Die Mayerling-Katastrophe: So war es - war es so? - Marlene Gabriel - E-Book

Die Mayerling-Katastrophe: So war es - war es so? E-Book

Marlene Gabriel

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Beschreibung

126 Jahre nachden Schüssen von Mayerling, ist das WIE (zwei Tote) der Kronprinz von Österreich und seine Geliebte zwar klar, aber das WARUM ist nach wie vor ungeklärt. Die offizielle Version lautet nach wie vor Selbstmord und Selbstmord auf Verlangen, doch stimmt das wirklich? Selbst in Aristokreisen hält sich seit damals die Mordversion! Marlene Gabriel hat versucht, neue Dokumente zu beschaffen und alte Aussagen genauer unter die Lupe zu nehmen. Viele wichtige Schriften sind verschwunden, vernichtet oder verschimmeln in Archiven. Doch das Geschehen in Mayerling wird die Menschen so lange fesseln, bis man sich entschließt, die Wahrheit über die Blutnacht im Jagdschloß zu sagen. Bis dahin wird es immer wieder Mayerling-Bücher geben, auch wenn das manchen Leuten wenig in den Kram passen mag. An eine Obduktion der beiden Opfer ist nicht zu denken. Hier legt sich die Familie Habsburg und auch die katholische Kirche quer und spricht von Störung der Totenruhe. Dass es immer noch ein Geheimnis um Mayerling gibt, dass die offizielle Version Selbstmord des Kronprinzen wackelt, ist längst klar. Mary Vetsera, das zweite Opfer, wird bis heute von den Habsburgern nicht einmal ignoriert. Sie hat es "nie gegeben". Die Autorin hat sich bemüht mit mehreren Mitgliedern des Hauses Habsburg zu reden, hat in Archiven geforscht und ist vielen Hinweisen mit Akribie nachgegangen und hat auch die gängigen Mayerling-Versionen unter die Lupe genommen. Was bleibt sind drei Versionen der blutigen Nacht: Selbstmord des Kronprinzen aus Lebensüberdruss, wobei er wohl aus Feigheit auch seine kleine Freundin erschoss, die angeblich darum geradezu gebettelt hat, da er nicht alleine sterben wollte. Eine missglückte Abtreibung Marys, die langsam verblutete, der Kronprinz erschoss sich daraufhin oder doch die Mordtheorie. Der Kronprinz wurde im Laufe eines schrecklichen Gemetzels auf Befehl ermordet, Mary als Mitwisserin ebenfalls. Doch warum und wer gab dazu den Befehl.

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Marlene Gabriel

Die Mayerling-Katastrophe: So war es - war es so?

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

VORWORT

Alte und neue Mayerling-Versionen

Erzherzog Rudolfs Kinderzeit und Jugend

Kronprinz Rudolfs Geliebte, Freundinnen, Verhältnisse

Stephanie: belgische Prinzessin, Kronprinzessin von Österreich, Fürstin Lonyay

Mary Vetsera, ihre Mutter Helene, die übrige Verwandtschaft, ihre Onkel Baltazzi

Marys Kinderjahre

Tod in Mayerling: die offizielle Version

Die Auffindung der beiden Toten

Katastrophennachrichten verbreiten sich schnell

Die Tage vor der Katastrophe

28. Jänner 1889, drei Tage vor der Katastrophe

29. 1.1889 Marys Todestag?

Erste Untersuchungen in Mayerling und in der Hofburg

Der Obduktionsbericht – Das offizielle nicht vollständige Gutachten

Die Abschiedsbriefe

Abschiedsbriefe Marys

Habsburger Begräbnisse!

Aufbahrung und Begräbnis des Kronprinzen

Mayerling-Papiere - gibt es sie noch?

Mary verblutete bei einer Abtreibung- eine Theorie

Die leere Gruft – Mary Vetsera wurde Opfer eines Grabräubers

Gerüchte, Gerüchte, Gerüchte

DANKSAGUNG

QUELLENANGABEN

PERSONENREGISTER

Impressum neobooks

VORWORT

Die Nachricht über einen Sensationsfund im Archiv der Wiener Schoeller-Bank ließ mich am 31. 7. 2015 aufhorchen: Man hatte durch Zufall  in  einem Safe, der angeblich  den Nachkommen der Familie Vetsera gehörte,  mehrere Abschiedsbriefe Mary Vetseras gefunden. So wurden  Briefe an ihren Bruder Feri und an ihre Schwester Hanna entdeckt, von denen man gewusst hatte, dass sie geschrieben wurden, aber sie kamen nie an die Öffentlichkeit. Bruchstücke daraus wurden bekannt und immer wieder zitiert. Bislang hatte man angenommen, dass die Schwiegertochter Helene Vetseras die Briefe dem Wunsch der Schwiegermutter entsprechend vernichtet hätte. Wer die Briefe im Jahr 1926 hier in die Bank gebracht hatte, ist noch nicht bekannt. Auch wird nun erforscht, ob es sich wirklich um die Abschiedsbriefe Marys handelt, hier sollen auch die Gründe aufgeführt sein, die zum  Selbstmord des Kronprinzen und "Tötung auf Verlangen" Marys geführt haben, angeführt sein. Nachdem die Forschungen abgeschlossen sein werden, kommen die Briefe in die Österreichische Nationalbibliothek und werden erstmals öffentlich im Rahmen der großen Ausstellung im Jahr 2016, anläßlich des 100. Todestages von Kaiser Franz Joseph ausgestellt werden.

Eines läßt sich jedoch jetzt schon feststellen: Es war Selbstmord und "Tod auf Verlangen". Der Kronprinz hat das Mädchen auf ihr Verlangen hin erschossen, dann sich selber. Alle Spekulationen, ob es doch Mord war, ob die Beiden im Anschluss an  eine Auseinandersetzung oder nach einer Orgie entweder erschlagen oder  sonstwie zu Tode kamen, ist damit erledigt.

Diese Briefe waren zwar bekannt, einige Mayerling- Historiker erwähnten sie immer wieder, doch waren sie lange Zeit verschwunden. Ich hatte das Glück in jüngeren Jahren dem Mayerling-Forscher und Archivar Hermann Swistun-Schwanzer zu begegnen und schrieb damals für eine Wochenzeitung zu einem Jahrestag einen Mayerling-Artikel. Er zeigte mir auch  die Rechtfertigungsschrift von Helene Vetsera und gab mir sogar  eine maschinschriftliche Abschrift und einige Fotos, die in seinem Besitz waren.  Darum war es mir möglich, die Denkschrift von Helene Vetsera zu benutzen, so wie ich diese gelesen habe.

Die Denkschrift von Helene Vetsera, die in einer winzigen Auflage  noch im Jahr 1889 gedruckt worden sind, kursierten damals zwar hauptsächlich in Aristokreisen und heute gibt es  sehr wenige Exemplare, eines davon hat sich  der Habsburg- Sammler Mario Plachutta  gesichert, indem er sie im Wiener Dorotheum ersteigerte.

Leider, so auf Anfrage bei Herrn Plachutta, sind die Vetsera-Dokumente bis auf weiteres unter Verschluss, es kann keine Einsicht gewährt werden, da die Dokumente erst ausgewertet und in einem Mayerling- Buch verarbeitet werden sollen.

Das Grab Mary Vetseras ist am Friedhof von Heiligenkreuz längst wieder öffentlich zugänglich. Auch wenn ein Linzer Möbelhändler, ein fanatischer Mayerling-Forscher in eienr Nacht-und Nebelaktion die Gruft öffnen ließ und mit dem Sarginhalt verschwand. 1992, kurz vor Weihnachten, war dann die Grabraubstory international in allen Medien.

Prof. Christian Reiter, forensischer Gerichtsmediziner an der Pathologie Wien, hat sich mit diesem Fall eingehend beschäftigt, obwohl er das Skelett Marys, das ja im Jahr 1991 mehrere Monate in der Gerichtsmedizin unter Verschluss lag, nie gesehen hat. Er hat alles unter „CSI Mayerling“ dokumentiert. In diesem Buch wird daher eingehend auf das zweite Opfer – Mary Vetsera – eingegangen werden, nach genauesten heutigen Erkenntnissen, zumal Mary niemals obduziert wurde, sondern direkt in Mayerling durch drei von Kaiser Franz Josef bestellte Ärzte eher oberflächlich „totenbeschaut“ wurde und dann ihre Leiche zur „Bestattung“ freigegeben wurde. Wie sich diese Beerdigung gestaltete, unwürdig, so wie man „keinen Hund begrabt“, ist ebenfalls Gegenstand von „Mayerling – so war es- war es so? Ob Kaiser Franz Joseph das so angeordnet hat oder ob die handelnden Personen aus eigenem Antrieb so agierten, darunter zwei Verwandte von Mary Vetsera, ist heute nicht mehr einwandfrei festzustellen. Nach 125 Jahren Mayerling sind einige Dinge einigermaßen klar:

Es hat zwei Tote gegeben. Ein Toter war der Kronprinz von Österreich, Rudolf. Er wurde mit einer Schusswunde in der rechten Schläfengegend aufgefunden. Die Schädeldecke war abgesprengt, heißt es im ersten Protokoll, das von drei Ärzten gegengezeichnet wurde.

Die zweite Tote war ein junges Mädchen, ebenfalls mit einer Schusswunde im Bereich des Kopfes, sonst keine Verletzungen feststellbar. Sie lag neben dem Kronprinzen im Bett, wird hier im Protokoll beschrieben. Allerdings gestaltete sich die Auffindung der Leiche Marys wesentlich anders.

Zwei Freunde des Kronprinzen (sein Schwager Philipp von Coburg und Graf Josef Hoyos) wurden als unmittelbare Zeugen der Auffindung der beiden Leichen herangezogen, obwohl beide alle erforderlichen Maßnahmen dem Kammerdiener des Kronprinzen, Johann Loschek, überließen. Er brach die Tür zum Schlafzimmer Rudolfs auf. Er bezeugte, dass er zwei Leichen im Bett sehe, viel Blut, wahrscheinlich Vergiftung Tod durch Zyankali! Eine bis heute unverständliche Vorgangsweise, nicht nur in kriminaltechnologischer Hinsicht.

Weder Coburg noch Hoyos hatten den Mut die beiden Toten näher zu beschauen (beide waren erfahrene Jäger, hatten beim Militär gedient), sie begnügten sich mit einem flüchtigen Blick auf die Leichen und Hoyos fuhr dann sofort nach Wien in die Hofburg, um das schreckliche Geschehen dem Kaiser mitzuteilen. Momentan kursiert schon wieder oder noch immer eine völlig andere Geschichte über das WIE von Mayerling. Einige Habsburger, die von mir befragt wurden, propagieren immer wieder eine neue, allerdings längst bekannte Version des WIE von Mayerling. Sie behaupten, der Kronprinz wurde ermordet. Von wem? Das können und dürfen sie nicht sagen, denn wenn das bekannt würde, käme es wahrscheinlich heute noch zu diplomatischen Verwicklungen! Es existieren auch bereits zwei Bücher, die nur der Mordtheorie Raum geben, der Selbstmord des Kronprinzen, mit der vorangegangenen Tötung Marys durch durch den Kronprinzen, wird hier als Unsinn weggewischt.

Einwände gegen die eher unwahrscheinliche Theorie werden samt und sonders nicht berücksichtigt.

Seriöse Historiker oder Autoren, die endlich Licht in die noch offenen Mayerling Fragen bringen wollen, werden mehr oder weniger deutlich als Geschäftemacher abgetan, da sich mit Mayerling nach wie vor gutes Geld verdienen lässt.

Viele schriftliche Unterlagen, die es gegeben haben muss, sind verschwunden, verbrannt, vernichtet oder noch nicht gefunden.

Einzig eine nochmalige Obduktion der beiden Leichen könnte das Geheimnis von Mayerling aufklären. Doch so wie es aussieht, wird diese Untersuchung niemals stattfinden. Außer ein Habsburger zeigt späte Einsicht und meint, dass 126 Jahre Geheimniskrämerei um einen der aufsehenerregendsten Kriminalfall der Weltgeschichte nun wohl genug sind!

Alte und neue Mayerling-Versionen

Am 30. Jänner 1889, vor genau 126 Jahren beendeten offiziell zwei gezielte Schüsse nicht nur das Leben des Kronprinzen der k.& k. Monarchie, Kronprinz Rudolf, sondern bis heute verschwiegen und weitestgehend ungeklärt, das Leben einer blutjungen Frau, Mary Vetsera, einer Baronesse, die gerade einmal 17 Jahre alt war. Diese Schüsse in einem kleinen Jagdschlösschen namens Mayerling abgegeben, etwa 30 Kilometer von Wien entfernt, sollten den langsamen Untergang der bis dahin so stolzen und auch erfolgreichen Habsburger-Monarchie einleiten. Der Name des Kronprinzen wurde auf kaiserlichen Befehl zumindest in seiner Umgebung und in der Hofburg nie mehr genannt. Mary Vetsera gab es überhaupt nicht. Sie war niemals vorhanden gewesen.

Nach dem mit allem Prunk und Pomp abgehaltenen Begräbnis des verstorbenen Kronprinzen in der Kapuzinergruft in Wien ging man in der Hofburg wieder zur Tagesordnung über. Kaiser Franz Josef erledigte seine Akten, genau wie immer. Kaiserin Elisabeth wurde noch eigenartiger und war fast nur mehr auf Reisen. Ab dem 31. Jänner 1889 trug die Kaiserin schwarz. Wenn sie einmal in Wien war, wurden ihre öffentlichen Auftritte trotzdem immer spärlicher. Ihre Aufgaben als erste Dame des Reiches wurden von der ranghöchsten Erzherzogin übernommen. Meistens von Erzherzogin Maria Theresia, der Frau des Kaiserbruders Karl Ludwig. Auch bei „Kaisers privat“ vermied man tunlichst alles, was an den einst zu so großen Erwartungen erzogenen Kronprinzen erinnern hätte können. Es störte im Grunde eine Person: seine Witwe, Kronprinzessin Stephanie, die ja nach wie vor mit Elisabeth, der gemeinsamen Tochter mit Rudolf, in der Hofburg lebte. Zu Familiendiners wurde sie selbstverständlich hinzu gebeten, doch, ihr banales Geplauder über alle möglichen Themen, auch schon kurz nach der Tragödie, wurden besonders von der Kaiserin und deren Tochter Erzherzogin Marie Valerie als unerträglich empfunden. Einzig Kaiser Franz Josef war gütig und höflich. „Doch wir atmeten alle auf“, als sie wieder in ihre Gemächer zurückging“....., liest man in Marie Valeries Tagebuch mehrmals.Kronprinz Rudolfs engste Vertraute und Freunde, auch jene, die unmittelbar von der Mayerling-Tragödie betroffen waren oder sie als entfernte Zeugen miterlebt hatten, waren vom Hof weiter entfernt, denn je. Sein Diener Loschek suchte selbst um Pensionierung an, da er nach der Tragödie in der Hofburg fast wie ein Leprakranker gemieden wurde.und sein Leibfiaker Bratfisch war entlassen worden. Graf Josef Hoyos, einer seiner Jagdfreunde, der in Mayerling einer seiner letzten Jagdgäste war, wurde veranlasst ein Protokoll jener schauerlichen Nacht zu verfassen und zog sich dann auf seine Güter zurück. Er starb 1899. Prinz Philipp von Coburg, (Rudolfs Schwager, verheiratet mit der Schwester von Kronprinzessin Stephanie, Luise) der ebenfalls als „Zeuge“ galt und auch zur letzten Jagd eingeladen war, starb 1921. Auch er hatte angeblich ein Protokoll über die Unglücksnacht verfasst, das sich heute angeblich in Ungarn befinden soll und nie veröffentlicht wurde. Leider war es unmöglich über dieses Protokoll irgendeine Auskunft zu bekommen. Leibfiaker Josef Bratfisch wiederum, verstarb im Jahr 1892 an einem Kehlkopfkrebs. Er galt und gilt als erster Geheimnisträger, ja Mitwisser um das Geschehene. Laut einer Aussage seiner Stieftochter Antonia Konhäuser, war Bratfisch nach Mayerling total verändert. Er trat nie mehr als Sänger auf, vernachlässigte auch sein Fiakergeschäft, trank und schwieg. Wenn jemand es wagte, ihn nach Mayerling zu fragen – es gab unzähligeAnfragen von Zeitungen, die alle sehr lukrativ gewesen sein sollen – konnte er saugrob werden. Bratfisch nahm das Mayerling-Geheimnis mit ins Grab.Wiewohl man sagen muss, dass alle Beteiligten, seien es die Ärzte, die Jagdfreunde, die Bediensteten des Kronprinzen, die Hofbediensteten eisern schwiegen. Was bis heute den Schluss zulässt, dass sie dem Kaiser gegenüber einen Eid geschworen hatten, nie etwas über Mayerling verlauten zu lassen.

Spricht man heute, 126 Jahre danach einen der Habsburg-Nachkommen auf Mayerling an, erntet man entweder eisernes Schweigen, oder bekommt ein Mail, dass es über Mayerling nichts zu sagen gibt oder man wird mit mehr oder weniger abenteuerlichen, an den Haaren herbeigezogenen Geschichten konfrontiert, die nach heutigen Erkenntnissen jeder Grundlage entbehren. Laut diesen Geschichten ( Peter Graf Stolberg zu Stolberg, direkter Nachkomme von Kaisertochter Marie Valerie, Schwester von Kronprinz Rudolf)) wurde Rudolf ermordet. „Es war eine schreckliche Metzelei. Der Kronprinz wurde von gedungenen Mördern überfallen. Er hat sich natürlich gewehrt, zog seinen Säbel, bekam selber etliche fürchterliche Wunden und wurde schließlich erschlagen. Daher das viele Blut. Das Mädel wiederum bekam einen Querschläger ab, an dem sie gestorben ist. Daher auch die etwas eigenartige öffentliche Aufbahrung des Kronprinzen. Wäre er wirklich nur an einer Schusswunde am Kopf gestorben hätte man ihn nicht mit einer Decke einhüllen müssen. Auch seine Hände, wo angeblich ein paar Finger fehlten, waren nicht sichtbar“. Diese Aussage über die öffentliche Aufbahrung allerdings stimmt, wenn man sich die Fotos betrachtet. Hier sieht man auf einem Foto den Kronprinzen aufgebahrt, mit einem Kopfverband. Schaut man genau hin, kann man überschminkte Wunden sehen. Das andere Foto,welches überall bekannt ist, zeigt den Kronprinzen mit Kopfverband, doch die Gesichtswunden sind nicht zu bemerken. Beweise für diese These, die auch schon von Exkaiserin Zita ins Spiel gebracht wurde, konnte er leider keine angeben. Auch keinen Anhaltspunkt, wer die gedungen Mörder waren und ganz entscheidend, warum diese angeblichen Kronprinzenmörder dann nicht sofort mit aller Härte gejagt wurden. Der Kaiser hätte sicher anders reagiert, sollte sein einziger Sohn und Erbe Opfer eines Mordanschlags geworden sein. Die ganze Vertuschungs- und Verschleierungstaktik, die auf Befehl des Kaisers in Gang gesetzt wurde, wäre dann ja völlig überflüssig gewesen. Daraus kann man nur schließen, dass in Mayerling noch etwas anderes, entscheidendes geschehen war, das so skandalös oder grauenvoll gewesen sein muss, dass man von Seiten des Hofes sich auf „Stammeleien“ von zuerst Herzschlag, Vergiftung und dann schließlich Selbstmord durchrang.In hocharistokratischen Kreisen hält sich bis heute hingegen eine der bösesten Mordtheorien. Angeblich soll der Mordauftrag von ganz oben gekommen sein. Als Grund wird die angebliche hochverräterische Tätigkeit des Kronprinzen angegeben. Er wollte sich noch zu Lebzeiten des Kaisers als König von Ungarn ausrufen lassen und den Thron der österreichischen Monarchie, also ohne k. & k., sollte sein Cousin Johann Salvator Toscana übernehmen. Hätte dies der Wahrheit entsprochen, wäre dem Kaiser nichts anderes übriggeblieben, als seinen Sohn vor Gericht stellen zu lassen. Das Urteil hätte wohl auf Tod durch Erschießen gelautet. Damals stand auf Hochverrat die Todesstrafe, das galt selbst für den Thronfolger. Also wenn diese Hochverrats-Story wahr gewesen sein sollte, wäre das ein noch größerer Skandal gewesen. Erst ausländische Zeitungen brachten dann zum ersten Mal die Selbstmordversion aber auch, dass zum selben Zeitpunkt im Jagdschloss Mayerling eine Dame der Gesellschaft tot aufgefunden wurde. Trotz Beschlagnahmung der vielen Druckerzeugnisse, konnte der Hof dann nicht mehr verhindern, dass nach und nach das ganze Ausmaß der Geschehnisse dieser Nacht an die Öffentlichkeit drangen.

Doch sind sich nach wie vor namhafte Historiker, wie Brigitte Hamann sicher, dass der Kronprinz Selbstmord durch einen Kopfschuss beging, Stunden vorher jedoch seine Geliebte Mary Vetsera, auf deren Verlangen durch Kopfschuss tötete. Das Wie ist für seriöse Mayerling-Forscher klar, das Warum? liegt nach wie vor im Dunkel.

Das Volk hingegen reagierte zuerst auf die Todesnachricht panisch, glaubte die offizielle Todesversion, es gab deren drei, Herzschlag, Jagdunfall, dann schließlich die bis heute allein gültige Selbstmordversion keineswegs. Es machte sich seinen eigenen Reim über den Tod des beliebten Kronprinzen.

Die Abschiedsbriefe Rudolfs, die man gefunden hatte, geben keine Auskünfte über die Gründe aus dem Leben zu scheiden. Im übrigen ist nur ein Abschiedsbrief in Faksimile bekannt geworden.

Jener an seine Gattin Stephanie, die ihn in ihren Memoiren abdrucken ließ. Egon, Cäsar Conte Corti, ein Schriftsteller, der die erste umfassende Elisabeth Biografie geschrieben hat, war der einzige Historiker, der noch die wahrscheinlich höchst aufschlussreichen Tagebücher der Kaisertochter Marie Valerie einsehen konnte und hier auch eine Abschrift des Abschiedsbriefes Rudolfs an sie gefunden hat und jenen in Auszügen in seinem Elisabeth-Buch veröffentlichte.Leider sind die Tagebücher heute nicht mehr zugänglich. Jede Nachfrage nach Einsicht wurde mit Ablehnung und einem strikten nein beantwortet. Zwei neuere Bücher befassen sich eingehend mit der Mordtheorie und verwerfen die offizielle Version als gänzlich verleumderisch und nicht länger haltbar.

Clemens M. Gruber schrieb zum 100. Jahrestag der Tragödie ein Buch „Die Schicksalstage von Mayerling“. Hier stellt der Autor umfassende Nachforschungen nach Zeugen an und wird fündig.Besonders in und um Mayerling halten sich in Kreisen der Nachfahren der damaligen Einheimischen hartnäckig ja jene Gerüchte, die entweder von einer Orgie wissen wollen, die so ausgeartet sein soll, dass sie schließlich in einem fürchterlichen blutigen Streit mündete, dessen Ende dann auch das Ende von Rudolf und Mary war. Die zweite Version dieses Buches ist, dass zwei Onkel von Mary Vetsera, ein Baltazzi und Graf Stockau nach Mayerling fuhren, um das Mädchen herauszuholen. Es begann ein Streit in dessen Verlauf dann Rudolf erschossen worden sein soll, Mary hätte sich dazwischengeworfen und wäre tödlich verletzt worden. Einer der Onkel sei selber mit einer Schusswunde, der er dann erlegen sein soll, noch eine Woche in Mayerling gelegen, gepflegt von einem Schlossbediensteten.

Nur diese Version ist absolut widerlegt. Alle Onkel von Mary Vetsera starben erst nach 1900. Dazu kommt noch das Gerücht, dass am Friedhof in Heiligenkreuz in jener stürmischen Nacht des 31. Jänner 1889 nicht nur Marys Leiche verscharrt wurde, sondern noch eine zweite männliche Leiche, ebenfalls mit einer Schusswunde, erzählt man sich heute noch. Ingrid Haslinger wiederum befasst sich mit den privaten Briefen Rudolfs beginnend mit den Kinderbriefen bis zu den Erwachsenenbriefen des Kronprinzen und kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass Rudolf keineswegs ein Selbstmordkandidat gewesen sein könne, bemüht sogar einen Graphologen, der Rudolf fast nur hervorragende Eigenschaften zuschreibt und keinerlei Neigung zu Selbstmord feststellen kann. Diesem Graphologen wurden Originalschriftstücke des Kronprinzen vorgelegt. Er wusste nicht, wer der Verfasser der Briefe war. Allerdings meint er in seinem Gutachten, dass der Schreiber aufpassen müsse, er werde durch Mörderhand sterben. Ob man so etwas wirklich durch die Graphologie feststellen kann, ist fraglich. Außer vielleicht, dass Rudolf, Morddrohungen bekommen hat und sich vor diesen fürchtete, was sich wiederum in seinem Schriftbild ausdrückte. Der Kronprinz war ja nicht als sonderlich mutig bekannt. (Ingrid Haslinger:„Rudolf war immer ein guter Sohn – Mayerling war ganz anders“)Gerd Holler, Gemeindearzt in Baden und Vertrauensarzt von Heinrich Baltazzi-Scharschmied, dem Sohn von Heinrich Baltazzi, einem der Onkel von Mary Vetsera, zudem Historiker, war überzeugt, dass die Mayerling- Tragödie durch eine missglückte Abtreibung an Mary, an der sie in Mayerling verblutete, ausgelöst wurde. In seinem Buch „Mayerling- die Lösung des Rätsels“ , versucht er anhand medizinischer Erkenntnisse und den Aufzeichnungen der Hofapotheke das Mayerling -Geheimnis zu lösen.

Laut Holler wurde in Wien in den Appartments Rudolfs durch eine Hebamme in Marys Unterleib eine Bougie (Dehnsonde) gelegt, mit dieser im Körper fuhr sie dann nach Mayerling, wo unstillbare Blutungen einsetzten, die man zur damaligen Zeit nicht stoppen konnte. Mary verblutete langsam. Zwar wurde laut Holler sogar noch Prof. Billroth mitten in der Nacht herbeigeholt, der aber nichts mehr ausrichten konnte und empfahl einen Geistlichen zu holen. Auch dieser kam und gab Mary die Sterbesakramente. Marys Tod erfolgte dann am 30. 1. 1889, so gegen zwei Uhr früh. Der Kronprinz erschoss sich gegen 6.30 Uhr früh, nachdem er Stunden neben der Leiche seiner Geliebten verbracht hatte. Einwände besonders von Mitgliedern des Adels, dass eine Abtreibung, auch mit tödlichem Ausgang absolut kein Grund für einen Selbstmord gewesen sei, konterte der Arzt Holler damit, dass es selbst für einen sehr abgebrühten Menschen schrecklich mitanzusehen sei, wenn ein Mensch neben ihm langsam stirbt und man machtlos ist. Zudem gebot es Rudolf die Offiziersehre, Hand an sich zu legen. Er hatte getötet. Er war der Verursacher des Todes von Mary Vetsera. Abtreibungen waren außerdem im streng katholischen Österreich zu diesem Zeitpunkt strafbar.Sowohl für die werdende Mutter, als auch alle ihre Helfer und Mitwisser. Eine gefährliche Situation also für den Kronprinz, Marie, Gräfin Larisch, der Vertrauten und Eingeweihten des Verhältnisses, Kronprinz Rudolf und Mary Vetsera, Cousine von Rudolf, Lieblingsnichte von Kaiserin Elisabeth und nicht zuletzt Kupplerin für viel Geld, die viele Treffen zwischen dem Kronprinzen und der kleinen Vetsera erst ermöglichte. Auch Bratfisch und Loschek könnten, müssten sogar eingeweiht gewesen sein. Wäre etwas herausgekommen, wären alle ein Fall für den Staatsanwalt gewesen. Der perfekte Skandal. Für die Larisch doppelt gefährlich. Sie soll ja die Hebamme aufgetrieben haben, die die Manipulationen an Mary durchgeführt haben soll.

Die Nachkommen von Prof. Billroth wiederum bestätigten zwar, dass der berühmte Professor mitten in der Nacht des 30. Jänner von einer Fahrt nach Mayerling wieder zurückgekommen ist. Sehr erschüttert und sehr in sich gekehrt. Er hat aber nie auch nur ein Wort von den Geschehnissen dieser Nacht gesprochen, auch nichts schriftliches hinterlassen. Auch ihm gegenüber durfte Mayerling mit keinem Wort jemals mehr erwähnt werden.Historiker, die sich mit Mayerling befasst haben, kamen zu dem Schluss, dass ein Vorfall, schon in der Hofburg oder dann in Mayerling, erst der entscheidende Auslöser für die Tragödie war. Rudolf hatte wahrscheinlich keinesfalls die Absicht, nach Mayerling zu fahren, um sich dort zu töten und zuerst Mary auf ihr Verlangen hin, zu erschießen (Judtmann, Wandruszka, Hamann).

Aufschluss und damit ein Ende aller Spekulationen könnte nur eine Obduktion und forensische genaue Untersuchung der beiden Toten von Mayerling geben. Aber, so wie es aussieht, wird das nie geschehen. Die Familie Habsburg im Verein mit dem Stift Heiligenkreuz und nicht zuletzt mit den Kapuzinern, legen sich quer und sind strikt dagegen. Das wäre Störung der Totenruhe. Also werden die Vermutungen, halben Wahrheiten und alte und neue Versionen auch wohl noch den 250. Jahrestag von Mayerling überdauern. Auch wenn das den Nachkommen der Habsburger gar nicht in den Kram passt.

Erzherzog Rudolfs Kinderzeit und Jugend

Am 21. August 1858 wurde kräftig Salut geschossen. Endlich war der Thronfolger geboren. In Schloss Laxenburg bei Wien fand das Ereignis statt. Und ein Ereignis war es wohl. Elisabeth, die junge Mutter, hatte viel zu erdulden. Sie lag, so berichten die Gazetten der Zeit, wie der „Pester Lloyd“ oder österreichische Zeitungen, wie „Die neue freie Presse“, fast 20 Stunden in den Wehen. Diese Geburt war nach den beiden vorangegangenen die schwerste. Angeblich soll sie sogar grässliche Visionen gehabt haben. Sie sah im Wachtraum viele Tote, viele Menschen auf die geschossen wurde und ein Meer von roten Fahnen, so wurde berichtet.

Sie brauchte ungewöhnlich lange, um sich von dieser Geburt zu erholen. Als Rudolf so an die drei Jahre zählte, kränkelte die junge Kaiserin. Man befürchtete schon das Schlimmste, dachte an TBC und schickte Elisabeth samt Hofstaat auf eine längere Reise. Madeira war das Ziel. Hier blieb sie ungefähr ein halbes Jahr, kehrte kurz nach Wien zurück um dann immer wieder in Europa herumzureisen.

Vor einem Jahr war Sophie, die älteste Tochter des Kaiserpaares an einer Infektionskrankheit überraschend gestorben. In der kaiserlichen Kindskammer gab es nur ein kleines, sehr robustes und gesundes Mädchen namens Gisela (geboren 12. Juli 1856 ebenfalls in Laxenburg, gestorben 27. Juli 1932 in München) das fröhlich spielte auf noch unsicheren Beinen die Welt erkundete und gerade ihre ersten Sprachversuche unternahm. Umsorgt und umhegt von viel Personal und der allmächtigen und allgegenwärtigen Großmutter, Erzherzogin Sophie, der Kaisermutter.Kaiser Franz Joseph, der stolze Vater ließ trotz der Geburt des langersehnten Thronfolgers öffentlich verlauten, dass jedwede kostspielige Festlichkeit zu unterbleiben habe, es werde nur auf die Armen und Notleidenden Rücksicht genommen.

Ja, die Zeiten waren damals mehr als schlecht. Die Revolution 1848/49 hatte das große Land an seine Grenzen gebracht. Das Militär erforderte nach wie vor gewaltige Summen. Man brauchte es aber um eventuelle Aufstände in den Provinzen, wo es immer noch gärte und brodelte, niederzuhalten. Der unglückselige Italien-Feldzug, der dem Kaiser die fruchtbare Lombardei kostete, und zudem Massen an Opfern forderte, brachte die Monarchie damals schon an den Rand der Auflösung. Viele Bürger waren unzufrieden mit dem Kaiserhaus, der 28jährige Kaiser hatte es nicht leicht.Also war die Geburt von Rudolf keinesfalls ein Anlass nun ein prunkvolles höfisches Fest auszurichten. Womöglich wären dann wiederum Unruhen ausgebrochen.

Also wurde kurzentschlossen ein sogenanntes „Fest der Humanität“ ausgerufen. Das große Spenden ging los. Großbürgertum und Adel spendeten Wöchnerinnen, die Hilfe benötigten, sowie Findelkindern, Sieche und arme Offizierswitwen wurden ebenfalls bedacht. Bäcker spendierten Brot für die Armen. Das Militär bekam hie und da Extrarationen Fleisch und Wein.

Kaiser Franz Joseph legte den Grundstein für das Rudolfsspital, das heute noch im 3. Bezirk existiert.Selbstverständlich wurde an den alten Bräuchen festgehalten, die man seit Ewigkeiten nach einer Kronprinzengeburt veranstaltete: 20 Kanonen schossen 101 Böllerschüsse ab, Alle öffentlichen Gebäude der Monarchie, besonders in den großen Städten wurden festlich beflaggt und abends beleuchtet. Festgottesdienste aller in der Monarchie beheimatete Religionen, Katholiken, Lutheraner, Orthodoxe, Moslems, Juden feierten die Geburt des kleinen Rudolf. Es wurde komponiert, gedichtet, was das Zeug hielt. Immerhin bekamen die Schöpfer dieser Werke, wenn sie sie bei Hofe einreichten, ein Dankschreiben seiner Majestät, und ein paar Gulden.Was eher etwas übertrieben war, war wohl die Verleihung des Goldenen Vlieses an den sabbernden, Prinzen, noch in der Wiege und zugleich wurde Rudolf Oberst-Inhaber eines Infanterieregiments. Seine Laufbahn als Militär war damit vorgezeichnet, sehen es die Historiker heute.

Und erst die Titel, die der kleine Prinz ab seiner Geburt führte: „Rudolf Franz Carl Joseph, des Kaiserthums Österreich Kronprinz und Thronfolger, königlicher Prinz von Ungarn und Böhmen, der Lombardei und Venedigs, von Dalmatien, Croatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien und Illyrien. Erzherzog von Österreich. Ritter des Goldenen Vlieses und Inhaber des Infanterie-Regiments Nr. 19.“

Die Armee, des Kaisers wichtigstes Instrument, bekam einen kaiserlichen Armeebefehl, der gleich nach der Geburt erlassen wurde. „Ich will, dass der durch Gottes Gnade Mir geschenkte Sohn von seinem Eintritt in diese Welt an Meiner braven Armee angehöre, und ernenne ihn hiernach zum Oberst Inhaber Meines 19ten Linien- Infanterie-Regiments, welches von nun an den Namen „Kronprinz“ zu führen hat. Laxenburg am 22. August 1858. Franz Joseph m.p.

Nicht überliefert ist allerdings, dass man dem Säugling sogleich eine Uniform schneidern ließ! Diese Hinwendung zum Militärischen war absolut unüblich bei den Habsburgern. Sie entsprach keineswegs habsburgischen Traditionen und keiner der Vorgänger Kaiser Franz Josephs hatte sie geübt.

Auch die Aja – erste Kinderfrau – des hochwohlgeborenen Buben wurde unter militärischen Aspekten ausgesucht. Die damals 45jährige kinderlose Karoline Freifrau von Welden, die Witwe des Feldzeugmeisters Ludwig von Welden, der sich besonders bei der Niederwerfung des ungarischen Aufstandes 1848 einen Namen gemacht hatte, wurde mit dieser mehr als heiklen Aufgabe betraut.

Warum gerade die Wahl auf sie gefallen war, war selbst bei den in Vieles eingeweihten Hofbeamten ein Rätsel. Offenbar wollte der Kaiser mit ihrer Wahl damit ihren verstorbenen Gatten auszeichnen. Sie selber hatte keine Ahnung von Kindern, keine pädagogische Vorbildung und war angeblich auch noch von schwächlicher Konstitution. Doch die Welden machte das Beste aus dieser Berufung. Zuerst ging sie nach München und lernte bei einer Frau von Zurheim, alles, was es zu lernen gab. Dann erst kam sie an den Hof, wo sie eine Chefin hatte: Erzherzogin Sophie. Kaiserin Elisabeth hatte den Kampf um die Kinder schon lange aufgegeben. Damals konnte sie ihn keinesfalls gewinnen. Sie kam öfter in die Räume der Kinder, spielte mit ihnen ein wenig und weg war sie.

Es war ja allgemein bekannt, dass die starke Sophie schon beim ersten Kind (Sophie) und auch beim zweiten (Gisela) die Macht übernahm, den Hofstaat der Kinder bestimmte, ihre Bediensteten, von der Aja bis hin zum kleinsten Tafeldecker und Heizer. Kaiserin Sisi hatte nichts zu melden. Sie floh nach München, weinte sich bei ihren Eltern und Geschwistern aus, doch auch die konnten da nicht viel helfen. Für Sophie war Elisabeth selber noch ein Kind, bestenfalls ein eigenwilliger Teenie, der nichts als Reiten im Kopf hatte und mit richtiger Kindererziehung noch keinesfalls etwas anfangen konnte.Sie war zwar bereits 20, als sie Rudolf gebar, doch in den Augen der prinzipientreuen und starken Sophie war ihre Schwiegertochter, die zufällig Kaiserin war, ungeeignet mit starker, aber liebevoller Hand, den Kronprinzen zu erziehen. Noch immer verübelte die Kaisermutter der Schwiegertochter den Tod des erstgeborenen Kindes Sophie in Ungarn. Hatten Kaiser und Kaiserin doch entgegen ihrem Rat und ihren Bitten die Kleine mit auf diese anstrengende Ungarnreise mit vielen Empfängen und Besuchen, mitgeschleppt.

Also der Haussegen bei Kaisers war keineswegs auf Friede und Liebe eingestellt. Sondern auf Kampf und Intrige.

Baronin Welden erwies sich hingegen für den kaiserlichen Nachwuchs als wahrer Segen. Sie liebte die Kinder über alles, wurde von den Kindern geliebt und war neben Großmutter Sophie die Bezugsperson Nummer eins. Die Kinder kamen mit all ihren Sorgen zur Welden, wurden getröstet, geleitet, gelobt und getadelt, wie von einer richtigen Mutter. Sie spielte ihre kindlichen Spiele mit, wachte bei Krankheiten über sie, pflegte sie liebevollst, freute sich über jeden Fortschritt, den sie in ihrer Entwicklung machten.

Gisela und besonders Rudolf ließen nach der Trennung von der Welden, die mit ungefähr sechs Jahren stattfand, immer wieder mit Briefen ihrer Zuneigung zur Welden freien Lauf. Rudolf schrieb ihr Briefe bis zu seinem Tod.

Allerdings war gerade beim Adel und dann beim vermögenden Großbürgertum in dieser Zeit eine solche Trennung der Kinder von den Eltern absolut üblich. Die Kinder der besten Gesellschaft hatten Gouvernanten, Pflegerinnen, Krankenschwestern, Erzieherinnen, Sprachlehrer, Hauslehrer, eigene Bedienstete und sahen die Eltern bestenfalls bei feierlichen Anlässen, oder zu bestimmten Zeiten, wo sie gelackt und geschönt den Eltern und Gästen vorgeführt wurden. Hier die Ursache für die späteren psychischen Defizite Rudolfs zu suchen, wäre total verfehlt.

Der Krieg mit Italien 1859 war absolut desaströs zu nennen. Es kursierte zwar das Wort „Löwen von Eseln geführt“ , der Kaiser war selber am Schlachtfeld, doch zu spät. Die Lombardei war verloren, die Kriegsschulden stiegen ins Unermessliche, das Volk murrte, es hatte schließlich die Last zu tragen und zu Hause in der Hofburg und in Schönbrunn tobte der häusliche Krieg zwischen Erzherzogin Sophie und der jungen Kaiserin. Beide Damen, die ja vom Kaiser geliebt wurden, machten ihm das Leben zur Hölle. In dieser schweren Zeit kann es leicht sein, dass der bis dahin absolut treue Ehemann sich außerehelichen Freuden zuwandte, von denen Elisabeth, wie auch immer erfuhr. Tief enttäuscht, ja schwer geschockt, flüchtete sich die labile junge Frau in eine bis heute geheimnisvolle Krankheit, zuerst nach Madeira, um dann immer wieder von Wien zu verschwinden. Die beiden Kinder Gisela und Rudolf blieben beim Kaiser, bei der geliebten Großmutter und der getreuen und heiß geliebten Welden.

Trotzdem wurde schon in diesem Alter, Rudolf war zwischen zwei und drei Jahre alt, großer Wert auf die militärische Erziehung gelegt. Er empfing des öfteren feierlich eine Abordnung seines eigenen Regiments, selbstverständlich gekleidet in eine kleine Paradeuniform. Angeblich machte er dabei seine Sache so gut, dass Kaiser und Hof total gerührt waren. Trotzdem nannte in der Kaiser des öfteren „mein Krepierl“, was zwar liebevoll gemeint war, aber nicht gerade so liebevoll rüberkam.

Ja, so robust und gesund wie die kleine Erzherzogin Gisela war der Kronprinz beileibe nicht. Er war sensibel, angstvoll, nicht sehr mutig, dabei lebhaft und geistig als hoch intelligent zu bezeichnen.

Angeblich interessierte er sich für alles. Sobald er ganze Sätze sagen konnte, liebte er es, mit seinen Lehrern und Erziehern zu „diskutieren“.

Kaiserin Elisabeth sah ihren einzigen Sohn erst nach ungefähr einem Jahr wieder. Er wurde auf ihren Wunsch hin mit seiner Schwester nach Venedig gebracht, wo man sich auf einen Staatsbesuch vorbereitete. Erzherzogin Sophie blieb zu Hause. Doch sie hatte eine Spionin in Venedig, die ihr alles berichten musste, was vorgegangen war. Gräfin Esterhazy, hat ihr diese Dienste des öfteren geleistet.

War Rudolfs Kindheit glücklich? Diese Frage ist weder mit ja noch mit einem entschiedenen Nein zu beantworten. Er wurde zwischen der Großmutter, der Kaiserin und dem Kaiser hin und her geschubst, versuchte, es allen irgendwie Recht zu machen, zudem überforderte ihn Franz Joseph mit seinem militärischen Ehrgeiz maßlos. Damals war er nicht gesund, hatte viel schwerer unter den verschiedensten Kinderkrankheiten zu leiden als seine Schwester, war oft weinerlich, hoch empfindsam und schon schwer stressgeplagt.Bereits mit drei Jahren gab es Unterricht: Religion (sehr wichtig), Tschechisch, Ungarisch, Rechnen und Schreiben. Mit dreieinhalb setzte er eigenhändig seine Unterschrift auf die Urkunde zur Schlusssteinlegung des Rudolfsspitals. Dazu natürlich tägliche Exerzier – und Schießübungen, die den Kleinen malträtierten. Des öfteren stand er neben seinem Vater stundenlang regungslos und nahm Militärparaden ab. Besuche von Heereseinrichtungen wie Kasernen und Militäreinrichtungen gehörten ebenfalls zum Unterrichtsprogramm.

Seine Erzieher und Lehrer lobten seinen regen Geist, seine Wissbegierde, seine Lernbereitschaft, Rudolf wirkte aber damals schon altklug und frühreif.

Nach alter Habsburger Tradition und Sitte bekam der Kronprinz mit sechs einen eigenen Hofstaat und einen eigenen Obersthofmeister, der gleichzeitig der Haupterzieher war.

Dazu war es notwendig, dass man ihn von seiner um zwei Jahre älteren Schwester Gisela, die er innig liebte trennte, was mit einem Meer von Tränen einherging.

Leopold, Graf Gondrecourt, ein Generalmajor und Militär vom Scheitel bis zur kleinen Zehe wurde als Obersthofmeister und Haupterzieher des Kronprinzen engagiert. Vom dänischen Krieg kam er als „Sieger von Oversee“ nach Hause, was freilich unkommentiert blieb. Hatte doch dieser Waffengang, im Verein mit den deutschen Verbündeten viel Blut gekostet. Der kleine Kronprinz erhielt vom König von Preußen den Schwarzen Adlerorden umgehängt, was ihn unendlich freute, berichtete der stolze Vater. Zwei Jahre später war dann Preußen der Erzfeind, die Österreicher bezogen fürchterliche „Hiebe“ in Königgrätz.

Die Erziehungsmethoden von Gondrecourt waren militärisch und sonst nichts. Das hieß: Härte, Härte, Härte! Ganz schrecklich für das hochsensible Kind, das die Welt nicht mehr verstand. Rudolf musste stundenlang exerzieren, laufen, stehen, Gewehr ab, Gewehr auf, ganz so wie man Rekruten zu nicht denkenden, automatisch handelnden Soldaten erzog. Diese Erziehung muss man dem Kaiser anlasten, niemand anderem.

Mutig, stark, entschlussfreudig sollte er werden, der Kronprinz von Österreich. Er wurde das Gegenteil. Unentschlossen, intellektuell, feige, halbherzig und schlussendlich ein äußerst schwieriger Charakter.

Noch heute existieren viele Geschichten über die Abhärtung Rudolfs, die Gondrecourt betrieb. Einmal soll er den Buben allein im Lainzer Tiergarten stehen gelassen haben und über die Mauer geschrien haben, „Da kommen Wildschweine“. Rudolf brüllte vor Angst und machte sich in die Hose, schlug ans verschlossene Tor, bis ihn schließlich Gondrecourt befreite.