Glut der Versuchung - Nicole Jordan - E-Book

Glut der Versuchung E-Book

Nicole Jordan

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Beschreibung

Um das Geheimnis der Liebe kennenzulernen, begibt sich die charmante Roslyn Loring in die Hände des attraktiven, bei den Damen äußerst beliebten Drew, Herzog von Arden. Die Frauenwelt munkelt, er sei der beste Liebhaber Londons. So kommt auch Roslyn bald in den Genuss seines Könnens. Doch dann wird aus der Spielerei Ernst, denn das Feuer der Leidenschaft erfasst die beiden mit aller Macht.

Nicole Jordans Romane sind voll knisternder Erotik.

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Seitenzahl: 534

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Zum Buch

Als Roslyn Loring auf einem Ball erstmals Drew Montcrief begegnet, ist sie wie elektrisiert: Der Duke ist nicht nur äußerst gutaussehend, sondern auch berühmt-berüchtigt. Hinter vorgehaltener Hand munkelt die gesamte Damenwelt von seinen herausragenden Fähigkeiten in der Kunst der Liebe. In Roslyn reift ein gewagter Plan: Sie erwählt Drew zu ihrem »Lehrer«, um sich damit auf ihren Ehemann »vorzubereiten«. Denn ihren Zukünftigen hat sich die entschlossene Roslyn längst auserkoren. Drew ist dem einen oder anderen Abenteuer gegenüber nicht abgeneigt – und erklärt sich ohne weitere Umstände dazu bereit, auf Roslyns Ansinnen einzugehen. Bald schon verlieren die beiden die Kontrolle über ihr gefährliches Spiel: Der stets distanzierte Drew wird plötzlich von Gefühlen überwältigt, die ihm bislang unbekannt waren. Und auch Roslyn sieht das Bild ihres Zukünftigen immer mehr verblassen, wenn sie sich der Umarmung ihres »Lehrers« hingibt …

Zum Autor

Nicole Jordan ist eine äußerst erfolgreiche Autorin historischer Liebesromane. Ihre Bücher erscheinen regelmäßig auf den amerikanischen Bestsellerlisten und wurden bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Nicole Jordan lebt in Utah.

Lieferbare Titel

»Spiel der Sehnsucht«

Inhaltsverzeichnis

Buch und AutorinCopyrightWidmungErstes KapitelZweites Kapitel Drittes Kapitel Viertes Kapitel Fünftes Kapitel Sechstes Kapitel Siebtes Kapitel Achtes Kapitel Neuntes Kapitel Zehntes Kapitel Elftes Kapitel Zwölftes Kapitel Dreizehntes Kapitel Vierzehntes Kapitel Fünfzehntes Kapitel Sechzehntes Kapitel Siebzehntes Kapitel Achtzehntes Kapitel Neunzehntes Kapitel Zwanzigstes Kapitel Epilog

Das Original TO BED A BEAUTY erschien bei Ballantine Books, New York.

Vollständige deutsche Erstausgabe 09/2009 Copyright © 2008 by Anne Bushyhead Copyright © 2009 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH Umschlagillustration: © Pino Daeni via Agentur Schlück GmbH Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München Dieses Werk wurde vermittelt durch die Agenturen: Spencerhill Associates, Ltd. und Interpill Media GmbH, Hamburg Satz: IBV Satz- und Datentechnik GmbH, Berlin

eISBN: 978-3-641-18773-6

www.heyne.de

www.randomhouse.de

Meinen wundervollen Komplizinnen Sandra Anglain Chastain, Ann Howard White und Patricia Lewin. Ihr seid einfach die Größten!

Erstes Kapitel

Wie erstaunlich, dass ein Gentleman eine vollkommen Fremde bittet, seine Mätresse zu werden, ohne sich ihr überhaupt vorgestellt zu haben.

Miss Roslyn Loring an Fanny Irwin

London, im Juni 1817

»Man sagt, er wäre ein fantastischer Liebhaber.«

Eine solch provokante Bemerkung konnte Roslyn Loring unmöglich ignorieren, und so wanderte ihr Blick quer durch den überfüllten Ballsaal zum fraglichen Gentleman, der eben eingetroffen war.

Persönlich hatte sie den gut aussehenden, verwegenen Duke of Arden noch nicht kennengelernt, allerdings schon unzählige Geschichten über ihn gehört. Er war ein Bild von einem wohlhabenden Aristokraten. Sein helles Haar schimmerte bernsteinfarben im Schein der Kronleuchter, seine eindrucksvolle, elegante Gestalt war in einen capeartigen Umhang gewandet – das einzige Zugeständnis an die Kostümpflicht bei diesem Ball.

Da er keine Maske trug, waren seine auffallend schönen Züge für jedermann und vor allem für jede Dame gut sichtbar. Tatsächlich schien seine Anwesenheit sämtliche Gäste zu begeistern, außer Roslyn. Ein ganzer Schwarm Ballschönheiten mühte sich darum, von ihm beachtet zu werden.

»Und was macht ihn so fantastisch?«, fragte Roslyn, die eine gewisse Faszination verspürte, wenngleich ihr die Ankunft des Dukes alles andere als willkommen war.

Ihre Freundin Fanny Irwin lächelte. »Seine sinnlichen Fertigkeiten natürlich, meine Liebe. Man erzählt sich, er könnte Damen zum Weinen bringen.«

Hinter ihrer Maske zog Roslyn die Brauen hoch. »Was, um Himmels willen, ist so kunstfertig daran, eine Dame zum Weinen zu bringen?«

»Zum Weinen vor Wonne, meine Liebe. Arden ist außergewöhnlich, weil er einer Frau außergewöhnliche Freuden zu bescheren vermag.«

»Das kann ich mir nicht vorstellen.«

Fanny antwortete mit jenem melodischen Lachen, das nicht unerheblich zu ihrem Erfolg als begehrteste Kurtisane Londons beigetragen hatte. »Ich hoffe nicht! Immerhin hast du keinerlei Erfahrung in solchen Dingen. Dennoch sind Männer selten, denen die Befriedigung ihrer Gespielin ein Anliegen ist oder die gar ihr Vergnügen über das eigene stellen. Liebhaber dieser Couleur sind von unschätzbarem Wert.«

Roslyn wurde nachdenklich. Sie war heute Abend hergekommen, um einige Erfahrungen zu sammeln. Allerdings hatte sie nicht das geringste Verlangen, mit dem Duke zu beginnen. Arden war ein enger Freund ihres neuen Vormunds, des Earl of Danvers, der sich unlängst mit ihrer älteren Schwester Arabella verlobt hatte. Daher wollte Roslyn vom Duke hier, auf dem skandalträchtigen Maskenball der Freudendamen, nicht gesehen werden. Schließlich würde sie ihm in zwei Wochen bei der Hochzeit ihrer Schwester offiziell vorgestellt, und es wäre nicht auszudenken, sollte er sich bei der Gelegenheit entsinnen, sie auf diesem Maskenball bemerkt zu haben.

Zweifellos wäre seine Durchlaucht entsetzt ob ihres kühnen Ausflugs ins Glitzerreich der »Demimonde«. Arabella zufolge stand Arden der Verlobung seines Freundes äußerst kritisch gegenüber. Er wollte nicht glauben, dass Lord Danvers sich Hals über Kopf und unsterblich in die älteste Loring-Schwester verliebt hatte.

Und nun, da sie ihn sah, konnte Roslyn sich seine zynische Reaktion lebhaft vorstellen. Seine kantigen, klaren Züge waren bemerkenswert attraktiv, und sein Auftreten entsprach dem, was Roslyn von einem Aristokraten seines Rangs erwartet hätte: elegant, selbstbewusst und ein bisschen gebieterisch. Andererseits gaben Arden wohl sein beträchtliches Vermögen und sein Einfluss das Recht, arrogant zu sein, vermutete Roslyn.

Dass er überdies in dem Ruf stand, ein solch ungewöhnlicher Liebhaber zu sein, überraschte sie allerdings.

Ihre Gedanken wurden von Fanny unterbrochen, die mit ihren freizügigen Bemerkungen fortfuhr: »Nicht, dass ich persönliche Erfahrungen mit dem Duke vorweisen könnte. Er zieht es vor, immer nur eine Mätresse auf einmal zu unterhalten. Fraglos dürfte er aus diesem Grund heute hergekommen sein – um sich eine neue Mätresse zu suchen.«

»Was ist mit der letzten geschehen?«, fragte Roslyn.

»Sie erhob Besitzansprüche, meine Liebe, ein Kardinalfehler, wenn man einen Gentleman behalten möchte. Vor allem bei einem Adligen wie Arden, der die freie Auswahl unter den Damen hat.«

Er schien die Ware zu begutachten, wie Roslyn aus der gelassenen Art schloss, mit der sich der Duke im Ballsaal umschaute. In dem Moment streifte sein Blick sie und verharrte. Unwillkürlich machte sie einen Schritt zurück. Sie war inkognito hier, ihre obere Gesichtshälfte von einer Maske bedeckt und ihr hellblondes Haar unter einer gepuderten Perücke sowie einer breitkrempigen Haube verborgen.

Aber vielleicht war es ihre Einzigartigkeit, die seine Aufmerksamkeit fesselte. Obwohl das Schäferinnenkleid, das sie sich von Fanny geliehen hatte, ein für Roslyns Begriffe sehr tiefes Dekolleté hatte, war ihr Kostüm doch eher keusch verglichen mit denen anderer Damen. Die meisten waren auffallend spärlich gewandet, verkleidet als griechische Göttinnen, römische Sklavinnen oder türkische Haremsschönheiten. Fanny war als Kleopatra gekommen, was sehr gut zu ihren exotischen Zügen und ihrem rabenschwarzen Haar passte.

Als Roslyn bemerkte, dass Arden sie immer noch ansah, setzte ihr Herz kurzzeitig aus. Trotz der räumlichen Distanz fühlte sie die Wirkung seines durchdringenden Blicks.

»Er sieht mich direkt an«, murmelte sie.

»Das überrascht mich nicht«, entgegnete Fanny amüsiert. »Bei einem solchen Fest sind Eleganz und Unschuld, wie du sie in dir vereinst, ein rarer Anblick. Du bist eine seltene englische Rose inmitten der hier käuflichen exotischeren Blüten.«

Roslyn warf ihrer Freundin einen empörten Blick zu. »Du weißt sehr wohl, dass ich nicht käuflich bin.«

»Aber er weiß es nicht. Arden nimmt selbstverständlich an, dass du hier bist, um deine Reize zu zeigen und deine Dienste zu verkaufen.«

»Nun, das bin ich nicht. Ich kam lediglich hierher, um mir anzusehen, wie deine Kolleginnen sich ihren Kunden gegenüber verhalten.«

»Du solltest dich geschmeichelt fühlen, das Interesse seiner Durchlaucht zu wecken«, bemerkte ihre Freundin scherzhaft.

»Gütiger Himmel, ich fühle mich nicht geschmeichelt, Fanny! Vielmehr bin ich schockiert. Arden darf unter keinen Umständen herausfinden, wer ich bin. In zwei Wochen begegnen wir uns in der Kirche wieder, und ich möchte nicht, dass er meinem neuen Vormund peinliche Geschichten über mich zuträgt. Am besten suche ich mir eine große Pflanze, hinter der ich mich verstecken kann. Oh nein, er kommt auf uns zu!«

Roslyn trat noch einen Schritt zurück und schlich hinter eine Marmorsäule. Ihr entging das Lachen in den Augen ihrer Freundin nicht.

»Du kannst aufhören, dich darüber zu amüsieren, Verräterin«, murmelte Roslyn. »Es ist nicht deine Reputation, die hier in Gefahr ist.«

»Nein, wohl kaum, denn meine habe ich bereits vor Jahren drangegeben.« Auf einmal wurde Fanny etwas ernster. »Und es ist umso besser, dass du kein Interesse an Arden hast, Roslyn. Er mag ein umwerfender Liebhaber sein, aber angeblich hat er kein Herz. Und du wünschst dir einen Mann, der imstande ist, sich zu verlieben.«

»Ja, ganz genau.«

Sie beabsichtigte, eines Tages aus Liebe zu heiraten, und zynische, verwegene Dukes waren nicht unbedingt berühmt dafür, dass sie Verbindungen aus anderen Gründen als Pflichterfüllung und Bequemlichkeit eingingen.

Roslyn neigte den Kopf leicht, um hinter der Säule hervorzulinsen. »Er kommt näher!« Beunruhigt sah sie sich zu den Türen weiter hinten um. »Hier kann ich nicht bleiben. Ich muss mich irgendwo verstecken, bis er wieder gegangen ist.«

»Weiter hinten gibt es eine Galerie mit zahlreichen Nischen, in denen die Paare etwas intimer sein können. Gewiss sind sie noch nicht alle besetzt, denn die Nacht ist ja noch jung. Was hältst du davon, wenn du dich in eine von ihnen zurückziehst? Arden bleibt nie lange auf diesen Anlässen. Ich hole dich, sobald er fort ist.«

»Eine hervorragende Idee!«, sagte Roslyn und drehte sich rasch um.

»Lauf nicht zu schnell«, riet Fanny ihr. »Das weckt höchstens seinen männlichen Jagdinstinkt.«

Roslyn zwang sich, stehen zu bleiben, und blickte über die Schulter zurück. »Ich habe nicht vor, irgendeines Mannes Beute zu werden. Und falls er dich anspricht, Fanny, erwähne mich bitte mit keinem Wort.«

Ihre Freundin tat übertrieben verletzt. »Wie kannst du so etwas denken? Ich bin die Diskretion in Person. Und jetzt geh! Er wird dich vergessen, wenn er dich nicht finden kann. Sollte er dennoch beharrlich bleiben, versuche ich, ihn in die Irre zu führen.«

»Ich wünschte, du würdest ihn zum Teufel jagen«, flüsterte Roslyn und ging. Sie ärgerte sich, dass Arden durch sein unerwartetes Erscheinen ihre Pläne für den heutigen Abend ruinierte. Sie war hier, um zu ergründen, wie eine Dame die Begeisterung eines Gentlemans weckte. Dass sie nun gezwungen war, sich zu verstecken, half ihr dabei natürlich nicht.

Gesenkten Hauptes drängte sie sich durch die Menge und zu einer der hinteren Türen hinaus. Auf der anderen Seite erstreckte sich ein Korridor, der nur schwach beleuchtet war. Sobald sich ihre Augen an das gedämpfte Licht gewöhnt hatten, eilte sie den Korridor entlang, bis sie zu der Galerie kam, von der Fanny gesprochen hatte. Anscheinend zog sie sich über die gesamte eine Seite des Gebäudes hin. Alle Räumlichkeiten abseits des Ballsaals waren so wenig wie möglich beleuchtet, um den richtigen Rahmen für kleine Stelldicheins zu bieten.

Wie Fanny bereits vermutet hatte, waren noch zahlreiche Nischen leer. Roslyn schlüpfte in die letzte Nische zur Linken und ließ die Samtvorhänge hinter sich herunter. Nun wurde der kleine abgeteilte Raum nur noch vom Mondlicht erhellt, dass durch die große Glasflügeltür hineinfiel.

Weil sie viel zu rastlos war, um ruhig auf der einladenden Chaiselongue zu sitzen, öffnete Roslyn die Flügeltür. Die nächtliche Juniluft war kühl und feucht, verglichen mit der stickigen, parfümschweren Wärme im Ballsaal. Mit einem resignierten Seufzer trat Roslyn hinaus auf den kleinen Balkon und bereitete sich darauf vor, einige Zeit warten zu müssen, bis der Duke wieder fort war.

»Zum Teufel mit ihm«, verfluchte Roslyn den Adligen, der ihr nun Unannehmlichkeiten bereitete. »Wieso muss er ausgerechnet dann erscheinen, wenn der Ball gerade interessant wird?«

Sie hatte sich viel von dem Abend versprochen. Noch nie war sie auf einer Gesellschaft gewesen, wo außer ihr ausschließlich leichte Mädchen verkehrten, und was sie bisher gehört und gesehen hatte, faszinierte sie.

Überhaupt hatte Roslyn bis vor kurzem kaum gesellschaftlichen Umgang jedweder Art gepflegt, sondern zurückgezogen auf dem Land gelebt, in Danvers Hall, nahe dem Ort Chiswick, der gut sechs Meilen westlich von London lag. Dort hatte sie zusammen mit ihren Schwestern und ihrem mürrischen Stiefonkel und Vormund gewohnt, dem Earl of Danvers, der sie widerwillig aufnahm, nachdem ihre Eltern schreckliche Skandale heraufbeschworen hatten.

Vor vier Jahren war ihre Mutter mit ihrem Geliebten auf den Kontinent durchgebrannt. Danach verspielte ihr Wüstling von Vater sein gesamtes Vermögen und wurde in einem Duell getötet, bei dem es um eine seiner Mätressen ging. Der Vorfall ruinierte die Chancen der Loring-Schwestern auf eine gute Heirat endgültig.

Sie ertrugen die Schmach, die Abweisung und die Armut, die nun folgten, und fanden sogar eine Möglichkeit, sich ihren Unterhalt zu verdienen, statt der Gnade ihres knauserigen Stiefonkels ausgeliefert zu sein. Mit Hilfe einer wohlhabenden Schirmherrin gründeten sie eine Akademie, in der Töchter vermögender Kaufleute und Industrieller lernten, sich wie vornehme Damen zu benehmen und in der feinen Gesellschaft zu bestehen.

Roslyn traf es von allen dreien am härtesten, dass sie praktisch keine Aussichten mehr auf eine anständige Heirat hatte. Heimlich träumte sie immer noch von einer Liebesheirat und von Kindern. Zwar entstammte sie einer angesehenen Familie und hatte eine hervorragende Erziehung genossen, aber ihr mangelndes Vermögen und die Skandale ihrer Eltern minderten Roslyns Chancen beträchtlich.

Noch schädlicher war ihr Aussehen. Zu ihrem großen Bedauern galt Roslyn weithin als die Schönste der drei Schwestern. Sie hatte goldblondes Haar, feine Züge und war groß und schlank, was sie trügerisch zart wirken ließ. Diese scheinbare Zerbrechlichkeit im Verein mit der Ungnade, in die ihre Familie gestürzt war, und dem fehlenden männlichen Beschützer, machten Roslyn zu einem beliebten Ziel verrufener Wüstlinge. Mehr als einmal war sie mit beschämenden Angeboten solcher Unholde konfrontiert gewesen, die ihr unumwunden offerierten, sie zu ihrer Mätresse zu machen.

Allein bei dem Gedanken daran schüttelte es sie.

Roslyn biss die Zähne zusammen und trat näher an das Balkongeländer, um hinunter auf die fast leere Straße zu sehen. Niemals würde sie die Mätresse eines Mannes werden. Ebenso wenig wie sie jemals aus einem anderen Grund als wahrer Liebe heiraten würde.

Deshalb hast du beschlossen, dein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und dir einen Ehegatten zu suchen, der deine Ideale teilt.

Bevor sie das jedoch tun konnte, besserten sich ihre bedauernswerten Umstände erheblich. Vor mehreren Monaten starb ihr alter Stiefonkel, woraufhin der neue Earl of Danvers, Marcus Pierce, zu ihrem Vormund wurde. Nicht willens, mit drei ledigen Damen belastet zu sein, hatte er seine Absicht erklärt, für sie alle passende Ehemänner zu finden. Mit diesem Ansinnen verärgerte er vor allem die älteste Schwester, Arabella, in solchem Maße, dass sie sich auf einen erbitterten Kampf mit ihm um ihre Unabhängigkeit einließ, der gänzlich unerwartet mit ihrer gemeinsamen Verlobung endete.

Roslyn freute sich sehr für Arabella und war auch um ihretwillen dankbar, denn Marcus hatte seinen beiden jüngeren Mündeln großzügig gesetzliche und finanzielle Unabhängigkeit geschenkt, auf dass sie ihre Zukunft selbst bestimmen könnten.

Was für eine Zukunft sie wollte, wusste Roslyn ganz genau, wenngleich sie sich nicht sicher war, wie sie ihre Vorstellungen verwirklichen könnte. Deshalb hatte sie sich an Fanny Irwin gewandt, die sie bereits seit ihrer Kindheit kannte und von der Roslyn einiges zu lernen gedachte. Fanny war einst eine junge Adlige von untadeligem Ruf gewesen, hatte dann aber mit sechzehn ihr Zuhause verlassen, um zu einem der begehrtesten Freudenmädchen Londons zu avancieren.

Als Roslyn das Thema letzte Woche erstmals aufbrachte, war Fanny allerdings konsterniert gewesen. »Du hast hoffentlich nicht vor, das Leben einer Kurtisane aufzunehmen, Roslyn!«

»Nein, ganz und gar nicht.«

»Gut, denn ich habe nicht die Absicht, dich zu verderben.«

Roslyn hatte gelächelt. »Ich möchte auch nicht verdorben werden, Fanny. Ich möchte lediglich in ein paar deiner Geheimnisse eingeweiht werden … insbesondere in die Kunst, einen Gentleman in mich verliebt zu machen.«

»Wozu in aller Welt?«

»Weil ich hoffe, in absehbarer Zeit eine respektable Vermählung einzugehen, aber ich wünsche mir, dass mein Gatte mich liebt. Wie es scheint, verlieben sich Gentlemen gemeinhin in ihre Mätressen, weit seltener indes in ihre Ehefrauen, weshalb ich zu dem Schluss kam, dass es hilfreich wäre zu erfahren, wie eine begabte Mätresse es anstellt, einen Mann für sich einzunehmen.«

Fanny hatte sie eine Weile lang mit großen Augen angesehen, bevor sie anfing, herzlich zu lachen. »Ich hatte fast vergessen, wie wissenschaftlich du an alles herangehst, meine Liebe.«

»So bin ich nun einmal«, hatte Roslyn ihr beigepflichtet. »Aber leider verfüge ich über keinerlei Kenntnisse, was die Fertigkeiten betrifft, die es braucht, das Herz eines Mannes zu gewinnen. Und du bist die erfolgreichste Kurtisane, die ich kenne.«

»Ich bin die einzige Kurtisane, die du kennst«, hatte Fanny erwidert.

»Richtig, dennoch könnte ich gewiss eine andere finden, die mich anleitet.«

Fanny hatte eine Grimasse gezogen. »Arabella würde mir den Kopf abreißen, ließe ich das zu. Hast du schon einen bestimmten Ehemann im Kopf?«

»Ja, habe ich. Den Earl of Haviland. Kennst du ihn?«

»Ich habe seine Bekanntschaft gemacht. Haviland kam erst kürzlich zu seinem Titel und dem beträchtlichen Vermögen, nicht wahr?«

»Ja, und sein Anwesen auf dem Land grenzt an Danvers Hall.«

»Ist er denn auf der Suche nach einer Braut?«, hatte Fanny gefragt.

»Es geht zumindest das Gerücht um, er wäre es.«

»Und du möchtest als Kandidatin in Betracht gezogen werden?«

Prompt war Roslyn errötet. »Nach allem, was ich in den letzten Monaten gesehen habe, glaube ich, dass Haviland ein guter Ehemann für mich sein könnte. Wir haben uns ein wenig angefreundet, und ich denke, er fühlt eine gewisse … Sympathie für mich, von der ich hoffe, dass sie zu etwas weit Stärkerem wachsen kann. Ich traue mir aber nicht zu, sein Herz zu erobern.«

Fanny war nachdenklich geworden. »Ist es nicht recht anspruchsvoll, auf eine Liebesheirat mit Haviland zu hoffen? Du weißt, dass es Alternativen gibt, nicht wahr? Trotz deiner Familiengeschichte bist du die Tochter eines Baronets und außerdem eine der größten Schönheiten des Landes. Noch dazu bist du mit zweiundzwanzig noch keine alte Jungfer, und da Lord Danvers dich und Lily mit solch großzügigen Summen ausgestattet hat, kannst du frei unter einer Vielzahl von Bewerbern wählen und eine sehr zufriedenstellende Vernunftehe eingehen.«

»Nein!«, hatte Roslyn vehement widersprochen. »Das Letzte, was ich will, ist eine arrangierte Hochzeit. Du weißt doch, wie die Vernunftehe zwischen meinen Eltern aussah.« Es war furchtbar gewesen, wie sehr ihre Eltern es genossen, sich gegenseitig zu verletzen. »Ich wünsche mir wahre Liebe in meiner Ehe, Fanny. Mit weniger gebe ich mich nicht zufrieden.«

Fanny hatte sie gleichermaßen amüsiert wie bewundernd angesehen. »Damit ich es richtig verstehe: Du hegst eine heimliche Zuneigung zu einem benachbarten Earl und möchtest lernen, wie du ihn dazu bringst, sich in dich zu verlieben?«

»Exakt«, hatte Roslyn gesagt. »Wirst du mir helfen, Fanny?«

»Ja, ich denke schon. Und selbst wenn nichts dabei herauskommt, dürfte es auf jeden Fall höchst unterhaltsam werden. Wissen deine Schwestern, was du vorhast?«

»Noch nicht.«

Außer Fanny hatte sie sich niemandem anvertraut. Arabella würde sie natürlich verstehen, war im Moment jedoch viel zu sehr mit der bevorstehenden Hochzeit beschäftigt und ging vollständig im Feuer der jungen Liebe auf. Durch nichts wollte Roslyn das Glück ihrer Schwester stören.

Bei ihrer jüngeren Schwester hingegen verhielt es sich anders. Lily hatte der Liebe und der Ehe abgeschworen, und sie erwartete von Roslyn, es ihr gleichzutun.

So ungern Roslyn sie auch enttäuschte, hier ging es um ihr Leben. Deshalb bat sie Fanny um Hilfe.

Umso ärgerlicher war es, dass ihre Ausbildung in Sachen Liebe jetzt durch das unerwartete Erscheinen des Duke of Arden unterbrochen wurde.

Während Roslyn weitere Verwünschungen gegen den Adligen vor sich hin murmelte, presste sie die Finger an ihre Schläfen. Unter dem Gewicht der Haube und der Perücke begann ihr Kopf zu schmerzen, und die Maske rieb unangenehm an ihrer linken Wange.

Sie konnte die Haube und die Maske abnehmen, um sich zumindest ein wenig Erleichterung zu verschaffen.

Roslyn knotete die Bänder unter ihrem Kinn auf und zog die Haube ab. Dann löste sie die Schleifen der Maske und nahm sie ebenfalls ab. Als die kühle Nachtluft über ihr Gesicht wehte, seufzte sie genüsslich … bis eine tiefe, männliche Stimme hinter ihr erklang.

»Hier also verstecken Sie sich vor mir.«

Erschrocken wandte Roslyn sich um und ließ ihre Haube fallen, als sie den großen, eindrucksvollen Adligen erkannte, der dort stand. Seine breiten Schultern füllten den schmalen Balkontürrahmen, und sein hellbraunes Haar schimmerte silbern im Mondlicht.

Ungeschickt vor Nervosität mühte Roslyn sich, eiligst ihre Maske wieder aufzusetzen, und hoffte inständig, dass er ihr Gesicht nicht richtig gesehen hatte. »Sie haben mir einen Schrecken eingejagt«, sagte sie atemlos, sobald sie die Bänder wieder festgezurrt hatte.

»Vergeben Sie mir. Es war gewiss nicht meine Absicht, eine wunderschöne Frau aus der Fassung zu bringen.«

Roslyn beäugte ihn misstrauisch durch ihre Maske. Sein Tonfall war ruhig, beinahe träge. Falls er ihr schmeicheln wollte, strengte er sich nicht sonderlich an. Nun, vielleicht langweilte ihn das übliche Spiel, sie mit Komplimenten zu überschütten, von denen er glaubte, dass sie sie hören wollte.

Nichts Träges hingegen war in der Art, wie sein Blick unverhohlen über ihre Gestalt wanderte. Vielmehr drückten seine Augen dabei eindeutiges Interesse aus, was leider zur Folge hatte, dass Roslyns Puls zu rasen begann.

»Ich bin Arden.«

»Ich weiß, wer Sie sind, Durchlaucht«, sagte Roslyn ziemlich gereizt. Er war Andrew Moncrief, Duke of Arden, von seinen Freunden »Drew« genannt. Und sie war selten weniger erfreut gewesen, jemanden zu sehen.

Bei ihrem Ton zog er eine Braue hoch. »Bedauerlicherweise kenne ich Sie nicht, meine liebreizende Unbekannte. Ich hätte darum gebeten, Ihnen vorgestellt zu werden, doch Sie flohen in dem Moment, da Sie mich erblickten. Und Fanny machte sich plötzlich rar, ehe ich auch nur Ihren Namen erfahren durfte.«

Weil ihr darauf keine Erwiderung einfallen wollte, blieb Roslyn stumm. Als der Duke vortrat, um die Haube aufzuheben, die sie fallengelassen hatte, wäre Roslyn gern wieder geflohen, nur war sie zwischen ihm und dem Balkongeländer gefangen. Und so blieb ihr nichts anderes übrig, als sich weiterhin seiner eingehenden Betrachtung auszusetzen, die er wieder aufnahm, nachdem er sich aufgerichtet hatte. Mit den Bändern ihrer Haube in den langen, schmalen Fingern, sah er sie nachdenklich an.

Roslyn konnte nicht umhin, ihn ebenfalls anzustarren. Es war zu dunkel, um es mit Sicherheit zu sagen, aber sie glaubte, seine Augen wären grün. Ein tiefes, leuchtendes Grün. Und seine verschlossenen aristokratischen Züge waren aus der Nähe umso sinnlicher, was Roslyn beunruhigte.

Bevor sie ihre verwirrten Gedanken ordnen konnte, sprach er wieder. »Gratulation, meine Schöne. Ihre List ist von Erfolg gekrönt.«

»Meine List?«, wiederholte sie verwundert.

»Sie hofften, dass ich Ihnen folgen würde, und wie sich zeigt, war ich fasziniert genug, es auch zu tun.«

Er dachte, sie hätte ihn absichtlich in diese Nische gelockt? »Es war keine List, Durchlaucht. Mir war sehr warm im Ballsaal, deshalb kam ich her, um mich zu erfrischen.«

Ein Mundwinkel bog sich zu einem spöttischen Lächeln. »Wie günstig, dass Sie einen Ort wählten, der sich so gut für ein Stelldichein eignet«, sagte er und nickte zur Chaiselongue hinter ihm. Bevor sie protestieren konnte, fuhr er fort: »Sie müssen neu in London sein. Ich würde mich gewiss an Sie erinnern, hätte ich Sie schon einmal gesehen.«

Roslyn betete im Stillen, dass sein Gedächtnis nicht ganz so verlässlich war, wenn er sie in vierzehn Tagen auf der Hochzeit ihrer Schwester wiedersah. »Ja, ich bin neu in London. Aber ich gebe Ihnen mein Wort, ich habe Sie nicht zu einem Stelldichein hergelockt.«

Ebenso wenig hatte sie die Absicht, diese unerwünschte Begegnung zu verlängern. Ein höfliches »Danke« murmelnd, nahm Roslyn ihm ihre Haube ab und wollte an ihm vorbeigehen.

Der Duke aber umfasste sacht ihr Handgelenk. »Man könnte meinen, Sie wollen mir tatsächlich aus dem Weg gehen.«

»Könnte man.«

»Warum?«, fragte er hörbar überrascht und neugierig.

»Mir gefällt nicht, wie Sie mich ansehen – als wäre ich eine Ware, die Sie kaufen können.«

»Sollte ich diesen Eindruck erweckt haben, bitte ich vielmals um Vergebung«, sagte er mit einem reumütigen und außerordentlich sinnlichen Lächeln. »Ich halte Sie keineswegs für eine Ware, seien Sie versichert.«

Das fesselnde Lächeln zu ignorieren war Roslyn unmöglich, und auf einmal verstand sie, warum die Frauen Arden in Scharen nachliefen. »Wenn Sie mich dann bitte entschuldigen wollen«, sagte sie, wobei ihre Stimme zittriger klang, als ihr lieb war.

Sie sah demonstrativ hinunter auf seine Hand, die sie immer noch umfasste, doch er ließ sie nicht los. »Sind Sie zur Zeit vergeben?«

Sie blinzelte. »Vergeben?«

»Haben Sie schon einen Beschützer?«

Roslyn wurde klar, dass er sie tatsächlich fragte, ob sie gegenwärtig als Mätresse engagiert war. Sie überlegte zu bejahen, aber dann müsste sie den Namen eines nichtexistenten Herrn nennen, und wahrscheinlich durchschaute Arden ihre Lüge. »Nein, ich habe keinen Beschützer.«

»Warum nennen Sie dann nicht einfach Ihren Preis? Feilschen mag ich nicht.«

Sie blickte zu ihm auf. »Bitten Sie mich, Ihre … Geliebte zu werden?«

Sein Lächeln nahm eine sanftere Note an. »Es sei denn, Ihnen schwebt ein anderes Angebot vor. Ja, ich bitte Sie, meine Geliebte zu sein, meine Liebe.«

Roslyn wusste, dass ihr der Mund gar nicht damenhaft offenstand, aber sie konnte nichts dagegen tun. Es schockierte sie zu sehr, dass er ein solch intimes Angebot einer Fremden unterbreitete. »Wir kennen uns überhaupt nicht, Durchlaucht. Sie wissen nichts über mich.«

»Ich weiß genug, um Sie reizend und begehrenswert zu finden. Wessen bedarf es sonst noch?«

»Ich könnte eine bösartige Furie sein.«

»Das Risiko bin ich bereit einzugehen. Eintausend Pfund im Jahr, sollten wir Vergnügen aneinander finden. Die Hälfte, falls wir beschließen, die Affäre vor Ablauf des Jahres zu beenden.«

Als Roslyn stumm vor Staunen blieb, neigte er den Kopf leicht zur Seite und nickte kurz, als hätte er eine Entscheidung getroffen. »Nun gut, zweitausend. Und natürlich zahle ich all Ihre Auslagen … ein Haus, eine Kutsche und eine feste Summe für Kleider und Schmuck.«

Absurd wie diese Situation war, amüsierte sie Roslyn unweigerlich. Die von ihm genannte Summe schien ihr geradezu haarsträubend hoch für eine Kurtisane, von der er nicht einmal sicher sein konnte, dass ihre Dienste ihm zusagten. »Wie können Sie sicher sein, dass ich es wert bin?«

Er lachte kurz auf, wobei seine Augen leuchteten, und antwortete achselzuckend: »Ihre Schönheit ist verlockend genug, meinen erlesenen Geschmack zufriedenzustellen, und alles, was Sie sonst noch wissen müssen, kann ich Ihnen beibringen.«

Roslyn war unterdes kein bisschen amüsiert mehr, sondern wütend. Arden hatte unbewusst einen empfindlichen Nerv getroffen. Er konnte kaum erahnen, dass ihre Schönheit – oder vielmehr nur nach ihren körperlichen Attributen beurteilt zu werden – ein wunder Punkt war.

Und nach den beschämenden Offerten, die sie im Laufe der letzten vier Jahre erhalten hatte, konnte sie einfach nicht gefasst reagieren.

»Ich glaube, die angemessene Reaktion ist, Ihnen für Ihr großzügiges Angebot zu danken, Durchlaucht«, sagte sie kühl und entwand ihr Handgelenk seiner Umklammerung. »Aber ich muss ablehnen.«

Bei ihrem eisigen Ton merkte er sichtlich auf. »Es ist allgemeine Gepflogenheit, Widerwillen vorzutäuschen, um den Preis in die Höhe zu treiben, aber Sie werden feststellen, dass mir Geziere zuwider ist.«

Roslyn wurde noch wütender. »Ich habe weder einen Preis, noch versuche ich, mich zu zieren. Ich hege schlicht nicht den Wunsch, Sie zum Geliebten zu haben – trotz Ihrer vielgerühmten Fähigkeiten.«

Er stutzte. »Hat Fanny etwas gesagt, dass Ihnen Angst vor mir gemacht hat?«

»Nein!«

»Falls Sie sich von meiner Qualifikation überzeugen wollen, bin ich mit Freuden bereit, sie Ihnen zu demonstrieren.«

»Das ist unnötig. Ich bezweifle Ihre Fachkundigkeit nicht im mindesten.«

»Dann sollten wir vielleicht Ihre Fertigkeiten auf die Probe stellen.« Ehe sie auch nur Atem geschöpft hatte, kam er noch näher und umfasste ihr Gesicht mit den Händen. »Küssen Sie mich, meine Liebe, und lassen Sie mich Ihren Zauber erkennen.«

Die kühne Geste traf sie gänzlich unvorbereitet. Vor lauter Unsicherheit und Verzweiflung war Roslyn wie gelähmt, als der Duke seinen Kopf neigte und ihren Mund mit seinem einfing.

Es war ein erschreckender Kuss, und das nicht bloß, weil er unerwartet kam, sondern weil er darüber hinaus ihren Körper vollständig gefangennahm. Seine Lippen bewegten sich in sinnlicher Erkundung auf ihren, zärtlich und erregend.

Sie war schon vorher geküsst worden, aber nie auch nur annähernd so. Ihre Haut fühlte sich plötzlich an, als würde sie von einer Hitzewelle erfasst, ähnlich der, wenn man zu nahe am Kaminfeuer stand.

Ihr Herz pochte wild, als er schließlich seine Zärtlichkeiten ausdehnte. Seine Lippen wanderten ihr Kinn entlang zu ihrem Ohr, wo sie verharrten. »Sie schmecken wie Unschuld«, murmelte er auffallend heiser. »Das ist ein charmantes Schauspiel, wenngleich absolut unnötig.«

»Es ist kein Schauspiel«, antwortete Roslyn zitternd. »Ich bin nicht erfahren.«

Er hob den Kopf, um sie anzusehen, und seine Skepsis war unverkennbar. »Ehrlichkeit ist mir lieber.«

Roslyn war wie versteinert. »Sie glauben mir nicht?«, fragte sie drohend.

Er strich ihr mit den Fingerspitzen über die Lippen unterhalb ihrer Maske.

»Sagen wir, ich bin gewillt, mich überzeugen zu lassen. Kommen Sie her, meine Süße …«

Wieder beugte er sich vor und küsste sie, diesmal leidenschaftlicher. Erschrocken von ihrer eigenen Reaktion, versuchte Roslyn zurückzuweichen, doch Arden zog sie fest an seinen Körper, so dass sie fühlte, wie fest, wie lebendig er war.

Verblüfft von seiner sie verzehrenden Sinnlichkeit, stieß Roslyn einen erstickten Seufzer aus. Sie war erstaunt, wie erregend die Umarmung eines Mannes sein konnte. Als er den Kuss beendete und den Kopf hob, blickte sie benommen zu ihm auf.

Er lächelte reumütig. »Ich gestehe«, sagte er verhalten, »dass die wenigsten Damen diese Wirkung auf mich ausüben. Sie fühlen es ebenfalls, meine Schöne, leugnen Sie es nicht.«

Es stimmte. Sie hatte noch nie etwas Derartiges empfunden wie diesen Blitzschlag, der sich zwischen ihnen entlud – eine alles verschlingende Hitze, ein sehnsüchtiges Verlangen.

Nichts davon würde sie ihm gegenüber zugeben.

Stattdessen mühte sich Roslyn um den Anschein von Fassung und räusperte sich.

»Ach ja?«, brachte sie mit einem gekünstelten Lachen zustande. »Ihre Arroganz ist verblüffend, Durchlaucht!«

Offenbar war das nicht die Reaktion, die er erwartete, und so musste Roslyn deutlicher werden. »Ihre Eitelkeit ist maßlos, wenn Sie glauben, dass ich gewillt bin, mit Ihnen das Bett zu teilen.«

Nun wurde sein Lächeln unglaublich verwegen … und so entwaffnend sinnlich, dass eine Heilige ihm verfallen wäre. »Ein Bett ist gänzlich unnötig. Wir könnten die Chaiselongue hinter uns benutzen.« Er schwenkte die Hand lässig in die Richtung. »Und im selben Zuge den Umstand korrigieren, dass wir Fremde sind.«

»Ich verspüre keinerlei Wunsch, Sie näher kennenzulernen.«

»Vielleicht könnte ich Sie bewegen, es sich noch einmal zu überlegen.«

Er hob eine Hand und strich mit seinen warmen Fingern von ihrem Hals bis hinab zur Wölbung ihrer Brüste, die in dem Schäferinnenkostüm nach oben gedrückt wurden.

»Durchlaucht …«, begann Roslyn zu widersprechen. Leider beraubte er sie weiterer Worte mit einem Kuss, der sich auf zärtliche Weise ihres Mundes bemächtigte. Als er ihre seidenverhüllte Brust umfasste, war sie ob der dreisten Zudringlichkeit vollkommen wehrlos. Sie trug kein Korsett unter dem engen Mieder, folglich konnte sie seine Berührung direkt durch den dünnen Stoff spüren.

Eine unvorstellbare Hitze übertrug sich von seiner Hand auf ihre pochende Brust und ihren ganzen Körper, während sein Kuss ihren Mund mit einer erstaunlichen Fertigkeit verführte.

Er hielt sie mühelos im Bann, als er die entblößte Haut über ihrem Mieder streichelte und in das Tal zwischen ihren Brüsten tauchte. Und dann vollführte er lediglich eine kleine Bewegung mit der Hand, um ihre Brüste freizulegen.

Roslyn erschrak, als die kühle Nachtluft über ihren Busen strich, konnte jedoch nichts sagen, nicht einmal als der Duke seinen sinnlichen Kuss beendete und den Kopf hob.

Seine Augen wurden eine Nuance dunkler, als er auf ihre entblößten Brüste blickte.

Während Roslyns Atmung aussetzte, umkreisten seine Daumen ihre Brustspitzen. Ein leises Stöhnen entwand sich ihrer Kehle; die Bänder ihrer Haube glitten aus ihren tauben Fingern.

Auf ihre Reaktion hin umfasste er ihre Brüste fester, zog sanft an den Spitzen, um sie gleich wieder zu streicheln.

Roslyn war außerstande, sich zu rühren. Seine gekonnten Hände erregten, bannten sie.

»Durchlaucht!«, hauchte sie schließlich bebend.

»Schhhh, lassen Sie sich von mir verwöhnen.«

Vergebens mühte sie sich erneut, ihm zu widerstehen, denn seine Arme legten sich um sie, zogen sie näher, schmiegten sie an ihn. Er beugte sie ein wenig, neigte den Kopf und fing eine ihrer Brustspitzen mit dem Mund ein.

Roslyns Schock war überwältigend. Ihre Knie hatten vorher schon gezittert, nun aber drohten sie nachzugeben. Zum Glück hielt er sie fest, während er an ihrer Brustknospe sog.

Wehrlos schloss Roslyn die Augen. Sie fühlte, wie ihr Puls raste und das wonnige Gefühl sie gleichsam entflammte. Sein Mund war brennend heiß, und es hatte etwas erschreckend Verwegenes, wie seine Zunge ihren Busen liebkoste.

Sein sinnlicher Überfall war ganz und gar männlich, und er erregte ein ursprüngliches weibliches Verlangen in ihr, das sie nicht leugnen konnte. Nie war sie so geküsst, so berührt worden.

Er nahm ihre Brustspitze zwischen die Zähne und biss sanft zu, auf eine köstlich erotische Weise, die Roslyns Selbstbeherrschung noch mehr schwächte und sie gleichzeitig umso mehr erregte. Als er sie gleich darauf wieder mit Lippen und Zunge liebkoste, durchfuhr sie ein Wonneschauer. Unwillkürlich bog sie sich ihm entgegen.

Der Duke wusste ihre Hilflosigkeit zu nutzen. Immer noch ihren Busen neckend, spreizte er ihre Schenkel, indem er sein Knie zwischen sie schob. Roslyns Bauchmuskeln spannten sich, als sie seinen muskulösen Schenkel durch den dünnen Kleiderstoff fühlte, der sich auf ihren Venushügel presste. An den Hüften trug sie Paniers, allerdings nur seitlich, so dass sie nicht umhin kam, den Körper des Dukes auf höchst intime Weise kennenzulernen. Deutlich spürte sie die harte, geschwollene Erektion, die sich an ihren Bauch drückte.

Ihr war geradezu schwindlig vor Wonne, und alles drehte sich in ihrem Kopf, während ein Pochen tief zwischen ihren Beinen einsetzte. Ihre verborgenste Stelle wurde feucht und heiß.

Beinahe hätte sie vor Enttäuschung aufgeschrieen, als der Duke seine zärtlichen Attacken schließlich einstellte. In dem Moment, da seine glühenden Lippen von ihren Brüsten abließen, riss Roslyn die Augen auf und stellte fest, dass sie sich mit beiden Händen an seine Schultern klammerte.

Die kühle Nachtluft kitzelte ihre erhitzten Brustknospen, was jedoch nichts im Vergleich zu dem Kitzel war, den seine sinnlich rauhe Stimme in ihr hervorrief, als er raunte: »Ich könnte Ihnen Freuden zeigen, die Sie nie vergessen.«

Das glaubte sie ihm. Dann hob er den Kopf und sah ihr in die Augen. In seinen Augen leuchtete ein triumphierendes Funkeln.

Bei dem Anblick wurde Roslyn sogleich wieder unerträglich heiß. Mit letzter Kraft stemmte sie die Fäuste gegen seine breite Brust.

Ihr Verstand war noch benommen, ihr Herz hämmerte wild gegen ihre Rippen, aber sie zwang sich, möglichst verächtlich zu klingen, als sie entschlossen erwiderte: »Ich fürchte, Ihr Angebot ist nicht verlockend genug. Falls ich einen Beschützer wünsche, kann ich einen besseren finden als einen arroganten Lord, der meint, er bräuchte bloß mit den Fingern zu schnippen, und schon fielen alle Damen in Ohnmacht.«

Immerhin hatte diese Erklärung die gewünschte Wirkung, denn er ließ sie los. Erleichtert trat Roslyn einen Schritt zurück und richtete ihr derangiertes Mieder.

Dann sah sie betont kühl zum Duke auf. »Seien Sie so gütig, mir zu glauben, dass ich es ernst meine, Durchlaucht. Ich möchte nicht, dass Sie mir noch einmal folgen.«

Sein ungläubiges Gesicht war überaus komisch, dachte Roslyn. Vermutlich konnte sie sich einiges darauf einbilden, den eleganten, herrischen Duke of Arden sprachlos gemacht zu haben.

Da sie ihr Glück allerdings nicht herausfordern wollte, wandte Roslyn sich ab und ging mit wackligen Beinen an ihm vorbei durch die Nische hinaus. Sie empfand eine gewisse Erleichterung, als sie bemerkte, dass er ihr tatsächlich nicht folgte. Immer noch schlug ihr Herz zu schnell, und ihr Atem ging schwer wie nach einem längeren Lauf. Außerdem war ihr furchtbar heiß.

Von der Nische aus eilte sie die dunkle Galerie entlang. Sie kam sich ein bisschen wie Aschenputtel vor, das um Mitternacht vom königlichen Ball floh. Erst als sie ganz am Ende der Galerie war, fiel ihr ein, dass sie ihre Haube nicht mehr hatte. Auf keinen Fall wollte sie riskieren, sie zu holen. Stattdessen musste sie Fanny suchen, sich bei ihr entschuldigen und umgehend nach Danvers Hall fahren. Es war viel zu gefährlich, länger auf dem Ball zu bleiben. Überhaupt hierherzukommen war närrisch gewesen, wie sich Roslyn nun eingestehen musste.

Andererseits …

Vor den Türen zum Ballsaal blieb sie stehen. Sie spürte noch den brennenden Abdruck seines Mundes auf ihrer Haut. Nie würde sie seine unglaublichen Küsse vergessen, seine erotischen Liebkosungen …

Hast du vollends den Verstand verloren?, schalt eine innere Stimme sie.

Als sie den Ballsaal betrat, blinzelte sie zunächst im hellen Licht. Sie war zutiefst empört über sich selbst. Schließlich hatte sie einen ganz anderen Adligen ins Auge gefasst. Folglich konnte sie sich unmöglich zu dem arroganten Duke of Arden hingezogen fühlen!

Dennoch bedauerte sie fast ein klein wenig, dass sie sein Angebot ausschlagen musste, ihr seine Fähigkeiten als Liebhaber zu demonstrieren. Zweifellos wäre es sehr aufregend, eine Nacht in seinen Armen zu verbringen.

Kaum hatte sie den Gedanken zu Ende gedacht, schüttelte sie verärgert den Kopf. Die letzten vier Jahre hatte sie damit verbracht, unerwünschte Avancen abzuwehren, und sie war viel zu sehr Dame, um das jetzt zu ändern. Ganz zu schweigen davon, dass Ardens Mätresse zu werden, sei es auch bloß für eine Nacht, ihre Chancen auf eine Vermählung mit einem anderen Gentleman auf immer ruinieren würden.

In diesem Augenblick entdeckte sie Fanny, die mit einem Herrn im Ritterkostüm tanzte. Roslyn ignorierte das Lachen und die Ausgelassenheit um sich herum und stürzte sich ins Getümmel.

Inzwischen hegte sie keinen Zweifel mehr daran, dass Arden ein fantastischer Liebhaber war. Wie schade, dass sie nicht gewagt hatte, seine Künste etwas intensiver für sich selbst in Anspruch zu nehmen …

Zweites Kapitel

Manche Adlige bilden sich so viel auf ihren gesellschaftlichen Rang ein, dass sie vom anderen Geschlecht erwarten, ihnen sofort zu Füßen zu fallen.

Roslyn Loring an Fanny Irwin

Chiswick, im Juni 1817

Es war ein idealer Tag für eine Hochzeit, der mit einem strahlenden, vielversprechenden Morgen anbrach. Trotzdem vermochte Drew Moncrief, Duke of Arden, sich wenig für den Anlass zu begeistern, als er mit seinen beiden engsten Freunden vor dem Kirchentor wartete.

Vor allem deshalb nicht, weil er glaubte, der Bräutigam beginge einen schwerwiegenden Fehler.

Drew lehnte an einer Säule des Kirchenportals und beobachtete Marcus, den neuen Earl of Danvers, der nervös auf und ab ging.

»Teufel nochmal, Marcus, beruhigst du dich bitte?«, mahnte Heath Griffin, der Marquess of Claybourne. Er lehnte Drew gegenüber an der anderen Säule des Portals. »Deine Nervosität zerrt an meinen Nerven.«

»Er leidet gerade unter klassischer Junggesellenpanik«, murmelte Drew spöttisch. »Ich habe dir gesagt, dass sie ihn noch einholen wird.«

Marcus warf den beiden einen empörten Blick zu. »Ich habe keine Angst! Ich bin lediglich ungeduldig.« Doch um seine Freunde zufriedenzustellen, stieg er die wenigen Stufen hinauf und stellte sich zu ihnen. »Ich bin das Warten leid und will Arabella endlich zur Frau haben. Der letzte Monat wollte gar kein Ende nehmen.«

Marcus und Miss Arabella Loring, das älteste seiner drei Mündel, hatten sich vor einem Monat offiziell verlobt, und nun war es soweit. Die Dorfkirche war zum Bersten mit Gästen gefüllt. Der Vikar war bereit, mit der Zeremonie zu beginnen, und Marcus sah aus wie das Bild eines adligen Bräutigams: eleganter blauer Gehrock, Weste mit Goldstickerei, weiße Seidenkrawatte und weiße Samtkniebundhose.

Drew, der sich ebenfalls dem Anlass entsprechend gekleidet hatte, schüttelte traurig lächelnd den Kopf. »Ich hätte nie erwartet, dich einmal so hoffnungslos verliebt zu erleben, mein Freund.«

»Eines Tages wird es dich auch erwischen«, prophezeite Marcus weise.

Drew schnippte eine imaginäre Fussel von seiner Seidenmanschette und erwiderte zynisch: »Fürwahr, ich werde dereinst meine Pflicht tun und heiraten, um den Familiennamen zu erhalten, aber ganz gewiss werde ich nie wegen einer Frau den Kopf verlieren, wie es dir offenbar passiert ist.«

»Ich weiß nicht«, mischte sich Heath ein. »Ich stelle es mir reizvoll vor, eine Frau zu finden, die mich dazu bringt, meinen Kopf zu verlieren.«

Sein Tonfall legte jedoch nahe, dass es ihm nicht wirklich ernst war. Heath liebte das weibliche Geschlecht insgesamt, war aber sicher, niemals einer Frau zu begegnen, die ihn bewegen könnte, bereitwillig seine Freiheit aufzugeben und sich in eine Ehe zu fügen.

Drew war sogar noch entschlossener, vorerst Junggeselle zu bleiben, wie Marcus sehr wohl wusste.

»Bevor ich Arabella begegnete, war ich beinahe so zynisch wie du, Drew«, bemerkte Marcus freundlich. »Ich verstehe deine Vorbehalte gegen meine Heirat durchaus, denn du siehst in allen heiratswilligen Damen Feindinnen.«

»Sie sind es. Jedenfalls habe ich die heiratswillige Dame noch nicht gesehen, die mich nicht als Beute betrachtet. “

»Arabellas Schwestern werden es nicht. Du wirst feststellen, dass sie erfrischend desinteressiert an deinem Rang und deinem Vermögen sind.«

Drew sah Marcus skeptisch an. »Du hast doch hoffentlich nicht vor, den Kuppler zu spielen, oder?«

»Nicht einmal im Traum, alter Freund«, entgegnete Marcus lachend. »Obwohl Arabellas mittlere Schwester alle Qualitäten aufweist, um eine bewunderte Duchess zu werden.«

Drew parierte Marcus’ provokante Bemerkung mit einer milden Verwünschung, während Heath laut lachte.

Mit einem amüsierten Funkeln in den Augen fuhr Marcus fort: »Keine Angst, Drew. Ich weiß, dass ich dich durch nichts überzeugen könnte, der Liebe eine Chance zu geben. Doch wenn du Glück hast, wirst du deren Vorzüge allein entdecken.«

Ganz gewiss nicht mit einem von Marcus’ Mündeln, dachte Drew. Er war entschlossen, den zwei verbleibenden Loring-Schwestern aus dem Weg zu gehen.

In diesem Moment hörten sie endlich das Rumpeln von Kutschenrädern, das die Familie der Braut ankündigte. Kurz darauf rollten drei Kutschen in die Einfahrt. Drew erkannte Arabella Loring in der ersten, nicht aber die beiden jungen Damen, die sie begleiteten.

Neben Drew richtete Heath sich auf, der die beiden Schönheiten in Miss Lorings offener Kalesche betrachtete. »Sind das Arabellas Schwestern?«, fragte er Marcus.

»Ja. Die Dunkelhaarige ist die Jüngste, Lilian, ein echter Hitzkopf. Und die Blonde ist die liebreizende Roslyn.«

Beim Anblick der goldblonden Roslyn verengten sich Drews Augen prompt. Etwas an ihr kam ihm bekannt vor … die grazilen Schultern, die vornehme Haltung, die schmale, zarte Gestalt mit den hohen, wohlgerundeten Brüsten. Und ihr Gesicht … Diese vollkommenen, feinen Züge hatte er vor nicht allzu langer Zeit im Mondlicht gesehen.

Langsam stieß Drew sich von der Säule ab. Seine Bauchmuskeln krampften sich zusammen. Was in aller Welt sollte das heißen?

Er war außerstande, seine Überraschung zu verbergen, die Marcus sogleich falsch deutete und mit einem wissenden Lächeln quittierte. Das war allerdings auch die letzte Beachtung, die er seinen Freunden fürs Erste schenkte, denn kaum hatten die Kutschen angehalten, lief Marcus auch schon die Stufen hinunter, seiner Braut und ihren Schwestern entgegen.

Zunächst half er Miss Roslyn und Miss Lilian aus der Kalesche, dann reichte er Arabella die Hand. Sie strahlte Marcus verliebt an.

Während Marcus nur Augen für seine Braut hatte, konnte Drew nicht aufhören, die hellhaarige Roslyn anzusehen. Nie hätte er dieses wunderschöne Gesicht vergessen, auch wenn er es nur für einen winzigen Moment im Mondschein erblicken durfte.

Sie war es. Sie war die mysteriöse Schönheit, die auf dem Maskenball sein Angebot ablehnte.

Allmächtiger!

Seitlich von der Kutsche wartete sie, bis die anderen ausgestiegen waren, und achtete sorgsam darauf, nicht zu ihm zu sehen. Als Drew aber langsam die Kirchenstufen hinunterging, blickte sie doch kurz in seine Richtung. Spätestens ihre geröteten Wangen hätten seinen Verdacht bestätigt.

Miss Roslyn Loring war seine geheimnisvolle Fremde.

Heute trug sie ein Empirekleid aus rosa Seide, kein freizügiges Schäferinnenkostüm. Aber ihr einzigartiger Liebreiz ließ sich weder von einer Perücke noch von einer Maske verbergen. Und selbst wenn er ihr Gesicht in jener Nacht nicht ohne Maske gesehen hätte, würde er ihren wundervollen Mund überall wiedererkennen. Er hatte diese köstlichen Lippen geküsst, ihre prallen Brüste gekostet, ihren zarten erregenden Körper an seinem gefühlt …

Bei der Erinnerung regte sich gleich etwas in seinen Lenden. Verärgerung und Wut mischten sich mit Überraschung, während er gemächlich auf Roslyn zuging. Die flüchtige Freudendame, die ihn an jenem Abend bezaubert und fasziniert zurückgelassen hatte, war nicht bloß eine Adlige, sondern das Mündel seines besten Freundes!

Was, zum Teufel, hatte sie auf einem berüchtigten Kurtisanenball verloren gehabt? Hatte sie sich bloß einen Spaß machen wollen oder sündigere Vergnügungen gesucht?

Was auch ihr Grund gewesen sein mochte, dort zu sein, für ihn hätte es ein Desaster werden können. Sie wäre kompromittiert gewesen, hätte man sie mit ihm allein an solch einem Ort entdeckt. Und wäre es ihm gelungen, sie zu verführen, was seine Absicht gewesen war … Allein die Vorstellung war unerträglich.

Drew biss die Zähne zusammen. Wenigstens erklärte ihre Identität, warum sie vor ihm geflohen war: Sie wollte nicht, dass er sie hier wiedererkannte. Als er sich ihr nun näherte, presste Roslyn fest die Lippen aufeinander. Offenbar widerstrebte es ihr, ihm offiziell vorgestellt zu werden.

Ihm blieb die Bitte erspart, bekanntgemacht zu werden, denn Marcus trat vor und stellte die Familie der Braut vor – Arabellas Schwestern, ihre Mutter, ihren Stiefvater und einige enge Freunde und Nachbarn, einschließlich der Schirmherrin der Freemantle-Akademie für junge Damen, an der die drei Schwestern unterrichteten.

Drew hingegen interessierte sich nur für eine Person. Er blieb vor Roslyn stehen und hielt absichtlich ihren Blick gefangen, während er ihre satinverhüllte Hand nahm, um sie zu küssen.

ENDE DER LESEPROBE