Süßes Spiel der Sehnsucht - Nicole Jordan - E-Book

Süßes Spiel der Sehnsucht E-Book

Nicole Jordan

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Beschreibung

Voller Sinnlichkeit und Leidenschaft

Das angenehme Leben des attraktiven Junggesellen Marcus Pierce, Earl von Danvers, nimmt ein abruptes Ende, als er zum Vormund für drei hübsche, junge und ledige Damen bestimmt wird. Um sich der Verantwortung möglichst bald zu entziehen, sucht er nach geeigneten Heiratskandidaten für seine Schützlinge. Doch er hat weder mit der Widerspenstigkeit der selbstbewussten Arabella, noch mit deren heißen Küssen gerechnet ...

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Seitenzahl: 471

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Das Buch

Nach dem Tod ihres Vormunds werden Arabella Loring und ihre beiden Schwestern der Obhut von Marcus Pierce, Earl von Danvers, übergeben. Um sich der Verantwortung für seine Schützlinge zu entziehen und sein Leben als Junggeselle weiterhin genießen zu können, beschließt Marcus, den jungen Damen passende Ehemänner suchen. Doch die drei haben ganz andere Zukunftspläne, denn sie wollen sich auf keinen Fall einem Gatten unterordnen und ihre Unabhängigkeit aufgeben. Die Schwestern leiten eine Akademie, in der junge Mädchen auf ihre Einführung in die Gesellschaft vorbereitet werden. Schaffen sie es, Marcus zu überzeugen, der sich zu allem Überfluss heftig in Arabella verliebt zu haben scheint?

Die Autorin

Nicole Jordan ist eine äußerst erfolgreiche Autorin historischer Liebesromane, mit denen sie häufiger Gast auf den Bestsellerlisten der New York Times, Publishers Weekly und USA Today ist und bereits diverse Preise gewonnen hat. Nicole Jordan lebt in Utah.

Inhaltsverzeichnis

Buch und AutorinCopyrightWidmungErstes KapitelZweites Kapitel Drittes Kapitel Viertes Kapitel Fünftes Kapitel Sechstes Kapitel Siebtes Kapitel Achtes Kapitel Neuntes Kapitel Zehntes Kapitel Elftes Kapitel Zwölftes Kapitel Dreizehntes Kapitel Vierzehntes Kapitel Fünfzehntes Kapitel Sechzehntes Kapitel Siebzehntes Kapitel Achtzehntes Kapitel Epilog

Die Originalausgabe TO PLEASURE A LADY erschien bei Ballantine Books, New York.

Vollständige deutsche Erstausgabe 03/2009 Copyright© 2008 by Anne Bushyhead Copyright© 2009 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH Umschlagillustration: © Daeni, Pino via Agentur Schlück Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München Satz: Satz- und Datentechnik GmbH, Berlin

eISBN: 978-3-641-18772-9

www.heyne.de

www.randomhouse.de

In Liebe für Jay, meinen Freund, Ehemann und Helden

Erstes Kapitel

Fürwahr, der neue Earl treibt mich noch in die Verzweiflung. Wie Zuchtvieh will er uns einfach verheiraten.

Brief von Miss Arabella Loring an Fanny Irwin

London, im Mai 1817

Heirat. Allein das Wort war schon eine Zumutung! Dennoch konnte der neue Earl of Danvers dieses Thema nicht länger ignorieren, so sehr es ihm auch widerstrebte.

»Was für ein Jammer, dass der letzte Earl schon tot ist«, erklärte Lord Danvers und verlieh der Bemerkung mit einem kraftvollen Schwung seines Floretts zusätzlichen Nachdruck. »Andernfalls hätte ich ihm höchsterfreut das Herz durchbohrt, so schändlich wie er mir mitspielte. Was fällt ihm ein, mich zum Kuppler für drei Mündel zu verdammen, die ich nie wollte?«

Die unter Florettklirren geäußerte Klage beantworteten seine Freunde teils mit verständnisvollem Gelächter, teils mit Skepsis.

»Kuppler, Marcus? Ist das nicht ein wenig übertrieben?«

»Nein, es beschreibt sehr trefflich, welche Verantwortung mir durch das Ableben des Earls zufällt.«

»Ehestifter klingt ungleich erhabener.«

Ehestifter. Was für ein niederschmetternder Gedanke!

Marcus Pierce, ehedem Baron Pierce und nun der achte Lord Danvers, verzog spöttisch das Gesicht. Wiewohl er gewöhnlich jede Herausforderung schätzte, hätte er gewiss gern darauf verzichtet, mit drei unvermögenden Schönheiten belastet zu werden. Und nicht bloß das, obendrein musste er auch noch respektable Ehemänner für sie auftreiben, was das Allerschlimmste war.

Aber leider hatte er die Loring-Schwestern zusammen mit seinem neuen Titel geerbt, und somit musste er sich früher oder später in seine neue Verpflichtung fügen.

Vorzugsweise später.

Seit zweiunddreißig Jahren genoss Marcus sein angenehmes Junggesellendasein, davon die letzten zehn als Englands begehrteste wie uneinnehmbarste Partie. Heirat rangierte für ihn weit oben auf seiner Liste geschmähter Themen, weshalb er sich seit Wochen davor drückte, seiner Pflicht gegenüber den unerwünschten Mündeln nachzukommen.

An diesem herrlichen Frühlingsmorgen jedoch zwang er sich endlich, genau das anzusprechen, und zwar während der Fechtübungen mit seinen zwei engsten Freunden in seinem Herrenhaus in Mayfair. Beide waren, wie er, bislang erfolgreich dem Heiratsmarkt entkommen.

»Aber seht ihr nicht, in welchem Dilemma ich stecke?«, fragte Marcus und parierte gleichzeitig einen Hieb von Andrew Moncrief. Der Duke of Arden war ein begabter Fechter und daher ein würdiger Gegner für Marcus.

»Durchaus«, antwortete Drew über den Florettlärm hinweg. »Du hoffst, deine drei Mündel zügig unter die Haube zu bringen, weißt allerdings, dass es angesichts des Skandals in ihrer Familie schwer werden dürfte, geeignete Kandidaten zu finden.«

»Exakt.« Marcus bedachte ihn mit einem sehr charmanten Grinsen. »Du willst nicht zufällig um eine von ihnen anhalten, vermute ich?«

Der Duke machte einen eleganten Satz rückwärts, um Marcus’ nächstem Hieb auszuweichen. »Obschon ich nichts lieber täte, als dir zu helfen, alter Knabe, genieße ich meine Freiheit doch viel zu sehr, um ein solch großes Opfer zu bringen – selbst wenn es für dich ist.«

»Keine Chance, Marcus«, kam es amüsiert von der Seite des Salons, den Marcus als Fechtraum benutzte. Heath Griffin, Marquess of Claybourne, hatte sich auf einem Sofa ausgestreckt und malte mit seinem Florett Linien in die Luft, während er darauf wartete, gegen einen seiner Freunde anzutreten. »Solltest du allen Ernstes glauben, du könntest uns überreden, dir deine Mündel abzunehmen, müssten wir an deinem Verstand zweifeln.«

»Sie gelten als wahre Schönheiten«, beharrte Marcus.

Heath lachte. »Und alte Jungfern, allesamt. Wie alt ist die älteste Miss Loring gleich? Vierundzwanzig?«

»Noch nicht ganz.«

»Und ihre scharfe Zunge ist gefürchtet.«

»Ja, das sagt man«, gab Marcus ungern zu. Seine Anwälte hatten Arabella Loring als sehr hübsch, aber auch recht eigensinnig beschrieben. Soweit er hörte, kämpfte sie hartnäckig für ihre Selbständigkeit – und mithin gegen seine Vormundschaft.

»Dann hast du sie noch nicht gesehen?«, fragte Heath.

»Nein, bisher gelang es mir, eine direkte Begegnung zu vermeiden. Die Misses Loring waren nicht zu Hause, als ich vor drei Monaten dort war, um mein Beileid zum Tod ihres Stiefonkels zu bekunden. Und seither überließ ich die Korrespondenz meinen Anwälten. Bedauerlicherweise werde ich mich irgendwann um sie kümmern müssen.« Er seufzte. »Voraussichtlich reise ich nächste Woche nach Chiswick.«

Das Danvers-Anwesen befand sich auf dem Lande, nahe dem kleinen Dorf Chiswick und etwa sechs Meilen westlich vom eleganten Londoner Stadtteil Mayfair, wo die vermögende Aristokratie residierte. In einem Zweispänner war die Fahrt schnell zu bewältigen. Was hingegen Marcus’ Aufgabe betraf, gab er sich keinerlei Illusion hin, sie könnte ähnlich zügig erledigt werden.

»Nach allem, was ich bisher hörte«, sagte Drew, der beständig vorwärtsrückte, »dürften deine Mündel recht anstrengend sein. Es wird gewiss nicht leicht, sie zu verheiraten, insbesondere nicht die Älteste.«

Marcus verzog das Gesicht. »Nein, ganz sicher nicht, zumal sich alle drei so vehement gegen eine Heirat aussprechen. Als ich ihnen eine beträchtliche Mitgift zusicherte, um passable Bräutigame anzulocken, lehnten sie alle drei sofort ab.«

»Ein wenig blaustrümpfig und auch eigensinnig, die drei Damen, was?«

»Wie es scheint. Umso verdrießlicher, dass sich keiner von euch bereit erklärt, mir zu Hilfe zu kommen.«

Geschmeidiger ließe sich sein Dilemma kaum lösen, dachte Marcus, während er Drews Angriff abwehrte. Warum musste die erfreuliche Ergänzung seines vorhandenen Freiherrenstandes denn auch getrübt werden, indem ihm mit dem Earl-Titel das verarmte Danvers-Anwesen mitsamt seinen drei Bewohnerinnen zufiel? Alle drei entsprangen einer makellosen Linie, keine Frage, und waren angeblich von betörender Schönheit. Dennoch waren sie unverheiratet und kamen allmählich in die Jahre – eine Kombination, die für Frauen überaus ungünstig war.

Das Ausbleiben geeigneter Heiratskandidaten hatte weniger mit dem mangelnden Vermögen zu tun als mit einem entsetzlichen Skandal – man könnte beinahe sagen: zwei entsetzlichen Skandalen, welche die Chancen der drei jungen Damen nachhaltig beeinträchtigten. Vor vier Jahren nämlich war ihre Mutter mit ihrem französischen Liebhaber auf den Kontinent durchgebrannt. Und nicht genug damit, wurde ihr Vater gerade mal zwei Wochen später in einem Duell getötet, das er um seine jüngste Geliebte ausfocht. Was auch immer nach dem ersten Eklat an Hoffnung für die drei Damen übrig war, wurde durch den zweiten endgültig vernichtet.

Folglich war Marcus’ Überlegung gewesen, jeder von ihnen eine beachtliche Mitgift zuzusichern, um sie für mögliche Anwärter attraktiv zu machen. Das allerdings war, bevor er entdeckte, wie bedenklich eigensinnig sich die drei Schönheiten gaben. Besonders die älteste Schwester verteidigte ihre Unabhängigkeit nachgerade leidenschaftlich.

»Dem Gesetz nach sind sie meine Mündel, bis sie fünfundzwanzig werden«, erklärte Marcus. »Die Älteste jedoch, Arabella, beschwert sich bereits vehement über die damit verbundenen Einschränkungen. Allein im letzten Monat schrieb sie mir viermal, um mir mit Nachdruck zu versichern, sie und ihre Schwestern würden keinen Vormund benötigen. Dabei dauert es mich ebenso sehr wie sie, dass das Testament mich in diese Rolle zwingt.«

Marcus hielt kurz inne, um seinen Gegner zu umrunden und sich mit einer Hand durch das rabenschwarze Haar zu fahren. »Offen gesagt wäre mir weit wohler, wenn ich nie von den Loring-Schwestern gehört hätte. Was soll ich mit dem zusätzlichen Titel? Als Baron war ich rundum zufrieden.«

Seine Freunde betrachteten ihn mitfühlend, aber auch höchst amüsiert, worauf er pikiert hinzufügte: »Ich erwarte eure Unterstützung, ihr rückgratlosen Schurken! Euch werden doch wohl irgendwelche geeigneten Kandidaten einfallen, die ich den Damen präsentieren kann.«

»Nun, du könntest jederzeit selbst eine von ihnen heiraten«, schlug Heath spöttisch vor.

»Gott bewahre!« Marcus erschauderte und wäre um ein Haar von Drews Florett durchbohrt worden.

Seit der Kindheit waren Marcus, Drew und Heath unzertrennlich. Sie waren gemeinsam in Eton und Oxford gewesen und gleichzeitig in den Besitz ihrer großen Vermögen und illustren Titel gekommen. Danach mussten sich alle drei unzähliger heiratswilliger Debütantinnen und kuppelnder Mütter erwehren. Folglich teilten sie heute unter anderem eine ausgeprägte Aversion gegen die Institution Ehe – vor allem gegen die lieblosen, schnöde kalkulierten Verbindungen innerhalb der Adelskreise.

Bisher war Marcus noch keiner einzigen Frau begegnet, bei der ihm auch nur entfernt eine mögliche Vermählung in den Sinn gekommen wäre. Und die Vorstellung, lebenslänglich an ein weibliches Wesen gekettet zu sein, das er kaum mochte, geschweige denn liebte, ließ es ihm eiskalt den Rücken hinunterlaufen. Nichtsdestotrotz war er es seinen Titeln, dem alten wie dem neuen, schuldig, die Linie fortzusetzen. Letztlich also musste er heiraten.

Bis dahin allerdings sollte noch eine sehr lange Zeit vergehen.

Über dem ganzen schwer verdaulichen Gerede von Heirat konnte er sich gar nicht mehr konzentrieren, deshalb trat Marcus zurück und entbot Drew einen sardonischen Fechtgruß. »Ich gebe lieber auf, bevor du mich in Scheiben schneidest, Durchlaucht. Heath, mein Lieber, du bist dran.«

Nachdem der Marquess seinen Platz übernommen hatte, ging Marcus zu einem Wandtisch, wo er sein Florett ablegte und ein Handtuch nahm, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.

Gerade hatte erneutes Degenklirren angehoben, als Marcus eine Unruhe aus dem Korridor vernahm, die aus der Eingangshalle kommen musste. Wenngleich er kaum jedes dritte Wort verstand, war ihm sofort klar, dass es sich um einen weiblichen Gast handelte … und sein Butler weisungsgemäß leugnete, dass Marcus im Hause war.

Neugierig trat Marcus näher zur Salontür und lauschte.

»Wie ich bereits sagte, Miss, ist Lord Danvers nicht zu Hause.«

»Nicht zu Hause oder nicht gewillt zu empfangen?«, fragte die Unbekannte freundlich. »Ich bin den weiten Weg hergekommen, um mit ihm zu sprechen. Und ich bin bereit, das gesamte Haus nach ihm abzusuchen, wenn es sein muss.« Die Stimme klang tief, melodiös … und auffallend entschlossen. »Also, wo, bitte, finde ich ihn?«

Als Nächstes erklangen Geräusche, die deutlich auf ein Handgemenge schließen ließen. Offensichtlich bemühte sich Hobbs, ihr den Eintritt zu verwehren, verlor aber wohl, wie es sich anhörte. Einen Moment später nämlich hörte Marcus seinen allzeit beherrschten Diener gellend aufschreien: »Madam, Sie dürfen nicht nach oben gehen!«

Marcus musste unweigerlich grinsen, als er sich ausmalte, wie sein Butler unten stand und versuchte, die breite geschwungene Treppe zu versperren.

»Und warum nicht?«, fragte die Dame. »Könnte ich Seine Lordschaft dort vielleicht im Bett oder unvollständig bekleidet antreffen?«

Hobbs stieß einen entsetzten Laut aus, bevor er murmelte: »Nun gut, wenn Sie darauf bestehen. Ich werde nachfragen, ob Seine Lordschaft Sie empfängt.«

»Ach bitte, ersparen Sie sich die Mühe. Sagen Sie mir einfach, wo er steckt, dann melde ich mich selbst.« Für einen Augenblick verstummte die liebliche Stimme. »Ah, ich höre Fechtlärm. Der sollte mir hinreichend Orientierung bieten.«

Marcus wappnete sich, als die leichten Schritte über den Korridor näher kamen.

Die Dame, die wenig später in der Tür erschien, war von atemberaubendem Liebreiz. Obgleich ihre große, elegante Gestalt in ein schlichtes blaues Reisekleid gehüllt war, strahlte sie ein unverkennbares Selbstvertrauen und eine Grazie aus, die jeden sofort in ihren Bann zog.

Eine wahrhafte Schönheit, ging es Marcus durch den Kopf, der ob des Anblicks sprachlos war.

Ungewöhnlich groß und schlank, war sie doch kurvenreich genug, um selbst einen erfahrenen Mann wie ihn zu faszinieren. Ihr rotgoldenes Haar war unter dem Hut aufgesteckt, doch einige Locken umrahmten anmutig das zarte Gesicht. Darin fielen ihm besonders die wachen grauen Augen auf, die sich aufmerksam im Zimmer umblickten. Das waren die reizendsten Augen, die er je gesehen hatte. Der Farbton entsprach silbrigem Rauch, und sie vermittelten eine Klugheit und Wärme, die alle seine Sinne ansprach.

Hatte sie ihr Kinn eben noch energisch in die Höhe gereckt, wurden ihre feinen Züge schlagartig weicher, kaum dass sie ihn erblickte. Ihre Wangen färbten sich ein wenig rötlich. Anscheinend wurde ihr gerade bewusst, wie unziemlich es war, in einen Raum zu stürmen, in dem drei Herren im Fechten begriffen waren. Schließlich trugen sie alle lediglich ihre Hemden, keine Krawatten, keine Westen und keine Überröcke.

Ihre Augen wanderten zu Marcus’ entblößtem Hals und dem Leinenhemd, das teils offen war und so den Blick auf seine obere Brust freigab. Abrupt sah sie ihm wieder ins Gesicht, als wüsste sie, dass sie soeben bei etwas Verbotenem ertappt worden war. Als sich ihre Blicke begegneten, wurde sie noch röter.

Marcus war höchst angetan.

Gleich darauf schien sie sich wieder zu sammeln und sich auf den Grund ihres Besuchs zu besinnen. »Wer von den Herren ist Lord Danvers?«, fragte sie freundlich.

Er trat einen Schritt auf sie zu. »Zu Ihren Diensten, Miss …?«

Der perplexe Hobbs sprang ein, der hinter ihr stand. »Miss Arabella Loring für Sie, Mylord.«

»Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie mein ältestes Mündel sind?«, fragte Marcus, der sich nicht anmerken ließ, wie amüsiert er war.

Sie kniff ihren lieblichen Mund kaum merklich zusammen, bevor sie ein besonders charmantes Lächeln zeigte. »Bedauerlicherweise ja, ich bin Ihr Mündel.«

»Hobbs, nehmen Sie Miss Loring bitte ihre Pelisse und ihren Hut …«

»Danke, Mylord, aber ich habe nicht vor, länger zu bleiben. Ich bin hergekommen, um Sie um ein kurzes Gespräch zu bitten … unter vier Augen, wenn Sie so freundlich wären.«

Seine beiden Freunde hatten ihr Training längst unterbrochen und beäugten die unerwartete Besucherin mit unverhohlener Neugier. Als sie weiter in den Raum trat, bemerkte Marcus, wie Drew fragend eine Braue lüpfte. Ja, Drew war augenscheinlich nicht weniger überrascht von ihrer umwerfenden Erscheinung als Marcus.

Fürwahr eine Überraschung! Nach dem, was ihm seine Anwälte berichtet hatten, rechnete er bei seinem ältesten Mündel eher mit einer Schreckschraube. Nun aber musste er feststellen, dass ihr die Gerüchte über ihre Schönheit nicht annähernd gerecht wurden. Sie war, um es kurz zu fassen, überwältigend.

Er warf Drew und Heath einen Seitenblick zu. »Würdet ihr mich bitte entschuldigen?«

Beide eilten auf die Salontür zu, wobei Heath ihm im Vorübergehen zugrinste und eine seiner üblichen scherzhaften Bemerkungen fallen ließ: »Wir warten in der Halle auf dich, falls du Hilfe brauchst.«

Marcus entging nicht, dass Arabella zunächst sichtlich zusammenfuhr, dann aber ein melodiöses Lachen ausstieß, von dem sich abermals alle seine Sinne angesprochen fühlten. »Ich verspreche, ihm keinen körperlichen Schaden zuzufügen.«

Ein Jammer, war Marcus’ erster Gedanke. Ihm hätte gefallen zu sehen, was sie mit seinem Körper anzustellen vermochte.

Sobald sie jedoch allein waren, bedachte Marcus sein Mündel mit einem strengen Blick. Er bewunderte ihre Kühnheit, einfach herzukommen, sollte ihr allerdings zu verstehen geben, dass er es keineswegs für angebracht hielt. Schließlich musste sie wissen, dass er derjenige war, der das Sagen hatte. »Meine Anwälte warnten mich bereits vor Ihrer Entschlossenheit, Miss Loring, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie sich über jeden Anstand hinwegsetzen, indem Sie mich zu Hause aufsuchen.«

Sie zuckte mit den eleganten Schultern. »Sie ließen mir keine andere Wahl, Mylord, da Sie sich weigerten, auf meine Briefe zu antworten. Wir haben wichtige Angelegenheiten zu besprechen.“

»In dem Punkt stimme ich Ihnen zu. Wir müssen über Ihre Zukunft und die Ihrer Schwestern sprechen.«

Ihr anfängliches Zögern wich einem strahlenden Lächeln. »Ich bezweifle nicht, dass Sie ein verständiger Mann sind, Lord Danvers …«

Bei diesem offensichtlichen Versuch, ihn zu becircen, zog Marcus beide Brauen hoch. Fraglos war sie es gewohnt, Männer um den Finger zu wickeln, denn auch auf ihn hatte dieses Lächeln eine unerwünscht starke Wirkung – die er selbstverständlich sofort unterdrückte. »Durchaus bin ich gemeinhin recht verständig.«

»Dann werden Sie unseren Widerwillen, Sie als unseren Vormund zu akzeptieren, gewiss verstehen. Ich weiß, dass Sie es nur gut meinen, doch wir benötigen Ihre Hilfe nicht.«

»Zweifellos meine ich es gut«, sagte er freundlich. »Und ich bin für Sie und Ihre Schwestern verantwortlich.«

Ein ungeduldiges Funkeln blitzte in ihren Augen auf.

»Was gänzlich absurd ist. Wir sind alle drei längst volljährig, und für gewöhnlich endet eine Vormundschaft mit der Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres der Mündel. Zudem haben wir kein Vermögen, das zu verwalten wäre, mithin entfällt eine finanzielle Rechtfertigung Ihrer Vormundschaft.«

»Stimmt«, pflichtete Marcus ihr bei. »Ihr Stiefonkel hinterließ Ihnen keinen einzigen Penny.«

Sie atmete tief ein, um die Fassung zu wahren. »Wir wünschen keine Almosen von Ihnen, Mylord.«

»Es sind keine Almosen, Miss Loring. Vielmehr handelt es sich um meine gesetzliche Pflicht. Sie sind drei wehrlose Damen, die eines männlichen Beschützers bedürfen.«

»Wir brauchen keinen Beschützer«, konterte sie vehement.

»Nein?« Marcus sah sie an. »Meine Anwälte sind der Ansicht, dass jemand über Sie und Ihre Schwestern wachen sollte.«

In ihren Augen funkelte es. »Ach ja? Nun, ich denke nicht, dass Sie geeignet sind, ›über uns zu wachen‹, wie Sie es ausdrücken. Sie verfügen über keinerlei Erfahrung, was eine Vormundschaft betrifft.«

Marcus war froh, sie widerlegen zu können. »Ganz im Gegenteil! Ich habe sogar einige Erfahrung diesbezüglich, bin ich doch seit zehn Jahren der Vormund meiner Schwester. Sie ist jetzt einundzwanzig, im selben Alter wie Ihre jüngste Schwester Lilian – die ein veritabler Wildfang ist, wie mir zu Ohren kam.«

Arabella war für einen Sekundenbruchteil sprachlos. »Dem mag vielleicht so sein, nur sollte man dabei bedenken, dass Lily in einem recht empfindlichen Alter war, als unsere Mutter uns verließ.«

»Und was ist mir Ihrer Schwester Roslyn? Dem Vernehmen nach macht ihre außergewöhnliche Schönheit sie zum Ziel manch unangemessener Werbung vonseiten zwielichtiger Herren. Ich vermute, dass ihr der Schutz eines Vormunds sehr wohl zugutekäme.«

»Roslyn kann sehr gut auf sich selbst aufpassen. Wie wir alle. Das haben wir bereits, seit wir deutlich jünger als heute waren.«

»Und was für eine Zukunft erwartet Sie?«, konterte Marcus. »Ihrer aller Chancen auf angemessene Heirat wurden vernichtet, als Ihre Eltern beliebten, gleich beide hintereinander einen schrecklichen Skandal über die Familie zu bringen.«

Für einen flüchtigen Moment erkannte er den Schmerz in Arabellas Zügen. Doch sie rang sich gleich wieder ein Lächeln ab. »Als wüsste ich das nicht«, sagte sie leiser. »Aber sei es drum, es ist nicht Ihre Angelegenheit.«

Marcus schüttelte den Kopf. »Ich verstehe, warum Sie mich verabscheuen, Miss Loring. Ich bin ein Fremder, der plötzlich über Ihr Heim bestimmt …«

»Ich neide Ihnen weder den Titel noch den Besitz. Was ich Ihnen übelnehme, ist Ihre gänzlich unbegründete Vermutung, wir wollten verheiratet werden.«

Das brachte ihn zum Schmunzeln. »Ich halte es keineswegs für unbegründet, Ihnen Ehemänner finden zu wollen. Jede junge Frau von Stand strebt gewöhnlich danach, angemessen verheiratet zu werden. Sie hingegen benehmen sich, als hätte ich Sie beleidigt.«

Arabella war anzusehen, dass sie kaum mehr die Beherrschung wahrte. »Vergeben Sie mir, sollte ich diesen Eindruck erweckt haben, Mylord. Ich weiß, dass Sie es nicht als Beleidigung meinten …«

»Sie können unmöglich so töricht sein, fünftausend Pfund für jede auszuschlagen.«

»Offen gestanden, ja, ich …« Sie brach mitten im Satz ab, um reumütig zu lachen. Der Klang ging ihm durch und durch. »Nein, ich werde nicht zulassen, dass Sie mich provozieren, Mylord. Ich kam heute Morgen in der festen Absicht hierher, höflich zu sein.“

Leider ertappte Marcus sich dabei, wie er viel zu gebannt auf ihren wundervollen Mund starrte. Er musste sich zur Raison rufen, um etwas zu erwidern – zu spät, denn sie redete weiter.

»Möglicherweise scheint Ihnen unser Entschluss wenig nachvollziehbar, Lord Danvers, aber meine Schwestern und ich möchten nicht heiraten.«

»Warum nicht?« Als sie nicht antwortete, riet Marcus einfach. »Ich vermute, es hat mit dem fragwürdigen Beispiel zu tun, das Ihre Eltern Ihnen gaben.«

»Hat es«, gestand Arabella ein wenig zerknirscht. »Unsere Eltern waren wild entschlossen, sich gegenseitig das Leben zur Hölle zu machen, und stritten bei jeder Gelegenheit. Nach all der Bitterkeit, die wir zu Hause erlebten, ist es da ein Wunder, dass wir eine Aversion gegen arrangierte Ehen hegen?«

In Marcus regte sich Mitgefühl. »Mir ist dieses Gefühl vertraut. Meine eigenen Eltern haben nur höchst selten das demonstriert, was man als ein harmonisches Zusammenleben bezeichnet.«

Kaum schlug er sanftere Töne an, betrachtete sie ihn eingehender. Dann aber wandte sie den Blick gleich wieder ab, um sich auf den Sonnenstrahl zu konzentrieren, der durchs Fenster hereinfiel. »Auf jeden Fall müssen wir nicht heiraten. Wir verfügen über genügend Einkommen, um uns selbst zu ernähren.«

»Einkommen?«

»Hätten Sie sich die Mühe gemacht, meine Briefe zu lesen, wüssten Sie von unserer Schule.«

»Ich las Ihre Briefe!«

Sie sah ihn streng an. »Leider waren Sie nicht so freundlich, sie zu beantworten. Vielmehr instruierten Sie Ihre Anwälte, die Korrespondenz zu erledigen.«

»Ich bekenne mich schuldig. Allerdings muss ich zu meiner Verteidigung anführen, dass ich plante, Sie nächste Woche aufzusuchen.«

Als er sie anlächelte, holte Arabella tief Luft, bevor sie unvermittelt das Thema wechselte. »Geben Sie es zu, Lord Danvers, Sie wollen die Verantwortung für uns gar nicht. Gestehen Sie.«

Eine Lüge brachte er nicht über die Lippen. »Nun gut, es ist wahr, ich will sie nicht.«

»Und warum vergessen Sie uns dann nicht einfach?«

»Ich bezweifle, dass irgendjemand, der Ihnen begegnet ist, Sie einfach vergessen kann, Miss Loring«, erwiderte Marcus trocken. Als sie ihn wütend ansah, fügte er seufzend hinzu: »Ich bin jetzt für Sie verantwortlich, ob es uns gefällt oder nicht, und ich werde mich nicht vor meiner Pflicht drücken, für Ihr Wohlergehen zu sorgen. Sie werden feststellen, dass ich gar kein Ungeheuer bin, und darüber hinaus bin ich vermögend genug, um Ihre Mitgift zu finanzieren.«

Nun reckte sie wieder das Kinn. »Wie ich schon erwähnte, wollen wir Ihre Almosen nicht. Unser Institut erlaubt uns angemessene finanzielle Unabhängigkeit.«

Zugegeben, diese Schule oder dieses Institut, das sie ansprach, machte ihn neugierig. »So weit ich es verstanden habe, handelt es sich bei diesem Institut um ein Pensionat?«

»In gewisser Weise. Wir bringen wohlhabenden jungen Damen, die nicht in höherem Stand geboren wurden, Haltung, Benehmen und korrekte Sprache bei.«

»Mit anderen Worten dressieren Sie einfache Mädchen zu Debütantinnen. Wie überaus ungewöhnlich, Miss Loring.«

Sie kniff die Augen ein wenig zusammen. »Sie machen sich über mich lustig.«

»Schon möglich.« Eigentlich tat er es nicht. Er fand es wirklich bewundernswert, dass sich Arabella und ihre Schwestern eine Beschäftigung gesucht hatten, mit der sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen konnten. Damit standen sie unter den Frauen dieser Nation allein auf weiter Flur, würden die meisten von ihnen sich doch lieber tot stellen, als tatsächlich für ihren Unterhalt zu arbeiten. Aber er konnte dennoch nicht umhin, sie zu provozieren, und sei es nur, um dieses herrliche Funkeln in ihren grauen Augen zu sehen.

»Und Ihre Schwestern unterrichten dort auch?«, fragte er.

»Ja, nebst zwei anderen Damen, mit denen ich befreundet bin. Unsere Schirmherrin ist Lady Freemantle, die uns vor drei Jahren bat, ein solches Institut zu eröffnen. Sind Sie mit ihr bekannt? Ihr verstorbener Gatte war ein Baron, Sir Robert Freemantle.«

Marcus nickte. »Ja, ich bin mit ihr bekannt. Doch bin ich mir nicht sicher, ob es meinen Mündeln angemessen ist, an einer Schule zu unterrichten, so anspruchsvoll sie auch sein mag. Ihnen ist klar, dass ich als Ihr Vormund einer Weiterbeschäftigung zustimmen muss?«

Arabella wirkte gereizt. »Ich versichere Ihnen, es ist ein vollkommen anständiges Institut.«

»Manch einer würde Ihre Einstellung als blaustrümpfigen Unsinn abtun.«

Natürlich war es gemein von ihm, sie derart zu reizen, aber das Vergnügen, ihr Aufbrausen mitzuerleben, war einfach zu groß.

Leider schien sie ihn zu durchschauen. »Sie werden mich nicht dazu bringen, die Beherrschung zu verlieren, Mylord.«

»Nicht?«

Als er einen Schritt näher trat, erstarrte sie und blickte zu ihm auf, als fände sie ihn faszinierend. Dann aber machte sie den Rücken besonders gerade und sah ihm direkt in die Augen. Offenbar wollte sie ihn herausfordern. Indes überkam Marcus der abwegige Drang, sie in die Arme zu nehmen und zum nächsten Bett zu tragen.

Eine solch primitive Regung hatte sich seiner bisher noch bei keiner Frau bemächtigt, und in diesem Fall, da es sich um sein Mündel handelte, war sie fürwahr unangebracht.

Arabella atmete hörbar ein. Offensichtlich kämpfte sie um ihre Fassung – genau wie er. »Ich wage zu unterstellen, Mylord, dass Ihr Urteilsvermögen getrübt ist. Warum sonst könnte es Ihnen so schwerfallen, sich mit der Tatsache abzufinden, dass wir nicht unter Ihrer Obhut stehen wollen? Wir wünschen weder Ihre finanzielle Hilfe, noch sind Sie in irgendeiner anderen Form verpflichtet, uns zu unterstützen.«

»Im Testament steht anderes.«

»Dann werde ich eigene Anwälte engagieren müssen, um das Testament anzufechten.«

»Und wie wollen Sie die bezahlen? Sie verfügen nicht über die Mittel, meine Vormundschaft vor Gericht anzufechten.«

»Unsere Schirmherrin wird uns helfen. Lady Freemantle glaubt nicht daran, dass Frauen genötigt sein müssen zu heiraten, und sie sicherte uns Unterstützung zu. Natürlich ist sie nicht so wohlhabend wie Sie, aber ihr Vater vermachte ihr ein beträchtliches Vermögen aus seinen Produktions- und Bergbauunternehmen.«

»Das dürfte ein interessanter Rechtsstreit werden«, sagte Marcus lächelnd und verschränkte die Arme vor der Brust.

Sein Lächeln schaffte es endlich, sie aufbrausen zu lassen. »Sie können mich nicht zwingen, Ihre Arrangements zu akzeptieren!«

»Nein, wahrscheinlich nicht. Aber sobald der Umfang Ihrer Mitgift sich herumspricht, werden Sie jede Menge Bewerber haben, die sich Ihnen zu Füßen werfen und vor Ihrer Tür anstehen, um Ihnen einen Antrag zu machen.«

Sie ballte ihre handschuhverhüllte Faust, und in ihren Augen blitzte es gefährlich. »Sie werden uns nicht verkaufen können, Euer Lordschaft! Unfassbar, dass erwachsene Frauen wie bloßer Besitz behandelt werden, nicht besser als Vieh! Wir sind keine Zuchtstuten, die man an den höchsten Bieter verschachert!«

Aha. Ihrer hitzigen Reaktion nach zu urteilen, hatte er einen Nerv getroffen. Und in ihren Augen glühte ein Feuer, das er gleichermaßen bewundernswert wie reizvoll fand.

»Dann stimmt es also doch«, raunte er, vollkommen fasziniert davon, wie Arabella versuchte, ihn mittels Blicken zu töten.

»Was stimmt?«

»Dass Augen tatsächlich Funken sprühen können. Denn Ihre sind im Moment ein wahres Feuerwerk.«

Das war eine sehr provokante Bemerkung, die ihre Wirkung naturgemäß nicht verfehlte. Unmittelbar bevor sie anhob, ihm zu antworten, vernahm er einen Laut aus ihrer Kehle, der ihn an eine aufgebrachte Löwin erinnerte – tief und gefährlich. »Ich habe mich redlich bemüht, geduldig zu sein«, begann sie. Dann ging sie um ihn herum zu dem Seitentisch, ergriff sein Florett und drehte sich wieder zu ihm, die Spitze direkt auf seine Brust gerichtet.

»Ich war gewillt, Sie mittels Vernunft zu überzeugen, und sollte die versagen, hoffte ich, auf Ihr Wohlwollen rekurrieren zu können. Leider stellt sich nun heraus, dass Sie über keines von beiden verfügen!«

Restlos fasziniert von ihrer Kühnheit, hob Marcus beide Hände. »Ich werde mir merken, mich nie wieder mit einer bewaffneten Dame anzulegen.«

»Schön! Dann versprechen Sie mir, die unsinnige Absicht aufzugeben, uns alle verheiraten zu wollen.«

»Ich fürchte, ein solches Versprechen kann ich Ihnen nicht einmal unter Zwang geben.«

»Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?«

»Nein.« Bei aller Faszination war er nicht gewillt, sich von irgendjemandem bedrohen zu lassen. Andererseits blickte er in Arabellas Gesicht … auf die samtig helle Haut, den wunderbaren Mund … Er verspürte einen unglaublichen Drang, sie zu küssen, was insofern ungewöhnlich war, als er gemeinhin nichts überstürzte. »Nur zu, tun Sie, was Sie nicht lassen können, meine Liebe.«

Sie biss die Zähne zusammen und hob das Florett, sichtlich wütend, bis die Spitze unmittelbar vor seinem Adamsapfel war. Dort stoppte sie.

Das war eine offene Drohung, die Marcus unmöglich hinnehmen konnte. Als sie zögerte, umfasste er kurzerhand ihre Hände und drückte sie langsam, aber unnachgiebig zurück.

Nachdem nun die unmittelbare Gefahr vorbei war, konnte er ihre Hände trotzdem nicht loslassen. Vielmehr umklammerte er ihre zarten Gelenke ein wenig fester und machte dabei noch einen Schritt auf sie zu. Dann fiel sein Blick wieder auf ihren betörenden Mund.

Sie sah zu ihm auf und benetzte sich nervös die Lippen, worauf ihn der unsinnige Impuls überkam, sie zu küssen.

Eine Stimme in seinem Kopf warnte ihn inständig, und dennoch zog er Arabella näher zu sich, bis sich ihre Körper berührten. In dem Augenblick, in dem er ihren Busen an seiner Brust spürte, flammte eine Hitze in ihm auf, die stark genug war, ihn zu versengen.

Doch noch während seine Sinne ganz von dieser herrlichen Attacke eingenommen wurden, funkelte eine gänzlich andere Emotion in Arabellas Augen auf.

Sie fühlte sich warm an, unbeschreiblich lebendig und sinnlich. Es kostete ihn seine letzte Kraft, die Beherrschung zu wahren.

»Wenn Sie das nächste Mal einen Mann bedrohen, Miss Loring«, riet er ihr mit einer vor Anspannung heiseren Stimme, »sollten Sie bereit sein, Ihre Drohung auch wahr zu machen.«

Mit einem verärgerten Laut entwand sie sich ihm und machte einen Schritt zurück. »Ich werde es beim nächsten Mal bedenken, Mylord.«

Marcus überraschte, wie sehr er sich wünschte, jenes nächste Mal dabei zu sein. Stumm sah er zu, wie Arabella das Florett zu Boden schleuderte, das klirrend über die Dielen hüpfte.

»Seien Sie froh, dass ich zu sehr Dame bin, um Sie aufzuspießen«, sagte sie, machte auf dem Absatz kehrt und stapfte zur Tür. Dort blieb sie kurz stehen und wandte sich verärgert zu ihm um. »Wenn Sie einen Krieg mit mir wollen, Lord Danvers, den können Sie haben.«

Zweites Kapitel

Endlich bin ich dem Earl persönlich begegnet und musste feststellen, dass sein Gebaren noch weit ärgerlicher ist, als ich erwartet hatte.

Arabella Loring an Fanny Irwin

Ihr Blick war die reinste Herausforderung, eine Herausforderung, der Marcus unmöglich widerstehen konnte. Als er jedoch einen Schritt auf sie zumachte, verließ Miss Loring prompt das Zimmer. Er folgte ihr hinaus in den Korridor und starrte ihr gedankenverloren nach.

Wortlos rauschte sie an seinen beiden Freunden vorbei, die auf dem Flur warteten, und durchquerte die Eingangshalle zur Tür. Sein Butler schaffte es gerade noch rechtzeitig, herbeizueilen und ihr die Haustür zu öffnen.

Nur mühsam widerstand Marcus dem Wunsch, ihr sofort nachzulaufen. So ungern er es auch zugab, weckte diese erste aufregende Begegnung in ihm das Verlangen, sie näher kennenzulernen.

»Dein Mund steht offen, alter Knabe«, bemerkte Heath amüsiert.

Marcus schloss hastig den Mund und hielt es für überflüssig, seinem Freund zu widersprechen. Ja, Arabella Loring hatte es tatsächlich geschafft, ihn in höchste Erregung zu versetzen und dann einfach stehen zu lassen!

Kopfschüttelnd kehrte er in den Salon zurück und schenkte sich ein Glas Ale ein, mit dem er nachdenklich auf die Ledercouch sank. Was an seinem ältesten Mündel hatte ihn derart vehement reagieren lassen?

Seine Freunde kamen herein und setzten sich auf die Sessel. Heath sagte als Erster etwas: »Du hattest uns nicht gesagt, dass Miss Loring umwerfend ist, Marcus.«

»Weil ich es nicht wusste.« Seine Anwälte hatten ihn auf eine Schönheit gefasst gemacht, doch mit keinem Wort ihre Lebendigkeit und ihr feuriges Temperament erwähnt, weshalb er mit beidem gänzlich unvorbereitet konfrontiert worden war.

»Nun, auf jeden Fall dürfte sie dir einen ziemlichen Schock versetzt haben«, bemerkte Drew äußerst belustigt. »Wie wir mithören konnten, drohte sie, dich zu entmannen. Du hattest recht, mein Guter, du hast da eine echte Xanthippe unter deiner Obhut.«

»Nein«, korrigierte Heath. »Eher eine Amazone oder Walküre.« In seinen Worten schwang ein Hauch von Bewunderung mit.

»Ich persönlich schätze etwas ruhigere Frauen«, sagte Drew.

»Ich nicht«, konterte Heath. »Wie bedauerlich, dass du uns rausgeschickt hast, Marcus. Das Feuerwerk hätte ich gern mit eigenen Augen gesehen.«

Feuerwerk traf es genau, denn das hatte er bei Arabella erlebt, dachte Marcus verwirrt.

»Du siehst immer noch ein wenig mitgenommen aus«, fügte Drew ernster hinzu.

Marcus nickte stumm. Noch nie hatte er sich so prompt, so unerwartet und so vollkommen wehrlos zu einer Frau hingezogen gefühlt. Allein in Arabellas Nähe zu sein entflammte sein Verlangen.

Was ihn erstaunte, denn er war bereits unzähligen schönen Frauen begegnet. Bei Gott, er hatte sogar schon manch eine Schönheit besessen. Was war an seinem Mündel so anders als an den anderen? Dass sie ihn nicht umgarnte? Dass sie ihm nicht um jeden Preis gefallen wollte wie jede andere Frau?

»Vielleicht«, überlegte er laut, »bin ich lediglich erschrocken, weil ihr Besuch so unerwartet kam.«

»Wie dem auch sei, diese Dame dürfte sich als eine echte Herausforderung erweisen«, konstatierte Heath überflüssigerweise.

Und ob sie das sein würde, pflichtete Marcus ihm im Geiste bei und musste an Arabellas Kriegserklärung denken. Ja, sie forderte ihn heraus, und das auf unwiderstehlich faszinierende Art. Es würde wohl eine Weile dauern, ehe er das Bild ihrer funkelnden grauen Augen und ihres rotgoldenen Haars aus seinem Kopf verdrängt hätte.

Er trank einen großen Schluck Ale. Vielleicht war es gar nicht einmal so verwunderlich, dass sein Interesse ausgerechnet von einer Frau wie Arabella geweckt wurde. Seit Monaten schon langweilte ihn das harmlose Geplänkel, dem er sich mit sonstigen Damen hingab. Und noch mehr langweilten ihn jene Geschöpfe, vornehme wie weniger vornehme Damen, die ihn offen umwarben.

»Und wie planst du, die feurige Miss Arabella zu zähmen?«, fragte Drew.

»Willst du eine ehrliche Antwort? Ich weiß es noch nicht. Fürs Erste werde ich meinen Besuch in Danvers Hall auf den kommenden Montag vorverlegen.«

»Ich würde behaupten, dass du dein Dilemma unterschätzt, falls du ernsthaft planst, sie mit einem ahnungslosen Tölpel verheiraten zu können.«

Marcus lachte innerlich. »Zweifellos.« Eine angemessene Partie für sie zu finden würde schwieriger werden, als er es sich vorgestellt hatte. Und wer immer den Versuch unternahm, um sie zu werben, hatte einiges vor sich. »Es könnte sogar unmöglich sein, einen Ehemann für sie zu finden.«

»Da wäre ich mir nicht sicher«, entgegnete Heath. »Viele Herren werden gerade ihr Temperament zu schätzen wissen. Denn sollte sie im Bett nur halb so leidenschaftlich sein wie außerhalb, könnte manch einer darauf hoffen, sich mit ihr seine kühnsten Träume zu erfüllen.«

Marcus warf ihm einen strengen Blick zu. »Hüte deine Zunge, Mann. Du sprichst hier von meinem Mündel!«

Heath grinste bedauernd. »Stimmt, du darfst dein eigenes Mündel natürlich nicht verführen. Ein Jammer, dass sie so hohen Kreisen entstammt, da wäre es überhaupt nicht ehrenhaft. Verbotene Frucht und so.«

Verboten, richtig, stimmte Marcus ihm verdrossen zu. Seine gegenwärtige Verbindung zu den Loring-Schwestern war rein rechtlicher Natur. Obwohl sie alle in einem Alter waren, in dem sie keines Vormunds mehr bedurften, war er gesetzlich für ihr Wohlergehen verantwortlich.

Dennoch konnte er nicht leugnen, dass die Vorstellung von Arabella als seiner Geliebten durchaus ihren Reiz hatte. Zudem hatte er im Moment keine andere Geliebte, weil ihn seine lockeren Affären in letzter Zeit einfach nicht mehr zufriedenstellten. Es reichte ihm schlicht nicht, in der Vereinigung mit einem üppigen, weiblichen Körper seine rein physischen Bedürfnisse zu stillen.

Andererseits schien der Gedanke an Arabella in seinem Bett äußerst verlockend und weckte ein lange nicht mehr gekanntes Verlangen in ihm. Sich auszumalen, all das Feuer aus nächster Nähe zu erleben, entflammte ihn schon.

Heath fügte provokant hinzu: »Wie ich bereits sagte, du kannst jederzeit selbst um sie anhalten. Überdies wäre es recht unterhaltsam mit anzusehen, wie du versuchst, sie zu erobern.«

Drews Mundwinkel zuckten. »Es könnte zudem eine erfrischende Erfahrung für dich sein, zur Abwechslung mal einer Frau nachjagen zu müssen.«

Marcus betrachtete seine Freunde verärgert. »Seid vorsichtig, ihr beiden. Wenn ihr mich weiter damit aufzieht, werde ich einen Weg finden, euch mit meinen Mündeln zu verheiraten!«

»Ich verstehe, warum die Loring-Schwestern etwas gegen dich als ihren Vormund haben«, erwiderte Drew unbeeindruckt. »Frauen geben sich gern der Illusion hin, sie würden alle Fäden in der Hand halten und die Männer nach ihrem Willen tanzen lassen. Sie mögen es nicht, wenn man sie als eine lästige Pflicht betrachtet, wie du es mit deinen Mündeln zu tun scheinst.«

»Ich empfände diese Pflicht ganz und gar nicht als lästig«, bemerkte Heath nachdenklich. »Nein, ich würde es richtiggehend genießen, mich mit einer Frau wie Miss Arabella auf einen Disput einzulassen. Was meinst du, Marcus? Du klagst doch seit einiger Zeit über Langeweile. Eine Schlacht mit ihr dürfte deinem Leben fürwahr Kurzweil und Würze verleihen.« Heath betrachtete ihn über sein Bierglas hinweg. »Und dem Glanz in deinen Augen nach würde ich behaupten, du denkst dasselbe.«

Marcus nickte. Arabella Lorings Kriegserklärung anzunehmen wäre fraglos ein wirksames Mittel gegen die Ödnis seiner Tage. »Gewiss kann das sehr interessant sein. Nach meinem Besuch in Danvers Hall nächste Woche werde ich es genauer wissen – wenn ich die Frage ihrer Verheiratung geklärt habe.«

Wie genau er mit Arabella fertig werden sollte, wusste er noch nicht. Aber er freute sich schon sehr auf die nächste Begegnung mit ihr.

Das Problem dabei, wenn man sich in die Höhle des Löwen begab, war, dass man riskierte, von ihm gefressen zu werden, stellte Arabella fest, als sie in den Einspänner ihrer Gönnerin stieg. Und wenngleich sie es wohl vermieden hatte, von Marcus Pierce, dem neuen Earl of Danvers, mit Haut und Haaren verspeist zu werden, hatte ihr Stolz doch erheblich gelitten.

Als der Kutscher das Pferd antrieb, um nach Chiswick zurückzukehren, sank Arabella in die Samtpolster und wartete darauf, dass ihre Gedanken aufhörten, sich im Kreis zu bewegen. Lord Danvers hatte sie für einen Moment so sehr aus der Fassung gebracht, dass sie vollkommen vergaß, warum sie zu ihm gekommen war.

Heute Morgen brach sie mit dem festen Entschluss nach London auf, ihn mittels Logik und Charme zur Vernunft zu bringen und ihn zu veranlassen, seine ungewollte Vormundschaft niederzulegen. Als sie ihn dann aber beim Fechttraining überraschte, hatte sie das gänzlich aus dem Konzept gebracht.

Es war höchst bedauerlich, wie ihr Puls gerast hatte, als sie ihn zum ersten Mal sah. Und diese unerwünschte Reaktion ließ sich auch nicht mit seiner großen, athletischen Gestalt, seinem dichten, ebenholzschwarzen Haar, seinen mitternachtsblauen Augen und den Gesichtszügen eines griechischen Gottes rechtfertigen. Schließlich überkam sie beim Anblick antiker Marmorstatuen auch nicht der Wunsch, sie zu berühren. Und erst recht beschworen sie keine solch abwegigen Bilder in ihr herauf, wie sie ihr angesichts ihres Vormunds durch den Kopf gegangen waren.

Arabella verzog das Gesicht, als sie an sein halb offenes Hemd und die muskulöse Brust mit den dunklen Locken dachte, die es entblößte. Seine Erscheinung, gepaart mit dem amüsierten Funkeln in seinen durchdringenden Augen, hatte sie komplett verwirrt. Und als wäre das alles nicht schon beschämend genug, schaffte er es auch noch, dass sie die Beherrschung verlor!

Sie konnte beim besten Willen nicht mehr sagen, was sie getrieben hatte, ihn offen zu bedrohen. Eigentlich hatte sie vorgehabt, ihn auf charmante Weise von ihrer Meinung zu überzeugen. Stattdessen beging sie einen fatalen Fehler, indem sie ihn herausforderte. Und ein Mann von seinem Format liebte offensichtlich die Herausforderung.

Lord Danvers hatte den Spieß kurzerhand umgedreht und ihr den Atem geraubt, als er sie beinahe küsste. Schlimmer noch, sie wollte sogar, dass er es tat! Folglich war ihr gar nichts anderes übrig geblieben, als schmachvoll den Rückzug anzutreten, ohne etwas erreicht zu haben. Länger zu bleiben wäre riskant gewesen, denn in seiner Gegenwart traute sie sich selbst nicht.

Die Begegnung hatte sie nachhaltig verstört, zumal sie über sich selbst erstaunt war – nicht bloß wegen ihres kläglichen Scheiterns, sondern vor allem wegen ihrer idiotischen Faszination von ihm.

»Alberne Pute«, murmelte Arabella. »Du hast ihn die Oberhand gewinnen lassen und dich benommen wie irgendein dummes Weib, das sich von einem gut aussehenden Adligen angezogen fühlt.«

Die Arroganz Seiner Lordschaft hatte sie allerdings kein bisschen überrascht. Anmaßend, überheblich und eingebildet, hatte er geglaubt, er wüsste, was das Beste für sie wäre. Doch so sehr sie sich auch an seiner Arroganz störte, leugnete sie nicht, welche Wirkung er auf sie gehabt hatte. Während ihrer kurzen Auseinandersetzung war das Feuer zwischen ihnen unverkennbar gewesen.

Mit einem verärgerten Seufzer blickte Arabella auf die Landschaft, durch die sie fuhren.

Sie hätte weit besser auf ihn vorbereitet sein müssen. Ihre gute Freundin Fanny Irwin – die sie seit ihrer Kindheit kannte und die zurzeit zu den berühmtesten Kurtisanen Londons zählte – hatte sie vor Marcus Pierce gewarnt. Fanny hatte ihr von seinem umwerfenden Aussehen, seinem rauen Charme und seinem wachen Verstand erzählt. Als einer der begehrtesten Junggesellen des Landes hatte er nicht wenige Damen der Londoner Gesellschaft bezaubert – und mit einem beträchtlichen Teil von ihnen bereits das Bett geteilt.

Die meisten Frauen mochten seinen verwegenen Charme. Andererseits hatten die meisten von ihnen auch nicht ihr Leben lang unter einem Wüstling von Vater gelitten wie Arabella.

Ihr neuer Vormund war eindeutig attraktiver, als gut für ihn war, dachte Arabella und kniff den Mund zusammen. Für ein hübsches Gesicht hatte ihre Mutter alles aufgegeben … einschließlich ihrer Töchter. Bis heute versetzte es Arabella einen Stich, von ihrer Mutter verlassen worden zu sein, selbst nach vier Jahren noch.

Als Victoria Loring mit ihrem Liebhaber durchbrannte, mussten ihre Töchter mit der Schmach und der Erniedrigung leben. Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, hatte ihr Vater, Sir Charles Loring, zwei Wochen später den Rest seines Vermögen verspielt und wurde in einem Duell getötet, bei dem es um eine seiner Geliebten ging.

Abgesehen von dem Schmerz, den der Verlust beider Eltern binnen zwei Wochen den Töchtern zufügte, hatten die Loring-Schwestern auch sonst teuer für die Skandale bezahlen müssen. Arabella verlor ihren Verlobten. Drei Monate war sie einem Viscount versprochen gewesen, einem Mann, den sie von Herzen liebte, als die Verlobung sehr zügig gelöst wurde. Er hatte nicht den Mut gehabt, um ihretwillen gegen die Missbilligung der Hautevolee aufzubegehren, und seine Liebesbezeugungen erwiesen sich als ebenso flüchtig wie Schäfchenwolken an einem Sommerhimmel. Folglich saß Arabella mit einem gebrochenen Herzen da, wie es die Dichter so hübsch umschreiben.

Roslyn, der wahren Schönheit in der Familie, wurde jedwede Aussicht auf eine respektable Zukunft verweigert, indem die Skandale ihrer ersten Ballsaison ein jähes Ende setzten und damit die Chancen auf eine passable Heirat passé waren. Umso verheerender war es für sie, dass ihr gleich drei unterschiedliche Männer anboten, sie zu ihrer Geliebten zu machen – infame Absichten, zu deren Erklärung es gewiss niemals gekommen wäre, hätte ihr Stiefonkel als Vormund nicht so kläglich versagt.

Lilian hatte ebenfalls keine Chance gehabt, eine gute Partie zu finden, auch wenn sie beteuerte, überhaupt nicht daran interessiert zu sein. Arabellas kleine Schwester verdrängte ihren Kummer und ihre Wut, indem sie sich recht wild gebärdete und gegen die gesellschaftlichen Beschränkungen ebenso aufbegehrte wie gegen die verlogenen Sittenwächter, die alle drei Schwestern ächteten für etwas, was sie gar nicht getan hatten.

ENDE DER LESEPROBE