Die Logik des Irrtums - Hanno Beck - E-Book

Die Logik des Irrtums E-Book

Hanno Beck

3,9

Beschreibung

Warum führt uns der Zufall immer wieder an der Nase herum und was hat das mit der Steuerfahndung zu tun? Wieso können wir uns nicht von unseren Vorurteilen befreien, fallen auf Hellseher und dubiose Prognosen herein? Und warum kann Nichtwissen vorteilhaft sein? Psychologen und Ökonomen kommen dem vermeintlichen Homo sapiens immer mehr auf die Schliche: Sie suchen nach den verborgenen Gesetzen des Irrens und Scheiterns, die in unserem Kopf walten. Ihre – mittlerweile nobelpreisgeadelten – Experimente zeigen erstaunliche Schwächen des menschlichen Geistes: Wir haben Angst vor Verlusten, wir können nicht mit Wahrscheinlichkeiten umgehen, wir sind unserem Besitz verfallen, lassen uns bei unserer Entscheidungsfindung zu sehr von unwichtigen Fakten und Eindrücken beeinflussen, und unsere geistige Kontenführung bringt uns um unsere Ausgabendisziplin. Ob beim Einkauf, bei der Arbeit, beim Investieren, bei Verhandlungen mit Verkäufern, Kunden oder Partnern: Der eingebaute Fehlergenerator in unserem Kopf kostet uns Geld, Zeit und Nerven – jeden Tag aufs Neue. Doch wer erkennt, wann und wie unser Gehirn uns Sand ins Getriebe der Vernunft streut, tut den ersten Schritt, den Gesetzen des Scheiterns ein Schnippchen zu schlagen.

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Hanno Beck

Die Logik des Irrtums

Hanno Beck

Die Logik des Irrtums

Wie uns das Gehirn täglich ein Schnippchen schlägt

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Hanno Beck

Die Logik des Irrtums

Wie uns das Gehirn täglich ein Schnippchen schlägt

F.A.Z.-Institut für Management-,

Markt- und Medieninformationen,

Frankfurt am Main 2008

ISBN 978-3-89981-420-0

Bookshop und weitere Leseproben unter:

www.fazbuch.de

Copyright

F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen GmbH

Mainzer Landstraße 199

60326 Frankfurt am Main

Gestaltung/Satz

Umschlag

Satz Innen

F.A.Z., Verlagsgrafik

Fotolia / Andres Rodriguez

Nicole Bergmann

Alle Rechte, auch des auszugsweisen

Nachdrucks, vorbehalten.

Inhalt

Prolog: Unser t(kl)ägliches Scheitern

I  Wie wir funktionieren sollen

II  Macht und Ohnmacht des Einfachen

1    Der Irrtum des Spielers und die heiße Hand

2    Wir denken, was wir sehen

3    Wir denken, was wir wissen

4    Die Macht der Erinnerung und der Fluch des Wissens

5    Die Macht der Vorurteile

6    Die Ego-Falle

III  Die Angst des Verlierers

1    Warum wir Lotto spielen und Versicherungen kaufen

2    Der Fluch des Eigentums

3    So rechnen Verlierer

4    Wer beginnt, gewinnt

5    Der Fluch der Wahrnehmung

IV  Kommt Zeit, kommt Irrtum

1    Zeit ist Geld

2    Diäten, Sucht und andere Unpässlichkeiten

3    Hey Boss, ich brauch’ mehr Geld

4    Küsse und Elektroschocks

V  Wie wir uns selbst durchschauen können

Epilog

Anmerkungen und Literatur

Der Autor

Prolog: Unser t(kl)ägliches Scheitern

Der Mensch gilt als vernunftbegabtes Wesen – und doch erleben wir jeden Tag, wie wir oder unsere Mitmenschen die Vernunft mit den Füßen treten. Denn wie oft fällen wir Entscheidungen, die sich später als falsch herausstellen? Warum entscheiden wir aus dem Bauch heraus, anstatt kühl zu kalkulieren und sachlich Argumente abzuwägen? Dabei sind es nicht nur Ausnahmesituationen, in denen wir jegliche Vernunft fahren lassen, nein, es ist auch der tägliche Wahnsinn, der uns in den-selben treibt, oft ohne dass wir es merken.

Nun gibt es bergeweise Literatur, die Abhilfe schaffen will und uns erklärt, wie wir effizienter arbeiten, besser entscheiden, klarer denken und effektiver handeln. Ein großer Teil dieser Literatur baut auf der Idee des vernunftbegabten Wesens auf und geht davon aus, dass wir im Alltag und im Beruf scheitern, weil uns die richtigen Antworten auf unsere Probleme fehlen. Wenn das stimmt, dann ist der Mensch ein lebender Computer, dem lediglich die richtige Software zur Lösung seiner Probleme fehlt. Nach dieser Lesart müssen wir nur ein Problemlösungsprogramm installieren und schon ist Schluss mit dem täglichen Scheitern. So einfach und plausibel dieser Lösungsansatz klingt, so zweifelhaft ist er.

Möglicherweise liegen die Ursachen unseres Scheiterns tiefer: Es ist nicht nur die Software, die uns fehlt, nein, der Computer selbst hat Funktionsprobleme. Löst man sich vom Bild des Menschen als kühle Rechenmaschine, als Logik-Muskelprotz und Denkgenie mit unbegrenzten Kapazitäten, so wird klar, dass unsere täglichen Probleme menschliche Ursachen haben: Wir sind vernunftbegabt, aber nicht immer vernünftig. Und wir sind kein Computer: Wir können nicht unbegrenzt Informationen aufnehmen, in Lichtgeschwindigkeit verarbeiten, Wahrscheinlichkeiten berechnen und gegeneinander abwägen – so gesehen sind wir klägliche Problemlöser.

Menschen sind nicht perfekt, sie machen Fehler beim Erfassen von Informationen und bei deren Verarbeitung. Sie sind keine Maschinen, sondern Wesen mit Emotionen wie Neid, Hass oder Angst. Es ist also das Menschliche, das uns scheitern lässt. Wir müssen verstehen, wie wir funktionieren respektive nicht funktionieren – dann werden wir auch verstehen, warum wir nicht unfehlbar sind. Und dieses Wissen ist der erste Schritt zu weniger Fehlern. Wir müssen uns selbst verstehen, verstehen, wie wir entscheiden und erkennen, welche Fallen auf unseren begrenzten Geist lauern – und selbigen dadurch bereichern. Erst dann haben wir eine Chance, uns zu ändern, auch wenn wir nie zum reinen Verstandsmenschen werden, für den uns die ökonomische Theorie hält.

Lassen Sie uns daher einen Blick riskieren in die Abgründe des menschlichen Geistes und uns fragen, warum wir zu viel Geld ausgeben, Vorurteile haben, schlechte Geschäfte machen und die Logik mit Füßen treten.

Perfektion ist eine Illusion

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie brauchen einen neuen Wagen. Im ersten Geschäft, das Sie aufsuchen, bietet man Ihnen ein glänzendes Chromwunder für 20.000 Euro an. Der Wagen gefällt Ihnen, da Sie aber ein kritischer Geist sind, suchen Sie ein zweites Geschäft auf, das eine Viertelstunde entfernt ist. Dort finden Sie den gleichen Wagen; er kostet allerdings 2 Euro mehr. Innerlich haben Sie längst beschlossen, den Wagen zu kaufen, die Verkäufer waren Ihnen in beiden Geschäften gleichermaßen sympathisch – nun die Frage: Gehen Sie wegen der 2 Euro zurück zum ersten Geschäft? Nur die wenigsten Menschen tun dies, wie zahlreiche Experimente belegen.

So weit, so schlecht, aber jetzt stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie brauchen Schokolade. Im ersten Geschäft, das Sie aufsuchen, kostet das süße Nervengift 1,99 Euro. Sie sind hungrig, da Sie aber ein kritischer Geist sind, suchen Sie ein zweites Geschäft auf, das eine Viertelstunde entfernt ist. Dort finden Sie die gleiche Schokolade; allerdings kostet sie hier 3,99 Euro. Sie sind hungrig, es muss Schokolade her. Innerlich haben Sie längst beschlossen, dass Sie die Schokolade kaufen, und die Verkäufer waren Ihnen in beiden Geschäften gleichermaßen sympathisch. Jetzt die gleiche Frage: Gehen Sie wegen der 2 Euro zurück zum ersten Geschäft? Die meisten Menschen würden das tun, wie wiederum Studien zeigen.

Das Ergebnis dieses Gedankenexperimentes ist eine Niederlage für den ökonomisch denkenden Menschen: Wie kann es sein, dass wir beim Autokauf wegen 2 Euro nicht zurück ins erste Geschäft gehen, wohl aber beim Kauf der Schokolade? Die 2 Euro, deretwegen wir beim Schokoladenkauf eine Viertelstunde Weg auf uns nehmen, sind dieselben 2 Euro, die wir beim Kauf des Wagens sparen könnten. Ein glatter Widerspruch zur Idee des überlegten Verstandsmenschen, der seine Alternativen kühl gegeneinander abwägt und eine rational begründete und konsistente Entscheidung trifft: Er überlegt sich, ob er für 2 Euro eine Viertelstunde laufen will – und entscheidet sich in beiden Fällen gleich. Doch in unserem Beispiel nicht. Ein unwichtiger Einzelfall, eine Ausnahme, die nur die Regel bestätigt?

Eher nein. Die Welt ist voller Abweichungen von der rationalen, der ökonomischen Norm: Wir brechen gegen besseres Wissen gute Vorsätze, wir haben Vorurteile, wir werfen gutem Geld schlechtes hinterher und wir können uns nicht von unserem Besitz trennen – auch wenn es dadurch für uns teuer wird. Die Liste der Sonderlichkeiten im menschlichen Dasein ist unerschöpflich, und sie alle jagen den Verfechtern von der Idee des rationalen Menschen einen Schauer über den Rücken, besagen sie doch, dass in ihrer theoretischen Suppe ein ziemlich langes Haar schwimmt.

Diese Sonderlichkeiten passen nicht zu der Idee des homo oeconomicus, des kühlen Nutzenmaximierers, der aus jeder Situation stets das Beste für sich herausholt. Das ist umso schlimmer, als letztlich die gesamte Ökonomie auf dieser Überlegung basiert: Im Menschenbild der Ökonomen wissen wir genau, was wir wollen, und tun alles, um unseren Willen zu verwirklichen – unser Handeln ist gesteuert von Bedürfnissen und von Anreizen. In den mathematischen, mechanischen Modellen der Ökonomen werden wir Menschen zu einem seelenlosen Apparat, dessen Verhalten man ausrechnen kann, wenn man seine Bedürfnisse und Anreize kennt. Dass dieses Modell der Vielschichtigkeit der menschlichen Psyche nicht gerecht wird, liegt auf der Hand: Modelle müssen abstrahieren, sie brauchen eine klare Richtung und Logik – Dinge, die bisweilen im Bauplan der menschlichen Psyche fehlen.

Denn sie wissen nicht, was sie wollen

Sind die Modelle, die auf den rationalen Superproblemlösern aufbauen, damit wertlos? Mitnichten. Sie haben uns eine Fülle spannender Einsichten in das Funktionieren von Wirtschaftssystemen und Gesellschaften vermittelt, und sie dienen uns als Referenzrahmen – eine ver-einfachende Annäherung an das Rätsel menschlichen Verhaltens. Doch mit zunehmender Überprüfung vieler Verhaltenshypothesen kommen wir zu dem Schluss, dass diese Hypothesen kein exaktes Bild der menschlichen und sozialen Realität zeigen.

Das fängt schon mit den Vorlieben der Menschen an: So zeigen Untersuchungen, dass wir sehr wankelmütig sind, was unsere Vorlieben angeht. Müssen sie sich entscheiden zwischen 100 Euro in 30 Tagen und 105 Euro in 31 Tagen, so sind die meisten Menschen bereit, auf die zusätzlichen 5 Euro einen Tag länger zu warten. Sind aber die 30 Tage vorbei und man fragt die Versuchspersonen, was ihnen lieber ist – 100 Euro sofort oder 105 Euro morgen –, so greift die Mehrzahl sofort zu. Wie kann es sein, dass sie vor 30 Tagen bereit waren, einen Tag auf die 5 Euro zu warten, doch jetzt den einen Tag Geduld nicht mehr aufbringen?

Der Zufall als Ratgeber

Auch bei der Maximierung unseres Nutzens greifen wir öfter daneben, als es kluge und komplizierte Modelle wahr haben wollen. Wir lösen Probleme durch Faustregeln statt durch sorgfältige Überlegungen, wir haben falsche Vorstellungen über die Risiken, denen wir ausgesetzt sind, und wir klammern uns an merkwürdige Entscheidungshilfen. Nehmen Sie beispielsweise das berühmte UNO-Glücksrad: Man bittet Versuchspersonen in einen Raum und dreht vor ihren Augen ein Glücksrad, das eine Ziffer zwischen 1 und 100 anzeigt. Dann fragt man die Probanden, wie viel Prozent der afrikanischen Staaten in der UNO seien – mehr oder weniger als die per Zufall vom Glücksrad ausgeloste Zahl? In einem zweiten Schritt lässt man die Probanden schätzen, wie viel Prozent der afrikanischen Staaten tatsächlich in der UNO sind. Das Ergebnis: Die Schätzungen der Befragten orientieren sich eng an der per Zufall gewählten Zahl. Zeigt das Glücksrad eine 30, so liegen die Schätzungen zwischen 20 und 40, fällt eine 80, so nennen die Versuchspersonen Prozentsätze zwischen 70 und 90 Prozent. Skurril.

Keine Frage: Viele Erkenntnisse der Psychologen rütteln an den Grundpfeilern des ökonomischen Bildes vom Menschen als rationalen, effizienten Problemlöser. Menschen haben nicht immer klare Vorstellungen davon, was sie wollen, und sie sind keine perfekten Rechenmaschinen, die aus jeder gegebenen Situation das Beste herausholen – unabhängig davon, ob sie es nicht können oder nicht wollen. Eigentlich bedarf es für diese Erkenntnis nicht vieler Experimente – niemand glaubt, dass wir perfekte Rechenmaschinen sind.

Darwin, oder was?

Für die ökonomische Theorie ist das unbequem: Wendet man die Modelle des vernunftbegabten Menschen an und denkt strikt evolutionär, so können irrationale Menschen auf Dauer in einer von Rationalität beherrschten Welt nicht überleben. Das ist die Logik der Evolution: Wer sich in einer kalten, gewinnorientierten Welt irrational verhält, wird auf lange Sicht vom Markt gefegt – so wie die Evolution alle Mutationen entsorgt, die auf Dauer dem strengen Prozess der Auslese nicht gewachsen sind. In einer kalten, rationalen Marktwirtschaft überlebt nur derjenige, der am schärfsten kalkuliert, am effizientesten arbeitet und die wenigsten Fehler begeht. Wer sich hingegen den Gesetzen der Logik verweigert, hat gegen die Konkurrenz keine Chance. Nach dieser Lesart überleben auf Dauer nur rationale Akteure am Markt – Fehler können in diesem Weltbild nur vorübergehend auftreten. Diese Vorstellung passt leider nicht zu dem Befund, dass es in unserer Welt alles andere als rational zugeht – und zwar permanent. Wie passt das zu dem Postulat des vernünftigen, rationalen Menschen?

Was wäre denn, wenn wir statt Rechenmaschinen vielmehr so etwas wären wie gute Billardspieler: Wir verstehen zwar nicht viel von Physik, aber intuitiv und aus Erfahrung stoßen wir die Kugel richtig – jedenfalls im Großen und Ganzen. So könnte ökonomisches Verhalten funktionieren: Wir wissen zwar nicht immer, was gut ist, handeln aber intuitiv richtig und sind unter dem Strich ganz gute Ökonomen. Und die paar Ausnahmen, die nicht in dieses Weltbild passen, fallen in der großen Menge nicht auf.

Leider scheinen beide Argumente – wer irrational ist, wird vom Markt gefegt, und wir verhalten uns intuitiv so, wie die Modelle es beschreiben – nicht so recht zu stimmen, denn in der Realität beobachten wir ganze Herden von Menschen, die sich irrational verhalten, beispielsweise an den ach so rationalen Finanzmärkten, auf die wir noch zu sprechen kommen.

Auch die Idee, dass wir geborene Egoisten sind, hat in den vergangenen Jahren einen massiven Dämpfer erhalten: Wir machen uns Gedanken über Fairness und schätzen Fairness, wie Experimente zeigen. Im sogenannten Ultimatum-Spiel beispielsweise geht es darum, eine Geldsumme zwischen zwei Spielern aufzuteilen. Spieler Nummer 1 legt fest, wie viel Prozent der Summe an Spieler Nummer 2 gehen soll. Stimmt Spieler 2 zu, dann erhält er den entsprechenden Anteil an dieser Summe, der Rest geht an Spieler 1. Nummer 2 kann aber auch ablehnen – dann gehen beide leer aus. Für den Ökonomen ist das Ergebnis des Spiels klar: Spieler Nummer 2 wird jegliche Summe akzeptieren, da ihn selbst 1 Prozent des Geldbetrages besser stellt als 0 Prozent, die er bekommt, wenn er ablehnt. Somit kann Spieler 1 getrost 99 Prozent des Geldes einstecken. Sein Kontrahent wird lieber zustimmen und mit 1 Prozent zufrieden sein, statt abzulehnen.

So weit die Theorie. In Versuchen jedoch hat man ganz andere Beobachtungen gemacht: Zumeist bietet Spieler 1 einen Prozentsatz zwischen 40 und 50 Prozent, selten weniger als 20 Prozent; und je kleiner das Angebot von Spieler 1 wird, umso wahrscheinlicher wird es abgelehnt. Ein Befund, der nicht zum menschlichen Egoisten passt: Obwohl dem zweiten Spieler durch die Ablehnung Geld verlorengeht, zieht er es vor, seinen Mitspieler für eine als ungerecht empfundene Verteilung des Geldes zu bestrafen. Fairness spielt eine Rolle für den Ausgang des Spiels.

Dieses Spiel ist steigerungsfähig. Streicht man Spieler Nummer 2 die Möglichkeit abzulehnen, so wird aus dem Ultimatum-Spiel ein Diktator-Spiel. Spieler Nummer 1 kann nun als Diktator frei entscheiden, wie viel Geld er abgeben will. Und doch passiert nicht das, was man erwarten würde: In Experimenten teilen die Spieler auch jetzt das Geld mit ihrem Mitspieler, obwohl sie nicht müssen. Das spricht noch weniger für den Egoisten.

Sinnfreie Aktienmärkte

Wie eigennützig und rational ist der Mensch also wirklich? Wenn das Bild vom homo oeconomicus, vom perfekten, cleveren Nutzenmaximierer irgendwo überprüfbar ist, dann an den Finanzmärkten: Dort geht es um viel Geld, und was dort rational ist, lässt sich in Heller und Cent ausrechnen. Doch schon ein kurzer Blick genügt, um zu erkennen: Gerade an den Finanzmärkten, an denen die Rationalität die erste Geige spielen sollte, handeln die Akteure alles andere als vernünftig. Wer den großen Börsenkrach des Jahres 2001 miterlebt hat, kann ein kostspieliges Lied davon singen.

Einen Befund für die Irrationalität an den Finanzmärkten liefert eine Analyse von rund 100.000 Konten eines amerikanischen Discountbrokers, in der das Anlageverhalten der Kontobesitzer untersucht wurde. Der Befund: Anleger neigen dazu, eher Gewinneraktien zu verkaufen; von Verliereraktien hingegen können sie sich offenbar nur schwer trennen. Das ist ungefähr so, als wären Sie mit einer Flotte von Schiffen unterwegs zum rettenden Ufer (beispielsweise Ihrem Ruhestand, in dem Sie von den Erträgen ihrer Aktien leben wollen) und würden auf dem Weg zum Ufer systematisch alle Schiffe versenken, die bisher gute Dienste geleistet haben – während Sie die Schiffe, die bereits leck geschlagen sind, weiter schwimmen lassen. Machen Sie sich keine Hoffnungen: Alle anderen Gründe, warum man am Aktienmarkt statt auf Gewinner auf Verlierer setzen sollte, wurden getestet – und verworfen. Es bleibt ein seltsamer Befund: Anleger können sich nicht von erfolglosen Aktien trennen. Hätten sie es getan, so wäre die Rendite ihres Portfolios um rund 4,4 Prozent besser ausgefallen – Irrationalität ist teuer.

Bereits diese wenigen Beispiele zeigen, dass es Zeit wird, der ausgefeilten und exzellenten Modellwelt der Ökonomen einen Schuss Irrationalität – will heißen: eine Prise Menschlichkeit – hinzuzugeben. Und hier kommt die Psychologie ins Spiel. Sie erzählt viel über Wohlbefinden, Entscheidungsverhalten und Urteilsmechanismen. Je mehr wir lernen, wie Menschen wirklich funktionieren, umso realistischer wird unsere Vorstellung davon, wie sie entscheiden. Und wenn der Mensch eben ein wenig irrational ist – warum dies nicht erkennen und nutzen? Wenn wir verstehen, wie wir wirklich ticken, dann steigen unsere Chancen, dem täglichen Scheitern ein Schnippchen zu schlagen.

Doch nicht nur das: Wenn unsere Psyche in einigen Punkten den Gesetzen der ökonomischen Logik nicht Folge leistet und das dazu führt, dass wir gegen unsere eigenen Interessen oder Überzeugungen handeln, dann muss auch die Politik davon Kenntnis nehmen und dies bei ihrer Politik berücksichtigen. Was nützt es, wenn der Staat Gesetze beschließt, die an den rationalen Bürger appellieren, wenn dieser gar nicht so rational ist? Ein Beispiel dafür ist die staatliche Förderung der privaten Altersvorsorge: Was in Deutschland bisher noch nicht gezündet hat, funktioniert in anderen Staaten besser, weil man unter Anwendung einiger simpler psychologischer Prinzipien eine andere Politik der Sparförderung installierte, die wir uns später ansehen werden. Mit anderen Worten: Die Politik kann menschliche Schwächen nutzen, um ihre Ziele zu erreichen und damit eine andere menschliche Schwäche – die Altersvorsorgemüdigkeit – bekämpfen.

Sie sehen, es gibt viele Gründe, sich mit dem menschlichen Faktor auseinanderzusetzen – lassen Sie uns keine Zeit verlieren und beginnen. Dazu gehen wir zuerst dahin, wo es teuer und gefährlich ist – ins Casino.

1Der Irrtum des Spielers und die heiße Hand

Alles auf rot

Sie kommen in ein Casino. Dort beobachten Sie, dass bereits fünf- oder sechsmal hintereinander die Farbe Rot gefallen ist. Juckt es Sie nicht, einen Jeton zu riskieren und auf Schwarz zu setzen? Schließlich wissen Sie, dass die Wahrscheinlichkeit von Rot und Schwarz sich in etwa die Waage hält (die Null vernachlässigen wir der Einfachheit halber). Und wenn fünf- oder sechsmal hintereinander Rot gefallen ist, dann muss doch einfach jetzt Schwarz kommen, oder? Doch so sehr sich unsere Intuition nach diesem Gedanken sehnt, so sehr täuscht sie sich: Die Wahrscheinlichkeit, dass nach fünf- oder sechsmal Rot Schwarz kommt, ist immer die gleiche – egal wie oft die Kugel zuvor auf ein rotes Feld gefallen ist. Eine Roulettekugel hat kein Gedächtnis, sie weiß nicht, wie oft zuvor Rot gefallen ist, und sie weiß erst recht nicht, dass sie den Gesetzen der Statistik gehorcht, nach denen die Zahl der Rot- und Schwarz-Würfe sich in etwa die Waage hält. Für die Roulettekugel ist jeder Wurf ein neuer Wurf – was vorher war, zählt nicht.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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