sich oft gefragt, ob er um ihre Hand angehalten hätte, wäre da nicht ihre Verlobung gewesen.

Meine ewige Verlobung, dachte sie verbittert.

Sie ballte die Fäuste, schob die Erinnerung weg. Ariane hatte sich gelobt, nicht lange bei ihren verlorenen Hoffnungen, ihren gescheiterten Träumen zu verweilen.

Nun hob sie das Kinn und schaute über die Mauer hin auf die frisch ausgesäten Felder von Claredon, auf den Fluß, der sich, golden schimmernd im Sonnenuntergang, dem Horizont entgegenwand. Alles wirkte so friedlich und war trotzdem eine Illusion.

Ariane hatte nie gewußt, was echter Friede ist. Sie war in einer der turbulenten Zeiten der englischen Geschichte aufgewachsen, und ihr Vater hatte seinen Besitz zwar durch kluge Taktik und geschickte Strategie vor der Verheerung zu schützen vermocht, die England während eines großen Teils von Stephans Herrschaft widerfahren war, doch ansonsten war nichts in ihrem Leben unberührt geblieben. In den vergangenen zehn Jahren hatte Walter ein Vermögen ausgegeben um rings um Claredon steinerne Umwallungen errichten zu lassen statt der alten hölzernen, aber keine Mauer konnte so lang sein, daß sie auch das Land vor einer Besatzungsarmee geschützt hätte. Wenn der Herr von Vernay Claredon belagerte, würde er zunächst die Felder und Scheunen und Bauernhäuser zerstören, um die Burgbewohner auszuhungern und zur Kapitulation zu zwingen.

Und sein Heer war auf dem Marsch. Der verzweifelte Bote, der am Morgen mit der unglaublichen Nachricht des Verrats von Arianes Vater eingetroffen war, hatte auch vor den Streitkräften des Schwarzen Drachens gewarnt.

Heilige Maria, Mutter Gottes, wie fürchtete Ariane den Krieg! Gab es eine Möglichkeit, ihn zu verhindern, ohne bedingungslos zu kapitulieren? Konnte sie ihren Leuten das Leben retten und doch ihrem Vater gegenüber loyal bleiben? Sie hatte versprochen, Burg Claredon in seiner Abwesenheit zu halten, und sie würde sich eher mit siedendem Öl übergießen lassen, als ihn zu enttäuschen.

»Simon?« fragte Ariane besorgt. »Glaubt Ihr, daß wir den richtigen Kurs einschlagen?«

Simon schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Herrin. Aber ich glaube, das hätte sich mein Herr Walter gewünscht. Und was Euren Verlobten angeht: den kennt Ihr besser als ich.«

»Das möchte ich bezweifeln. Ich bin ihm nur einmal kurz begegnet, und da war ich noch sehr jung.« Ariane verzog den Mund zu einem freudlosen Lächeln, als sie sich an ihre faszinierende Begegnung mit Ranulf von Vernay erinnerte.

Damals hatte Ariane ihr Herz verloren. Sie hielt den Herrn von Vernay für einen wunderbaren Mann, für die Verkörperung eines Jungmädchentraums. Und sie hatte sich damals geschworen, Ranulf eine gute, treue Frau zu sein.

Welche Torheit!

»Ich habe ihn für freundlich und zart gehalten«, murmelte sie Simon zu. »Könnt ihr fassen, wie sehr ich mich geirrt habe?«

»Ich habe Furchterregendes über ihn erfahren.«

Auch Ariane hatte die Geschichten im Laufe der Jahre gehört – über die Fähigkeiten des Schwarzen Drachens beim Kampf, über seine gnadenlose Rache. Schon sein Name, abgeleitet von seinem Wappentier, weckte Angst und Schrecken bei Männern, die keine alten Haudegen waren.

»Manche Leute sagen, von Vernay sei Heinrichs bester Feldherr«, erklärte Simon. »Und sein brillantester Stratege. Jedenfalls ist bekannt, daß er seinen eigenen Vater zur offenen Feldschlacht herausgefordert und besiegt hat. Ein sehr widernatürlicher Sohn.«

Ariane verstummte. Dies waren die schockierendsten Geschichten über Lord Ranulf. Seine wohlgeborene Mutter, so lautete das Gerücht, habe sich, bevor Ranulf zur Welt kam, einen bäuerlichen Liebhaber gehalten, er konnte also durchaus der Sohn eines gewöhnlichen Freisassen sein. Sicher war, daß Yves von Vernay an seiner Vaterschaft gezweifelt hatte. Selbst nach dem Tod seiner zwei älteren Söhne weigerte er sich, Ranulf als Erben anzuerkennen. Der Schwarze Drache hatte mit der Waffe in der Hand beansprucht, was er für sein Eigentum hielt.

»Es müßte recht gut gehen«, sagte Simon gerade. »Unsere Streitkräfte sind in Stellung. Dank Eurer Bemühungen, Herrin, haben wir genug Vorräte. Eine Weile halten wir jede Belagerung durch.«

»Und Ihr habt meinen Vater in Bridgenorth benachrichtigt?«

»Mit zwei separaten Boten, Herrin, weil sie dann bessere Aussichten auf einen Durchbruch haben. Wenn es Sir Walter freisteht zu kommen, wird er das tun.«

Wenn es ihm freisteht ...

Ariane schüttelte den Kopf. Ihr Schock über die neueste Wendung der Ereignisse hatte sich noch nicht gelegt. Man bezichtigte ihren Vater des Hochverrats: er habe sich mit Hugh Mortimer gegen die Krone verschworen. Sie konnte einfach nicht glauben, daß er schuldig war, sie kannte ihn zu gut.

Simon unterbrach Ariane in ihren bangen Gedanken. »Die Zugbrücke, my Lady« , drängte er. »Es ist gefährlich, noch länger zu zaudern.«

»Ja«. Ariane sah auf den Weg nach Claredon hinunter und merkte, daß die letzten Nachzügler den Burghof betreten hatten. »Schließen wir das Tor.«

Simon drehte sich um und rief einem Wächter etwas zu. Unmittelbar darauf rasselten Ketten: die große Holzbrücke wurde langsam hochgezogen.

Und keinen Moment zu früh, denn in der Ferne sah man jetzt eine Wolke goldenen Staubs – die Art Gebilde, die ein rasch nahendes Herr aufwirbelte. Ariane spürte, wie sich ihr Magen vor Furcht verkrampfte.

Der Schwarze Drache. Ihr Verlobter. Der Mann, mit dem sie schon lange hätte verheiratet sein sollen.

Der Krieger, der nie gekommen war, um sie als Braut heimzuholen.

Arianes Nerven lagen bloß, als die Horde in sicherem Abstand vor den Burgmauern haltmachte.

Die Sonne war bereits untergegangen, doch Ariane erkannt einen Trupp von ungefähr zweihundert Leuten – ein Viertel von ihnen angsterregende, normannische Ritter mit spitz zulaufenden Stahlhelmen und langen Kettenhemden auf schnaubenden Schlachtrössern, Lanzen und Schilde und Bereitschaft. Die übrigen waren Bogenschützen und Fußsoldaten in Lederrüstung. Ein Banner – schwarzer Drache auf rotem Feld – wehte über der Schar.

Bald löste sich ein gepanzerter Ritter aus der Formation und bewegte sich mit weißer Parlamentärsflagge der Burg entgegen, um in Verhandlungen einzutreten. Ariane zuckte zusammen, als sie einen Trompetenstoß von dem Feind hörte, obwohl sie natürlich wußte, daß damit zu rechnen gewesen war. Sie registrierte Simon Crecys Gegenwart abermals mit Dankbarkeit.

Der Ritter hielt mit seinem Braunen in Hörweite an und rief zu den Verteidigern auf den Zinnen hinauf: »Im Namen Heinrichs, des Herzogs der Normandie und rechtmäßigen Königs von England, befehle ich Euch, die Tore zu öffnen!«

Ariane holte tief Luft und antwortete, obwohl ihre Stimme weder so kräftig noch so klar war, wie sie es sich gewünscht hätte: »Warum, edler Herr, sollen wir Euch, die ihr sichtlich gekommen seid, um zu kämpfen, die Tore öffnen?«

Eine Pause trat ein, als hätte Arianes Frage den Ritter überrascht. »Weil es Verrat wäre, dies zu verweigern. König Heinrich hat Walter von Claredons Festnahme angeordnet und dessen Ländereien und Besitzungen an den Herrn von Vernay übertragen, der Eure sofortige Kapitulation fordert. Ich habe die Erklärung des Königs bei mir.« Der Bote hielt ein Pergament empor, damit Ariane es sehen konnte.

Sie zwang sich, die Finger, die sie zu Fäusten geballt hatte, zu entkrampfen. »Ich bin die Herrin von Claredon. Habe ich die Ehre, mit dem Herrn von Vernay zu sprechen?«

»Ich bin sein Vasall, Demoiselle. Mein Name ist Payn FitzOsbern. Lord Ranulf hat mich damit betraut, die Bedingungen Eurer Kapitulation auszuhandeln.«

Ein Teil der Verspannung fiel von Ariane ab. Dies war nur der Bote des Schwarzen Drachen ...

»Eurer Herr hatte nicht die Zeit, selbst hierherzukommen?« fragte sie. »Ich würde meinen, wenn ihm wirklich wichtig wäre, was mit Claredon geschieht, wäre er mit gebührender Eile hierhergeritten.«

»Edles Fräulein ... er ... er ist aufgehalten worden.«

»Ach ja?« Arianes Stimme troff vor Ironie. »Doch, ich erkenne selbst, daß fünf Jahre zu kurz sein mögen für einen Besuch bei der Frau, mit der man verlobt ist.«

FitzOsbern zögerte, er war offensichtlich um Worte verlegen. »Demoiselle, werdet Ihr die Tore öffnen?«

»Ich bespreche das, was ich zu tun gedenke, mit Ranulf von Vernay und keinem anderen. Das könnt Ihr ihm ausrichten.«

Eine Pause trat ein. »Eure Antwort wird ihm nicht gefallen.«

Ariane lächelte kühl. Die Weigerung ihres Verlobten, in eigener Person nach Claredon zu kommen, war vielleicht berechnend gemeint, aber sie konnte ihren Vorteil daraus ziehen. »Trotzdem werdet Ihr ihm diese Antwort übermitteln.«

Ariane spürte die Frustration des Ritters deutlich. »Ihr weigert Euch also, uns die Burg zu übergeben?«

»Ich betone noch einmal, daß ich dieses Thema gern mit dem Herrn Ranulf selbst bespreche. Bitte bestellt ihm meine Grüße. Das ist alles, edler Ritter.«

FitzOsbern faßte die Stange seiner Parlamentärsflagge fester, eindeutig abgeneigt zu akzeptieren, daß er entlassen war. Ariane beobachtete ihn, bis er schließlich kehrtmachte mit seinem tänzelnden Pferd, zu den Streitkräften seines Herrn zurückritt.

Langsam stieß sie den Atem aus. Mit einigem Glück war es ihr gelungen, Zeit zu gewinnen, bevor die Belagerung begann – ein, zwei Tage vielleicht, doch jeder Aufschub konnte für die Chancen ihres Vaters von entscheidender Bedeutung sein. Solange Sir Walter Claredon besaß, blieb er jemand, mit dem König Heinrich rechnen mußte. Selbst ein überführter Verräter konnte mit Hilfe von Besitz um sein Leben schachern.

Ariane tröstete sich mit dem Gedanken, daß ihre Reaktion bis jetzt kein direkter Trotz gegen den Befehl des Königs gewesen war. Doch sie würde sich bald entscheiden müssen. Der Schwarze Drache würde zweifellos wütend sein, wenn er erfuhr, daß sie sich geweigert hatte, die Burg seinem Abgesandten zu übergeben, aber ihr war keine andere Wahl geblieben. Ohne Claredon konnte sie ihrem Vater nicht helfen. Und sie würde ihn nicht enttäuschen wie so viele Male zuvor. Sie würde ihn nicht im Stich lassen, auch wenn es sie den letzten Atemzug kostete.

»Es macht den Eindruck, daß sie ein Lager aufschlagen, Herrin«, bemerkte Simon.

Ariane nickte müde und resigniert. In der zunehmenden Dunkelheit konnte sie sehen, daß Ritter absaßen. Ihre Knappen kümmerten sich geschwind um Pferde und Waffen, während die Bogenschützen gegenüber von der Burg eine Verteidigungslinie aufbauten. Bald würden Zelte stehen und Feuer brennen – und Payn FitzOsbern würde wahrscheinlich einen Boten zu seinem Lehnsherrn schicken. Dann konnte es durchaus sein, daß Lord Ranulf selbst kam.

Ariane schauderte im Abendwind. Sie hätte sich in Wahrheit lieber mit Hunderten seiner Gesandtenabgegeben als mit dem Herrn von Vernay selbst.

»Ist Euch kalt, Demoiselle? Erlaubt mir, daß ich einen Mann zum Turm schicke. Der soll Euren Umhang holen.«

»Danke, Simon.« Der Frühling war dieses Jahr zeitig in England eingezogen. Trotzdem lag in der feuchten Luft etwas Schneidendes, das Ariane durch ihr wollenes Über- und Untergewand und ihr Leinenhemd spürte. Und ihre Bangigkeit verstärkte zweifellos das Kältegefühl.

Simon ging, und Ariane beklagte die Unzulänglichkeiten der Weiblichkeit. Wäre sie ein Mann gewesen, so hätte sie Ranulfs Ritter zum offenen Kampf auf dem Schlachtfeld herausfordern können ...

Sie preßte die Lippen Zu einem bitteren Lächeln zusammen. Wäre sie ein Mann gewesen, so hätte sie nie Ranulf von Vernays Bekanntschaft gemacht. Zumindest wäre sie nicht mit ihm verlobt worden, damit ihr Vater einen Verbündeten für Claredon gewann.

Heilige Maria, warum war sie nicht als Mann auf die Welt gekommen? Wieviel besser, ein Sohn zu sein, dessen Vater darauf bauen konnte, daß er seinen Adelstitel übernehmen und den schwererrungenen Besitzstand wahren würde! Welche Freiheit, zu den Waffen zu greifen und sein Land zu verteidigen, statt bloß eine Marionette in den politischen Spielen von Männern zu sein! Oder, schlimmer noch, eine vernachlässigte Braut, die unter den Launen ihres zögerlichen Bräutigams leiden mußte!