Die Löwin von Kenia - Lea Kampe - E-Book
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Die Löwin von Kenia E-Book

Lea Kampe

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Beschreibung

Die Liebesgeschichte hinter »Jenseits von Afrika« Kenia, Mai 1926. Wie jeden Morgen blickt Karen Blixen in die atemberaubend schönen Berge und lauscht dem Klang der vielen Stimmen. Auf ihrer Kaffeefarm leben 200 Kikuyu-Familien, für deren Rechte sie wie eine Löwin kämpft.  Das Haus ist erfüllt vom Lachen der Kinder, die in Karens Schule gehen. Doch heute fühlt sie sich trotzdem einsam: Sie vermisst Denys, ihren Geliebten, der vor Monaten nach England gereist ist – und der auf ihren letzten Brief nicht geantwortet hat. Dabei hat sie große Neuigkeiten: Sie ist schwanger. Jetzt will ihr sonst so starkes Herz vor Sehnsucht fast zerspringen … Ein berührender Roman über Karen Blixens Zeit in Afrika, die sie zu ihrem weltberühmten Roman inspirierte.

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To Leah & Nüssi

in memory of

Our green afternoons

Sun sparkling on water: Us

Swimming side by side

© Piper Verlag GmbH, München 2022

Redaktion: Dr. Annika Krummacher

Covergestaltung und -motiv: Johannes Wiebel | punchdesign unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com, AdobeStock und Richard Jenkins Photography

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence, München mit abavo vlow, Buchloe

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Zitat

1

Hargeisa, Britisch-Somaliland, 1955

2

Ngong, Anfang Oktober 1922

3

4

5

6

Ngong, Anfang November 1922

7

Hargeisa, 1955

8

Ngong, Anfang Dezember 1922

9

10

11

Ngong, Weihnachten 1922

12

13

Hargeisa, 1955

14

Ngong, April 1923

15

16

Nairobi, September 1923

17

18

Hargeisa, 1955

19

Ngong, Februar 1925

20

21

22

23

Ngong, März 1925

24

Hargeisa, 1955

25

Ngong, Februar 1926

26

27

28

Ngong, Juni 1926

29

London, September 1926

30

Ngong, September 1926

31

Hargeisa, 1955

32

Ngong, November 1926

33

Ngong, Spätsommer 1927

34

Ngong, Januar 1928

35

Ngong, April 1928

36

Ngong, Sommer 1928

37

38

Hargeisa, 1955

39

Ngong, Februar 1929

40

Rungstedlund, Dezember 1929

41

Ngong, Ende Januar 1930

42

43

Ngong, Herbst 1930

44

Ngong, Ende März 1931

45

Ngong, Ende April 1931

46

Ngong, Mai 1931

47

48

Hargeisa, 1955

Nachwort

Begriffe auf Suaheli

Dank

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Literaturverzeichnis

»Ich habe das Gefühl, dass ich in Zukunft, wo immer in der Welt ich bin, daran denken werde, ob es wohl in Ngong regnet.«

Aus einem Brief von Karen Blixen an ihre Mutter Ingeborg Dinesen, Ngong, 26. Februar 1919

1

Hargeisa, Britisch-Somaliland, 1955

Abdullahi Aden wollte die Schreibtischschublade schon wieder schließen, doch dann griff er noch einmal nach dem blauen Buch, dessen Einband von der vielen Benutzung glänzte, und begann, darin zu lesen:

»Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuß der Ngong-Berge. Die Äquatorlinie zog sich fünfundzwanzig Meilen weiter nördlich durchs Hochland, doch meine Farm lag zweitausend Meter über dem Meer. Mitten am Tag konnte man diese Höhe und die Nähe der Sonne wohl empfinden, aber nachmittags und abends war es klar und kühl, und die Nächte waren kalt …«

Abdullahi schlug das Buch zu und schloss die Augen. Mehr brauchte es nicht, um die Erinnerung an jenen längst vergangenen Morgen in ihm wachzurufen – den Morgen vor über dreißig Jahren, an dem sein Leben neu begonnen hatte. Sein Bruder Farah und er waren nachts auf der Farm angekommen, doch er war viel zu aufgeregt gewesen, um zu schlafen. Als innerhalb weniger Minuten die Sonne aufgegangen war, wie das nur in Äquatornähe passierte, hatte er seinen Schlafraum verlassen und war nach draußen gelaufen.

Ein Haus wie das der Memsahib hatte er noch nie gesehen. Es war aus grauen Steinen gebaut und von einer Veranda umgeben, davor befand sich eine weite Rasenfläche. Das Gras war schon grün, denn die kurze Regenzeit zwischen September und November hatte gerade begonnen. In der Nähe stand eine Reihe von Kapkastanien, und als er hinrannte, flatterte ein Taubenschwarm auf. Irgendwann hörte er Farah, der nach ihm rief, aber er war viel zu übermütig, um zu gehorchen. Da waren der Wald und die dunkelgrünen Kaffeeplantagen, von denen sein Bruder ihm erzählt hatte – und ein rhythmisches Trommeln, ein Punkt auf der Ebene, der schnell näher kam.

2

Ngong, Anfang Oktober 1922

Tanne spürte den kräftigen Körper des Pferdes unter sich. Der nach den jüngsten Regenfällen weiche Boden federte unter seinen Hufen, das feuchte Gras wogte wie ein endloses silbernes Meer in der schräg einfallenden Morgensonne. In ihrem Rücken wusste sie die Ngong-Berge, vor ihr lag der Wald. In der Nähe der Mühle schien jemand zu stehen.

In vollem Galopp wandte sich Tannes Pferd der Farm zu, ohne seine Geschwindigkeit zu drosseln. Als sie dem Haus näher kamen, fiel das Pferd von selbst in einen schnellen Trab. Tanne hörte das Tier schnauben, ihr eigener Atem ging schnell.

»Brrr …«

Vor ihr öffnete sich die Tür des grauen Steinhauses. Ein Mann in einem weißen Kaftan und mit rotem Turban trat auf die Veranda. Tanne riss den rechten Arm hoch und winkte. Endlich!

»Farah!« Sie nahm die zwei Stufen zur Veranda in einem Sprung. Am liebsten hätte sie ihn umarmt, doch sie wusste, dass das nicht den somalischen Bräuchen entsprach.

»Wie schön, dass Sie wieder da sind!«, rief sie auf Suaheli.

»Memsahib.« Der hochgewachsene Farah hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und deutete ein Lächeln an. Trotz seines immer ernsten Gesichts konnte Tanne ihm die Freude über das Wiedersehen an den Augen ablesen. Mehrere Wochen war er in Britisch-Somaliland bei seiner Familie gewesen, um einen seiner Brüder zu ihr auf die Farm zu holen, und seine Abwesenheit hatte Tanne wieder einmal deutlich gemacht, wie unentbehrlich er für sie war.

»Sie müssen spät angekommen sein.« Tanne sah an Farah vorbei ins Innere des Hauses. »Sie haben den Jungen doch mitgebracht, oder? Ist er hier, der kleine Mann?«

Farah wirkte verlegen, was selten vorkam.

»Es scheint, als wäre er kurz … rausgegangen. Einen Augenblick … Abdullahi!«, rief er laut über den Rasenplatz, doch da regte sich nichts. Er runzelte die Stirn und rief noch einmal, diesmal lauter: »Abdullahi!«

Aber Abdullahi blieb verschwunden.

»Er wird schon wieder kommen«, sagte Tanne leichthin. Zusammen gingen sie ins Haus. Farah wirkte betreten, doch Tanne schmunzelte. Sie ahnte, dass das Fehlen des Jungen dem perfektionistischen Farah peinlich war.

Plötzlich hörten sie schnelle Schritte auf der Veranda, und ein Zehnjähriger mit dunklem, pausbackigem Gesicht kam in den Raum gestürmt. Er trug einen beigen Kaftan, der mit Grasflecken übersät war. Seine Füße und Beine waren mit rötlichem Staub bedeckt und hinterließen Abdrücke auf dem makellos sauberen Holzboden. Er musste lange gerannt sein, denn auf seiner Stirn stand Schweiß, und seine dunklen Augen waren vor Aufregung geweitet. Als er die ernste Gestalt seines Bruders sah, daneben die unbekannte Frau in Khakihose und alten braunen Lederstiefeln, blieb er abrupt stehen. Farah fuhr ihn barsch auf Somali an, und obwohl Tanne die Sprache nicht verstand, tat ihr der Kleine leid. Der Junge senkte den Blick, dann wandte er sich zögernd zu ihr.

»Guten Morgen, Memsahib. Ich bin Abdullahi«, sagte er leise auf Suaheli.

»Guten Morgen, Abdullahi. Willkommen auf der Farm.« Sie zwinkerte ihm zu. »Kopf hoch. Mit mir ist dein Bruder genauso hart.« Der Kleine sah sie ermutigt an. Farah schüttelte missbilligend den Kopf. Er entließ ihn mit einer knappen Handbewegung, und der Junge lief davon.

»Er wird sich umziehen und sauber machen«, sagte Farah bestimmt. Tanne öffnete den Mund, um etwas einzuwenden, doch er hob die Hand und sprach weiter. »Er ist ein Somalier und muss Disziplin lernen. In wenigen Jahren wird er ein Mann sein.«

»Und offenbar haben Sie vor, eher ein strenger Vater zu sein als ein nachsichtiger großer Bruder.« Tanne zog lächelnd die Augenbrauen hoch, und Farah senkte zustimmend den Kopf.

In diesem Moment öffnete sich die kleine Tür der Kuckucksuhr, und der hölzerne Vogel schoss rufend heraus. Neunmal erklang sein »Kuckuck«, dann zog er sich zurück.

»Ach Gott, schon neun! Jetzt hätte ich doch beinahe meine Sprechstunde vergessen.« Tanne griff sich an die Stirn und lief zu ihrem Medikamentenschrank. Vor Jahren hatte sie damit begonnen, morgens auf ihrer Veranda den Einheimischen medizinische Versorgung anzubieten. Auf ihrem Land lebten Hunderte von Familien, die dem lokalen Stamm der Kikuyu angehörten. Sie waren seit vielen Generationen hier heimisch, und die meisten von ihnen ahnten nicht, was die Ankunft der Weißen in ihrem Land bedeutete. Aus dem britischen Protektorat Kenia war seit Kurzem eine britische Kolonie geworden, in der die einheimische Bevölkerung Land weder besitzen noch kaufen durfte. Dass das Land, auf dem sie lebten, nicht ihnen, sondern Tanne und Bror Blixen gehörte, war ein Konzept, mit dem sie nichts anfangen konnten.

Tanne eilte mit dem Medikamentenkasten nach draußen. Viele Kikuyu arbeiteten auf der Kaffeeplantage, und obwohl sie der westlichen Medizin skeptisch gegenüberstanden, hatte sich ihre morgendliche Sprechstunde herumgesprochen. Täglich fanden sich Frauen, Männer und Kinder auf der Veranda ein, um Fieber, Erkältungen, Platzwunden oder Verbrennungen von ihr behandeln zu lassen.

Als Tanne hinaustrat, saßen bereits eine alte und eine junge Kikuyu-Frau mit einem Baby unter dem Schatten spendenden Verandadach. Während die junge Frau scheu die Augen niederschlug, schenkte ihr die Alte ein breites Lächeln, und Tanne konnte nicht umhin, ihre gelassene Fröhlichkeit zu bewundern. Die Frauen des Kikuyu-Stamms führten ein hartes Leben. Sie brachten eine Vielzahl von Kindern auf die Welt, und während die Männer mit dem Vieh beschäftigt waren, hackten und pflügten die Frauen unermüdlich in ihren kleinen Maisfeldern, den Shambas. Außerdem kochten und wuschen sie und trugen das Feuerholz, das sie zu großen Bündeln schnürten und an ihrer Stirn befestigten, um die Hände für anderes frei zu haben. Durch die schwere körperliche Arbeit war ihr Alter oft nur schwer zu bestimmen. Trotzdem fanden sie immer einen Grund zu lachen.

»Guten Morgen. Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte Tanne auf Suaheli, obwohl sie wusste, dass die alte Frau nur Kikuyu beherrschte, die Sprache ihres eigenen Stammes. Die Alte zeigte auf das Baby, dessen Mutter noch immer die Augen niederschlug.

»Toto«, sagte sie nur. Dabei fasste sie sich an die Stirn.

»Toto«, wiederholte Tanne leise. Das Wort bedeutete »Kind«. Sie trat an die junge Frau heran und fühlte die Stirn des kleinen Jungen.

»Er fiebert«, stellte sie fest.

Die Mutter des Kindes sah sie kurz an.

»Farah!«, rief Tanne. Sie drehte sich zur Verandatür und staunte, als nicht Farah, sondern sein kleiner Bruder Abdullahi vor ihr stand. »Nun gut. Wir brauchen einen Topf mit lauwarmem Wasser, einen weichen Lappen und ein Handtuch. Und Pfefferminztee. Hast du alles verstanden?«

Abdullahi nickte, dann drehte er sich um und flitzte ins Haus. Als er mit dem Wasser wiederkam, tauchte Tanne den Waschlappen ein, drückte ihn gut aus und rieb den kleinen, nur mit einem Schurz bekleideten Körper von außen nach innen und von unten nach oben ab. Dabei machte sie langsame kreisförmige Bewegungen. Dem Baby schien es zu gefallen. Es streckte die Arme aus und versuchte, nach Tannes Nase zu fassen. Als sie sie zum Spaß rümpfte und eine Grimasse schnitt, gluckste der kleine Junge fröhlich. Abdullahi stand daneben und beobachtete sie. Tanne wickelte das Baby in das Handtuch.

»Gib mir den Tee«, bat sie Abdullahi und wandte sich dann an die junge Frau: »So müssen Sie es machen. Verstehen Sie Suaheli?«

Die Frau nickte.

»Zweimal in der Stunde. Und lassen Sie ihn Tee trinken. Nicht zu heiß und in kleinen Schlucken.« Sie reichte ihr die Flasche. »Aber heute Nachmittag kommen Sie wieder. Falls das Fieber weiter steigt …« Sie führte den Satz nicht zu Ende. Es war besser, das Krankenhaus nicht zu erwähnen. Die Kikuyu hassten das Hospital, und wenn sie wollte, dass die Mutter ihr Baby am Nachmittag noch einmal zu ihr brachte, war es besser, diese Option zu verschweigen.

Die junge Frau war aufgestanden, nickte ihr kurz zu und ging.

»Jerie«, sagte die alte Frau und tippte Tanne auf die Schulter. Sie verstand nicht und wollte gerade fragen, als die Alte sich umdrehte. Tanne erschrak. Auf dem Rücken der Frau prangte eine Brandwunde, die schon ein paar Tage alt sein musste und zu eitern angefangen hatte. Tanne konnte sich denken, wie es passiert war. Brandwunden waren unter den Kikuyu eine häufige Verletzung, da sie nachts in ihren Hütten direkt um das Feuer herum schliefen. Dabei kam es immer wieder vor, dass brennende Äste oder Holzstücke auf die Schlafenden herunterfielen und hässliche Wunden hinterließen. Da die alten Kikuyu-Frauen nur eine Art Lendenschurz trugen, hatte keine Kleidung an der Wunde gescheuert, dafür war sie schmutzig. Vorsichtig säuberte Tanne sie. Es musste wehtun, doch die alte Frau verzog keine Miene, sondern lächelte tapfer. Als die Wunde sauber war, tauchte Tanne einen Lappen in Essig und legte ihn auf die Verletzung. Aus Erfahrung wusste sie, dass er die Wunde zusammenzog, sie desinfizierte und Entzündungen entgegenwirkte. Vor allem bei nässenden Wunden war er hervorragend geeignet.

Als Tanne fertig war und sich von der Alten verabschiedet hatte, strich sie sich die halblangen, kastanienbraunen Haare aus der Stirn. Ihr schmales Gesicht mit den markanten Wangenknochen sah hoch konzentriert aus. Ihre Augen musterten die Medizinflaschen. Hatte sie auch alles richtig gemacht? Hätte sie mehr tun können? Es war die Frage, die sie sich immer stellte.

»Tanne!« Die Männerstimme schreckte sie aus ihren Gedanken, und sie sah auf. Es war ihr Bruder, der von dem kleinen Bungalow, den er seit seiner Ankunft auf der Farm bewohnte, auf das Haus zulief.

»Thomas!« Sie winkte ihm zu. »Wie schön. Lass uns gemeinsam frühstücken.«

3

Wenige Tage später stand Tanne am Rand der Kaffeeplantage und blickte auf die endlosen Reihen aus sattem Grün. Es hatte die ganze Nacht über geregnet, und um die fünf Kuppen der wenige Meilen entfernten Ngong-Berge strichen weiße Dunstschleier. Immer noch war der Himmel wolkenverhangen, aber es sollte warm werden. Ein Vogelschwarm zog aus der Ebene heran, überquerte das Flussbett, welches das Massai-Reservat von ihrem Farmland trennte, und flog auf den Wald zu.

Tanne drehte sich um, als sie hinter sich Schritte hörte. Es war Thomas.

»Und ich dachte, ich wäre zu früh dran.« Er lächelte. »Guten Morgen, Schwesterherz.«

Tanne küsste ihn auf die Wange und hängte sich bei ihm ein. Gemeinsam schritten sie zwischen den Kaffeebäumen entlang, und ihre Stiefel sanken in die aufgeweichte Erde. »Die ersten Kaffeekirschen färben sich schon«, sagte Tanne fröhlich und schlug einen Pfad ein, der zu einer freien Grasfläche führte. Dort blieb sie stehen.

»Hier, hatte ich gedacht. Was meinst du? Das wäre doch ein idealer Ort für die Kaffeerösterei, oder nicht?«

Thomas sah sich um und nickte. »Eigentlich schon. Nahe genug an der Plantage, viel freier Raum.«

»Eigentlich?«

Thomas grub seine schmutzigen Stiefelspitzen abwechselnd in die weiche Erde. »Es wird Geld kosten, Karen«, meinte er schließlich. »Und unsere Mutter, Onkel Aage und die anderen Anteilseigner an der Plantage, na ja, du weißt, was sie über zusätzliche Ausgaben denken. So wie die Dinge in den letzten Jahren gelaufen sind, stehen sie der Sache ohnehin schon skeptisch gegenüber.«

»Der Sache?«

Tanne fühlte Wut in sich aufsteigen, wie immer, wenn die mangelnde Wirtschaftlichkeit der Farm kritisiert wurde. Außerdem konnte sie es nicht ausstehen, dass er sie Karen nannte, wann immer es schwierig wurde. Seit sie als Kleinkind ihren Taufnamen wie Tanne ausgesprochen hatte, wurde sie von ihren Freunden und ihrer Familie nur noch so gerufen.

»Mit ›dieser Sache‹ ist mein ganzes Leben gemeint«, erwiderte sie hitzig. »Diese Farm, das bin ich. Diese Kaffeebäume habe ich selber mit Bror und unseren Arbeitern gepflanzt. Mit unseren eigenen Händen haben wir die Kästen mit den Setzlingen hier herausgetragen und Löcher gegraben, tief genug, damit ihre Wurzeln kerzengerade nach unten zeigen können, weil sonst …«

»Das weiß ich doch«, unterbrach Thomas sie, ohne sie dabei anzusehen. »Aber Bror hat einfach nicht gut gewirtschaftet. Er hat eine Menge Geld verschwendet, das nicht mal ihm, sondern den Anteilseignern in unserer Familie gehörte. Lauter unsinnige Projekte und eine schlechte oder besser gesagt gar keine Buchführung.«

»Weshalb wir ja mittlerweile auch getrennt leben«, erklärte Tanne. Sie hasste es, dass ihre Familie sich in ihre Beziehung zu ihrem Mann Bror eingemischt hatte und sie seit Jahren zur Scheidung drängte. Sie warfen die finanziellen Schwierigkeiten der Farm und die ihrer Ehe in einen Topf.

»Aber leugnen kannst du es nicht«, beharrte Thomas und fuhr sich durch das kurze dunkle Haar. Sein gebräuntes Gesicht war leicht gerötet, seine Augen blickten unsicher. Er liebte seine ältere Schwester und hasste es, stellvertretend für den Rest der Familie Diskussionen über Geld führen zu müssen.

»Ich leugne ja gar nicht, dass Bror der Farm geschadet hat«, erwiderte Tanne plötzlich in versöhnlicherem Ton. »Aber Mama, Onkel Aage und du, ihr schiebt ihm die ganze Schuld in die Schuhe, und das ist nicht richtig. Du weißt, wie schwierig der Kaffeeanbau hier ist. Unsere Farm ist zu hoch gelegen. Fast zweitausend Meter über dem Meeresspiegel. Nur ein Stückchen weiter unten wäre es ideal, aber das wussten wir beim Kauf noch nicht. Dazu die Jahre, in denen die Regenfälle ausgeblieben sind, immer wieder die Sorge, ob der Regen auch kommt im Herbst und im Frühjahr. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie nervenaufreibend das ist, wie viel Herzblut …«

»Natürlich weiß ich das!« Thomas sah sich um, als suchte er etwas am Horizont. »Und vielleicht würde eine eigene Kaffeerösterei sich tatsächlich lohnen, vor allem jetzt, wo Bror weg ist und du die alleinige Verantwortung für die Farm trägst.«

»Du wirst sehen, ich schaffe das. Jetzt wird alles anders!«, rief Tanne erleichtert und fügte neckisch hinzu: »Und du kannst dich als gelernter Ingenieur endlich mal nützlich machen, solange du bei mir zu Besuch bist. Ich lege das Vorhaben in deine Hände.«

Thomas musste unwillkürlich lachen. Er war erleichtert, seine Schwester wieder fröhlich zu sehen. Und wer weiß, vielleicht konnte sie es ja tatsächlich schaffen, die schwächelnde Farm wieder auf solide Beine zu stellen. Tanne war stark, so stark wie alle Frauen in seiner Familie, auch wenn sich bisher keine von ihnen so weit von ihrem Zuhause in Rungstedlund weggewagt hatte wie sie.

»Wunderbar«, meinte er. »Wann soll ich anfangen?«

»Sobald du weißt, welche Materialien du benötigst, fahre ich nach Nairobi und leite alles in die Wege.«

»Gut.« Thomas hielt ihr die offene Handfläche hin. »Ingenieur Thomas Dinesen steht Ihnen zur Verfügung, Madam.«

Tanne schlug ein.

4

Tannes alter Wagen ruckelte auf der Ngong Road Richtung Nairobi, wobei das Wort »Straße« eigentlich kaum zutraf, denn die rote Lateriterde war nicht gepflastert, und während der Regenzeit konnte es vorkommen, dass sie tagelang völlig unpassierbar wurde. Auch jetzt hatten Wagenräder und Reifen tiefe Furchen in den Schlamm gegraben, in denen sich das Wasser staute, und Tanne atmete auf, als sie einen etwas passableren Abschnitt erreichte. Es war noch früh, aber schon füllte die erste Wärme die Luft mit einem Meer von Düften, und die Landschaft zu beiden Seiten der Straße schimmerte in immer neuen Nuancen von Grün, wie man es nur während und kurz nach den Regenfällen sah. Ab und zu passierte Tanne runde, grasbedeckte Lehmhütten. Aus den Öffnungen ihrer Dächer stiegen feine Rauchfäden, und in den umliegenden Maisfeldern standen tief gebückte Frauen mit Hacken, während die Kinder die Ziegen und Kühe ihrer Familien hüteten. Als sie Tanne vorbeifahren sahen, rannten sie auf die Straße zu und winkten.

»Jambo, M’sabu!«

»Hallo!« Tanne winkte zurück und wäre beinahe in eine tiefe Wasserlache gefahren. Mit einem Ruck riss sie den Wagen herum. Schlamm spritzte gegen die Windschutzscheibe.

Endlich kündigte ein verrostetes Schild die Stadt an. Vor knapp fünfundzwanzig Jahren war Nairobi noch eine Ansammlung von Wellblechhütten gewesen, eine Art Versorgungsdepot während der Bauarbeiten der Uganda Railway, die Mombasa mit dem Lake Victoria verband. Inzwischen war daraus die Hauptstadt des britischen Protektorats Ostafrika geworden oder, wie es seit ein paar Jahren genannt wurde, der Kolonie Kenia. Es war eine Stadt, in der alles gehandelt wurde: Vieh, Land, Kaffee, Früchte, Tabak und Hüte wechselten für britische Schilling und Pfund unermüdlich den Besitzer.

Jetzt kamen die ersten Außenbezirke von Nairobi mit ihren Hütten aus Holz und Wellblech in Sicht. Viele von ihnen sahen aus, als würden sie nur durch ihren eigenen guten Willen zusammengehalten. Tapfer trotzten sie dem unablässigen Wind von der Athi-Ebene, der feinen roten Staub durch jede Ritze trieb.

Tanne fuhr im Schritttempo, bis sie zu einer breiteren Straße kam, die sie ins Stadtzentrum brachte. Hier gab es hölzerne Bürgersteige, überschattet von Eukalyptusbäumen. Auf ihnen drängte sich ein buntes Gemisch von Menschen, einheimische Kikuyu, eingewanderte Somalier, europäische Siedler und die zahlreichen Inder, welche die Engländer für den Bau der Eisenbahn aus ihrer indischen Kolonie ins Land geholt hatten. Kleine Gemischtwarenläden, Dukhas genannt, reihten sich an Werkstätten und Büros. Immer wieder gab es schöne Steinhäuser mit gepflegten Vorgärten neben wellblechgedeckten Bungalows. Tanne parkte vor dem britischen Government House und ging in Richtung des alten Basars. Die Gegend war ärmlich und wurde vor allem von Indern bewohnt. In einem Schaufenster sah Tanne einen grünen Hut mit ausladender Krempe und einer schönen Feder. Sie blieb stehen. Er passte perfekt zu einem Kleid, das sie vor ein paar Jahren in Paris gekauft hatte und häufiger zu Partys oder den Pferderennen in Nairobi trug, doch dann schüttelte sie den Kopf und ging weiter. Ein Hut war das Letzte, für das sie derzeit Geld ausgeben sollte.

Je näher Tanne dem lebhaften Basar kam, desto schärfer wurde das Mischmasch an Gerüchen, das ihre Wahrnehmung überschwemmte. Tanne kaufte Cashewnüsse und eine frische Ananas. Eingelegte Früchte waren billiger, aber sie wollte ihrem Bruder eine Freude machen. Endlich betrat sie ihr indisches Stammgeschäft und übergab dem Angestellten die Liste mit Materialien, die Thomas für sie zusammengestellt hatte.

»Es ist alles lieferbar, Madam. Wie immer«, sagte der Mann mit starkem Akzent und einer kleinen Verbeugung. So schnell, dass Tanne seinen vom Tabak verfärbten, schlanken Fingern kaum folgen konnte, kritzelte er Zahlen auf ein Blatt Papier und unterstrich die Endsumme. Tanne unterdrückte ein Seufzen und nickte.

»Ihr lasst euch den Spaß etwas kosten. Geld scheint ja plötzlich keine Rolle mehr zu spielen«, hörte sie eine nur allzu bekannte Stimme hinter sich. Sie klang so fröhlich-sarkastisch, wie nur Bror es hinbekam.

»Was machst du hier? Hast du dich etwa angeschlichen?« Tanne war verärgert, ihn nicht eher bemerkt zu haben.

»Das musste ich gar nicht. Du warst so in dein neues Vorhaben vertieft. Dass ich nicht mehr auf der Farm leben darf, scheint dir ja mächtig Aufschwung zu geben.« Wieder dieser sarkastische Unterton. Tanne fühlte die Hitze in ihre Wangen steigen. Sie nickte dem indischen Angestellten zu. »Die Rechnung schicken Sie mir dann mit den Materialien, ja?« Der Mann nickte lächelnd und deutete wieder eine Verbeugung an. Tanne verließ das Geschäft, Bror folgte ihr. Auf dem Bürgersteig fuhr sie herum.

»Was fällt dir ein?«, zischte sie mit mühsam unterdrückter Wut. »Du bist der Letzte, der sich beklagen darf. Du weißt genau, wie sehr ich um unsere Ehe gekämpft habe. Ich habe immer an dich geglaubt und dich jahrelang vor meiner Familie in Schutz genommen. Und das, obwohl jeder Spatz in Nairobi deine vielen Frauengeschichten von den Dächern pfiff und ich nirgendwo mehr einkaufen konnte, ohne deine Schulden begleichen zu müssen. Wenn meine Familie jetzt endgültig genug hatte – und ich auch –, dann hast du das nur dir selbst zuzuschreiben.«

»Unsere Farm gehört auch mir. Ihr hattet kein Recht, mich vor die Tür zu setzen und mir den Zutritt zu verweigern.« Brors rundes, joviales Gesicht wirkte plötzlich hart. Trotzdem klang seine Stimme ruhiger, als er hinzufügte: »Für deine Familie war ich nie die richtige Wahl, und wenn du ehrlich bist, hast du mich auch nur geheiratet, weil mein Zwillingsbruder dich nicht wollte.« Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht, und Tanne war nicht sicher, was sie in seinen blauen Augen las. Boshaftigkeit? Verletztheit? Oder beides? Der Hieb saß, dennoch empfand Tanne ihn als ungerecht.

»Ich habe dich geliebt, Bror, das weißt du. Diese Farm war unser gemeinsames Abenteuer. Ich wäre durch dick und dünn mit dir gegangen.«

Bror zuckte mit den Schultern. »Ich habe dich auch geliebt, und ich dachte, du wüsstest das. Aber was soll’s. Übrigens ist es gut, dass ich dich treffe. Du hast ja vielleicht schon gehört, dass ich jetzt mit Cockie Birkbeck liiert bin. Und ich wollte dich nur darauf vorbereiten, dass es möglicherweise etwas Ernstes werden könnte.«

»Etwas Ernstes? Heißt das, du willst die Scheidung?« Tanne ärgerte sich über den schrillen Unterton ihrer Stimme, aber Bror schien ihn nicht zu bemerken.

»Ich denke, darauf wird es hinauslaufen. Und warum auch nicht? Getrennter als jetzt können wir kaum mehr sein, oder?«

Plötzlich lächelte er wehmütig, und sein Gesicht nahm den humorvollen und gutmütigen Ausdruck an, den sie früher so sehr an ihm gemocht hatte. Seine Fingerspitzen berührten kurz ihre Wange.

»Was geschehen ist, lässt sich nicht rückgängig machen«, sagte er. »Lass uns nach vorne schauen.«

Tanne nickte fahrig. Sie wusste selbst nicht, warum ihr die Aussicht auf eine formale Scheidung so zuwider war.

»Bis bald, Tanne.« Bror drehte sich um und ging in das Geschäft zurück.

Auch sie setzte sich in Bewegung. In ihren Augen sammelten sich Tränen, die sie mit dem Handrücken wegwischte. Nairobi war ein Dorf, und sie hatte keine Lust, wieder einmal wegen Bror zum Gesprächsstoff zu werden. Um sich abzulenken, steuerte sie einen Laden am Ende der Straße an, in dem auch Bücher verkauft wurden, die – sehr zu Tannes Leidwesen – in Nairobi Mangelware waren. Zu ihrer Erleichterung war der alte Mann hinter dem Tresen mit anderen Kunden beschäftigt. Sie drängte sich vorbei an Regalen mit Paraffin, Dosenfleisch, Gaskochern und Streichhölzern. An der hinteren Wand, gleich neben den ärmellosen Safariwesten und Khakishorts, stand ein Regal mit billig aussehenden Büchern. Tanne zog eines davon heraus. Es war die Ausgabe eines Romans von Victor Hugo, gedruckt auf hauchdünnem Papier. Zerstreut las sie die ersten Zeilen, denn die Begegnung mit Bror wollte ihr nicht aus dem Kopf.

Mit wie vielen Träumen waren sie beide vor bald schon einem Jahrzehnt nach Kenia gekommen. Eine unbekannte Welt voller starker Farben und verwirrender Geräusche, fremder Menschen und Gebräuche. Sie hatten sich gemeinsam in die Arbeit auf der Farm gestürzt – es waren die intensivsten Jahre ihres Lebens gewesen. Wie konnte es sein, dass dieser Traum sich so schnell aufgelöst hatte? Er war in der heißen Sonne Kenias verdunstet wie der Tau, der frühmorgens noch auf ihrer Rasenfläche lag.

»Our sweetest songs are those that tell of saddest thought«, sagte jemand hinter ihr.

Tanne erschrak, doch im nächsten Moment stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht, das sofort von einem anderen Gedanken abgelöst wurde: Wie sehe ich wohl aus? Merkt man, dass ich geweint habe?

Sie bemühte sich, gelassen zu wirken, als sie sich zu der sonoren Männerstimme umdrehte und sagte: »Ich vermute, es gibt nur einen in ganz Nairobi, vielleicht sogar in ganz Kenia, von dem man mit einem Zitat von Percy Bysshe Shelley begrüßt wird. Guten Morgen, Denys.«

Auf dem braun gebrannten Gesicht des Mannes erschien ein breites Grinsen. »Poesie kommt denen zu Hilfe, denen es an eigenen Worten mangelt.«

Tanne lachte auf. Wie sie war Denys Finch Hatton Mitte dreißig, doch während sie einen gutbürgerlichen Hintergrund hatte, kam er aus einer englischen Aristokratenfamilie und hatte in Eton studiert. Er war alles, nur nicht um Worte verlegen. Trotzdem war er kein Schwätzer, im Gegenteil. Seine Intelligenz verlieh seinen Worten einen ganz eigenen trockenen Charme und Witz, für den er in der ganzen Kolonie bekannt war.

»Trotzdem habe ich ins Schwarze getroffen, oder?«, meinte er, ohne auf Tannes Lachen einzugehen. »Du hast gerade an etwas Trauriges gedacht. Geht es dir gut?«

Instinktiv wich Tanne seinen blauen Augen aus, die auf beunruhigende Art immer tiefer in sie hineinzusehen schienen, als ihr lieb war. Hastig stellte sie das Buch ins Regal zurück. Mit Denys über Bror zu sprechen war das Letzte, was sie tun würde, und sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass es ihn besonders interessierte. Sie kannte Denys schon seit ein paar Jahren. Gut genug, um eines zu wissen: In Denys Finch Hattons Leben hatten persönliche Dramen keinen Platz. Weder die anderer noch seine eigenen. Tanne kannte keinen Menschen, der sich selbst so wenig ernst nahm und gleichzeitig so in sich ruhte. Denys lebte im Hier und Jetzt, frei von persönlichen Ambitionen oder der Sorge, was andere von ihm denken mochten. Fast jeden Sommer verbrachte er mehrere Monate in England bei seiner Familie, für den Rest des Jahres war Afrika sein Zuhause. Er war mal hier, mal da, sei es auf Reisen oder um nach dem Rechten zu sehen bei den zahlreichen kleineren und größeren Projekten, in die er geschäftlich involviert war.

»Wie geht es deiner Familie in Dänemark?«, fragte er in ihr Schweigen hinein.

Erneut fiel ein Schatten über Tannes Gesicht. »Meine Schwester Ea ist diesen Sommer gestorben«, sagte sie.

»Das tut mir leid.«

»Aber meiner Mutter und meiner Schwester Elle geht es gut. Und mein Bruder Thomas ist noch immer hier. Ich hoffe, er bleibt noch ein Weilchen … Und was ist mit dir? Ich wusste gar nicht, dass du aus England zurück bist. Wie geht es deiner Familie?«, fragte sie, um von sich abzulenken.

Denys grinste. »Sie gedeiht prächtig bei starkem Tee und mindestens einem Regenschauer pro Tag. Aber mir hat die Wärme gefehlt.« Das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht, und in seinen Augen lag ein Lächeln, das ihr zu gelten schien. »Die Wärme … und meine Freunde.«

Tannes Herz schlug ein bisschen schneller. Seit sie Denys kennengelernt hatte, verging kein Treffen, ohne dass sie dieses ganz besondere Prickeln in ihrem Inneren verspürte.

»Mit diesen ach so geschätzten Freunden meint er natürlich mich.« Hinter einem Regal trat ein Mann hervor, dessen kurze rötliche Haare korrekt gescheitelt waren. Den kleinen Schnurrbart hatte er akkurat gestutzt, und wie immer hielt er sich sehr aufrecht. Er reichte Tanne seine schmale Hand. »Wie schön. Es ist lange her, seit wir uns zum letzten Mal gesehen haben«, sagte er, und bevor sie es sich versah, hatte er ihr schon einen Kuss auf die Hand gedrückt.

Tanne lachte. Denys und Berkeley waren das, was man beste Freunde nannte. In der Kolonie Kenia fielen sie mit ihrer Liebe zur Musik, zur Literatur und zu den feineren Dingen des Lebens völlig aus dem Rahmen. Tanne wusste, dass Berkeley Cole an einer schweren Herzschwäche litt, doch sie fand, dass er gut aussah.

»Berkeley!«, rief sie. »Ich freue mich, dich mal wieder zu sehen.« Es stimmte, auch wenn eine winzige Stimme in ihr sich darüber beschwerte, nicht mehr mit Denys allein zu sein.

»Wir wollten gerade in den Muthaiga Club zum Mittagessen«, erklärte Berkeley. »Aber dann hat Denys dich in diesen Laden gehen sehen und ist hinterhergehechtet.«

Sie warf Denys einen überraschten Blick zu. Er stand mit der Schulter gegen das Regal gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt, und sah sie noch immer unverwandt an. Bei Berkeleys Worten lächelte er. »Man tut, was man kann …«

»Warum kommst du nicht mit?«, hörte sie Berkeley fragen.

»Ich …« Tanne fühlte sich hin- und hergerissen. Wer weiß, wann sich die Gelegenheit wiederholen würde, aber Thomas und sie waren auf der Farm verabredet. »Leider geht es heute nicht. Vielleicht ein anderes Mal?«, sagte sie leichthin.

»Ich wohne wieder in meinem üblichen Bungalow im Muthaiga Club.« Denys stieß sich von der Regalwand ab. »Schau einfach mal vorbei.« Er nickte ihr zu, während er sich schon zu Berkeley umdrehte, doch dann hielt er noch einmal inne. »Aber warte nicht zu lange. Ich habe in ein paar Dukhas investiert, und es wird Zeit, dass ich mal wieder nach dem Rechten sehe. Die Läden sind überall verstreut, und bis ich wiederkomme, kann es zwei Monate dauern.«

Das ist typisch für Denys, dachte Tanne, als sie kurz darauf zu ihrem Wagen lief. Er ist nie lange am selben Ort. Ein paar Monate in England, dann wieder hier. Ein paar Wochen in Nairobi … zwei, drei Monate irgendwo, um nach seinen Geschäften zu sehen oder auf Safari zu gehen, frei wie ein Vogel.

Sie riss die Wagentür auf, die notorisch klemmte, und legte die Tüte mit den Besorgungen auf den Beifahrersitz. Dann steckte sie den Schlüssel ins Zündschloss, doch sie drehte ihn nicht um. Ihr Blick ging durch die schlammverspritzte Windschutzscheibe nach draußen. Wie seltsam. Der Knoten in ihrem Bauch und die Tränenschwere im Kopf, die sie nach dem Treffen mit Bror empfunden hatte, waren einer unerklärlichen Leichtigkeit gewichen – und das Gefühl, versagt zu haben, war spurlos verschwunden.

Vielleicht hat Bror ja recht, dachte sie. Vielleicht ist es wirklich Zeit, nach vorne zu schauen. Frei zu sein für Neues.

Sie drehte den Schlüssel im Zündschloss, und der Motor sprang hustend an.

5

Der kleine Kamante öffnete die Augen und war sofort hellwach. Draußen vor der Lehmhütte waren die erregten Stimmen seiner Eltern zu hören. Er lauschte, konnte aber nichts verstehen. Stattdessen fiel ihm auf, dass es dunkler war als sonst, das Feuer in der Mitte der Hütte war fast heruntergebrannt. Offenbar hatten seine Eltern vor dem Schlafengehen kein neues Holz aufgeschichtet. Er sah zu ihren Schlafplätzen – sie waren leer. Nur zwei seiner Brüder schlummerten tief. Die Stimmen von draußen kamen näher, und die geflochtene Matte vor dem Eingang bewegte sich. Kamante erwartete, dass seine Eltern eintreten würden, doch nichts geschah.

»Du verstehst nicht. Unser Sohn Njuguna hat Kinanjuis Sohn mit einem Messer verletzt. Muthama hat Schnittwunden am Hals und an den Beinen.«

»Aber du hast es doch gehört«, unterbrach die flehende Stimme seiner Mutter seinen Vater. »Muthama hat ihn provoziert.«

»Schweig!«, rief er ungehalten, doch im nächsten Augenblick senkte er erneut die Stimme. »Kinanjui ist unser Stammesoberhaupt, da ist es völlig egal, ob sein Sohn den Streit angefangen hat.«

»Aber du bist doch auch im Ältestenrat. Kinanjui schätzt dich über alles«, erwiderte Kamantes Mutter.

Einen Augenblick folgte Schweigen. Kamante hielt den Atem an. Seine Brüder waren inzwischen aufgewacht. Das Weiß ihrer Augen leuchtete blass in der Dunkelheit, und die sterbende Glut des Feuers warf Reflexe auf ihre Wangen, die die Konturen der Gesichter erahnen ließen.

»Das Einzige, was ein Stammesoberhaupt über alles schätzt, ist seine unangefochtene Autorität«, sagte sein Vater mit ruhiger Stimme. »Das liegt in der Natur der Dinge. Wir machen es so, wie ich gesagt habe. Ich nehme die Ziegen, die Schafe und die Kleinen und gehe zur Ngambaru Shamba. Dort können wir bleiben, bis Gras über die Sache gewachsen ist.«

»Du willst Kamante, Kiguru und Wakaba mitnehmen? Und was ist mit mir und Njuguna?«

»Njuguna bleibt. Er muss sich seiner Verantwortung stellen. Und du passt hier auf.«

»Bitte, tu das nicht …«

Doch sein Vater brach das Gespräch ab, indem er die Matte zur Seite schob und in die Hütte trat. Die drei Jungen standen reglos und mit ernsten Gesichtern neben dem erloschenen Feuer und sahen ihn an.

Mehrere Tage lang war Kamante mit seinem Vater und den beiden Brüdern unterwegs. Eine ihrer Ziegen starb auf dem weiten Weg zu der neuen Siedlung. Doch schließlich hatten sie es geschafft.

»Wir sind da, seht ihr?« Kamantes Vater blieb stehen, kaum dass sie den Wald hinter sich gelassen hatten. Kamante und seine Brüder folgten dem Blick des Vaters. In einiger Entfernung stand ein großes, aus Steinen gebautes Haus.

»Was ist das?«, fragte der kleine Kiguru.

»Es ist ein Haus und gehört einer weißen Frau«, erklärte der Vater lächelnd. »Unsere neue Shamba ist ganz in der Nähe.«

Im nächsten Augenblick geschah etwas, womit Kamante nicht gerechnet hatte: Sein Vater rannte los, gefolgt von seinen Brüdern und den Tieren. Ihre Bewegungen waren schnell und völlig lautlos, Füße und Hufe flogen, ohne den Boden zu berühren.

»Halt, wartet!«, schrie Kamante und setzte sich in Bewegung, aber seine Beine waren zu schwerfällig. Er warf sich vorwärts, kämpfte, keuchte, doch statt seiner Familie und dem Haus näher zu kommen, entfernten sie sich von ihm, angezogen von einem unsichtbaren Sog. Kamante rannte verzweifelt. »Halt!«, schrie er wieder und wieder. »Bleibt stehen!«

Die Konturen seiner Familie begannen zu verschwimmen, das Haus in der Ferne hatte sich in formloses Flimmern aufgelöst. Da zuckte ein Schmerz durch Kamantes Beine. Er schenkte ihm keine Beachtung, rannte weiter, doch die Schmerzen wurden stärker. Bis hoch zu den Schenkeln schienen seine Beine in Flammen zu stehen. Kamante hielt inne und sah an sich hinunter. »Nein!«, schrie er entsetzt. »Bitte nicht!«

»Kamante! Wach auf!« Sein Bruder Kiguru rüttelte an seiner Schulter.

Kamante schlug die Augen auf. Wie immer, wenn er schlecht geträumt hatte, war er anschließend desorientiert. Er sah seinem Bruder ins Gesicht. »Da bist du ja, ich dachte …«

Er unterbrach sich – über Träume sprach man nicht. Seine Augen flogen über die Wände der Hütte, die er seit ihrer erzwungenen Flucht mit seinem Vater und den Brüdern teilte. Auch die Mutter war mittlerweile nachgekommen. Das Feuer brannte, und es roch nach Ugali, einem Brei aus Maismehl.

»Ahh!« Kamante stöhnte, und sein Gesicht verzerrte sich, doch schon im nächsten Augenblick hatte er sich wieder im Griff. Ein Blick auf seine Beine zeigte ihm, dass der Traum viel Wahres enthalten hatte. Große eitrige Wunden, manche frisch, andere hässlich verkrustet, bedeckten beide Beine bis zu den Oberschenkeln. Er hatte die Krankheit seit einigen Monaten, und die Blätter, die seine Mutter abends auf die wunden Stellen legte, halfen kaum. Kamante biss die Zähne zusammen und stand auf.

Eine Stunde später hatte er die Ziegen seiner Familie auf eine weitläufige Grasfläche getrieben. In einiger Entfernung konnte man das graue Haus der weißen Frau erkennen. Andere Kinder aus den umliegenden Shambas trieben ihre Ziegen direkt dorthin. Sie erzählten, wie es im Inneren des Hauses aussah und von den Süßigkeiten, die sie bekamen, aber Kamante hatte keine Lust, sich ihnen anzuschließen. Ihre Spiele langweilten ihn, ihr Geschrei ging ihm auf die Nerven. Er war gern allein, hier draußen auf dem endlosen Meer aus Gras. Drüben, auf der anderen Seite des Flussbetts, war das Massai-Reservat. Er war oft dort gewesen, und auch zu dem Haus der weißen Frau hatte er sich schon mehrfach geschlichen. Meistens in der Nacht, einmal frühmorgens, immer allein. Er wusste, dass sie ein Pferd und zwei große graue Hunde hatte, die ihm Angst machten, aber genau das war ja der Sinn dieser Ausflüge. Er scheute nicht die Mutproben der anderen Kinder, denn er war genauso mutig wie sie. Nein, mutiger. Aber er brauchte dafür keine Gesellschaft.

Kamante spähte in Richtung des Waldes. Täuschte er sich, oder hatte sich ein Schatten daraus gelöst? Er schirmte die Augen gegen die Sonne ab. An ihrer Höhe konnte er lesen, wie lange er schon hier war und wie lange er noch bleiben würde. Der kleine Fleck kam näher. Es war die weiße Frau auf ihrem Pferd. Kamante richtete sich kerzengerade auf, der Griff seiner Faust um den langen Stock wurde fester.

Tanne ließ ihr Pferd in den Schritt fallen, als sie sich dem Jungen mit den Ziegen näherte. Sie hatte ihn schon oft aus der Entfernung auf der Ebene gesehen, aber er gehörte nicht zu den Kindern, die fast jeden Tag zum Haus kamen. Einige Meter vor ihm blieb sie stehen. Der Junge sah starr geradeaus, ohne sie anzusehen.

»Jambo«, versuchte sie es auf Suaheli. »Ich bin Tanne Blixen, und du?«

Die Brauen des Jungen zogen sich zusammen. »Kamante.« Er blickte weiter geradeaus, als wäre Tanne unsichtbar. Sie studierte ihn. Sein magerer Körper wirkte kindlich, doch in seinem verschlossenen Gesicht lag eine unkindliche Reife. Tanne schätzte ihn auf elf oder zwölf. Ihr Blick ging nach unten, und sie erschrak. Die beinahe storchartig dünnen Beine des Jungen waren von eitrigen Wunden übersät.

»Deine Beine«, sagte sie. »Wie lange hast du das schon?«

Kamante biss die Zähne aufeinander und spürte die Hitze in den Wangen. Natürlich hatte sie seine Beine gesehen. Alle sahen immer sofort seine Beine. Aber es war ihm egal. Die Meinung anderer zählte nicht.

Tanne wartete, doch es kam keine Antwort. »Kamante«, sagte sie und versuchte, ihrer Stimme einen beiläufigen Tonfall zu geben. »Ich hätte gerne, dass du morgen früh um neun zu meinem Haus kommst. Kannst du das machen? Ich wohne dort drüben.« Sie zeigte auf ihr Haus. Einen Augenblick lang wandte Kamante den Kopf, und ihre Blicke trafen sich, doch sofort sah er wieder weg.

»Also, dann bis morgen um neun«, wiederholte Tanne. »Hast du mich verstanden?« Sie hatte kaum mit einer Reaktion gerechnet, aber der Junge nickte leicht.

»Kwaheri.« Tanne wendete ihr Pferd und ritt davon.

Kamante sah ihr nach. Zum Haus kommen? Darüber musste er erst noch nachdenken, schließlich war er für die Ziegen verantwortlich. Natürlich konnte er seine Brüder bitten, aber die machten nur Dummheiten mit den Tieren. Sie zu fragen war ausgeschlossen … so gut wie ausgeschlossen.

6

Ngong, Anfang November 1922

Kuckuck, kuckuck.

Die letzten Schläge der kleinen Kuckucksuhr im Wohnzimmer verhallten. Es war neun Uhr, doch Tanne blieb am Esstisch sitzen. Draußen auf der Veranda war das Gemurmel und leise Lachen zweier Kikuyu-Frauen zu hören, die zu Tannes Sprechstunde gekommen waren, aber heute würde sich Farah um sie kümmern. Tanne hatte andere Pläne.

Noch einmal blätterte sie in den Seiten ihres Notizbuches, in dem sie alle Behandlungen auflistete, die sie morgens vornahm. Die vereiterten Beine des kleinen Kamante füllten viele Seiten. Als sie ihn vor einigen Wochen zufällig mit seinen Ziegen entdeckt hatte, mager, verschlossen, abweisend, hatte sie nicht damit gerechnet, ihn am nächsten Morgen auf ihrer Veranda anzutreffen. Doch er war gekommen, pünktlich um neun Uhr.

»Jambo, M’sabu«, hatte er gesagt, danach hatte er den Mund nicht mehr aufgemacht. Auch in den folgenden Wochen nicht, und Tanne war davon ausgegangen, dass der Junge kaum Suaheli sprach – bis er sie eines Morgens mit einem Hauch von Ironie darauf hingewiesen hatte, dass ihr Wasser zu heiß sei.

Tanne überflog noch einmal die Liste mit Medikamenten, die sie für seine Wunden gewählt hatte. Sie schüttelte resigniert den Kopf. Hin und wieder hatte es tatsächlich so ausgesehen, als würden die Geschwüre heilen, nur um dann an anderer Stelle wieder auszubrechen. Sie klappte das Buch zu. Was immer die schwieligen Wunden auf den spindeldürren Beinen des Jungen verursachte, sie hatte eingesehen, dass die Behandlung ihre Fähigkeiten überstieg.

Tanne sah auf die Uhr. Es war Viertel nach neun, und sie wurde unruhig. Am Vortag hatte sie Kamante endlich dazu überreden können, sich von ihr ins Hospital der Schottischen Mission bringen zu lassen, doch natürlich konnte er es sich auch anders überlegt haben. Dann würde sie ihn möglicherweise nie wiedersehen.

»Niko hapa, M’sabu … Ich bin hier.«

Tanne fuhr herum. Kamante war so leise ins Wohnzimmer getreten, dass sie ihn nicht gehört hatte. Er trug eine Art Kittelschürze, um seine knochigen Schultern hing ein kleiner gewebter Beutel.

»Ich bin bereit, du nicht«, fügte er hinzu.

Tanne lachte.

Kurz darauf saß Kamante neben ihr im Wagen. Seiner ausdruckslosen Miene war nicht anzusehen, ob ihm das Autofahren Spaß machte.

Die Schottische Mission lag zwölf Meilen von der Farm entfernt, und Kamante blieb stehen, als er auf dem Platz vor dem Gebäude aus dem Auto stieg. In alle Richtungen erstreckte sich das grüne Land der Kikuyu. Tanne folgte seinem Blick und bemerkte das Lächeln auf seinem Gesicht, als er die Ngong-Berge ausmachte, an deren Fuß er zu Hause war.

»Komm«, sagte sie und streckte automatisch die Hand aus, doch sofort zog sie sie wieder zurück. Kamante war kein Kind, das körperliche Nähe suchte. Der Junge drehte sich um. Die Gebäude der Schottischen Mission sahen wenig einladend aus. Grau und abweisend lagen sie auf der schönen Anhöhe. Kamante blinzelte, und Tanne konnte seine Abneigung fühlen. Alles in ihm sträubte sich, doch schließlich folgte er ihr.

Dr. Arthur, ein noch junger Arzt, erwartete sie bereits. Kopfschüttelnd untersuchte er Kamante, während der Junge stoisch geradeaus blickte.

»Wir werden den jungen Mann ein paar Wochen hierbehalten müssen«, sagte er schließlich auf Englisch. »Versprechen kann ich leider nichts.« Tanne übersetzte. Kamantes Blick verdüsterte sich. Dann schnellte sein Arm zum Fenster und er zeigte auf zwei dunkelhäutige Kinder in europäischen Kleidern, die auf dem Vorplatz Ball spielten. Tanne wusste sofort, was er meinte.

»Müssen Sie ihn wirklich in Hose und Hemd stecken?«, fragte sie den Arzt.

»Es wird ihm nicht schaden«, meinte der nur.

Tanne seufzte. »Das ist wohl Ansichtssache.« Sie stand auf. »Kamante, wir werden uns bald wiedersehen, das verspreche ich dir«, sagte sie, doch der Junge blickte auf seine Füße. Tanne gab dem Arzt die Hand und ging.

»M’sabu!« Sie drehte sich um und sah, wie Kamante sich von dem Arzt losriss, der ihn bei der Hand genommen hatte. In wenigen Schritten war er bei ihr und stieß hervor: »Du vergisst nicht, dass ich hier bin, oder? Du kommst doch wieder?«

Erschrocken sah Tanne, dass er zitterte. Mit der Rechten griff sie nach seiner Hand und legte sich die Linke aufs Herz. »Natürlich nicht«, sagte sie ernst. Die Geste schien Kamante zu beruhigen.

»Dann gehe ich jetzt«, sagte er bedeutungsschwer und drehte sich um.

Tanne sah ihm noch einige Sekunden nach, dann ging sie auf den Ausgang zu.

Als sie etwas später auf die Straße zu ihrer Farm abbog, hörte sie ein entferntes Grummeln. Noch war die Regenzeit nicht vorbei, und hinten am Horizont schien sich erneut etwas zusammenzubrauen. Die wenigen Sonnenstunden des Morgens gingen dem Ende zu. Gut für den Kaffee, aber schlecht für die Straßen, dachte Tanne. Schwungvoll nahm sie die letzte Biegung zu ihrer Auffahrt.

»Nanu?«

Vor ihrem Haus stand ein Hudson Touring.

»Denys?« Tannes Hände flatterten einen Moment auf dem Lenkrad. Gegen ihren Willen schlug ihr Herz schneller. Jetzt beruhige dich, schalt sie sich. Wer weiß, warum der Honourable Mr Finch Hatton uns beehrt.

Tannes Misstrauen war nicht unbegründet. In den letzten Wochen hatte sie öfter an Denys gedacht, als ihr lieb war. Zweimal war sie im Muthaiga Club in Nairobi vorbeigegangen und hatte nach ihm gefragt. Die Antwort war immer die gleiche gewesen: »Mr Finch Hatton ist in Nairobi, aber momentan nicht im Haus.« Beim zweiten Mal hatte Tanne eine Nachricht hinterlassen, aber nie eine Antwort erhalten. Verwundert hatte es sie nicht, denn Denys kommunizierte ungern schriftlich. Trotzdem hatte es sie diesmal gekränkt. Schließlich war er es gewesen, der ein Treffen vor seiner Abreise vorgeschlagen hatte.

Tanne parkte den Wagen neben dem Hudson Touring und ging ins Haus.

»Farah?«, rief sie leise. Die Räume wirkten verlassen, es waren keine Stimmen zu hören. Ihr Bruder Thomas war seit ein paar Tagen mit seinem norwegischen Bekannten Gustav Mohr auf Erkundungstour, aber auch von Farah und Denys war nichts zu sehen. Tanne trat ins Wohnzimmer und blieb stehen. In der Tür zur Veranda stand Farah. Tanne folgte seinem Blick nach draußen. Denys saß auf einem Korbstuhl, den Blick auf ein Schachbrett geheftet, ihm gegenüber Berkeley Cole. Er war also nicht alleine gekommen. Obwohl Tanne Berkeley sehr mochte, verspürte sie einen kleinen Stich. Sie trat näher.

»Willkommen! Ich sehe, ihr habt es euch schon gemütlich gemacht.« Erst jetzt erblickte sie den kleinen Abdullahi, der erschrocken auffuhr, als hätte sie ihn bei etwas Verbotenem erwischt. Er hatte hinter Denys gestanden und ganz offenbar das Spiel beobachtet. Denys und Berkeley standen auf.

»Ich war in Nairobi und wollte mich von Denys verabschieden, bevor er übermorgen aufbricht«, sagte der rotblonde Berkeley fröhlich. »Aber er meinte, er wäre auf dem Weg zu dir, da habe ich mich schamlos drangehängt … Keine Sorge, als Gentleman weiß ich mich beliebt zu machen. Ich habe eine exzellente Flasche Weißwein und einen Fisch mitgebracht. Zum Fisch rät mir sogar mein Arzt, zum Weißwein weniger, aber was soll’s.« Er tippte sich leicht auf sein schwaches Herz.

»Ich gebe zu bedenken, dass Fisch und Wein eigentlich für mich bestimmt waren. Jetzt muss ich sie teilen!«, rief Denys in gespielter Empörung, doch er machte keine Anstalten, näher zu kommen. Einen Augenblick hielt sie seinen lächelnden Blick, dann sah sie wieder zu Berkeley.

»Ist der Wein schon kalt gestellt?«

»Natürlich. Wir wollten sogar schon passende Gläser aussuchen, aber du hast so viele wunderbare Kristallkelche, dass wir uns nicht entscheiden konnten. Deshalb haben wir sie …« Er zeigte auf ihren Wohnzimmertisch.

»Berkeley, um Himmels willen!«

Erst jetzt sah Tanne die Pyramide, errichtet aus ihrem feinsten Kristall, das sie selbst aus Dänemark mitgebracht hatte.

»Alles sehr solide gebaut.« Berkeley grinste.

»Ihr seid ja verrückt. Wenn auch nur eines davon kaputtgeht …«

Berkeley hatte nicht zu viel versprochen. Der Fisch war hervorragend gewesen, und natürlich war es nicht bei einer Flasche geblieben. Mittlerweile war die Sonne untergegangen. Wein und Gläser funkelten im Kerzenschein. Tannes Hunde schliefen lang ausgestreckt auf den dicken Teppichen. Berkeley lehnte sich auf dem Stuhl zurück.

»Denys hat recht«, meinte er. »Es gibt in ganz Kenia kein Haus wie deines. So stilvoll und gemütlich. Ein wahres Paradies.«

Tanne fühlte die Röte in die Wangen steigen. »Soso«, sagte sie leichthin. »Was erzählt Denys denn noch, wenn ich nicht dabei bin?«

»Nichts weiter«, mischte sich Denys ein. »Ich habe mich nur gefragt, wann ich das letzte Mal hier war. Es ist schon eine Weile her … damals hat Bror noch hier gewohnt.« Einen Augenblick sah er sie prüfend an, als wolle er ihre Reaktion testen, dann sprach er weiter: »Ich habe Berkeley auch erzählt, dass du eine großartige Geschichtenerzählerin bist, eine wahre Scheherazade aus Tausendundeiner Nacht.« Er sah sie erwartungsvoll an.

Tanne lächelte. »Es ist schon spät, und meine Geschichten sind selten kurz …«

»Nicht spät genug …« Denys sah sie an. »Bitte. Ich werde sie mit auf meine Reise nehmen, und wer weiß, vielleicht komme ich ja mit einer Fortsetzung zurück.«

Sekundenlang sahen sie sich wortlos an. Berkeley blickte von einem zur anderen. Offenbar spürte er, dass er nicht Teil dieses stillen Austauschs war.

»Also gut«, sagte Tanne leise. »Diese Geschichte ist mir eingefallen, als ich neulich mit Thomas am Fuß der Ngong-Berge entlangfuhr. Sie erinnerten mich plötzlich an die Hügel der Toskana … Dort schrieb vor langer Zeit ein junger, etwas melancholischer Adliger namens Augustus von Schimmelmann einen Brief …«

Als Tanne endete, waren die Kerzen fast heruntergebrannt. Denys’ Blick ruhte auf ihr. Er saß zurückgelehnt da, vor sich in den Händen ein fast leeres Glas, seine Finger glitten über die feinen Kerben des Kelchs. Berkeley applaudierte leise und deutete eine Verbeugung an.

»Und? Hatte ich dir zu viel versprochen?«, fragte Denys.

Berkeley schüttelte den Kopf. »Es war ein wahrhaft exquisites Vergnügen«, sagte er anerkennend. »Du solltest diese Geschichten aufschreiben.«

Tanne lachte. »Ach herrje, wer hat dazu Zeit?« Sie stand auf.

Auch Denys und Berkeley erhoben sich. Es war weit nach Mitternacht, und Tanne zeigte ihnen das Zimmer, in dem sie übernachten sollten.

Nur wenige Stunden später erwachte Tanne von einem leisen Geräusch. Waren es ihre Hunde, die draußen auf der Veranda herumtappten? Pechschwarze Stille füllte ihr Schlafzimmer, es musste noch sehr früh sein.

Wieder hörte sie ein Geräusch. Es kam von der Veranda. Tanne warf die Decke zurück, schlüpfte in ihren seidenen Morgenmantel und schlich auf nackten Füßen nach draußen.

Noch bevor sie nach ihren Hunden rufen konnte, sah sie den Schein einer Sturmlampe auf dem Verandatisch.

»Denys, was machst du hier um diese Zeit?«, entfuhr es ihr.

»Sieht man das nicht?«

Tanne blickte auf die Teekanne und zwei Tassen. »Es war gar nicht so einfach, im Dunkeln Wasser zu kochen.« Er schenkte ihr ein. »Trink eine Tasse. Ich dachte, wir könnten in die Ngong-Berge fahren und die Buffalos bei Sonnenaufgang beobachten. Rechtzeitig zu Berkeleys Frühstück sind wir wieder hier … Er ist ein Langschläfer. Hast du Lust?« Einen Augenblick sah Tanne ihn perplex an, dann lachte sie.

Wenig später rumpelte Denys’ offener Hudson Touring über die enge Lateritstraße, die sich an den Ausläufern der Ngong-Berge entlangwand. Die beiden Scheinwerfer tasteten sich ins schwarze Nichts wie zwei Arme, streiften Buschwerk und Felsen. Ab und zu spritzten Steine auf und schlugen gegen die Unterseite des Wagens. Bisher hatten Tanne und Denys kaum gesprochen.

»Was hättest du eigentlich gemacht, wenn ich nicht aufgewacht wäre?«, fragte sie plötzlich. Nur aus den Augenwinkeln sah sie, wie er mit den Achseln zuckte.

»Das wäre schade gewesen, dann wäre uns dieses Abenteuer entgangen.«

»Du hättest mich nicht geweckt?«, rief Tanne überrascht.

Er zögerte kurz. »Nein, manche Dinge überlässt man besser dem Zufall.« Mehrere Sekunden herrschte Schweigen, dann fügte er grinsend hinzu: »Aber ich habe durchaus etwas lauter als nötig mit dem Teezeug hantiert.«

Tanne lachte auf – schon zum zweiten Mal an diesem frühen Morgen.

Kurze Zeit später stellten sie den Wagen ab und liefen zu Fuß weiter.

»Hier«, flüsterte Denys und tippte sich zweimal an die Nase. Tanne reckte das Gesicht in die Höhe, doch sie roch nichts. Denys war für seine überscharfen Sinne bekannt. Kein Geräusch und kein Geruch, die er nicht wahrnahm. Er machte ihr ein Zeichen, und sie gingen weiter. Schließlich bedeutete er ihr, sich hinter einem Felsvorsprung auf die Lauer zu legen. An den Hufspuren war zu erkennen, dass der Trampelpfad, der aus einem dichten Buschwerk herausführte, regelmäßig von Buffalos benutzt wurde. Tanne verlor das Gefühl für die Zeit. Spitze Steine drückten sich durch den Stoff ihrer Khakihose in die Schenkel. Ihre Ellbogen taten weh, und auch der Rücken schmerzte. Trotzdem wäre sie nirgendwo lieber gewesen als hier.

Langsam wurde der Horizont im Osten indigoblau, dann grau. Die Luft war kühl und feucht, Dunstschleier lagen über dem schwarzgrünen Gebüsch.

»Wir sind nicht mehr allein«, flüsterte Denys. Diesmal hatte Tanne es auch gespürt. Eine Vibration in der Luft, oder war es im Boden gewesen? Jetzt raschelte das Buschwerk, leise erst, dann lauter. Äste brachen, und im weißen Dunst wurde ein grauer Schatten sichtbar, aus dem sich ein schwarzer Körper formte. Dem ersten folgte ein zweiter. Mit schaukelndem Gang, mächtig und autark, folgte die Herde von gut zwanzig Tieren an diesem frühen kalten Morgen einem Plan, den niemand außer ihr kannte.

Eine Weile blieben sie noch liegen, nachdem das letzte Tier außer Sichtweite verschwunden war. Da fiel der erste Tropfen platschend in die Stille, die die Tiere zurückgelassen hatten.

»Die Luft roch schon heute Morgen nach Regen«, sagte Denys. »Aber ich hatte auf ein paar trockene Stunden gehofft.«

Tanne rappelte sich hoch und streckte die schmerzenden Glieder. Denys war bereits auf dem Weg zum Auto. »Komm!«, rief er hinter sich.

Im nächsten Moment verdichteten sich die Tropfen zu einer nassen Wand. Schon nach wenigen Metern waren Tannes Jacke und Hose durchweicht, das Wasser stand ihr in den Schuhen. Sie lachte auf, als sie die Autotür öffnete und ein Wasserschwall aus dem Inneren des offenen Wagens auf ihre Füße schwappte. Denys startete den Motor. Hilflos schoben die dünnen Scheibenwischer die Wassermassen von der einen auf die andere Seite, der Weg glich einem Sturzbach, der zusammen mit ihnen den Hügel hinabströmte. Die durchweichten Sitzpolster quietschten bei jedem Ruck, das Wasser wurde zwischen Tannes Schenkel gedrückt. Plötzlich ergriff sie eine unerwartete Heiterkeit.

»Fahr zu«, rief sie gegen den dröhnenden Regen, »bevor wir hier volllaufen!«

Eine Dreiviertelstunde später stürzten sie im Laufschritt auf Tannes Veranda. Triefend und außer Atem kamen sie unter dem Vordach zum Stehen. Tanne nahm ihren breitkrempigen Hut ab. Ein ganzer Sturzbach lief von der Krempe auf Denys’ Schuhe.

»Hey!«, rief er in gespielter Empörung. »Ich bekomme nasse Füße.« Er bückte sich, zog den einen Mokassin ab und wrang ihn aus. Einen Augenblick sahen sie sich an, dann lachten sie los.

Denys war der Erste, der wieder ernst wurde. Tanne wurde still, als seine Finger ihr eine nasse Strähne aus dem Gesicht schoben. Schweigend sahen sie sich in die Augen.

»Wenn unser Glück hält, müsste jetzt gleich wieder jemand um die Ecke kommen und uns unterbrechen«, sagte er leise.

Sie nickte. »Berkeley schlägt wahrscheinlich gerade die Bettdecke zurück.«

»Gut, dann haben wir ja noch ein paar Sekunden Zeit.« Ohne den Blick von ihr zu lösen, fassten seine Hände ihre Taille und zogen sie an sich. Tanne kam ihm entgegen. Zart berührten ihre Lippen seinen Mundwinkel. Denys erwiderte ihre Liebkosung. Dann küsste er sie leidenschaftlich.

7

Hargeisa, 1955

Abdullahi Aden hatte das blaue Buch wieder in die Schublade zurückgelegt, sein Büro abgeschlossen und war auf dem Weg nach Hause. In der Hand hielt er eine Mappe mit Unterlagen, die er zu Hause bearbeiten wollte, obwohl er in den nächsten Tagen freihatte. Die Sonne kletterte dem Zenit entgegen, und die Hitze nahm stetig zu. Bald würden sich die Straßen in Hargeisa, dem Verwaltungssitz von Britisch-Somaliland, leeren. Je näher Abdullahi dem alten Basar kam, desto lauter wurde das Stimmengewirr.

Plötzlich ertönte ein Schrei: »Engländer! Engländer!«, gefolgt von einem anderen: »Ich bin kein Engländer, ich bin Däne!«

Abdullahi war stehen geblieben. Er hielt Ausschau und entdeckte schließlich den blonden Mann, der in diesem Moment von einem Stein an der Schulter getroffen wurde. Mit einem Aufschrei griff er sich an die schmerzende Stelle. Aus verschiedenen Richtungen kamen junge Männer auf ihn zu, einer von ihnen trug einen Stock.

So schnell er konnte, lief Abdullahi los.

»Aufhören, ich bin Richter! Weg da!«, rief er mit donnernder Stimme und schwang seine Mappe. Abrupt blieben die Männer stehen und beäugten ihn. Seine Kleidung, das weiße Hemd und die helle, westlich geschnittene Hose machten sie misstrauisch, trotzdem erkannten sie ihn als einen Landsmann – einen mit Autorität. Ohne sie weiter zu beachten, packte Abdullahi den überraschten Europäer am Arm und zog ihn mit sich.

»Ich will Ihnen helfen. Kommen Sie!«, erklärte er, als der Mann Widerstand leisten wollte, und zog ihn eilig mit sich. Erst als sie in eine schattige Gasse einbogen, ließ er ihn los, holte einen Schlüsselbund aus der Hosentasche und schloss eine grün gestrichene Haustür auf. Das kleine vergitterte Fenster daneben stand offen, von der weißen Mauer bröckelte der Putz.

Abdullahi drehte sich zu dem Fremden um, dem der Schock und die Verunsicherung ins Gesicht geschrieben standen.

»Riechen Sie das?«, fragte Abdullahi freundlich. »Meine Frau hat heute Morgen schon frisches Fladenbrot gebacken, und in ein paar Stunden gibt es Mittagessen … Kommen Sie?« Er hielt die Tür auf. Zögernd trat der Europäer ein.

Abdullahi führte ihn in einen kleinen Innenhof und bat ihn, auf einer gekachelten Bank im Schatten eines Feigenbaums Platz zu nehmen. Er brühte Tee auf, füllte getrocknete Früchte in eine Schale und stellte alles vor dem Fremden auf den Tisch.

»Meine Frau ist wohl noch bei ihrer Mutter«, meinte er. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er sich noch gar nicht vorgestellt hatte. »Ich bin Abdullahi Aden und muss mich für meine Landsleute entschuldigen. Sind Sie tatsächlich Däne?«

Der Mann nickte. »Ja. Ich heiße John Buchholzer und arbeite als Journalist und Fotograf. Ich reise häufig im Auftrag dänischer Zeitungen oder um Material für meine Bücher zu sammeln.«

Auf Abdullahis Gesicht erschien ein Strahlen. »Kennen Sie die Baronin Blixen? Sie müssen sie kennen. Sie ist Dänin und eine berühmte Schriftstellerin. Dass ich heute hier in der Stadt ein angesehener Richter bin, verdanke ich ihr.«

John sah überrascht aus, dann lachte er. »Natürlich kenne ich Frau Blixen, welcher Däne kennt sie nicht? Allerdings bin ich ihr noch nie persönlich begegnet. Kennen Sie sie etwa näher?«

Abdullahi lächelte zufrieden. »Ich habe jahrelang auf ihrer Farm in Kenia gelebt«, erklärte er. »Mein Bruder Farah hat sie 1913 bei ihrer Ankunft in Afrika vom Schiff abgeholt und sie nach Mombasa begleitet – eine weiße Frau aus Dänemark, ganz allein mit ihrem Hund … Dusk, hieß er. Farah war auch dabei, als sie gleich nach ihrer Ankunft den Baron Blixen heiratete. Sie wollten sich eine Kaffeefarm aufbauen, und mein Bruder war ihre rechte Hand, ihr Majordomus, könnte man so sagen.«

John schien es die Sprache verschlagen zu haben. »Ein unglaublicher Zufall«, sagte er schließlich.

»Allerdings«, gab Abdullahi ihm recht. »Nennt sie sich noch immer Blixen?«

»Ihre Bücher veröffentlicht sie unter dem Namen Isak Dinesen.«

Ende der Leseprobe