Die letzte Diät - Eran Segal - E-Book

Die letzte Diät E-Book

Eran Segal

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Beschreibung

Es gibt Dinge, die wir für unumstößlich halten, wenn es ums Essen geht: Spinat ist gesund, Schokolade nicht. Bis jetzt! Die revolutionären Forschungsergebnisse der beiden Ernährungs- und Gesundheitswissenschaftler Eran Segal und Eran Elinav zeigen: Was für den einen gesund ist, kann bei einem anderen das Gegenteil bewirken. Sie erklären die Hintergründe ihrer faszinierenden Erkenntnisse und geben uns das Werkzeug an die Hand, um einen persönlichen Ernährungsplan zu entwickeln, der Krankheiten vorbeugt, zu dauerhaftem Gewichtsverlust und besserer Gesundheit führt – ganz einfach, indem wir das essen, was tatsächlich gut für uns ist.

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Seitenzahl: 383

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Buch

Es gibt Dinge, die wir für unumstößlich halten, wenn es ums Essen geht: Spinat ist gesund, Schokolade nicht. Bis jetzt! Die revolutionären Forschungsergebnisse der beiden Ernährungs- und Gesundheitswissenschaftler Eran Segal und Eran Elinav zeigen: Was für den einen gesund ist, kann bei einem anderen das Gegenteil bewirken. Sie erklären die Hintergründe ihrer faszinierenden Erkenntnisse und geben uns das Werkzeug an die Hand, um einen persönlichen Ernährungsplan zu entwickeln, der Krankheiten vorbeugt, zu dauerhaftem Gewichtsverlust und besserer Gesundheit führt – ganz einfach, indem wir das essen, was tatsächlich gut für uns ist.

Autoren

Prof. Dr. Eran Elinav forscht am »Weizmann Institute of Science« zur Auswirkung des menschlichen Mikrobioms auf unsere Gesundheit.

Prof. Dr. Eran Segal ist dort Professor für Systembiologie und Angewandte Mathematik und Computerwissenschaften. Für seine Arbeit erhielt er zahlreiche Auszeichnungen. Beide veröffentlichen regelmäßig in wissenschaftlichen Zeitschriften.

Prof. Dr. Eran Segal | Prof. Dr. Eran Elinavmit Eve Adamson

Die letzte Diät

Dauerhaft gesund und schlank durch Messung des Blutzuckers

Aus dem Englischen von Thorsten Schmidt

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel »The Personalized Diet« bei Grand Central Life & Style, New York, USA.Alle Ratschläge in diesem Buch wurden vom Autor und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Eine Haftung der Autoren beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist daher ausgeschlossen.Wir haben uns bemüht, alle Rechteinhaber ausfindig zu machen, verlagsüblich zu nennen und zu honorieren. Sollte uns dies im Einzelfall aufgrund der schlechten Quellenlage bedauerlicherweise einmal nicht möglich gewesen sein, werden wir begründete Ansprüche selbstverständlich erfüllen.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

1. Auflage

Deutsche Erstausgabe Mai 2018

Copyright © 2017 der Originalausgabe: Eran Segal, PhD, and Eran Elinav, MD, PhD

Copyright © 2018 der deutschsprachigen Ausgabe: Wilhelm Goldmann, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: Uno Werbeagentur, München

Umschlagmotiv: FinePic®, München

Redaktion: Ruth Wiebusch

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

JT/JE ∙ Herstellung: cb

ISBN 978-3-641-21471-5V001

www.goldmann-verlag.deBesuchen Sie den Goldmann Verlag im Netz:

Inhalt

Einleitung

Teil I Eine globale Epidemie und ihre Lösung: die personalisierte Ernährung

Kapitel 1: Unser täglich Brot

Kapitel 2: Moderne (Gesundheits-)Probleme

Kapitel 3: Eine Flut an Fehlinformationen

Kapitel 4: Gesunde Ernährung: Eine neue Sichtweise

Kapitel 5: Die Welt in unserem Darm – und warum sie so wichtig ist

Kapitel 6: Blutzucker – wie unser Körper auf Nahrung reagiert

Kapitel 7: Unsere Studie über personalisierte Ernährung

Teil II Die praktische Umsetzung

Kapitel 8: Testen Sie Ihre Blutzuckerreaktionen

Kapitel 9: Wie Sie die personalisierte Ernährung feinabstimmen

Kapitel 10: Ihr persönlicher Ernährungsplan

Kapitel 11: Die Zukunft der Ernährung

Danksagung

Anhang

Einleitung

Willkommen in der Zukunft der Ernährung

Stellen Sie sich vor, dass kein einziges Lebensmittel für jeden von uns in gleicher Weise schlecht oder gut ist – weder Schokolade noch Weißkohl noch Gebäck noch ein großer Salat, nicht einmal eine Banane oder Kaffee. Denken Sie an etwas, das Sie gern essen – etwas, das Sie für furchtbar ungesund halten (worauf Sie jedoch ständig Lust haben), etwa ein saftiges, fettreiches Steak oder eine Schale Pfefferminzeis mit Schokostückchen. Jetzt stellen Sie sich vor, dass Sie dieses Essen in Wirklichkeit bedenkenlos genießen können und es Ihrer Gesundheit nicht schadet. Und was wäre, wenn ein Lebensmittel, das Sie verabscheuen – etwas, das Sie herunterwürgen, weil Sie glauben, dass es gut für Sie ist und Ihnen beim Abnehmen hilft, wie Reiswaffeln oder gedünsteter Fisch –, genau das Falsche für Sie ist? Und wenn wir Ihnen sagen, dass die Zufuhr kohlenhydratreicher Nahrungsmittel (»Carbo-Loading«), wie etwa Brot und Nudeln, vor Ausdauersportarten womöglich schlecht für Sie ist und Sie langsamer macht? Dass zuckerfreie Limonade direkt zu einer Gewichtszunahme führen kann, oder dass Sushi womöglich Ihren Blutzuckerspiegel in einer Weise in die Höhe schießen lässt, die Ihr Diabetesrisiko erhöhen könnte?

Stellen Sie sich vor, wenn Sie sich nicht länger durch karge Diäten quälen müssten, bei denen Sie auf alles Mögliche verzichten sollen. Nie mehr eine »Induktionsphase«, eine Fastenkur oder einer Nulldiät. Sie könnten wieder ruhigen Gewissens Kohlenhydrate, Fett oder Fleisch essen, wenn es Sie danach gelüstet. Und stellen Sie sich vor, Sie müssten sich nie wieder mit dem unendlichen Strom verwirrender und widersprüchlicher Ernährungsratschläge auseinandersetzen, die Ihnen sagen, welche Nahrungsmittel Sie essen bzw. nicht essen sollten, um abzunehmen oder chronische Krankheiten zu bekämpfen. Die Wissenschaft hat endlich begonnen, die komplexe Frage nach der optimalen Ernährung zu ergründen. Das Resultat: Sie müssen sich nicht länger den Kopf darüber zerbrechen, welche Lebensmittel Sie essen sollten, weil Sie jetzt wissen, dass es nicht die eine richtige Ernährungsphilosophie gibt, die für alle funktioniert. Was wäre, wenn jeder Mensch, abhängig von der Zusammensetzung seines Körpers, eine andere Ernährung braucht? Möglicherweise beginnt die Wissenschaft gerade jetzt, eine Methode zu entdecken, die jeden von uns in die Lage versetzt zu entscheiden, was genau auf seinem Speiseplan stehen soll. Was wäre, wenn Sie erfahren würden, dass die optimale Ernährung individuell maßgeschneidert werden muss (und kann) und warum dies so ist? Was wäre, wenn genau dieses Buch Ihnen diese Informationen liefert?

Wir sind Forscher und Kollegen am Weizmann Institut für Wissenschaften, einer international renommierten, multidisziplinären Forschungseinrichtung. Sie hat sich der Förderung der Wissenschaften zum Wohle der Menschheit verschrieben. Wir arbeiten bei einem ehrgeizigen und umfangreichen Forschungsprojekt zusammen, dem sogenannten »Personalized Nutrition Project« (Forschungsprojekt zur personalisierten Ernährung). Nach unserer Überzeugung hat es das Zeug dazu, die Ernährungswissenschaft auf eine neue Grundlage zu stellen.

In diesem Buch erläutern wir, wie wir zu unseren Schlussfolgerungen gelangt sind. Wir fassen die neuesten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zusammen, die den erstaunlichen Empfehlungen, die wir heute machen können, zugrunde liegen. Und wir zeigen Ihnen, wie Sie sofort etwas in Ihrem Leben verändern können, das Ihrer Gesundheit zugutekommt. Dazu müssen Sie lediglich die personalisierte Ernährungsstrategie auf Ihren Speiseplan und Ihren Lebensstil anwenden. Auf der Basis umfangreicher Daten, die wir in unseren Studien erhoben haben, sind wir zu ganz neuen Erkenntnissen gelangt. Diese Erkenntnisse werden Sie möglicherweise dazu veranlassen, Ihr Leben umzukrempeln. Denn das, was Sie bisher gegessen haben, werden Sie möglicherweise in einem völlig neuen Licht sehen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass viele der Nahrungsmittel, die Sie mögen, die Sie aber Ihres Erachtens meiden sollten, Ihnen nicht im Geringsten schaden. Und manches, was Sie für gesund halten, könnte nicht gut für Sie sein – für Sie ganz persönlich.

Die Entdeckungen, die wir im Rahmen unserer bahnbrechenden Forschungen gemacht und in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht haben, können Ihnen nicht nur beim Abnehmen helfen, sondern auch Ihren Energiepegel, Ihre Schlafqualität und Ihren gesamten Gesundheitszustand – ja Ihr Leben – verändern.

Die meisten Menschen wollen abnehmen, gesünder leben, sich besser fühlen, ihre Esslust kontrollieren und ihr Risiko für chronische Krankheiten senken. Aus diesem Grund haben Wissenschaftler und Forschungsinstitute sehr viel Zeit und Milliarden von Dollar darauf verwendet, Studien durchzuführen und zu veröffentlichen, um eine einfache Frage zu beantworten: Wie sollen wir uns ernähren?

Vielleicht glauben Sie, es schon zu wissen. Vielleicht ernähren Sie sich bereits kohlenhydratarm oder vegan oder nach den Grundsätzen der mediterranen Küche, oder Sie haben die Dienste eines Diätassistenten in Anspruch genommen, der Ihnen gesagt hat, was Sie essen sollen. Jedenfalls sind Sie sicher, dass die Wissenschaft Bescheid weiß. Schließlich hört sich die Frage recht einfach an.

Tatsächlich gibt es viele überzeugende Bücher, Artikel und Webseiten, die von Leuten verfasst wurden, die vorgeben, die Wahrheit zu kennen. Und obwohl viele von ihnen Dutzende und manchmal Hunderte wissenschaftlicher Studien anführen, um ihre Theorien zu belegen, haben wir bis heute keine abschließende Antwort. Natürlich gibt es Mediziner, Diätassistenten, Ernährungswissenschaftler oder Fitnesstrainer, die sich für eine bestimmte Diät aussprechen, und einige von ihnen haben damit erfolgreich ihr eigenes Gewicht reduziert. Nun wollen sie anderen mitteilen, wie sie dabei vorgegangen sind. Jeder behauptet zu wissen, was wirklich funktioniert, die absolute Wahrheit zu kennen.

Kein Wunder, dass sich viele gierig auf diese Informationen stürzen. Sie orientieren sich an dem, was sie zuletzt gelesen haben, und ändern fortwährend ihre Meinung und ihre Strategien. Wenn eine Diät oder Ernährungsphilosophie nicht den gewünschten Erfolg hat, wenden sie sich einer anderen zu, dann wieder einer anderen und noch einer anderen; sie halten sich für gut informiert, weil sie auf Experten hören.

Das Problem ist, dass diese Bücher, Artikel und Webseiten völlig unterschiedliche und oftmals geradewegs gegensätzliche Ernährungsempfehlungen geben. Selbst sorgfältig konzipierte Studien über einen Ernährungsgrundsatz oder eine Ernährungsstrategie lassen sich fast immer leicht mit einer anderen Studie über einen anderen Ernährungsgrundsatz oder eine andere Strategie entkräften. Jede beliebige Ernährungsempfehlung wird durch zahlreiche Studien gestützt beziehungsweise widerlegt.

Was ist also die Antwort auf die Frage nach der »besten« Ernährung? Ganz allmählich kommt die Wissenschaft zur Erkenntnis: Es gibt keine Antwort auf die Frage nach der perfekten Ernährung, weil es die falsche Frage ist.

Aber bevor wir uns der richtigen Frage zuwenden – der wirklich wichtigen Frage, und der Frage, auf die es tatsächlich eine Antwort gibt, die Ihr Leben womöglich grundlegend verändern wird –, möchten wir uns kurz vorstellen.

Dr. Segal

Ich bin studierter Naturwissenschaftler und leidenschaftlicher Marathonläufer, der mit einer klinischen Diätspezialistin verheiratet ist. Deswegen war ich mir ziemlich sicher zu wissen, wie man sich gesund ernährt. Ich glaubte, ein gutes Gespür für die »richtigen« Lebensmittel zu haben. Das war lange bevor ich mich mit dem Konzept der personalisierten Ernährung befasste. Vor ein paar Jahren trieb mich dann die Frage um, was ich tun könnte, um meine sportliche Leistung zu steigern. Ich recherchierte in meiner Freizeit über Sportphysiologie. Die Frage war, wie sich durch meine Ernährung mein Leistungsvermögen steigern ließe. Könnte mir eine Umstellung meines Speiseplans mehr Energie für meine Langstreckenläufe geben oder mich schneller machen?

Als Wissenschaftler habe ich kein großes Interesse an populärwissenschaftlichen Abhandlungen über Ernährungs- und Fitnessmoden. Deswegen habe ich vor allem zu Büchern mit einer streng wissenschaftlichen Betrachtungsweise gegriffen, die ihre Behauptungen durch solide Forschungsergebnisse untermauern. Ich wollte wissen, was die empirische Wissenschaft über den Einfluss der Ernährung auf das sportliche Leistungsvermögen zu sagen hat. Ich glaube an die Wissenschaft, und daher vertraue ich darauf, dass mir die Wissenschaft die Wahrheit sagt. Ich ging voller Tatkraft und positiver Erwartungen an dieses neue Projekt. Meine Hoffnung war, etwas Interessantes und Nützliches für mein Leben zu finden.

Doch je intensiver ich mich mit der Frage befasste, wie Ernährung und sportliche Leistungsfähigkeit zusammenhängen, umso deutlicher erkannte ich, dass die gängigen Ernährungsratschläge für Sportler (und alle anderen) vielfach widersprüchlich sind. Ein Teil davon hörte sich sogar offenkundig falsch an. Als ich weiter recherchierte, entdeckte ich zu meiner Überraschung, dass die wissenschaftlichen Studien, auf die sich diese Ratschläge angeblich stützten, zum Teil nicht den Standards entsprachen: Sie bezogen nur eine Handvoll Probanden ein, wurden von den Autoren und von Journalisten fehlinterpretiert oder waren veraltet. Am schockierendsten für mich war die Entdeckung, dass die Ernährungstipps, die ich von jeher befolgt hatte (mit geradezu religiösem Eifer, weil ich überzeugt davon war, dass sie auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhten), eigentlich jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrten. Wie war das möglich? Wie konnte mir das entgangen sein? Wie konnten sich von Fachleuten erstellte ernährungswissenschaftliche Lehrpläne, staatliche Ernährungsrichtlinien und sportwissenschaftliche Ernährungsratschläge auf etwas stützen, das meines Erachtens jeglicher Aussagekraft entbehrte? Je mehr ich las, umso deutlicher erkannte ich, dass dem nicht so war.

Viele der Widersprüche, Fehlinterpretationen und insbesondere der fehlenden wissenschaftlichen Beweise bezogen sich auf Kohlenhydrate. Dabei handelt es sich um die Zucker, Stärken und Ballaststoffe, die der Körper, in unterschiedlichem Ausmaß, in Glukose aufspaltet, den »Treibstoff« unserer Zellen. Kohlenhydrate sind für Sportler ein großes Thema. Viele von uns essen vor einem kräftezehrenden Sportereignis wie einem Marathon große Mengen kohlenhydratreicher Nahrung. Die meisten machen sich weiter keine Gedanken darüber, weil sie gelernt haben, dass Kohlenhydrate Energieträger sind. Auch Diäthalter schenken Kohlenhydraten oftmals besondere Aufmerksamkeit; entweder sie nutzen sie als Fettersatz (wie bei vielen vegetarischen oder fettreduzierten Diäten), oder sie streichen sie ganz von ihrem Speiseplan, weil sie glauben, sie wären verantwortlich für Gewichtszunahme und Gesundheitsprobleme (wie bei den vielen Varianten kohlenhydratarmer Diäten).

Im Verlauf meiner Recherchen entdeckte ich, dass viele empirische Befunde sowohl für als auch gegen Kohlenhydrate sprechen und dass es viele unterschiedliche Sichtweisen zu Kohlenhydraten gibt. Einige machen keinerlei Unterschiede zwischen den einzelnen Kohlenhydraten, andere unterteilen sie in »gut« und »schlecht«. Was sollte ein Wissenschaftler aus all diesen scheinbar gut recherchierten und fundierten, aber widersprüchlichen Informationen machen?

Mich interessierte vor allem die Auswirkung von Kohlenhydraten auf die sportliche Leistungsfähigkeit. So las ich zum Beispiel eine Studie (das ist lange her, und ich kann mich nicht mehr an die Quelle erinnern), bei der die Versuchsteilnehmer 30 bis 60 Minuten vor einem Langstreckenlauf oder einer anderen körperlichen Anstrengung Datteln verzehrten, die leicht verdauliche (»einfache«) Kohlenhydrate enthalten. Der Effekt schien zunächst nicht eindeutig zu sein – einige Probanden fühlten sich danach energiegeladen und erzielten bessere Trainingsleistungen, während sich andere so ausgepowert fühlten, dass sie schon wenige Minuten, nachdem sie losgelaufen waren, keine Energie mehr hatten und aufgeben mussten. Warum sollten Menschen so unterschiedlich auf dasselbe Nahrungsmittel reagieren, wenn sie der gleichen Aktivität mit annähernd der gleichen Intensität nachgehen? Ich fragte mich, ob dies vielleicht damit zusammenhängen könnte, dass die Blutzuckerspiegel der Probanden in unterschiedlicher Weise auf Datteln reagierten. Ein schnell abfallender Blutzuckerspiegel geht schließlich mit einem sinkenden Energiepegel einher. Wenn der Blutzucker einer Person nach dem Verzehr von Datteln leicht ansteigt, könnte dies tatsächlich zu einem Energieschub bei körperlicher Anstrengung führen. Aber wenn bei einer anderen Person der Blutzucker zunächst steil ansteigt, um gleich darauf abzusacken, könnte dies zu Erschöpfung führen. Auch bei mir ist das so: Manchmal verspüre ich nach der Zufuhr von Kohlenhydraten einen Energieschub, manchmal das genaue Gegenteil. Vielleicht haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht: Geben Ihnen bestimmte kohlenhydratreiche Nahrungsmittel Energie, während andere eher an Ihren Kräften zehren? Nach gründlichem Nachdenken wurde mir klar, dass einige der Nahrungsmittel, die mir am meisten Energie zu spenden schienen, nicht immer reich an Kohlenhydraten waren. Manchmal handelte es sich um eiweiß- und/oder fettreiche Nahrungsmittel. Interessant.

Ich wollte daraufhin ein Experiment mit mir selbst als Versuchsperson machen. Als Erstes stellte ich meinen Speiseplan vor meinen Langstreckenläufen (rund 32 Kilometer) um. Ich wollte herausfinden, was passierte, wenn ich statt Kohlenhydraten Eiweiß und Fett zu mir nähme. Ich orientierte mich dabei an den »Low-Carb«-Sportlern, die behaupteten, sie könnten ihren Energiebedarf noch effizienter aus Fett als aus Kohlenhydraten decken. Ich war ein wenig zögerlich, weil ich vor dem Training immer reichlich Kohlenhydrate zu mir genommen hatte: am Vorabend eines Laufs drei bis vier Teller Nudeln und am Morgen, 30 bis 60 Minuten vor dem Lauf, ein paar Datteln oder Energieriegel. Etwa 15 bis 30 Minuten nach dem Lauf hatte ich immer ein starkes Hungergefühl, aber ich führte das darauf zurück, dass ich all diese nützlichen Kohlenhydrate verbrannt hatte. Nach einem Lauf habe ich immer noch mehr kohlenhydratreiche Lebensmittel gegessen, weil ich dachte, mein Körper hätte das Bedürfnis danach. Ich hatte immer angenommen, Kohlenhydrate gäben mir genügend Energie zum Laufen, aber was, wenn ich mich irrte (und mit mir all die anderen Sportler, Trainer und Fitnessexperten)?

Und so habe ich eines Abends, statt mich mit Kohlenhydraten vollzustopfen, einen großen Salat mit vielen fettreichen Zutaten wie Tahina, Avocado und Nüssen gegessen. Am Morgen bin ich dann (gegen den Rat vieler professioneller Lauftrainer), ohne etwas zu essen, zu meinem 32-Kilometer-Lauf aufgebrochen.

Der positive Effekt auf mein Energieniveau und meine Leistungsfähigkeit hat mich selbst überrascht! Während meines Laufs hatte ich genauso viel Energie, wenn nicht mehr, wie nach dem »Carbo-Loading«. Außerdem verschwand der Heißhunger, den ich sonst nach Läufen verspürte, vollständig. Ich konnte es gar nicht fassen, dass ich danach keinen Hunger hatte. Ich vermutete, dass mein Körper statt Kohlenhydraten jetzt Fett verbrannte und dass dies für die spürbaren Veränderungen meines Energieniveaus und meines Hungers verantwortlich sein musste.

Wenn wir Kohlenhydrate zu uns nehmen, speichern wir einen Teil dieser Energie in unserer Leber in Form von Glykogen, das bei körperlicher Anstrengung die notwendige Energie bereitstellt. Unser Körper kann jedoch lediglich Glykogen mit einem Brennwert von 2500 bis 3000 Kilokalorien (»Kalorien« in der Umgangssprache) speichern. Während eines 32-Kilometer-Laufs verbrennen wir aber leicht 2500 Kalorien oder mehr; wenn daher Glykogen unsere Brennstoffquelle ist, sind diese Vorräte schnell erschöpft. Das könnte nach einem Langstreckenlauf zweifellos Erschöpfung und Hunger auslösen.

Selbst schlanke Menschen besitzen Fettspeicher mit einem Brennwert von etwa 60000 Kilokalorien, die als Energielieferant zur Verfügung stehen. Bei längerer körperlicher Anstrengung ist es demnach effizienter, Fett statt Kohlenhydrate zu verbrennen. Wenn wir 2500 Kalorien Fett verbrennen, verbrauchen wir lediglich einen kleinen Prozentsatz der verfügbaren Fettenergiespeicher, und wir werden nicht das dringende Bedürfnis verspüren, die Vorräte gleich wieder aufzufüllen (was auch nicht notwendig ist).

Das alles erschien mir plausibel. Wenn es mir gelänge, bei einem Langstreckenlauf meinen Körper dazu zu bringen, von Glykogen- auf Fettverbrennung umzustellen, wäre dies vielleicht die Antwort, nach der ich gesucht hatte. Auch in meinem Alltag aß ich nun kohlenhydratarme Nahrungsmittel, und mir fiel auf, dass ich mehr Energie hatte, auch wenn ich keinen Sport trieb. Ein positiver Effekt, den ich nicht erwartet hatte. Ich verlor zudem einen Teil des Übergewichts, das ich mit mir herumschleppte. Außerdem verbesserte sich meine sportliche Leistungsfähigkeit stetig, bis ich mein selbst gesetztes Ziel erreicht hatte: einen Marathon in unter drei Stunden zu laufen. 2013 beendete ich den Marathon von Paris in 2 Stunden 58 Minuten! 2017 brach ich die Drei-Stunden-Marke beim Wiener Marathon erneut.

Einige erfolgreiche Athleten, die ich kennenlernte, und auch Freunde und Kollegen hatten allerdings nicht den gleichen Speiseplan wie ich. Obwohl ich sie zu meiner kohlenhydratarmen Kost bekehren wollte, schworen sie auf ihre kohlenhydratreichen Diäten und schienen gut, ja fantastisch damit zu fahren. Darunter waren auch einige Veganer, die nach einem »Carbo-Loading« ein sehr hohes sportliches Leistungsniveau erreichten. Vielleicht galt meine Heureka-Erkenntnis nicht für alle. Vielleicht galt sie nur für mich. Vielleicht reagierte nicht jeder auf diese Ernährungsumstellung wie ich. Vielleicht hatte ich die optimale Eran-Segal-Diät gefunden, aber vielleicht hatte ich noch immer nicht die optimale Diät für alle entdeckt. Noch konnte ich nicht sicher sein.

Ich begann, intensiver über Kohlenhydrate nachzudenken. Waren sie, wie ich früher geglaubt hatte, die wichtigste und nützlichste Energiequelle für Sportler? Der generell beste Brennstofflieferant für Körper und Gehirn? Oder hemmte eine auf Kohlenhydraten (auch komplexen Kohlenhydraten, die ich immer für so wertvoll gehalten hatte, etwa Teigwaren aus Hafermehl und Vollkornbrot) basierende Diät meine sportliche Leistungsfähigkeit, mein Energieniveau, mein Muskelwachstum und meine Hirnfunktion?

Immer wieder habe ich mir die vielen widersprüchlichen Forschungsergebnisse angesehen. Kohlenhydrate konnten doch unmöglich gut und schlecht zugleich sein.

Oder?

Warum scheinen einige Menschen von kohlenhydratreichen Diäten zu profitieren, während andere schnell übergewichtig werden oder unter Energiemangel leiden? Warum fühlen sich einige der Menschen, die Datteln essen, energiegeladen, während andere schnell erschöpft sind?Ich kannte einige Vegetarier, die sich nur von Obst, Gemüse und Pflanzennahrung wie Hülsenfrüchten und Vollkornreis ernährten. Sie lebten hauptsächlich von kohlenhydratreichen Nahrungsmitteln mit relativ niedrigem Eiweiß- und Fettgehalt. Manchen von ihnen schien das gutzutun, manche behaupteten, sie hätten dadurch ihre Herzerkrankung kuriert, und manche waren recht muskulös und stark. Andere machten keinen sehr gesunden Eindruck und waren immer erschöpft und blass.

Daneben kannte ich auch Leute, die sich kohlenhydratarm ernährten; sie aßen keine Vollkorn-Lebensmittel oder Hülsenfrüchte und verzehrten praktisch kein Obst. Sie ernährten sich von grünem Gemüse, Fleisch, Nüssen und Samen, ergänzt um Fette wie Olivenöl, Kokosnussöl und sogar Speck. Viele waren außerordentlich kräftige Sportler von hervorragender Ausdauer, und die meisten waren recht schlank. Bei anderen kam es zu einer übermäßigen Fetteinlagerung. Ihre Cholesterinwerte stiegen in gefährlicher Weise an.

Wie war das möglich? Entweder machten manche von ihnen falsche Angaben über ihre Ernährung – der schummelnde Veganer, der heimlich Fleisch isst, oder der schummelnde Steinzeit-Diätler, der im Schutz der Dunkelheit Kekse und Toast nascht –, oder einige dieser Leute reagierten individuell einfach nicht positiv auf ihre Ernährungsphilosophie. Dass ich angeschummelt wurde, glaubte ich eigentlich nicht. Die meisten sind intelligente Leute, die sich in Ernährungsfragen gut auskennen, und sie wählten wahrscheinlich qualitativ hochwertige und nährstoffreiche Quellen von Kohlenhydraten, Eiweißen oder Fetten aus.

Was für eine andere Erklärung konnte es geben? Ich begann es für möglich zu halten, dass es nicht nur um die Nahrung ging. Vielleicht spielte auch die Person, die sie aß, eine Rolle. Das brachte mich auf eine völlig neue Fragestellung:

Welche Wirkungen haben unterschiedliche Nahrungsmittel auf verschiedene Menschen?

Eine interessante und viel komplexere Frage als jene, mit der ich mich zunächst beschäftigt hatte: Welche Nahrungsmittel fördern meine sportliche Leistungsfähigkeit am meisten? Als ich mich dieser neuen Frage zuwandte, überlegte ich, welche Faktoren die Reaktion eines Menschen auf Nahrungsmittel beeinflussen könnten. Zum Beispiel:

● Da die Erforschung des menschlichen Genoms – der genetischen Karte des Menschen – den Schwerpunkt meiner eigenen wissenschaftlichen Tätigkeit bildete, wusste ich bereits, dass genetische Unterschiede die körperliche Reaktion von Menschen auf Nahrungsmittel beeinflussen können. So fehlen einigen Menschen jene DNS-Abschnitte, die bestimmte, für die Verdauung gewisser Nahrungsmittel wie Milch unabdingbare Enzyme produzieren. Vielleicht gibt es viele weitere genetische Besonderheiten, die sich auf die Verdauung von Nahrungsmitteln auswirken und die wir noch nicht verstehen. Erklärte dies meine Beobachtung, dass Menschen auf die gleichen Nahrungsmittel sehr unterschiedlich reagieren?

● Ich hatte mich auch eingehend mit dem neuen Wissenschaftsgebiet der Mikrobiom-Forschung beschäftigt, das die Tausenden verschiedenen Bakterienarten erforscht, die unseren Magen-Darm-Trakt besiedeln. Ich wusste, dass neue Sequenzierungstechniken ungeahnte Möglichkeiten eröffnet haben, den Einfluss dieser Mikroben auf Verdauung und Stoffwechsel zu untersuchen – also auf die Gesamtheit der chemischen Vorgänge, durch die der Körper aus der Nahrung Energie gewinnt. Ich fragte mich, ob die Zusammensetzung der Darmmikroben womöglich ebenfalls die Art und Weise beeinflusst, wie Menschen auf unterschiedliche Diäten oder auch einzelne Nahrungsmittel reagieren. Auch auf diesem Gebiet schienen faszinierende und vielversprechende neue Entdeckungen anzustehen.

● Und was ist mit dem Lebensstil? Könnte die Intensität von Sport und Bewegung beeinflussen, wie der Körper auf Nahrungsmittel reagiert? Wie steht es um Schlafrhythmus, Stressniveau und mentale Anstrengung? Könnten vorbestehende Erkrankungen, Alter, Gewicht und Körpergröße oder die Ernährung im Kindesalter einen Einfluss haben?

Wenn der Mensch und nicht die Nahrung der entscheidende Faktor ist, lässt sich die Frage, wie jeder Einzelne von uns auf jedes Nahrungsmittel reagiert, nicht so einfach beantworten. Wie könnte ich dann jemals herausfinden, was ich essen müsste, um ein besserer Marathonläufer zu werden? Jetzt war der Wissenschaftler in mir geweckt und angespornt.

Doch je mehr ich las, umso deutlicher erkannte ich, dass es nicht genügend Daten gab, um diese Frage abschließend zu beantworten. Ich wusste, dass nur die vorurteilsfreie Auswertung großer Datenmengen eine verlässliche Antwort liefern würde. Wenn ich wirklich mehr herausfinden wollte und bislang noch niemand die Antwort hatte, musste ich es wohl selbst anpacken. Untersucht werden müssten die individuelle Reaktion auf Nahrungsmittel, die persönliche genetische Ausstattung, das individuelle Mikrobiom, klinische Parameter wie Blutwerte, Gewicht und Alter sowie Lebensstilfaktoren wie körperliche Aktivität, Schlaf und Stress. Sehr viele Faktoren also. Wäre ein solches Experiment überhaupt möglich?

Als gelernter Informatiker erschien es mir sinnvoll, dieses Problem mit Hilfe des maschinellen Lernens und von Algorithmen anzugehen – dabei füttern wir Computer mit großen Datenmengen in der Hoffnung, dass sie Muster und Regelmäßigkeiten in den Daten erkennen. Das Interessante daran ist, dass diese Algorithmen, wenn sie auf große Datenmengen angewendet werden, Muster aufspüren können, die Menschen verborgen bleiben, weil sie nicht so viele Informationen aufnehmen und verarbeiten können. Die Überlegenheit von Computern bei der Mustererkennung und der Ableitung von Regeln ist der Grund dafür, dass Computer heute bei Spielen wie Schach und dem chinesischen Spiel Go den Menschen regelmäßig schlagen.

Nach allem, was ich wusste, war diese Methode der Datenanalyse in der Ernährungsforschung bislang noch nicht angewendet worden. Warum eigentlich nicht? Die Ernährung ist ein komplexes Thema mit vielen Variablen. Eine differenzierte Datenauswertung würde es erlauben, für jede einzelne Person mit Sicherheit zu sagen, welche Nahrungsmittel die sportliche Leistungsfähigkeit steigern bzw. hemmen, den Gesundheitszustand verbessern und die Gewichtskontrolle erleichtern können. Mir war nicht genau klar, welche Informationen eine solche Methode liefern würde, aber ich brannte bereits darauf, es herauszufinden, als ich Dr. Eran Elinav kennenlernte.

Dr. Elinav

Ich begann mich aus ganz anderen Gründen als mein Kollege für das Thema der personalisierten Ernährung zu interessieren. Solange ich zurückdenken kann, hat mich die Komplexität von Maschinen fasziniert. Als Kind habe ich einmal das Transistorradio meines Großvaters geöffnet und es, ohne um Erlaubnis zu fragen, auseinandergenommen. Das Gleiche habe ich mit dem Plattenspieler meiner Eltern gemacht, nur um eine Vielzahl wunderbar bunter und seltsam geformter metallischer Bauteile zu entdecken, die mit Drähten verflochten waren. Komplexe Apparate haben mich einfach begeistert. Nachdem ich viele Geräte zerlegt hatte, blieben im Anschluss an meine Versuche, sie wieder zusammenzubauen, immer eine Handvoll Bauteile übrig, die ich nicht weiter beachtet habe.

Aber meiner Ansicht nach konnte es keine Maschine mit dem geheimnisvollen menschlichen Körper aufnehmen. Schon als Kind hielt ich den Körper für die komplexeste Maschine überhaupt; er setzt sich aus scheinbar unzähligen verborgenen Teilen zusammen, die sich zwar meinem Blick entzogen, aber leicht wahrnehmbar waren – der Schlag meines Herzens, die pfeifenden Geräusche meiner Lunge, wenn ich eine Erkältung hatte, und auch die Gefühle, Träume und Empfindungen, die mein Gehirn und mein Nervensystem produzierten. Der Körper war für mich eine Maschine, die ich nicht auseinandernehmen konnte (jedenfalls nicht vor meinem Medizinstudium). In meinen Gedanken und Phantasien hat mich der Körper aber sehr beschäftigt. Als ich die alte Enzyklopädie des menschlichen Körpers meiner Großeltern entdeckte, war ich begeistert. Ich schmökerte stundenlang darin, betrachtete eingehend die vielen unterschiedlich geformten und verschiedenfarbigen Organe, Röhren und Strukturen, die sich perfekt zusammenfügten. Körper waren sogar noch komplexer, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich fragte mich, ob ich sie jemals wirklich verstehen würde.

Es überraschte daher niemanden in meinem Umfeld, dass die Biologie zu meiner Passion wurde und im Mittelpunkt meines Studiums stand. Nach einem vierjährigen Wehrdienst auf einem U-Boot (eine weitere faszinierende Maschine) nahm ich mein Studium an der Medizinischen Fakultät der Hebräischen Universität Jerusalem auf. Endlich fand ich Antworten auf die vielen Fragen nach den Funktionen und verzwickten Geheimnissen des menschlichen Körpers. Das Studium fesselte mich; ich verschlang begierig die Tausenden von anatomischen Details, die ich schließlich mit eigenen Augen im Präparierkurs sah, die unzähligen zellulären Strukturen, die ich im Histologie-Kurs durch das Lichtmikroskop vor Augen hatte, und die Vielzahl seltsam klingender medizinischer Fachtermini, die ich im Pathologiekurs lernte. Die »Maschine« des menschlichen Körpers wurde vor meinen Augen nach und nach enthüllt.

Trotzdem schien es mir, dass in dem Maße, wie mein Wissen zunahm, der große Gesamtzusammenhang immer undeutlicher wurde. Je mehr ich mich auf die Feinheiten des menschlichen Körpers konzentrierte, umso verschwommener erschienen mir die Regeln, nach denen er funktionierte. Je mehr Antworten ich erhielt, umso mehr Fragen taten sich auf. Ich hatte das Gefühl, dass mir etwas Wichtiges entging. Wenn man einen Plattenspieler auseinandernimmt, versteht man diesen irgendwann vollständig. Wieso war der menschliche Körper dann noch immer so schwer fassbar?

Mein Lieblingskurs war Mikrobiologie. Mein Professor für Mikrobiologie und Infektionskrankheiten enthüllte mir eine Welt voller verborgener Feinde. Ein Virus oder ein Bakterium kann man nicht sehen, aber sie können einen Menschen, manchmal innerhalb von Tagen, bezwingen. Eine lebende Welt winziger, seltsam gestalteter unsichtbarer Kreaturen mit eigenartigen Namen – die in Familien und Gruppen eingeteilt werden, wie etwa Bakterien, Viren, Pilze und Archaeen (Mikroben ohne Zellkern). Das war sozusagen fortgeschrittene Mikroanatomie! Und eine spannende Welt – feindlich, tödlich und undurchsichtig. Meine Lehrer waren die Kavallerie, die in diesem unsichtbaren Krieg gegen unsere schlimmsten Gegner in den Kampf zog; sie lehrten uns Medizinstudenten, hoch entwickelte Antibiotika-Waffen gegen diese Feinde einzusetzen, auch wenn die Bösewichte Resistenzen entwickelten und dadurch noch mächtiger und tödlicher wurden.

Später im Studium konnte ich all die theoretischen Kenntnisse, die ich mir in langen Stunden intensiven Lernens angeeignet hatte, in der Praxis anwenden. Während dieser strapaziösen Jahre als Assistenzarzt in Innerer Medizin und in der Ausbildung zum Facharzt für Gastroenterologie hatte ich eine Offenbarung: Noch komplexer als die Geheimnisse des menschlichen Körpers sind die Prinzipien seines inneren Kampfes gegen Funktionsstörungen.

Während dieser Zeit erlebte ich menschliches Leid in seiner schlimmsten Form. Besonders verstörend war eine Gruppe von Krankheiten, die unter dem Oberbegriff Metabolisches Syndrom zusammengefasst werden. Dazu gehören übermäßige Fettleibigkeit, Altersdiabetes (Typ-2-Diabetes), Hyperlipidämie (erhöhte Werte von Cholesterin, der Triglyceride und der Lipoproteine), Fettleber und die vielen Folgeerscheinungen dieser Erkrankungen. Ich sah Diabetiker, denen Gliedmaßen amputiert werden mussten, andere, die erblindeten, die sich aufgrund von Nierenversagen täglich einer Blutwäsche (Hämodialyse) unterziehen mussten, ich sah Herzinfarkte, Herzversagen, Schlaganfälle und Fälle von Sekundentod. Die große Mehrheit der Patienten, die in die Klinik für Innere Medizin aufgenommen wurden, litten an diesem weitverbreiteten Syndrom, und die Krankheiten, die damit einhergingen, verursachten oft starke Abgeschlagenheit und Schwäche und führten manchmal zum Tod. Beinahe täglich musste ich Patienten nach einem Atem- und Kreislaufstillstand wiederbeleben. Dieses Ausmaß an Leid wäre für mich unvorstellbar gewesen, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Was widerfuhr diesen Menschen?

Es störte mich, dass die Behandlungen, die wir diesen leidenden Patienten anboten, sich auf die Linderung ihrer vielen Folgeschäden konzentrierten, statt den Verlauf ihrer Grunderkrankung positiv zu beeinflussen. Bei mir und meinen Kollegen wuchs die Frustration über unsere Unfähigkeit, etwas gegen die riesige Epidemie selbst und ihre schrecklichen Folgen tun zu können. Wir versuchten die Schäden zu beseitigen, nachdem sie angerichtet worden waren, statt die Katastrophen zu verhüten, bevor sie geschahen.

Es war dieses Gefühl eines grundlegenden Versagens gegenüber meinen Patienten, das mich, ungeachtet meines jahrelangen konzentrierten Studiums, dazu veranlasste, mich neu zu orientieren. Wenn ich Menschen dabei helfen wollte, gravierenden Gesundheitsstörungen vorzubeugen, musste ich mich eingehender mit den Grundlagen der Humanbiologie beschäftigen. Und zwar über das Wissen hinaus, das mir das Studium der Medizin und die ärztliche Praxis vermittelt hatten. Obgleich ich bereits eine Stelle als Oberarzt hatte, beschloss ich, am Weizmann Institut für Wissenschaften, der elitärsten akademischen Einrichtung Israels und einem weltberühmten Zentrum für naturwissenschaftliche Grundlagenforschung, ein Aufbaustudium zu absolvieren. Ich würde nochmal von vorne anfangen.

Dort, im Labor von Professor Zelig Eshhar, einem weltbekannten Wissenschaftler und Erfinder einer vielversprechenden neuen Immuntherapie gegen Krebs, wurden Begriffe wie Patientenversorgung, Flüssigkeitsbilanztabellen und Medikamentendosierung ersetzt durch neue Termini wie DNS, Epigenetik, Zytokine und Chemokine. Diese neue Welt faszinierte und verblüffte mich, aber wirklich begeistert hat mich die Aussicht, ein tieferes Verständnis vieler der »unheilbaren« Erkrankungen, denen ich als Arzt begegnet bin, zu gewinnen. Statt mit Patienten arbeitete ich hier mit Reagenzgläsern, Mikroskopen und Tiermodellen. Ich lernte nach und nach, mein problemorientiertes ärztliches Denken mit der tiefen Neugier eines Grundlagenforschers zu kombinieren, der Mechanismen aufdecken will. Mein »Werkzeugkasten« wurde größer, und ich erreichte ein neues Niveau fachlicher Kompetenz.

Ich beschloss, noch tiefer in die Welt der Wissenschaft einzutauchen. Ich trat eine Postdoktorandenstelle an der Yale University an, im Labor von Professor Richard Flavell, einem der führenden Immunologen und Zellbiologen der Welt. Dort wurde ich Zeuge einer weiteren Revolution in Naturwissenschaft und Medizin, die meinem beruflichen Werdegang schließlich auf Jahre hinaus ihren Stempel aufdrückte: der Erforschung der Mikroben.

Zu diesem Zeitpunkt begann ich darüber nachzudenken, welche Beiträge zur Naturwissenschaft und Medizin ich in der Zukunft leisten könnte. Welchen Fragen und Themen würde ich als unabhängiger Forscher auf den Grund gehen? Jahrelang hatten meine Lehrer, Kollegen und ich Mikroben als die schlimmsten Feinde der menschlichen Gesundheit und die unsichtbare Ursache der meisten Krankheiten beziehungsweise als Abfallprodukte betrachtet, für die menschliche Physiologie ohne Bedeutung. Jetzt erfuhr ich, dass diese Mikroben in unserem Körper viel, viel mehr leisteten. Ein spannendes neues medizinisches Forschungsfeld! Und ich stand mit an der vordersten Front. Neue Technologien, die ehedem als Science-Fiction galten, ermöglichten uns, die Billionen von Mikroben, die in jedem menschlichen Körper leben, gründlich zu untersuchen.

Ich war fasziniert von den Arbeiten von Pionieren wie Jeffrey Gordon und Rob Knight. Sie haben Methoden entwickelt, um den mikrobiellen Mikrokosmos, der heute als »Mikrobiom« bezeichnet wird, mit fast jedem Merkmal unserer menschlichen Existenz in Verbindung zu bringen. Ich begann zu erkennen, dass das Mikrobiom eine bedeutende Quelle der Gesundheit ist, was auch die Prävention und die Heilung von Krankheiten einschließt. Das Mikrobiom, so erfuhr ich, ist unverzichtbar für die Verdauung von Nahrung und die Aufnahme von Nährstoffen (aus der Nahrung), es ist ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Immunsystems, und es beeinflusst viele andere biologische Systeme. Der menschliche Körper ist unglaublich komplex. Als ich entdeckte, dass unser Körper eine ganze Welt von Mikroben beherbergt, beschloss ich, dies zu meiner Welt zu machen. Meine Mission und das Feld, auf dem ich einen Beitrag zum Fortschritt in den Naturwissenschaften leisten wollte. Ich wollte in dieser neu entdeckten Welt Antworten finden, die uns helfen, wirksame Behandlungen für die häufigsten und unsere Lebensqualität am stärksten einschränkenden Erkrankungen zu finden.

Es wurde Zeit, mein eigenes Forschungsteam zu gründen. Ich hatte das Glück, dass man mir eine unabhängige Stelle an meiner ehemaligen akademischen Ausbildungsstätte, dem Weizmann Institut für Wissenschaften, anbot. Ich kehrte nach Hause zurück. Ich baute das erste Forschungslabor am Institut und in Israel auf, das sich ausschließlich der Erforschung des Mikrobioms widmet, schuf die spezielle Infrastruktur, die für diese interdisziplinäre Forschung unverzichtbar ist, und stellte eine Gruppe aus hochmotivierten, intelligenten und ehrgeizigen Studenten wie auch Postdoktoranden aus der ganzen Welt zusammen. Sie unterstützten mich bei diesem Vorhaben, das meine wissenschaftliche Arbeit und meinen Berufsweg auf Jahre hinaus prägen würde. Wir wollten verstehen, wie die Wechselwirkungen unseres Körpers mit den Mikroben in unserem Körperinnern Gesundheit und Erkrankungsrisiken beeinflussen.

Während ich mich auf die Rückkehr ans Weizmann Institut vorbereitete, führte ich auf einer verregneten eintägigen Abschiedsreise nach Manhattan ein Telefongespräch, das mein Leben verändern sollte. Ein Freund, der Molekularbiologe Professor Eran Hornstein vom Weizmann Institut, schlug mir ein Treffen mit einem zukünftigen Kollegen vor, Professor Eran Segal, der als Mathematiker und Bioinformatiker am Weizmann Institut forschte. Professor Hornstein sagte: »Vertrau mir, ihr habt sehr ähnliche wissenschaftliche Interessen.« Ich beherzigte den Rat meines Freundes und vereinbarte ein Telefonat mit Dr. Eran Segal. Ich wollte mit ihm gemeinsame Interessen, Fragen und Projekte erörtern, die wir nach meiner Rückkehr nach Israel verfolgen könnten.

Mein Freund hatte recht – je länger Dr. Segal und ich uns miteinander unterhielten, umso mehr Gemeinsamkeiten kristallisierten sich heraus. Obwohl wir vom Temperament her recht verschieden waren, stellten wir fest, dass wir uns in unserer Fachkompetenz, unseren Lebenserfahrungen und Problemlösungsansätzen hervorragend ergänzten. Wir betrachteten wissenschaftliche Fragestellungen aus verschiedenen Blickwinkeln, wandten unterschiedliche Methoden an und hatten unterschiedliche Sichtweisen, aber wir interessierten uns beide für die gleichen Fragen: welchen Einfluss Ernährungsweise, Umwelteinflüsse, genetische Faktoren und die Immunfunktion auf das innere Mikrobiom haben, und wie sich diese geheimnisvollen, noch kaum verstandenen und enorm wichtigen Wechselwirkungen zwischen dem menschlichen Körper und den ihn besiedelnden Mikroben auf die Gesundheit und den Verlauf von Krankheiten auswirken. An diesem verregneten Tag in New York wurde eine Forschungspartnerschaft besiegelt.

Unser Forschungsprojekt nimmt Gestalt an

Weil wir uns beide sehr für Ernährung und Stoffwechsel interessierten und weil unsere Wissensgebiete einander ergänzten, erarbeiteten wir (praktisch gleich nach unserem ersten Treffen) ein Konzept für eine großangelegte Studie über personalisierte Ernährung. Wir waren beide überzeugt davon, dass die Ernährung gemäß der einzigartigen biologischen Beschaffenheit jedes Menschen – einschließlich seines Mikrobioms und seiner Erbanlagen – individuell maßgeschneidert werden sollte. Aber wir wussten noch nicht, wie dies geschehen sollte. Uns schwebte eine großangelegte, breitgefächerte und umfassende Ernährungsstudie vor, die eine Vielzahl von Variablen kontrollieren musste. Nur so konnten wir eine verlässliche Antwort auf die Frage erhalten, warum verschiedene Menschen auf die gleichen Nahrungsmittel unterschiedlich reagieren. Uns war klar, dass diese Studie wie alle guten Ernährungsstudien ein komplexes Design erforderte. Wir verbrachten viel Zeit mit den Details: Welche Fragen würden wir stellen? Welche Gesundheitsmaße würden wir erfassen? Wir wollten ein Ergebnis messen, das aussagekräftig war – die Gewichtsabnahme nach einer Diät schien naheliegend zu sein. Wir erkannten jedoch, dass eine Studie, die sich allein auf die Gewichtsabnahme konzentriert, um die Effekte einer personalisierten Ernährung zu beurteilen, mit einigen Problemen behaftet ist:

● Es dauert Wochen bis Monate, ehe sich das Gewicht verändert. Das Gewicht ist ein einfaches Maß, das womöglich viele weitere wichtige Aspekte, wie der Körper auf Nahrungsmittel reagiert, nicht erfasst.

● Das Gewicht wird von vielen Faktoren beeinflusst, die nichts mit den in einer Diät vorgeschriebenen Nahrungsmitteln zu tun haben: ob man den Diätplan einhält, ob und wie intensiv man Sport treibt, wie viel Stress man hat und vieles mehr.

Wenn man eine Diät macht, ist es sehr schwierig, die genaue Ursache dafür zu ermitteln, warum man abgenommen oder nicht abgenommen hat. Liegt es daran, dass man bestimmte Nahrungsmittel hinzugefügt hat oder jetzt weglässt? Oder hat man seinen Lebensstil geändert? Oder ist es eine Kombination all dieser Dinge? Welche Faktoren beeinflussen die Gewichtsabnahme, und welche sind irrelevant, werden vielleicht unnötigerweise zu der Diät hinzugefügt oder weggelassen? Als Wissenschaftler wollen wir Studien so konzipieren, dass wir den Effekt einzelner Variablen auf ein Ergebnis, das uns interessiert, genau bestimmen können. Wir benötigten etwas, das in einem direkten Zusammenhang mit der aufgenommenen Nahrung steht und eine unmittelbare, aber auch quantitative, messbare Reaktion zeigt. Wir wollten ein Maß, das für die Gewichtsreduktion, aber auch für Stoffwechselkrankheiten (ernährungsbezogene Krankheiten) von Bedeutung wäre. Das Maß sollte sich bei sämtlichen Probanden einer großen Studiengruppe leicht und genau messen lassen. All diese Parameter veranlassten uns dazu, den Blutzuckerwert – genauer gesagt den Blutzuckerwert nach einer Mahlzeit – als geeignetes Maß anzusehen. Wir nennen dies eine postprandialeBlutzuckerreaktion oder, einfacher ausgedrückt, Blutzuckerreaktion nach einer Mahlzeit.

Gewicht

Blutzuckerspiegel nach einer Mahlzeit

Unzureichende Messung der Wirkung einer Ernährungsumstellung, da diese auch von vielen nicht-ernährungsbezogenen Faktoren beeinflusst wird (Einhaltung der Diätvorschriften, körperliche Fitness, Stressniveau)

Direkte Messung der Wirkung jeder Nahrungsaufnahme

Wird Wochen oder Monate nach einer Ernährungsumstellung gemessen

Wird zwei bis drei Stunden im Anschluss an eine Mahlzeit gemessen

Eine Messung im Verlauf mehrerer Wochen oder Monate nach der Ernährungsumstellung

50 Messungen in nur einer Woche möglich

Risikofaktor für viele Krankheiten (z. B. Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs)

Risikofaktor für viele Krankheiten (z. B. Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs)

Wichtig für Gewichtsmanagement

Vergleich von Gewicht und Blutzuckerwerten nach dem Essen als Maß gesunder Ernährung

Die Idee, den Blutzucker nach Mahlzeiten zu messen, überzeugte uns auch deshalb, weil ein starker Anstieg des Blutzuckers nach dem Essen sowohl die Gewichtszunahme als auch das Hungergefühl fördert. Nachdem wir etwas gegessen haben, verdaut unser Körper die Kohlenhydrate in der Nahrung: Er zerlegt sie in einfache Zucker, die ins Blut abgegeben werden. Insulin regt die Körper- und Leberzellen dazu an, Glukose aus dem Blut aufzunehmen und zu Glykogen zu verketten, das als Energiespeicher dient. Aber Insulin signalisiert den Zellen auch, überschüssigen Zucker in Fett umzuwandeln und zu speichern. Diese Speicherung ist die wichtigste Ursache für eine Gewichtszunahme. Wenn zu viel Glukose aus der Nahrung ins Blut übergeht, kann dies den Körper ebenfalls dazu veranlassen, mit einer Überproduktion von Insulin zu reagieren; das kann zu einem allzu starken Absinken des Blutzuckerspiegels führen, noch unter den Wert vor der Nahrungsaufnahme. Wir verspüren dann Hunger und den Impuls, noch mehr zu essen, obwohl wir bereits genug (oder mehr als genug) gegessen haben, um unseren Energiebedarf zu decken.

Uns war klar, dass ein steiler Blutzuckeranstieg nach einer Mahlzeit ein Risikofaktor für Diabetes, Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und andere Stoffwechselstörungen ist. In einer neueren Studie (einer von vielen), die 2000 Menschen über 30 Jahre lang begleitete, zeigte sich, dass ein höherer Blutzuckerspiegel nach dem Essen eine höhere Gesamtsterblichkeit während der Dauer der Studie vorhersagte.1

Schließlich – und das ist wichtig – erlauben uns jüngste technologische Fortschritte, den Blutzuckerspiegel kontinuierlich für eine ganze Woche zu messen. Weil ein Mensch im Durchschnitt ungefähr 50 Mahlzeiten pro Woche zu sich nimmt, ermöglichte uns diese Technologie, innerhalb einer Woche 50 Glukosewerte nach Mahlzeiten zu bestimmen. So würde der Effekt jeder einzelnen Mahlzeit direkt gemessen, im Unterschied zu der gängigeren Praxis, den Blutzucker einer Person einmal – zum Beispiel nüchtern am Morgen – zu messen und den Messwert als Ergebnis der allgemeinen Ernährungsweise zu betrachten. (Diese Methode ist recht teuer, aber in dem Programm, das wir in diesem Buch vorstellen, zeigen wir Ihnen, wie Sie Ihren Blutzucker nach einer Mahlzeit messen können, ohne ein kontinuierliches Glukosemessgerät zu verwenden.)

Selbstverständlich war uns bewusst, dass Gewicht und Gesundheit außer vom Blutzuckerspiegel noch von vielen weiteren Faktoren beeinflusst werden. Aber wir wussten auch, dass er ein wichtiger Faktor ist, und es schien vielversprechend und aufschlussreich, den Blutzucker als Maß der körperlichen Reaktion auf die Nahrungszufuhr heranzuziehen.

Nachdem wir das Maß ausgewählt hatten, mussten wir noch viele kleinere, aber entscheidende Details klären. Es dauerte einige Jahre, um die benötigte Infrastruktur aufzubauen. Zum Glück hatten wir hervorragende Doktoranden und wissenschaftliche Mitarbeiter, die uns dabei halfen. Wir stellten auch Leute für die logistische Arbeit ein, warben Studienteilnehmer an, trafen uns mit ihnen und nahmen ihnen Blut ab. Wir erklärten ihnen, wie sie unsere App anwenden, ihre Mahlzeiten protokollieren und Proben davon sammeln sollten, und wir stellten Programmierer ein, um die mobilen Apps zu schreiben, mit denen die Studienteilnehmer Protokoll über ihre Ernährung führen sollten.

Außerdem mussten wir Versuchspersonen finden, die bereit waren, an der Studie teilzunehmen. Wir erwähnten das Projekt gegenüber Freunden, und viele waren fasziniert von unseren Plänen und interessierten sich sehr für die Ergebnisse. Einige waren ein wenig skeptisch, aber das Interesse überwog die Zweifel. Da sich auch das Weizmann Institut für unser Projekt interessierte, boten wir ein Seminar an, in dem wir unser Forschungsprojekt einschließlich unserer Ziele und Beweggründe erläuterten. Wir warben für das Seminar, indem wir E-Mails ans Institut verschickten, und erhofften uns wenigstens eine kleine Gruppe von Teilnehmern. Der Saal hatte 300 Sitze, aber die Anmeldungen kamen so schnell herein, dass wir die Registrierung schließen mussten – etwas, das wir nicht erwartet hatten. Nach dem Seminar meldeten sich auf unserer Webseite rund 100 Leute an, die an der Studie teilnehmen wollten, und anschließend sprach sich unsere Studie auch ohne Werbung rasch herum. Wir verschickten Einladungen, um neue Studienteilnehmer zu rekrutieren, aber so viele Leute erzählten ihren Freunden und Verwandten davon, dass wir, ehe wir es uns versahen, 1000 Studienteilnehmer hatten. Während der gesamten Studie meldeten sich weiterhin Interessenten auf der Webseite an, und am Ende hatten sich 5000 Personen angemeldet und ihre Bereitschaft bekundet teilzunehmen.

Eine klinische Studie stößt nur sehr selten auf eine so breite Resonanz. Normalerweise haben die Studienleiter große Mühe, die erforderliche Anzahl an Probanden zusammenzubringen, und sie müssen oftmals eine Prämie zahlen. Wir wollten keine finanziellen Anreize bieten, weil Geld nicht der Beweggrund für das Mitmachen sein sollte. Ehrlich gesagt hat uns das enorme Echo ziemlich überrascht – wir stellten fest, dass Menschen ganz versessen darauf waren, mehr über sich zu erfahren. Das Design unserer Studie verlangte viele Labortests und Messungen, und die Teilnehmer konnten es kaum erwarten, diese verborgenen Aspekte ihrer Körper und ihrer Gesundheit zu erfahren. Dieses Interesse hat uns sehr gefreut.

Später werden wir Ihnen erklären, wie wir die Studie geplant haben, welche Ergebnisse wir erhielten und wie die App, die wir verwendet haben, auch Ihnen helfen kann. Aber wir wollen das zunächst überspringen.

Nach Abschluss der Studie veröffentlichten wir die Ergebnisse in Cell (einem der renommiertesten Wissenschaftsjournale der Welt). Die Zeitschrift organisierte eine virtuelle Pressekonferenz, zu der sie Journalisten einlud. Die Herausgeber des Fachblatts Cell gingen von einem starken Interesse an unserem Forschungsprojekt aus, aber auch wenn unsere früheren Arbeiten auf eine breite internationale Resonanz gestoßen waren, hätte uns nichts auf die Reaktion auf diesen Artikel vorbereiten können.

Nur Stunden, nachdem der Beitrag für eine internationale Leserschaft verfügbar war, erschienen erste Berichte darüber online und in Druckform. Innerhalb eines Tages wurden weltweit über 100 Artikel publiziert, die unsere Ergebnisse referierten und Spekulationen anstellten. Ein Team der BBC kam für eine Woche nach Israel, um uns zu filmen. Wir unterzogen die Reporterin und ein Teammitglied den gleichen Tests, die wir bei unseren Studienteilnehmern durchgeführt hatten, und auf der Grundlage der Ergebnisse gaben wir ihnen persönliche Ernährungsratschläge. Unsere Empfehlungen überraschten die BBC-Reporterin, aber ihre Überraschung war noch größer, als sie deutlich an Gewicht verlor, nachdem sie unseren maßgeschneiderten Empfehlungen folgte. Die Reportage über unsere Studienergebnisse wurde in Großbritannien zur besten Sendezeit ausgestrahlt. Bis heute sind in bekannten internationalen Medien wie CNN, Time, der New York Times, Forbes, CBS News, The Atlantic und The Independent sowie in den renommiertesten Wissenschaftsjournalen wie Science, Nature und Cell über 1000 Beiträge erschienen.

Diese enorme öffentliche Resonanz und die Euphorie in der medialen Berichterstattung waren kein Zufall. Schließlich hatten wir zum ersten Mal an einer sehr großen Anzahl von Probanden den eindeutigen und endgültigen Beweis erbracht, dass jeder Mensch auf die gleichen Nahrungsmittel anders reagiert. So haben wir insbesondere gezeigt, dass Lebensmittel, die bei einigen Menschen eine gesunde Reaktion hervorrufen, bei anderen den Stoffwechsel und die physische Gesundheit allgemein negativ beeinflussen. Unsere Studie erlaubte uns,

● genau zu ermitteln, wie Menschen individuell auf die gleichen Nahrungsmittel reagieren;

● einen Algorithmus zu entwickeln, der, basierend auf dem Mikrobiom einer Person und Blutuntersuchungen, die individuelle Reaktion verschiedener Menschen auf bestimmte Nahrungsmittel zutreffend vorhersagt, noch bevor diese Person diese Nahrungsmittel probiert hat;

● mit Hilfe unseres Algorithmus Menschen, von denen sich viele in einem Diabetes-Vorstadium befanden, individuell maßgeschneiderte Diäten anzubieten. Die Diäten unterschieden sich von Person zu Person; wenn sie eingehalten wurden, normalisierten sie in den meisten Fällen den Blutzuckerspiegel.

Dies hat alles, was wir über Ernährung zu wissen glaubten, über den Haufen geworfen. Unsere Entdeckungen haben weitreichende Konsequenzen, liefern sie doch starke Anhaltspunkte dafür, dass allgemeine Ernährungsratschläge immer nur von begrenztem Nutzen sein können, weil sie allein die Lebensmittel, nicht aber die Person, die diese zu sich nimmt, berücksichtigen.

Wir glauben, dass dies ein neues Forschungsgebiet eröffnet und ein neues Ernährungsparadigma notwendig macht – in dem die personalisierte Ernährung im Mittelpunkt steht. Breit gefächerte und wissenschaftlich fundierte Forschungsarbeiten untermauern jetzt zum ersten Mal dieses Konzept. Es ist nicht länger eine bloße Hypothese oder etwas, was man beobachtet hat, aber nicht beweisen kann. Das ist wichtig, weil dieses Konzept damit endlich in die allgemeine Ernährungspraxis und -politik Eingang finden kann.

Wir wollen, dass auch Sie so schnell wie möglich von den neuesten ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen profitieren.

Was unsere Forschungen für Sie bedeuten

Uns begeistert die wissenschaftliche Forschung. Schließlich sind wir Naturwissenschaftler. Und die Vorstellung, dass unsere Entdeckungen eines Tages die Ernährungswissenschaften und die Politik beeinflussen könnten, freut uns natürlich sehr. Aber was hat das mit Ihnen zu tun?