Jerry Cotton 3134 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3134 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Lisa White, eine Rekrutin der FBI Academy in Quantico, wurde tot in ihrem Zimmer aufgefunden. Erstickt! Ihr Kopf steckte in einer zugeschnürten Plastiktüte. Im abgedunkelten Raum leuchtete der Bildschirm eines Handys. Die junge Frau hatte ihren Tod gefilmt und per Skype übertragen. Die Presse fand für diesen ungeklärten Todesfall in den Reihen des FBI schnell passende Schlagzeilen. Doch als Phil und ich die Ermittlungen aufnahmen, sprengten die Hintergründe dieses tragischen Todes schon bald unsere Vorstellungskraft ...


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Seitenzahl: 142

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Voyeur und sein nächstes Opfer

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Final Instinct/Scissors«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5056-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Voyeur und sein nächstes Opfer

Der Flur mit den vielen Türen war gegen Mittag gähnend leer. Diane Norton durchmaß ihn mit langen, federnden Schritten. Die junge FBI-Rekrutin freute sich darauf, nach drei Tagen Abwesenheit wieder in Quantico zu sein – einen Tag früher als geplant. Ihre beste Freundin würde Augen machen.

Beschwingt öffnete Diane die Tür zu Lisa Whites Zimmer. Verwundert registrierte sie, dass der Raum abgedunkelt war.

Das bläuliche Schimmern des Handys, das an einer Stehlampe hing, fesselte ihren Blick. Sie ging darauf zu, ließ den schweren Rucksack zu Boden gleiten.

Undeutlich zeigte der Bildschirm eine seltsam verformte menschliche Gestalt.

Der Atem der jungen Rekrutin stockte, als ihr klar wurde, was sie da sah. Jäh fuhr sie herum.

Am Fußende des Bettes saß Lisa. Auf ihren zusammengesunkenen Schultern schien der von einer Plastikhülle umschlossene Kopf frei im Raum zu schweben.

»Was halten Sie davon?« Mr Highs grimmiger Blick verriet, dass seine Meinung schon feststand.

Ich saß vor dem Schreibtisch des Chefs und hielt ein frisch gedrucktes Exemplar der Roanoke Times in der Hand.

Phil sah mir über die Schultern und las die Schlagzeile laut vor: »Endstation Quantico – Der Tod der Rekrutin Lisa White wirft viele Fragen auf.«

»Klingt ziemlich reißerisch«, sagte ich.

Mr High nickte. »Der Artikel ist ein gefundenes Fressen für alle, die dem FBI schon immer etwas anhängen wollten. Er lässt dem Leser nur zwei Möglichkeiten: Entweder hält er die Akademie nach der Lektüre für inkompetent und chaotisch oder für eine Brutstätte von Amoral und Intrigen.«

Phil pfiff leise durch die Zähne. »Der Kerl, der das verbrochen hat, kann uns wohl nicht besonders leiden.«

»Nein«, bestätigte Mr High. »Ich kenne Rutherford persönlich. Er ist immer auf der Jagd nach Skandalen, um seinen Ruf als aufklärerischer Journalist zu festigen. Und macht sich einen Spaß daraus, die Leute gegen alles aufzuhetzen, was mit Staat und Regierung zu tun hat.«

»Wie groß ist sein Einfluss?«, wollte ich wissen.

»Sehr groß, Jerry. Rutherford schreibt noch für andere Zeitungen. Er baut die Sache langsam auf. Ich wette, dass in ein, zwei Tagen die Washington Post ebenfalls darüber berichten wird.« Er schüttelte unwillig den Kopf. »Das könnte eine richtige Hetzkampagne werden.«

»Okay«, sagte Phil. »Was genau ist in Quantico passiert?« Er nahm auf dem Stuhl neben mir Platz.

Dorothy betrat das Büro und stellte lächelnd drei Tassen Kaffee auf dem Schreibtisch ab. »Ich hoffe, ich störe nicht. Aber vermutlich hatten Sie alle heute Morgen noch keine Gelegenheit zu frühstücken.«

Was Phil und mich betraf, hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Und auch Mr High schien die kurze Unterbrechung nicht als Störung zu empfinden.

»Danke, Miss Taylor«, sagte er freundlich. »Und bitte lassen Sie jetzt niemanden mehr herein!«

»Natürlich nicht, Sir«, versicherte Dorothy und zog sich ins Vorzimmer zurück.

Ich legte die Zeitung auf dem Tisch ab.

»Die FBI-Rekrutin Lisa White wurde am Freitag voriger Woche in ihrem Zimmer tot aufgefunden«, sagte Mr High, nachdem er an seinem Kaffee genippt und begonnen hatte, im Büro auf und ab zu gehen. »Sie war erstickt. Eine Plastiktüte über dem Kopf hatte ihr die Luft zum Atmen genommen. Die erste Frage war, ob man bei ihrer Zulassung zur Ausbildung in der Akademie möglicherweise etwas übersehen hatte.«

»Familiäre Probleme, psychische Instabilität, etwas in der Art«, vermutete ich.

»Genau. Aber das war schwer vorstellbar. Sie wissen ja, die Anwärter werden ein Jahr lang durchgecheckt, ehe man sie zum Aufnahmetest zulässt. White führte ein völlig unauffälliges Leben als Sportlehrerin an einer Highschool. Sie war alleinstehend, unterhielt sporadisch Kontakt zu ihren Eltern. Sie galt allgemein als intelligente, offenherzige und zupackende junge Frau. Die Ausbilder in Quantico bescheinigten ihr beste Aussichten für eine glanzvolle Karriere beim FBI.«

Mr High hielt inne, schwieg einen Moment.

Phil sprach aus, was wir vermutlich alle drei dachten. »Sie muss verdammt einsam gewesen sein. Niemand wusste, was tatsächlich in ihr vorging.«

»Ja, wenn es so war, Phil«, erwiderte der Chef. »Aber es ist nicht auszuschließen, dass Lisa White ermordet wurde.«

»Was spricht für diese These?«, fragte ich sofort.

Mr High kam zum Tisch zurück, setzte sich und griff nach der Zeitung. »Dieser Artikel hier. Der Autor erhielt einen anonymen Hinweis, dass es in Quantico Leute gab, die es auf Lisa White abgesehen hatten.«

»Schriftlich?«

»Nein, telefonisch. White starb am Donnerstag vergangener Woche. Freitag erhielt Rutherford den Anruf.«

»Und prompt steht es Montag in diesem Provinzblatt«, sagte Phil. »Rutherford hat sich nicht lange mit Recherchen aufgehalten.«

»Nein«, erwiderte Mr High, »und er hielt es auch nicht für nötig, uns zu informieren. Aber ich bin mir fast sicher, dass er heute noch eine Stellungnahme von mir fordert.«

»So was nennt man objektive Berichterstattung«, sagte Phil.

Ich sah zu, wie Mr High die Zeitung ärgerlich zur Seite schob und einen kräftigen Schluck Kaffee nahm. »Wie ernst muss man den anonymen Hinweis nehmen?«

Mr High stellte die Tasse ab. »Das ist es ja gerade, was mich beunruhigt, Jerry. Es gibt einen Umstand, der dagegenspricht, den Anruf auf die leichte Schulter zu nehmen. Lisa White hat ihren Tod gefilmt. Warum? Gab es jemanden, der per Skype zugeschaltet war und ihr beim Sterben zugesehen hat?«

»Was bedeuten würde«, folgerte Phil, »dass jemand sie manipuliert hat.«

»Wir müssen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen«, sagte Mr High.

Das Telefon klingelte. Der Chef nahm den Hörer ab.

»Was gibt es denn, Miss Taylor? Wer? Ja, stellen Sie ihn durch!«

Er verdeckte mit der Rechten die Muschel und sagte mit gedämpfter Stimme: »Es ist dieser Journalist.« Dann schaltete er die Mithörfunktion ein. »Guten Morgen, Mister Rutherford. Ich habe Ihren Anruf bereits erwartet.«

»Was Sie nicht sagen«, röhrte Rutherfords Bass aus dem Lautsprecher. »Meldet sich da etwa das schlechte Gewissen?«

»Übertreiben Sie nicht gleich!«, konterte Mr High kühl. »Wenn Sie jetzt schon so loslegen, können Sie sich später nicht mehr steigern.«

Rutherford lachte jovial. »Nur keine Angst, ich halte mich streng an die Fakten.«

»Hört sich gut an«, erwiderte Mr High.

»Die FBI-Akademie in Quantico ist ein Ort mit besonders strengen Sicherheitsvorkehrungen. Was läuft falsch, wenn sich dort eine junge Rekrutin das Leben nimmt?«

»Ich weiß es nicht. Wir haben die Ermittlungen gerade erst aufgenommen.«

»Halten Sie es für möglich, dass Lisa White dem Druck der Ausbilder nicht mehr gewachsen war? Wie man ja weiß, geht ihr mit den Rekruten nicht gerade zimperlich um.«

»Das ist eine Unterstellung, Rutherford. Sie erwarten sicher nicht, dass ich darauf antworte.«

»Sie werden es müssen, wenn sich herausstellt, dass es so war. Immerhin gibt es einen anonymen Hinweis«, konterte der Journalist.

»Der alles und nichts bedeuten kann.«

»Sie weichen aus, Mister High. Das wird unseren Lesern nicht gefallen.« Er schlug jetzt einen schärferen Ton an.

Der Chef ließ sich davon nicht beeindrucken. »Ich glaube kaum, dass es Ihren Lesern gefallen würde, wenn ich mich an sinnlosen Spekulationen beteiligte.«

»Könnte ja auch sein«, fuhr Rutherford unerbittlich fort, »dass White systematisch gemobbt wurde.«

»Nicht auszuschließen.«

»Dann ist aber etwas gewaltig faul im Staate Dänemark, nicht wahr?«

»Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen«, sagte der Assistant Director.

»Oh, ganz einfach: darauf, dass irgendjemand sich für die Missstände in Quantico verantworten muss.«

»Warten Sie ab, Rutherford! Wir tun alles, um die Sache aufzuklären.«

»Darauf werde ich mich nicht verlassen«, tönte der Journalist. »Ich werde eigene Recherchen anstellen.«

»Das ist Ihre Sache. Aber hüten Sie sich davor, unsere Arbeit zu behindern.«

»Ich kenne meine Rechte, verlassen Sie sich drauf«, gab Rutherford zurück. »Und ich werde nicht zimperlich dabei sein, sie in Anspruch zu nehmen.«

Die Verbindung wurde unterbrochen. Rutherford hatte aufgelegt.

Mr High holte tief Luft. »Sie sehen selbst, was da auf uns zukommt. Ab sofort sind Sie beide mit den Ermittlungen betraut. Director Fisher erwartet noch heute Ihre Ankunft in der Akademie. Finden Sie heraus, wer der anonyme Anrufer ist. Vermutlich kommt nur ein Insider infrage. Stellen Sie fest, ob Lisa White gemobbt wurde! Und klären Sie, ob sie sich selbst tötete oder vielleicht doch ermordet wurde!«

Phil und ich verabschiedeten uns von Mr High und gingen zur Tür.

»Und«, mahnte er noch, ehe wir das Büro verließen, »seien Sie sensibel im Umgang mit den Rekruten! Für die jungen Leute muss das Ganze ein ziemlicher Schock sein.

***

Diane Norton hatte beim Frühstück keinen Bissen runterbekommen und die Kantine fluchtartig verlassen. Ihr war speiübel. Vermutlich war es die ganze Aufregung der letzten Tage, dachte sie, die ihr so zu schaffen machte.

Sie hatte sich in ihr Zimmer zurückgezogen und versuchte sich zu entspannen. In einer knappen Stunde ging der Ausbildungsdrill weiter, und sie hatte das Gefühl, dem knallharten Training heute nicht gewachsen zu sein. Es ging hinaus ins Gelände mit Marschgepäck. Und das bei dem Sauwetter!

Auf dem Bett liegend starrte sie an die Decke, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Das unaufhörliche Prasseln des Regens gegen die Fensterscheibe ließ sie in eine Art unruhigen Dämmerzustand versinken.

Ein hartes Klopfen gegen die Tür schreckte sie auf.

Noch ehe sie ihre Zustimmung geben konnte, betrat Howard Hailey den Raum. Aufgrund seiner Körpergröße und Muskelmasse schien er ihn fast vollständig auszufüllen. Es gab niemanden, den sie in diesem Augenblick weniger gern gesehen hätte. Das verlogene Grinsen, mit dem er den brutalen Zug in seinem Babyface zu kaschieren versuchte, verstärkte ihren Widerwillen.

»Hab dich gesucht«, sagte der Rekrut.

Diane stellte fest, dass seine wohlklingende Stimme so ziemlich das Einzige war, das sie an ihm attraktiv fand. Sie verstand überhaupt nicht, warum die meisten Frauen so für ihn schwärmten. Besonders, da er charakterlich zur übelsten Sorte gehörte, die man sich vorstellen konnte.

Sie stand abrupt auf. »Was willst du von mir?«

Er schloss die Tür, ging an Diane vorbei und ließ sich kommentarlos auf dem Bett nieder.

Sie trat ein paar Schritte zurück, lehnte sich an die Wand neben der Tür. »Ich lege keinen Wert auf deinen Besuch.«

Er hob gleichmütig die Schultern. »Wollte bloß mal fragen, was dir jetzt so durch den Kopf geht.«

»Du meinst, weil Lisa tot ist?«

»Ja, klar, das auch«, antwortete Hailey. »Und weil diese beiden Inspektoren aus Washington heute hier aufkreuzen.«

»Sieh mal einer an. Du machst dir also Sorgen, wie?«

»Wenn du es so nennen willst, okay. Ich meine bloß, wir haben noch einen Monat bis zu den Prüfungen. Diese Typen könnten alles durcheinanderbringen.«

Sie war so entrüstet, dass es ihr zunächst die Sprache verschlug. »Ist das dein Ernst?«, fragte sie endlich. Liegt dir denn gar nichts daran, dass Lisas Tod aufgeklärt wird?«

»Verdammt noch mal!« Er wurde unnötig laut. »Was ist das denn für ein Blödsinn? Da gibt es nichts aufzuklären! Die blöde Tussi hat sich einfach umgebracht. Die gehörte eben nicht hierher. War komplett überfordert und ging allen auf die Nerven. Was soll’s, wahrscheinlich musste es so kommen.«

Diane ballte die Hände zu Fäusten. »Weißt du, was ich denke?«, fragte sie gepresst. »Du hast die Hosen voll. Das ist es. Du hast Angst, dass ihr auffliegt, eure ganze beschissene Gruppe. Schließlich habt ihr Lisa seit Wochen belästigt. Wenn das bekannt wird, könnt ihr eure Karriere beim FBI vergessen.«

Howards Augen verengten sich zu bösen, kleinen Schlitzen, als er leise sagte: »Worauf willst du hinaus, Diane? Ich hoffe, es ist nichts, was dir schaden könnte. Ich meine, so was wie Verleumdung oder üble Nachrede.«

»Ich sag dir was, Howard: Ich war schon mal kurz davor, zu Director Fisher zu marschieren und ihr zu berichten, was ihr Jungs da so treibt.«

»Vergiss Kylie nicht!«, ätzte Hailey. »Sie gehört auch zu uns. Wir sind nämlich für Gleichberechtigung.«

Wenn Diane nur den Namen hörte, sah sie schon rot. Kylie Tomkins war Mitglied der Rekrutengruppe, die sich selbstironisch The Wild Bunch nannte, und Howards Spielgefährtin. Ihre Eifersucht auf Lisa hatte zu hässlichen Attacken gegen Dianes beste Freundin geführt.

»Okay, Kylie«, sagte Diane. »Würde mich freuen, wenn sie von der Akademie fliegt.«

Das Grinsen kehrte unversehens wieder auf Howards Gesicht zurück. »Vermutlich freust du dich noch mehr, wenn ich ausplaudere, dass du jeden verdammten Sonntag bekifft bist und dich danebenbenimmst.«

Diane zuckte zusammen. Es stimmte, das war ihr wunder Punkt. Sie schwieg.

»Kann mich noch gut erinnern, was Edgar erzählt hat. Dass du völlig weggetreten warst und ihm wieder an die Wäsche gegangen bist. Hättest ihn fast vergewaltigt.«

»Ach«, Diane empfand jetzt puren Hass gegen diesen selbstgefälligen Riesen vor ihr, »das ist ja wohl eher eure Spezialität.«

Schweigen füllte den Raum wie eine unsichtbare, zähe Masse. Draußen trommelte der Regen unvermindert heftig gegen das Fenster.

»Du bist hier, um mich daran zu hindern, den Inspektoren von dir und der Gruppezu erzählen«, sagte Diane schließlich ruhig. »Wenn du Glück hast, halte ich den Mund. Aber ich bin mir noch nicht sicher.«

»Verstehe«, murmelte Hailey mit einem fragenden Unterton.

»Es wäre gut«, beendete Lisa die Unterhaltung, »wenn du langsam mal abhauen würdest. Lisa war meine beste Freundin, und deine Gegenwart macht mich echt fertig.«

Hailey kam mit einer Geschmeidigkeit hoch, die man ihm bei seiner Statur kaum zugetraut hätte.

»Tu dir selbst einen Gefallen«, riet er seiner Kommilitonin und starrte mit vorgerecktem Kopf auf seine Füße, »und leg dich nicht mit mir an!« Als sein Blick wieder zu ihr hochwanderte, fügte er hinzu: »Eigentlich bist du genau der Typ, auf den ich stehe. Schade, dass du nichts für mich übrig hast.«

Dann ging er hinaus.

***

Mittags machten wir uns auf den Weg zur FBI-Akademie, an der die New Agents in Training, kurz Nats genannt, ausgebildet werden.

In diesem Fall nahmen wir unsere Ermittlungen an einem Ort auf, der quasi direkt vor der Haustür von Washington lag. Wir erreichten das Gelände der U. S. Marine Corps Base in Quantico innerhalb einer Stunde. Gegen zwei Uhr mittags trafen Phil und ich im Büro von Director Sarah Fisher ein. Außer ihr erwarteten uns dort Mai-Lin Cha, Dr. Gerold Willson und Frederik Fortesque.

»Wir sind also ganz unter uns«, frotzelte der Mediziner, nachdem wir uns begrüßt hatten. »Wenn das gut geht …«

»Da Sie schon jetzt Ihre Witze machen«, hielt Frederik dagegen, »sehe ich jedenfalls schwarz.«

Ehe die beiden ihre üblichen Sticheleien fortsetzen konnten, schaltete sich Director Fisher ein. »Verzeihen Sie, aber ich denke nicht, dass wir unsere Zeit verschwenden sollten. Bitte nehmen Sie Platz!«

Wir folgten ihrer Aufforderung. Ich konnte gut verstehen, dass die Direktorin unter enormem Druck stand. Dennoch sorgte die Rüge, die sie unseren Forensikern erteilt hatte, für unnötige Spannung. Die Lage war ohnehin ernst genug.

»Ich nehme an«, wandte sich Fisher an Phil und mich, »dass Mister High Sie schon darüber informiert hat, worum es im Kern geht.«

Phil warf mir einen irritierten Blick zu. Worauf wollte Fisher hinaus?

»Um den Tod der Rekrutin Lisa White«, sagte er schulterzuckend.

Die Leiterin der Akademie fixierte ihn mit hochgezogenen Brauen, was ihrem hageren, asketisch wirkenden Gesicht, das von einer silbergrauen Bobfrisur eingerahmt wurde, zusätzliche Strenge verlieh.

»Dieser Selbstmord«, erwiderte sie mit leichtem Unwillen, »ist natürlich tragisch. Aber ich will auf etwas anderes hinaus. Wer ist der anonyme Anrufer, der behauptete, dass White gemobbt wurde? Ich halte es für dringlich geboten, dass er so schnell wie möglich identifiziert wird. Er könnte uns mit seinen Unterstellungen noch eine Menge Ärger bereiten.«

Keine Frage, sie machte es sich zu einfach. Offensichtlich wollte sie bloß, dass alles auf dem Campus weiter seinen gewohnten Gang ging. Sie saß hochgereckt da und blickte über uns hinweg, als wollte sie sich unangreifbar machen.

Director Fisher hatte ihren Posten erst seit einem knappen Jahr inne. Sie war Anfang fünfzig und auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Womöglich befürchtete sie, dass Whites Tod alles zunichtemachen könnte.

Ich fragte mich unwillkürlich, ob sie uns Schwierigkeiten bereiten würde bei der Aufklärung dieses Falles.

»Gab es«, fragte ich, »keine Hinweise darauf, dass Lisa gemobbt wurde?«

Die Direktorin ließ sich ein paar Sekunden Zeit, ehe sie antwortete. »Nun ja, es gab Gerüchte, nichts Ernstzunehmendes.«

»Worum ging es da?«

»Um eine Gruppe von Nats, die sich The Wild Bunch nennt, Inspektor Cotton. Es hieß, die Mitglieder würden sich einen Spaß daraus machen, andere zu schikanieren.«

»Und wie sieht so ein Spaß konkret aus?«, wollte Phil wissen.

»Ich weiß es nicht«, gab Director Fisher gleichmütig zurück. »Darüber wurde mir nie etwas berichtet. Also wird es wohl nichts Gravierendes gewesen sein.«

»Sie sind der Sache aber nicht nachgegangen?«, hakte Phil nach.

»Warum sollte ich?«, versetzte sie scharf. »Ich hatte keinen Anlass dazu.«

»Jetzt haben Sie einen«, sagte Phil.

Nur wenige Minuten hatten gereicht, um zwischen Director Fisher und meinem Partner und uns eine Mauer hochzuziehen.

»Diese Gruppe«, schaltete sich Gerold ein, »hat unserer Quelle zufolge einen Anführer: Howard Hailey. Er soll ein ziemlich mieser Typ sein, nicht sehr beliebt außerhalb seiner Leute. Sein Verhalten ist oft aggressiv.«

Ich wandte mich wieder an Director Fisher. »Haben Ihnen die Ausbilder nie davon berichtet? Die müssten es doch wissen.«

Sie schüttelte den Kopf.

»Bei den meisten Ausbildern«, sagte Frederik, »ist Hailey extrem beliebt. Top-Bewertungen in allen Disziplinen. Kann sein, dass sie ihn decken.«