Die Macherinnen - Miriam Wohlfarth - E-Book

Die Macherinnen E-Book

Miriam Wohlfarth

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Beschreibung

Miriam Wohlfarth hat geschafft, was in der Fintech-Branche nur ganz Wenigen gelingt: Sie ist eine der ersten Fintech-Gründerinnen in Deutschland, und eine sehr erfolgreiche noch dazu. Gemeinsam mit Ratepay CEO Nina Pütz hat sie ein sehr persönliches Buch geschrieben, wie Unternehmensführung und -gründung heute funktioniert, welche Unternehmer-Skills dafür benötigt werden und was das für das Recruiting und den Teamaufbau bedeutet. Dabei gewähren beide Einblicke in ihre eigenen Erfahrungen – mit all ihren Höhen und Tiefen – und ergänzen ihre Learnings durch zahlreiche Anekdoten.

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Über das Buch

Miriam Wohlfarth hat geschafft, was in der Fintech-Branche nur ganz Wenigen gelingt: Sie ist eine der ersten Fintech-Gründerinnen in Deutschland, und eine sehr erfolgreiche noch dazu. Gemeinsam mit Ratepay CEO Nina Pütz hat sie ein sehr persönliches Buch geschrieben, wie Unternehmensführung und -gründung heute funktioniert, welche Unternehmer-Skills dafür benötigt werden und was das für das Recruiting und den Teamaufbau bedeutet.Dabei gewähren beide Einblicke in ihre eigenen Erfahrungen – mit all ihren Höhen und Tiefen – und ergänzen ihre Learnings durch zahlreiche Anekdoten.

Inhalt

Prolog

(K)Eine Anleitung zum Unternehmertum – und was unsere Kindheit, Vorbilder und das Leben damit zu tun haben

# bildung

Miriams Geschichte

Unsere Bildungs-Experten Alexander Giesecke und Nicolai Schork

# vorbilder

Ninas Geschichte

Unsere Vorbild-Expertin Antje Neubauer

Unsere Vorbild-Expertin Deepa Gautam-Nigge

#  gründerzeit

Miriams Geschichte

Unsere Gründerzeit-Expertin Anna Yona

Unsere Gründerzeit-Expertin Gloria Seibert

# finanzierung

Miriams Geschichte

Unsere Investment-Experten Marek Bärlein, Gesa Miczaika und Christian Miele

# kommunikation

Miriams Geschichte

Unsere PR-Expertinnen: Barbara Klingelhöfer und Caroline Wahl

# recruiting

Ninas Geschichte

Unser Recruiting-Experte Robin Sudermann

Unser Recruiting-Experte Martin Seiler

# diversity

Miriams Geschichte

Unsere Diversity-Expertin Victoria Wagner

# leadership

Ninas Geschichte

Unser Leadership-Experte Fabian Kienbaum

Unser Leadership-Experte Waldemar Zeiler

# change

Ninas Geschichte

Unser Change-Experte Jonathan Sierck

Unsere Change-Expertin Colette Rückert-Hennen

# krise

Ninas Geschichte

Unser Krisen-Experte Jo Groebel

# innovationen

Miriams Geschichte

Unser Innovationen-Experte Christoph Bornschein

Unsere Innovations-Expertin Ute Weiland

# abindiezukunft

So geht Unternehmen – heute und morgen

Die Autorinnen

Miriam Wohlfarth | Nina Pütz

DIE MACHERINNEN

So geht Unternehmen!

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Prolog

(K)Eine Anleitung zum Unternehmertum – und was unsere Kindheit, Vorbilder und das Leben damit zu tun haben

Uns beiden Autorinnen gemeinsam ist: Wir haben Karriere gemacht. Die eine sehr zielstrebig zunächst im Konzern, die andere sehr leidenschaftlich als Gründerin. Aber wenn Sie uns jetzt fragen, wie es dazu gekommen ist, können wir heute und im Rückblick dazu sagen: Das eine hat das andere ergeben, und vieles lief völlig ungeplant. Und doch haben wir wohl einiges richtig gemacht, haben die richtigen Vorbilder gehabt und richtige Entscheidungen getroffen – auch einige falsche, wie dieses Buch zeigen wird. Eigentlich lag die Idee zu einem gemeinsamen Aufschlag also auf der Hand – konkret wurde sie für uns in unserer Übergabephase, als Miriam Ratepay verließ und Nina an Bord kam. In dieser Zeit stellten wir in unseren zahlreichen Gesprächen fest: Wir haben eine ganze Menge gemeinsam.

Wie sich alles genau entwickelt hat und was all unsere Schritte und Erfahrungen, gute wie schlechte, mit dem Unternehmen, mit unserem Unternehmen der Zukunft zu tun haben, haben wir mit diesem Buch für Sie aufgeschrieben. Herausgekommen ist kein üblicher Praxisleitfaden, sondern eine wohldosierte Mischung aus persönlichen Geschichten, Daten, Fakten und spannenden Expertenstatements. Experten, die zu unserem Netzwerk gehören, die uns auf unserem Weg begleiteten, in ihrem Umfeld Besonderes geleistet haben und die Spaß daran hatten, unsere Ansätze zu ergänzen. Mit Macherinnen sprechen wir gezielt Menschen an, die auf dem Weg sind, die Zukunft im eigenen Unternehmen zu gestalten, Inspiration und Impulse suchen und von Experten lernen wollen.

Herausgekommen ist dieses Buch, das sich in drei große Abschnitte gliedern lässt: ein Starterpaket, das sich mit unseren Anfängen beschäftigt. Einen zweiten Teil, in dem es um Teams und die Vorbilder geht, die uns begleitet haben. Und einen dritten Part, der sich mit den Umbrüchen auseinandersetzt, die wir erlebt haben. Wir nehmen Sie mit in unsere Kindheit und in unsere Träume. Wir zeigen Ihnen, dass Schule damals wie heute bei Weitem nicht ausreicht, dass man vielmehr in die Welt hinausmuss, um neue Horizonte entdecken zu können. Wir lassen Sie an unseren ersten, sehr unterschiedlichen beruflichen Erfahrungen teilhaben, schauen mit Ihnen in die Konzernwelt von Nina und in das erste Start-up von Miriam. Erzählen die eine oder andere spannende, aber auch mitunter sehr persönliche Geschichte über die Themen, die unsere beruflichen Wege geprägt haben.

Klar, dass hier auch die klassischen Unternehmensthemen wie Leadership, das Krisenmanagement oder das knifflige Recruiting im War for Talents nicht fehlen dürfen. Wir möchten beschreiben, was uns geprägt hat, wie das unsere Zukunft beeinflusst hat und warum all das letztendlich zu Karriere und zum eigenen Unternehmen geführt hat. Dabei spielen der Zufall, das elterliche Setting und die entsprechenden Vorbilder eine wesentliche Rolle. Wir möchten aber auch zeigen, welche Zutaten es heute braucht, um Unternehmen erfolgreich und innovativ zu machen. Aber: Macherinnen ist nicht nur ein Buch über Unternehmen, sondern die Geschichte zweier erfolgreicher Frauen aus dem Digitalsektor. Damit wollen wir Rolemodels schaffen, die weibliche Führungskräfte von morgen stärken und Frauen in Führung selbstverständlich machen.

Unsere Anfänge

Als wir uns 2004, also vor fast 18 Jahren, per Zufall kennenlernten, war da sofort eine gegenseitige Sympathie füreinander. Nina arbeitete mit Miriams Mann Volker zusammen bei eBay. Über die Jahre trafen wir uns auf unterschiedlichsten Veranstaltungen, später dann auch regelmäßiger in diversen beruflichen Netzwerken. Wir fanden uns auf Anhieb sympathisch und hatten schnell ein vertrautes Verhältnis zueinander.

Wir erkannten wohl in der jeweils anderen viel von uns selbst. Neben den beruflichen Gemeinsamkeiten war da auch vieles, was wir privat ähnlich meistern. So sind wir beide mit Partnern gesegnet, die – beruflich ebenfalls erfolgreich – das familiäre Leben und die damit verbundenen täglichen Herausforderungen tatsächlich mit uns teilen. Equal Parenting nennt man das heute – ein Begriff, der so viel mehr umfasst, als die bloße Übersetzung vermuten lässt: It’s not only about sharing child care, sondern viel mehr als das. Es sind echte Partnerschaften auf Augenhöhe – in denen einmal der eine, dann die andere beruflich eingespannter ist. Je nach Auslastung bedeutet das dann eben mehr Familie oder eben mehr Business. Sehr ausgewogen und für uns beide ein großes Glück.

Mit der Zeit lernten wir uns immer besser kennen. Als Miriam bei Ratepay eine monatliche Veranstaltungsreihe (»ask me anything«) aufsetzte, war Nina Gast in dieser Runde. Und begeistert von der Ratepay-Atmosphäre. Von diesem Netzwerk starker Frauen, das sich hier bot. Als sie schließlich brands4friends verließ, war Miriam eine der ersten, die davon wusste. Und schnell erkannte: Das ist Fügung des Schicksals. Denn bei Ratepay sollte ein Führungswechsel stattfinden – ein neuer CEO an die Spitze. Trotz Branchenferne war Nina für Miriam erste Wahl. Und ist heute Ratepay-Chefin.

Unsere Vorbilder

Wir haben beide nach dem Abitur nicht am Reißbrett gesessen und unsere beruflichen Wege vermessen. Eher im Gegenteil: Wir starteten beide relativ gechillt in das, was man Zukunft nennt. Nina hat nach dem Abitur erst einmal in Spanien die Landessprache gelernt, und Miriam hat das Gleiche nach dem Abbruch ihres Studiums getan. Beide haben wir aus dieser Zeit Essenzielles mitgenommen, beide haben wir von diesem Blick über den Zaun profitiert. Intuitiv wussten wir: Diese Zeit brauchen wir, um uns zurechtzufinden, um einen Weg zu finden, der anders war als das, was wir kannten oder was vorgezeichnet schien. Dass so etwas funktionierte, zeigten uns die ersten Vorbilder, die wir als solche wahrnahmen. Bei Miriam war es die Patentante, die einen Gegenentwurf lebte, der so anders war als das dörfliche Leben, in dem sie groß geworden war. Das Bild – so vage es auch war – hat geprägt und Miriam zumindest eine erste grobe Richtung gewiesen. Bei Nina war es der Vater des Freundes, der einen Hinweis gab, wohin es gehen sollte: »Tue das, was dich glücklich macht!« Ein Ratschlag, den wir beide übrigens bis heute beherzigen.

Klar, auch unsere Eltern – hochgeschätzt und sehr geliebt – haben uns geprägt. Schlicht dadurch, dass sie uns durch das elterliche Urvertrauen zu den Menschen gemacht haben, die wir letztlich geworden sind. Aber: Welcher junge Mensch folgt mit noch nicht einmal 20 Jahren dem elterlichen Lebensentwurf oder elterlichen Empfehlungen? Wir kennen sie doch alle, diese ungelenke Unsicherheitsphase, wenn es aus der behüteten Schul- und Familienwelt hinaus in die echte geht, wenn wir an der Schwelle des eigenen Lebens stehen – mit sicher noch elterlichem Netz, aber ohne doppelten Boden, der alles abfedert. Wir beide wussten nur: Wir werden unseren Weg gehen.

Vom Gründen und Karrieremachen

Nina hat dann zügig und zielstrebig erste Karriereweichen gestellt, Miriam hat sich mehr treiben und inspirieren lassen, um daraufhin durchzustarten. Den konkreten Entwurf für unser Leben hatten wir beide nicht parat. Und doch: Es hat sich wunderbar gefügt, unser Leben. Wir möchten mit unseren so alltäglichen Erfahrungen und unseren Geschichten dazu beitragen, dass junge Menschen mutig und leidenschaftlich ihrer Wege gehen, ohne Angst vor Rückschlägen ihre Ideen nach vorne treiben, Entscheidungen treffen, auch wenn sie sich im Nachhinein als falsch erweisen. Wir wollen zeigen, dass Karrieren auch unter widrigen Umständen möglich sind. Und wir wollen zeigen, wie unsere Wege für ein Unternehmertum, für Unternehmen der Zukunft entscheidend sind.

Lust auf mehr? Dann legen Sie los! Wir freuen uns auf Ihr Feedback.

# bildung

Miriams Geschichte

Bildungs(um)wege: von amerikanischen und spanischen Träumen

Schule sollte uns auf die Welt vorbereiten. Tut sie aber selten.

Eigentlich war ich meiner Zeit immer ein bisschen voraus. Und damit meine ich nicht meine Gründungsgeschichte, die 2009 ihren Anfang nahm. Meine Mutter war noch sehr jung, und das Geld war knapp, als ich auf die Welt kam. Da sie arbeiten musste, »parkte« sie mich – nicht zu meinem Schaden, wie ich schon damals feststellen konnte – bei meiner Großmutter. Und so wuchs ich auf dem Land auf, in einer erzkonservativen Gegend. Keine besonders guten Voraussetzungen für einen inspirierenden Start ins Leben, sollte man meinen. Aber: Das Setting hatte seine Vorteile, und wer ebenfalls auf dem Land aufgewachsen ist, weiß genau, was ich meine. Man ließ uns laufen, Dinge ausprobieren, im Dreck spielen – mit Regeln hielt man sich sehr zurück und Angst, dass wir verloren gingen, hatte niemand. Es war ja immer jemand da, der ein Auge auf uns hatte. Ich konnte viel und früh für mich entscheiden. Auch dass ich, wenn ich keine Lust auf den Kindergarten hatte, einfach zu einer Verwandten verschwinden konnte – übrigens ohne dass es auffiel oder irgendwelche Konsequenzen nach sich gezogen hätte. Mich hat das entscheidend geprägt, diese frühe Eigenständigkeit, diese Freiheit. Bis heute übrigens, wie meine Geschichte zeigt.

Nina sagt: Was hat man der von Astrid Lindgren erdachten Pippi Langstrumpf in den Mund gelegt: »Sei frech, wild und wunderbar!« Ein Weltklasse-Zitat, wie ich finde. Auch, wenn es wohl nicht von Pippi selber stammt. Aber: Es umschreibt für mich genau die Eigenschaften, die wir unseren Kindern mit auf den Weg geben sollten. Sei frech – und äußere deine Meinung, auch wenn sie anderen nicht gefällt. Sei wild – und probiere Dinge aus, auch wenn du nicht sicher sein kannst, dass sie gutgehen. Sei wunderbar – und zeige der Welt, dass du dir gefällst. Herauskommt unterm Strich die Stärke, die es braucht, um erfolgreich seiner Wege gehen zu können.

Geordnete Verhältnisse

Meine Kindergarten-Schwänzerei hatte abrupt ein Ende, als meine Eltern mit mir nach Süddeutschland gezogen sind. Als dann mein Bruder das Licht der Welt erblickte, änderte sich wieder einiges. Er, Schreikind und acht Jahre jünger als ich, hatte mich – eine große Schwester, die sich kümmerte. Nicht nur um ihn übrigens. Da meine Mutter mit dem brüllenden Baby Land unter hatte, lag es an mir, kleine und größere Erledigungen zu übernehmen. Ich ging einkaufen und umtauschen. Mit neun schlug ich mich mit einer Freundin durch den Schlussverkauf und landete prompt in der Tageszeitung – von hinten zwar, aber mit der schönen Headline »Auch die Kleinsten nutzen die Angebote«. Kurz: Ich war ein pflegeleichtes Kind, das man (Gott sei Dank, sage ich in der Rückschau) auch weiter alleine laufen lassen konnte.

Mit der Selbstständigkeit war es allerdings erst einmal vorbei, als meine Eltern mitten in meiner Pubertät beschlossen, in die USA zu gehen – und ich musste natürlich mit. Für mich als 14-Jährige kein leichter Brocken, musste ich doch meinen Freundeskreis hinter mir lassen, ebenso wie die ersten zarten Liebesgeschichten.

Lernen ist etwas Wunderbares

Für zwei Jahre ging es an die Ostküste der USA; zwei Jahre, die mich nicht nur massiv geprägt, sondern mich auch bis heute zu einem großen Fan des amerikanischen Schulsystems gemacht haben. Klar, der Anfang war schwer: Ich konnte kaum Englisch, kannte niemanden und musste mich durchbeißen. In dem Alter allerdings, auch das eine Erfahrung dieser Zeit, ging das sehr schnell. Anders als im deutschen Schulsystem, das immer auf alle, zumindest auf alle »großen« Fächer setzt, baut man in den USA die Stärken des Einzelnen aus. Ist man auf A-Level in einem Fach, etwa im Sport, wird man ausdrücklich und nachhaltig gefördert. Bei mir zum Beispiel war das Geschichte – bis heute faszinieren mich historische Ereignisse und ihre Wirkungen auf unser Leben und unsere Gesellschaft. In den USA konnte ich Geschichte in den unterschiedlichsten Ausprägungen jeden Tag vertiefen. Das Schöne und für mich Besondere: Hier wurde nicht nur Stoff vermittelt, sondern Verständnis für die Inhalte. In Debattierclubs lernten wir, uns auseinanderzusetzen, historische Themen wurden auf die Bühne gebracht oder in eigene Geschichten verpackt – den klassischen Frontalunterricht, den ich aus Deutschland kannte, aber keine Sekunde vermisste, gab es einfach nicht. Er hätte auch nicht zu mir gepasst und mir das Lernen ganz sicher verleidet.

Exkurs

Denkanstoß

Bildungstechnisch hat es im 19. Jahrhundert eigentlich ganz gut angefangen: Unser Land erlebte einen bildungspolitischen Boom; die Kirchen, die bis dato das Lehren und damit Lernen in der Hand hielten, verloren an Einfluss, der Staat übernahm. Und machte das anfangs auch recht ordentlich: Es entstand ein einheitliches Schulsystem mit klaren Schulformen, festgelegten Lehrplänen, einer umfassenden Ausbildung von Lehrkräften und vor allem klaren Regelungen für den Schulbesuch. Auch die Schulpflicht wurde eingeführt. Parallel entwickelte sich eine Gesellschaft, in der Politik, Parteien, Verbände und Interessengruppen mit klarer eigener Agenda auftraten und sich vehement einmischten. Und so zeichneten sich bereits im vergangenen Jahrhundert Konflikte ab, die uns heute noch beschäftigen. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat sie zusammengefasst: Es mangelt, so stellen die Forscher fest, an der Durchlässigkeit, also der Möglichkeit, einen Schultyp problemlos zu wechseln oder ohne Hochschulabschluss zu studieren. Immer wieder und gern vor dem Hintergrund der Chancengleichheit diskutiert: die Einheits- oder Gesamtschule. Auch den Akademisierungswahn haben wir aus dem letzten Jahrhundert geerbt und wir schlagen uns noch heute damit rum, dass nur das Abitur für echte Bildung steht.

Zurück nach Deutschland

Den Kulturschock erlitt ich nach zwei Jahren mit der Rückkehr nach Deutschland. Ich wollte ebenso wenig zurück, wie ich zwei Jahre zuvor Deutschland verlassen wollte. Ich wollte bleiben, meine amerikanischen Freunde nicht zurücklassen und die Lust am Lernen nicht verlieren. Klar, dass ich keine Chance hatte. Mit 16 sei ich zu jung, um allein in einem fremden Land zu bleiben, erklärten mir meine Eltern.

Zitat

Nina sagt: Eine ähnliche Geschichte habe ich mit 16 Jahren auch erlebt. Für mich ging es nach Nord-London an ein Internat, an dem nur wenige Mädchen in den beiden Abschlussjahrgängen waren. Ebenso wie das amerikanische Schulsystem zielt auch das englische auf die Förderung deiner Stärken. So war das Lehr- und damit Lernangebot deutlich tiefer als alles, was ich bis dahin kannte. Auch die Lehrer:innen haben dort einen anderen Stellenwert, eine andere Bedeutung: Sie sind anerkannt und respektiert. Sicher nicht zuletzt deshalb, weil sie sich als Mentoren, als Begleiter für ihre Schüler verstehen. Sie sind sehr nah bei den Schüler:innen, unterstützen sie, nehmen sie an die Hand. England war in meiner Schulhistorie ein echtes Highlight und wohltuend anders. Auch ich wollte bleiben – nicht zuletzt wegen meiner ersten großen Verliebtheit – und auch ich musste zurück.

Also zurück nach Deutschland. Zurück in ein in meinen Augen arg verstaubtes Bildungssystem, zurück in einen Schulalltag, der von der Beschallung der Schüler lebte. Ich verlor die Lust am Lernen, lernte nur noch, wenn ich musste. Versuchte, mit minimalem Lernaufwand den maximalen Output zu erzielen. Mein Abitur schaffte ich mit einem nicht ganz so brillanten Notendurchschnitt – eine Tatsache, die mich eher unberührt ließ. Die mir allerdings um die Ohren flog, als ich meinen Traumberuf anpeilte: Ich wollte Diplomatin werden! Das stellte ich mir aufregend vor. Ich scheiterte an etwas typisch Deutschem und an etwas, das ich gern, wenn ich könnte, abschaffen würde: dem Numerus clausus. Verlangt war ein Notendurchschnitt von 1,2 – den konnte ich nicht liefern.

Die Debatte wird ja immer wieder geführt, geändert hat sich allerdings bis heute wenig. Der Numerus clausus entscheidet bei Fächern wie Medizin immer noch darüber, ob man studieren darf oder eben nicht. Gerade die Medizin aber ist für mich ein Beispiel, in dem es in erster Linie auf Leidenschaft, auf Begeisterung und auf die Passion ankommt, Menschen zu helfen. Was nutzen uns denn Ärzt:innen, die zwar notentechnisch ganz weit vorn sind, denen es aber an Hingabe und Berufung fehlt? Warum führt man nicht stattdessen eine Art Prüfungssystem ein, das vor der Aufnahme eines Studiums zeigt, wie sehr man sich für das Fach tatsächlich eignet? Vielleicht hätte mich dann die Begeisterung für das Diplomatentum sehr schnell wieder verlassen, vielleicht aber auch nicht. Ich hätte zumindest gern die Chance gehabt, es auszuprobieren. Fakt ist: Ich wusste mit 19, 20 Jahren nicht, wohin meine Reise gehen sollte.

Zitat

Nina sagt: Bei mir war das ein wenig anders. Ich war schon früh sehr zielstrebig, wollte schon in der Grundschule den 50-Meter-Lauf gewinnen – ein zweiter Platz kam für mich nicht infrage. Übrigens auch später nicht: Ich wollte immer gut sein in dem, was ich tat, und habe viel dafür gegeben. Der Ehrgeiz und das Kompetitive sind geblieben – auch wenn ich bei meinem mit zehn Jahren entdeckten Leistungssport, dem Segeln, durchaus die Demut vor Herausforderungen gelernt habe. Es ist schon ein einschneidendes Erlebnis, wenn du in einem kleinen Opti bei Drei-Meter-Wellen im Sturm in einem Wellental auf der Ostsee bist und auf den Startschuss wartest. Da weißt du plötzlich, dass dich hier nur dein Wille, dein Mut und dein Können ins Ziel bringen werden.

Um die Erfahrung beneide ich dich ein wenig, Nina. Nicht um das Wellental, aber um dieses Bewusstsein über den Weg, der vor einem liegt. Ich wusste lange nicht, wohin es mich treiben würde, war unentschlossen und studierte schließlich Geschichte, Rhetorik und Politikwissenschaft. Nicht lange allerdings. Das Studium hielt nicht das, was ich mir davon versprochen hatte; es erwies sich als rückwärtsgewandt – anstatt für ein kleines Latinum zu büffeln, wollte ich etwas mit mehr Zukunftspotenzial studieren. Den Sinn, eine tote Sprache zu erlernen, habe ich nicht nachvollziehen können. Ein Gang zur Studienberatung endete mit der Empfehlung, auf »VWL regional« umzusatteln und dabei die erarbeiteten Politikscheine mitnehmen zu können. Ich stieg also um, mit sehr gebremster Leidenschaft. Richtig Lust hatte ich dazu nämlich nicht, aber gut, »man musste ja irgendetwas studieren«, so dachte ich damals.

Lebe deinen Traum oder spanische Erkenntnisse

Nach vier Semestern zeichnete sich immer deutlicher ab, dass dieser Weg nicht länger der meine sein sollte. In den Semesterferien fuhr ich mit meiner besten Freundin nach Spanien, in die Nähe von Marbella. Einige Wochen genossen wir das Dolce Vita, ließen uns einladen und gingen auf Partys. Wir feierten das Leben. Unbeschwert war sie, diese Zeit – aber auch wenig gehaltvoll. Und nicht mein Weg. Als junge Frauen liefen wir damals nicht selten unter »die attraktive Frau an seiner Seite«, die, so suggerierte es diese Rollenzuweisung, selten etwas beizutragen hatte. Schmückendes Beiwerk eben. Eine Rolle, die mir nicht besonders schmeckte. So kam ich zu einer ersten großen Lebenserkenntnis: Niemals, so schwor ich mir nach diesem Ausflug in das vermeintlich süße Leben, werde ich »die Frau von …« sein, niemals werde ich mich so von einem Mann abhängig machen, dass ich nur als schmückende Begleitung durchgehe und wahrgenommen werde. Ich wollte etwas sein, aus eigener Kraft etwas darstellen und einen eigenen Beitrag leisten. Ich wollte meine Identität nicht über Beziehungen definieren.

Und eine zweite grundlegende Erkenntnis hat mir dieser Spanien-Trip beschert, etwas, das Nina schon viel früher in ihrem Leben begriffen hat: Du brauchst einen Traum, eine Vorstellung von dem, was dein Leben sein kann. Darauf gebracht hatte mich – ausgerechnet – eine Urlaubsromanze. Der junge Österreicher, den ich datete, hatte nämlich genau diesen einen Traum für sein Leben: Er wollte Profigolfer werden und hat alles dafür getan, das auch zu erreichen. Und ich? Hatte damals einfach keinen Traum, ich schwamm. Mein Österreicher stellte die richtigen Fragen: Warum studierst du, wenn du darauf keine Lust hast? Wie würdest du entscheiden, wenn du frei wärst? Meine Antwort kam spontan: Ich will erst einmal hier in Spanien bleiben und nicht zurück nach Deutschland. Außerdem will ich nach Asien, um mit dem Rucksack auf dem Rücken Land und Leute zu entdecken. Warum, fragte er mich da, machst du das nicht einfach? Mein »Aber was sollen meine Eltern dazu sagen?« wischte er weg. Make a long story short: Ich habe es durchgezogen, bin in Spanien geblieben, habe gejobbt und mir mein Leben selbst finanziert und dann später Asien mit dem Rucksack erkundet. Die große Freiheit habe ich genossen – leider nahm sie ein abruptes und unschönes Ende in Form einer Salmonellenvergiftung. Ich wollte nicht in Spanien bleiben. Meine Eltern, die mir dieses Abenteuer nicht ausgeredet und entgegen meiner Erwartung auch nicht wirklich übel genommen hatten, holten mich in Frankfurt am Flughafen ab und päppelten mich erst einmal wieder auf.

Auch wenn diese Reise nicht so schön endete, für mich war sie eine wesentliche Erfahrung, die mich vor allem eins gelehrt hat: Finde deinen Traum und lebe ihn. Nichts oder niemand sollte dich davon abhalten. Wenn du für eine Sache brennst, findest du immer einen Weg, sie auch durchzuziehen. Damals war es nur eine Reise, die ich gegen alle Ratschläge unternommen habe, aber dasselbe Prinzip habe ich später im Berufsleben unzählige Male umgesetzt. Gesellschaftliche Konventionen, wie »das macht man aber nicht«, »das ist nicht weiblich genug« oder auch »dafür bist du viel zu jung (oder zu alt)«, sind uninteressant. Wir haben nur dieses eine Leben und dafür lohnt es sich, Grenzen zu überwinden oder Ketten zu sprengen.

Astrid Lindgren hat einmal gesagt: »Alles, was an Großem in der Welt geschah, vollzog sich zuerst in der Fantasie eines Menschen.« Recht hat die schwedische Schriftstellerin! Ich plädiere dafür, dass wir genau das in die Lehrpläne dieser Republik integrieren: Die fantastische Reise eines jeden Einzelnen sollte in der Schule beginnen. Dann, da bin ich sicher, kann Großes entstehen.

Leider aber beginnt die fantastische Reise ins Leben noch viel zu selten in der Schule. Das liegt vor allem daran, dass Lerninhalte und die Ausbildung von Lehrer:innen einfach nicht mehr zeitgemäß sind. Konnte man vor ein paar Jahren noch so manche Inhalte damit verteidigen, dass sie Schüler:innen zu ordentlichen Bankkaufleuten mit lebenslanger Beschäftigungsgarantie machten, wirken sie heute wie aus der Zeit gefallen. An die Stelle der Bankkauffrau ist heute die Programmiererin getreten. Menschen mit IT-Background, mit Coding-Wissen werden von allen Unternehmen hofiert. Diese Nachfrage wird sich in der Zukunft dramatisch verstärken.

In einem Positionspapier von Bitkom heißt es, dass der Erwerb digitaler Kompetenz – im Sinne eines kompetenten Umgangs mit digitalen Medien und des Aufbaus einer grundständigen IT-Kompetenz – integraler Bestandteil heutiger Bildungsziele werden und vor dem Hintergrund des lebensbegleitenden Lernens in der Bevölkerung und allen Organisationen verankert sein muss.

Schaut man allerdings auf die Lehrpläne Deutschlands oder in den Fächerkanon, ist das Programmieren, ist die IT kein Bestandteil der schulischen Bildung. Anders in Japan übrigens: Hier lernen bereits die Grundschüler:innen, wie man eine App programmiert. Bei meiner Tochter, sie ist 17, sind die Themen digitale Bildung und Coding in der Schule noch nicht annähernd angekommen – und das in Berlin, nicht in Hintertupfingen.

Was die Schule nicht leistet, muss zunehmend von Privatinitiativen geschultert werden: Eine, die sich mit großer Leidenschaft für die digitale Bildung von jungen Menschen einsetzt, ist Julia Freudenberg mit ihrer Hacker School. Wir begegneten uns, als sie ihre Initiative gerade gestartet hatte und auf der Suche nach Partnern für ihr Vorhaben war. Mich begeisterte ihr Enthusiasmus für dieses Thema, das auch mir so sehr am Herzen liegt. Ratepay unterstützte schließlich mit Räumlichkeiten und Experten bei den Workshops. Die Kids waren begeistert – nicht zuletzt auch deshalb, weil wir die Ergebnisse der zweitägigen Workshops auf großer Bühne präsentierten. Mein schönstes Erlebnis aus dieser Zeit war, als ein kleiner Steppke mich fragte, ob er bei uns ein Praktikum machen könne. 

Auch die Startup Teens, die sich als Bildungsinitiative das Coding und das Unternehmertum auf die Fahnen geschrieben haben, ist eine dieser Initiativen, die für Zukunft sorgt.

Unsere Bildungs-Experten Alexander Giesecke und Nicolai Schork

Wenn es die Schule schon nicht tut, dann müssen hier eben Unternehmer:innen einspringen und die Themen nach vorne bringen. Zwei davon, Alex Giesecke und Nico Schork, sind mit noch nicht einmal 30 Jahren Vollblutunternehmer mit inzwischen mehr als 100 Menschen, die für sie arbeiten. 2012 gründeten die beiden gemeinsam simpleclub, revolutionieren seitdem das Thema Lernen und begleiten jedes Jahr mehrere Millionen Schülerinnen und Schüler erfolgreich durch das Abitur. Sie zeigen, wie Digitalisierung geht und wie anfassbar, leicht verständlich und inspirierend Lehre und Lernen sein können. Als Buchautoren und Speaker teilen sie ihre Geschichte, inspirieren jung wie alt und stehen für Unternehmertum mit gesellschaftlicher Verantwortung. Wie Bildung heute gehen sollte, erzählen sie uns in der nachfolgenden Geschichte.

Educate the world: Für mehr Gerechtigkeit in der Bildung durch Digitalisierung

Von Alexander Giesecke und Nicolai Schork

Die schöne neue Bildungswelt muss (und wird, wenn es nach uns geht) keine Zukunftsmusik bleiben. Wir haben es jetzt in der Hand, entsprechende Weichen zu stellen und das Thema Bildung neu zu denken. Die Coronapandemie hat eindeutig gezeigt: Unser Bildungssystem ist für das Morgen nicht gut aufgestellt und auf Krisensituationen überhaupt nicht vorbereitet. Plötzlich erkennen alle, wie wichtig die Digitalisierung der Schulen ist – beginnend mit der Anschaffung digitaler Endgeräte für Lehrer:innen und Schülerschaft, über die datenschutzkonforme digitale Kommunikation der schulischen Akteure, die dafür sorgt, dass Schüler:innen und Eltern während Schulschließungen in Kontakt bleiben, bis hin zur Notwendigkeit von passenden digitalen Inhalten, die das Lernen im Homeschooling spannend, aber auch zielführend für den Lernerfolg machen.

Hektisch beginnen Schulen, Kultusminister und Länder verschiedene Lösungen zu diskutieren, die bisher zu wenig Einheitlichkeit geführt oder für einen grundlegenden Kurswechsel in der Bildung gesorgt hätten. Es wird einfach versucht, den analogen Unterricht ins Digitale zu übertragen. Jahre sind inzwischen seit Ausbruch der Pandemie vergangen, ohne dass wichtige Weichen gestellt worden wären. Immerhin: Unabhängig von Corona lässt sich der Bund die digitale Bildungsoffensive mittels des Digitalpakts fünf Milliarden Euro kosten. Bis zum Ende seiner Laufzeit im Mai 2024 sollen die Mittel komplett ausgeschüttet sein. Allerdings – und hier zitieren wir gern Die Zeit vom Februar 2020: »Digitale Bildung geschieht nicht einfach, weil die Geräte da sind. Lehrer müssen auch einschätzen können, wann und wozu sie sie einsetzen können. Welche Spiele, Apps oder Videos motivieren und fördern ihre eigenen Schüler – und welche lassen sie eher wegdösen oder überfordern sie?« Mit anderen Worten: Wie bekommen wir bildungstechnisch die Milliarden an die Schulen und machen diese zukunftsfähig? Auch ein Corona-Aufholpaket mit zwei Milliarden Euro wurde vom Bund zur Förderung für in der Krise abgehängte Kinder beschlossen. Unklar ist unterdessen, ob das Geld die Bedürftigen rechtzeitig erreichen wird. Zudem brachte die Bundesregierung im Mai 2021 eine Nationale Bildungsplattform auf den Weg – auf ihr sollen ab 2023 alle Lernanbieter vernetzt sein. Doch klingt das wie eine weit entfernte Utopie, denn die Pläne sind derweil noch vage, der Nutzen des Millionenprojekts unklar und auch Sicherheitsfragen sind bisher nicht so recht geklärt. Es stellen sich die Fragen: Ist das Projekt nicht vielleicht etwas zu ambitioniert, um es in absehbarer Zeit umzusetzen? Und selbst wenn, ist es überhaupt der richtige Ansatz zur Lösung der aktuellen Herausforderungen?

Szenario 1: Viele verschiedene Akteure versuchen aktionistisch schnell eigene Lösungen zu bauen. Nicht von ungefähr tummeln sich auf diesem Markt einige Anbieter – darunter auch staatlich geförderte Landeslösungen –, die mit unzureichend entwickelten Produkten an den Start kommen. Auch Schulen arbeiten an singulären Lösungen – nicht alle Ansätze sind schlecht, aber sie sind nicht koordiniert, geschweige denn untereinander kompatibel. Daher wäre folgender Weg anzudenken:

Szenario 2: Politik und private Anbieter arbeiten zusammen und schaffen so eine sinnvolle Bildungslandschaft, die bereits bewährte und praktikable Lösungen digitaler Bildungsanbieter mit bestehenden Institutionen verknüpft. Nüchtern betrachtet, wird dieses Szenario eher wenig Chancen haben, obwohl es ein Reihe privater Anbieter mit guten Lösungen gibt, die nur darauf warten, in einer solchen Landschaft koordiniert zum Einsatz zu kommen. Größter Kritikpunkt vonseiten der Bildungsinstitutionen oder der Politik ist der teilweise kommerzielle Ansatz, den Start-ups bei der Entwicklung von Technologien verfolgen. Dabei berücksichtigen eine Vielzahl der in der Praxis bewährten Lösungen für digitale Kommunikation oder digitales Lernen die hierzulande geforderten Standards von Qualitätsmanagement und Datenschutz – trotz oder gerade weil wirtschaftliches Denken dahinter steht. Über die direkte Ansprache von Multiplikatoren und politischen Akteuren gehen wir derzeit den harten Weg der Überzeugungsarbeit und engagieren uns gemeinsam mit anderen digitalen Bildungsanbietern im Rahmen einer eigens gegründeten Initiative (iddb) für dieses Szenario. Denn die Bildung von morgen wird – ob wir das nun wollen oder nicht – eine andere sein und wir möchten diese gern aktiv mitgestalten.

Thesen für die Schule von morgen

1. Bildungsinstitutionen (Schule und Universitäten): Der Flipped Classroom, also der »umgedrehte Unterricht«, macht Schule. Wissen wird über Tools individuell vermittelt, die praktische Anwendung des digital erlernten Wissens und die sozialen Aspekte kommen in der Institution Schule oder Uni zum Tragen.

2. Schüler: Sie lernen zu Hause und zeigen in der Schule die Anwendung des Gelernten. Dabei nutzen sie digitale Lösungen, die den individuellen Lernfortschritt berücksichtigen, im und für den Unterricht. Digitale Lernmittel und Tools sind neben dem Schulbuch selbstverständliche Bausteine in der Bildung – doch mittel- bis langfristig werden sie das Schulbuch komplett ersetzen. In einer Übergangsphase existiert beides gleichberechtigt nebeneinander und die Lernenden entscheiden selbst, auf welche Lernmittel sie zurückgreifen möchten.

3. Lehrer: Die Rolle des Lehrers ist eine andere: Er ist jetzt eher Mentor und Coach als reiner Wissensvermittler – er begeistert seine Schüler:innen, inspiriert, motiviert, ermutigt, fördert und fordert heraus.

4. Chancengleichheit: Durch den digitalen Zugang zu Wissen über Apps hat jeder die gleichen Bildungschancen. Digitale Lösungen schaffen weltweit den Zugang zu Wissen und sorgen für mehr Gerechtigkeit, wenn es um Lernen, Bildung und Zukunftschancen junger Menschen geht – egal, wo sie auf der Welt leben. In einer solchen Welt möchten wir jedenfalls gern leben! Eine Voraussetzung dafür ist jedoch der kostenneutrale Zugang für sozial benachteiligte Kinder weltweit. Digitale Lerninhalte sollten endlich von Schulträgern, Schulen und Ländern gefördert und finanziell unterstützt werden, um sie allen Kindern frei zugänglich zur Verfügung zu stellen. Gute Bildung darf zukünftig keine Frage der sozialen Herkunft und des Geldes mehr sein. Digitalanbieter ermöglichen barrierefreie Lernangebote für alle Kinder weltweit.

Zusammenfassung

(Digitale) Bildung in Zahlen

Studie des BMWi »Digitale Bildung – der Schlüssel zu einer Welt im Wandel«, 2017

44 % aller Lehrenden an weiterführenden Schulen sind unzufrieden mit der elektronischen Ausstattung ihrer Schule.

94 % aller Berufsschullehrer erwerben ihre Kompetenzen für den Einsatz digitaler Medien überwiegend im Selbststudium.

Umfrage Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, August 2021

71 % fordern von der nächsten Bundesregierung, Informatik als Pflichtfach an allen weiterführenden Schulen ab Klasse 5 einzuführen.

Wie gut bereitet unser Bildungssystem die Jugend auf die Arbeitswelt vor?

Studie der Bildungsplattform scoyo: »Problemkind Bildungssystem – so denken Eltern über Schule«, 2021

40 % der Eltern sagen, Schule bereitet ihre Kinder nicht auf das Leben vor.

39 % haben Angst, dass ihr Kind in einer sich verändernden Welt den Anschluss verlieren könnte.

38 % fürchten, dass das eigene Kind dem wachsenden Leistungsdruck nicht gewachsen sein könnte.

79 % wünschen ihren Kindern für die Zukunft ein starkes Selbstbewusstsein und einen Job, der ihnen Spaß macht.

Welche Auswirkungen hat das Bildungsdilemma auf die Wirtschaft?

86 000 Stellen für IT-Fachkräfte sind derzeit in Deutschland unbesetzt – Tendenz steigend.

# vorbilder

Ninas Geschichte

Erfolg hat viele Mütter und Väter. Aber: Karriere macht man mit dem eigenen Kopf

Für Erfolg braucht es Vorbilder und Förderer. Und: Man muss ihn wollen, den Erfolg.

»Kind, wenn du etwas Ordentliches machen und Geld verdienen möchtest, dann vergiss die Allgemeinmedizin«, gab mir mein Vater noch vor dem Abitur mit auf den Weg. Dabei wäre er so schön einfach gewesen, dieser vorgezeichnete Weg – schließlich komme ich aus einer Arztfamilie mit vielen Medizinern. In dieselben Fußstapfen zu treten, war mir zu einfach und zu absehbar. Auch die Berufung für die Medizin ging mir ab. Kurz: Ich war unentschlossen, was ich machen sollte.

Schon in den letzten beiden Schuljahren hatte ich mir den Kopf darüber zerbrochen, wohin meine Reise gehen sollte. Und ich hatte viel Zeit, darüber nachzudenken. Waren doch meine letzten beiden Schuljahre vor allem durch bildungstechnische Langeweile geprägt. Ich war verwöhnt: von einem englischen Schulsystem, das sich, ähnlich wie bei Miriam in den USA, vor allem dadurch auszeichnete, dass es die individuellen Stärken förderte. Dass es ein vielfältiges Angebot aus unterschiedlichsten Disziplinen gab, von denen man hierzulande bis heute träumt. Und: dass man Dinge lernte, die das Gymnasium nicht vorgesehen hat. Ich kam – angelsächsisch angehaucht nach einem sehr prägenden Auslandsjahr in London – nach Deutschland zurück. Ein echter Kulturschock! Das Erschreckende für mich: Hier hatte sich, gefühlt, in der Zwischenzeit nichts geändert. Von den Entwicklungssprüngen, die ich gemacht hatte, war bei meinen Mitschüler:innen wenig zu spüren. Auch der Lehrplan hielt für mich nichts wirklich Spannendes bereit. Kurz: Ich war gelangweilt. Ging in die zwölfte Klasse und machte Abitur. Ein gutes. Und dann?

Unabhängigkeit in Spanien

Zum Lernen der Sprache ging es nach Spanien in das Ferienhaus meines Großvaters in die Nähe von Barcelona. Neben Spanisch lernte ich hier vor allem eins: Unabhängigkeit und dass ich mich allein durchschlagen konnte. Eine essenzielle Erfahrung, die mich bis heute prägt. Klar war das eine privilegierte Situation, in einem Familiendomizil unterzukommen. Allerdings: ohne Familie und Freunde dabei. Bislang gab es diese Anker ja in meinem unmittelbaren Umfeld, jetzt waren alle weit weg. Zurück in Deutschland verlor ich mein familiäres Auffangnetz: Meine Eltern trennten sich. Plötzlich war die finanzielle Sicherheit, die ich kannte, nicht mehr gegeben, der Versorger der Familie war weg. Und für mich war klar: Ich wollte nie wie meine Mutter trotz Berufstätigkeit finanziell abhängig von einem Mann sein. Mir war wichtig, dass ich möglichst schnell auf eigenen Füßen stehe und Geld verdiene. So übernahm ich diverse Nebenjobs, die mich damals gefühlt reich machten. Ich war finanziell unabhängig, konnte mich selbst finanzieren.

Einer dieser Jobs führte mich in die Welt der Messehostessen, Kellnern inklusive. Aufregend, aber wenig erfüllend. Denn: Neben meinem ausgeprägten Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit sollte mein Weg auch ein glücklicher werden. Das jedenfalls hatte der Vater meines damaligen Freundes mir mit auf den Weg gegeben: Tue das, was du tust, mit Freude und Leidenschaft; bist du nicht glücklich mit deinem Weg, dann ändere ihn. So banal das auch klingen mag, genau das war Richtschnur meines Handelns bei allen beruflichen Entscheidungen, an die ich mich bis heute halte. Erste Erfahrungen mit dieser Konsequenz machte ich noch vor meinem Studium. Eines meiner ersten Praktika führte mich in die Lokalredaktion eines Boulevardblatts; schnell machte man mich mit den redaktionellen Gepflogenheiten des Blattes vertraut. Gepflogenheiten, die Geschichten mit sehr kreativen Details zu »Geschichten« machten, die es ins Blatt schafften. Etwas, was ich nicht akzeptieren konnte, und etwas, was mich ganz sicher nicht glücklich machte. Auch die nächste Station in einer Werbeagentur zeigte mir, dass das nicht mein Weg sein würde. Während des Studiums ging ich in verschiedene Unternehmensberatungen – spannende Stationen allemal. Aber: Auch das war auf Dauer nichts für mich. Es fehlte die Freude und die Leidenschaft – genau das also, was der Vater meines Freundes mir als Richtschnur mit auf den Weg gegeben hatte und das ich bei meinem Tun spüren wollte.

Zitat

Miriam sagt: So konkret wie Nina bin ich bekanntlich nicht gestartet. Aber: Was uns einte zu diesem Zeitpunkt unseres Lebens, war das Streben nach Unabhängigkeit und nach einem Weg, der uns glücklich macht. Und: Wir beide hatten Menschen in unserem Umfeld, die uns inspirierten, die ganz andere Lebensmodelle als die, die wir kannten, zeigten. Eine von ihnen war meine Patentante: eine unabhängige, selbstbewusste Frau, die ständig auf Reisen war, eine tolle Wohnung hatte, modisch die Nase immer vorn. Sie lebte ein so anderes Leben, verkörperte ein Frauenbild, das ich aus meiner ländlichen Umgebung, in der ich groß geworden bin, nicht kannte. Die Frauen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft lebten das klassische Modell, waren in erster Linie Mütter, die zu Hause blieben, den Haushalt schmissen, ihren Männern den Rücken frei hielten. Schon meine Mutter war hier einigermaßen exotisch, weil sie arbeiten ging und eben nicht zu Hause blieb. Meine Patentante aber bedeutete für mich die große Welt, eröffnete mir Horizonte. Wahrscheinlich hat mich dieses weibliche Vorbild schon sehr früh geprägt und den Weg, den ich schließlich ging, wenn nicht vorgezeichnet, so doch weitestgehend mit beeinflusst.