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Jan verdient sich seinen Lebensunterhalt als Masseur, ohne sich Gedanken um seine Zukunft zu machen. Rastlos zieht er alle paar Jahre von einem Ort in den nächsten, bis ihm eines Tages die quirlige Künstlerin Leonie über den Weg läuft. Ab diesem Moment ändert sich sein Leben schlagartig. Schon bei ihren ersten Begegnungen wird er von der schönen und labilen Künstlerin verzaubert. Sinnliche Momente und tiefgehende Gespräche stellen seine Welt auf den Kopf und schenken ihm neue Einsichten. Sie wird zu seiner Meisterin. Doch bald weiß man nicht mehr, wer von den beiden Schüler oder Lehrer ist. Eine schwindelerregende Achterbahnfahrt der Gefühle beginnt. Jan muss sich seiner schwersten Herausforderung stellen und die Kunst des Loslassens lernen, um Meisterschaft in der Liebe zu erlangen. Zwei Menschen, die durch die verschiedenen Phasen des Lebens und Liebens gehen, um schließlich bei sich selbst anzukommen.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Die Meisterschaft in der Liebe
In liebevollem Gedenken an meinen Mann Christian.
Danke für deine Liebe.
© 2025 Elenora Williams
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung ‚Impressumservice‘, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland
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Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Vorwort
Kapitel 1
Kapitel 2 Die Begegnung
Kapitel 3 Jan
Kapitel 4 Rollentausch
Kapitel 5 Jans Wohnung
Kapitel 6 Die Hypnose
Kapitel 7 Lass‘ es raus
Kapitel 8 Neue Freundschaft
Kapitel 9 Die Zahnfee
Kapitel 10 Die Innenarchitektin
Kapitel 11 Überraschende Wendung
Kapitel 12 Klärendes Gespräch
Kapitel 13 Meisterplan
Kapitel 14 Die Party
Kapitel 15 Der Tag danach
Kapitel 16 Die Abmachung
Kapitel 18 Der zweite Versuch
Kapitel 19 Bodypainting – der dritte Versuch
Kapitel 20 Die Genesung
Kapitel 21 Ein Wochenende in der Berghütte
Kapitel 22 Sie war weg
Kapitel 23 Fahrradausflug
Kapitel 24 Die Tagebücher
Kapitel 25 Die Kunstausstellung
Kapitel 26 Frühstück im Hotel
Kapitel 27 Das Treffen
Kapitel 28 – Kein Happy End ist auch ein Anfang
Epilog
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Vorwort
Manchmal haben wir das Glück, jemandem zu begegnen, der so stark an uns glaubt, dass uns nichts anderes übrigbleibt, als die beste Version von uns zu erkennen und sie anzunehmen.
Und wenn beide bereit sind, die wahre Liebe zuzulassen und an ihr zu wachsen, geschehen Wunder.
Kapitel 1
Jan würde sich durchaus als professionellen Masseur bezeichnen, aber mit dieser Frau fühlte er sich wie ein Anfänger. Sie machte es ihm nicht leicht, denn sie war sehr empfindsam und teilte ihrer Umgebung offen ihre Gefühle mit, mit ihrem ganzen Körper und der Stimme.
Im Gegensatz zu ihm war sie ein offenes Buch. Man konnte mühelos ihre Gedanken und Gefühlsregungen in ihrem Gesicht ablesen, und davon hatte sie eine ganze Menge. Diese Art an ihr war so erfrischend anders in Jans Augen. Er genoss es, auch wenn sie ihn mit ihrer Direktheit immer wieder überraschte und manchmal überforderte.
Sie war anders als die Menschen, die er bisher kannte. Und manchmal dachte er, sie käme aus einer anderen Zeit. Ihre Vorstellungen von moralischen Werten und der Liebe passten nicht ins derzeitige Jahrhundert. Auch war sie nicht am aktuellen Mediengeschehen interessiert. Sie schaute kein Fernsehen, hörte keine Nachrichten im Radio und las auch keine Zeitung. Dafür liebte sie Musik, Kunst, Natur und die Bücher. Von Letzterem hatte sie eine beträchtliche Sammlung.
Die beiden lernten sich durch einen Zufall kennen. Ihr Name lautete Leonie. Sie war eine Künstlerin und ließ ihn wegen ihrer Rückenschmerzen in ihr Atelier kommen. Jan kam meistens am Abend zu ihr, wie auch heute. So hatte er mehr Zeit für sie, da es keine weiteren Termine mehr gab. Schon bei ihrer ersten Begegnung war zwischen ihnen eine Vertrautheit und Verbundenheit entstanden, die sich normalerweise erst nach Monaten, wenn nicht nach Jahren entwickelt. Genauso natürlich und selbstverständlich entstand eine Freundschaft.
Er mochte die Welt, in der sie lebte. Die Farben, die Düfte von Gewürzen, die er mittlerweile mit ihr verband. Heute schlug Leonie vor, kurz rauszugehen, um frische Luft zu schnappen. Das Wetter war eigentlich nicht für einen Spaziergang geeignet. Es war windig, kalt und es regnete. Für Anfang April eindeutig zu winterlich. Aber sie freute sich so, als er ja sagte, dass er wusste, damit die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Nass und durchgefroren, waren beide etwas später doch glücklich, wieder ins Warme zu kommen. Nachdem sie ihre Jacken, die trotz des Regenschirms durchweicht worden waren, ausgezogen hatten, ging Leonie zu dem Schrank, in dem sie eine große Sammlung von verschiedenen Tee Sorten aufbewahrte, die alle wunderbar und teilweise exotisch rochen. Sie machte für beide Schokoladentee und gab einen Schuss Sahne hinzu. Nach eiskaltem Wind und Regen war es genau das Richtige.
Jan beobachtete sie dabei. Er konnte sie stundenlang anschauen. Heute sah sie sogar noch schöner aus als sonst. Ihr Gesicht leuchtete rosa, die blonden Locken waren zerzaust vom Wind. Ihre großen, grauen Augen strahlten, weil sie alles, worüber sie redete – und sie redete viel und schnell –, mit ansteckender Begeisterung erzählte. Ihre schlanke, biegsame und sehr weibliche Figur und ihr einzigartiger Stil, der sie von allen anderen Frauen unterschied, war für jeden Mann unwiderstehlich. Und er war auch nur ein Mann.
Jan fühlte sich in ihrer Gegenwart wohl und ungezwungen. Gleichzeitig verunsicherte sie ihn mit ihrem Verhalten. Immer wieder fühlte er ein starkes Knistern zwischen ihnen und meinte, von ihr ein Signal zu bekommen, was sich aber dann doch als rein freundschaftliches Verhalten deuten ließ.
Normalerweise mangelte es Jan nicht an Selbstbewusstsein. Frauen sagten ihm oft, dass er eine attraktive männliche Erscheinung war. Er war groß und sportlich. Seit seiner Jugend machte er alle erdenklichen Sport- und Kampfarten. Seine dichten braunen Haare hielt er kurz. Das Markanteste an seinem Gesicht waren seine großen undurchdringlichen, dunkelbraunen Augen, die stets ruhig und aufmerksam blickten. Sein Selbstbewusstsein verdankte er vielen harten Schicksalsschlägen, die ihn stärker gemacht hatten.
Für sein noch junges Alter von 33 Jahren war Jan erstaunlich ruhig und souverän. Es gab nicht mehr viel, was ihn die Fassung verlieren ließ. Er wusste, worauf es im Leben ankommt. Und vor allem, wie schnell alles vorbei sein kann. Umso mehr schätzte er solche Momente wie jetzt diesen mit Leonie. Er genoss ihr Vertrauen und fand schön, wie es im Moment war. Auf gar keinen Fall wollte er das durch sexuelle Annäherungsversuche kaputtmachen.
Leonie ließ sich wie immer Zeit beim Trinken. Belustigt sah er zu, wie sie zuerst ihr ganzes Gesicht in die übergroße Tasse steckte, aus der sie immer trank, und den Duft tief einatmete. Sie inhalierte. Leonie war ein Duftjunkie und liebte Düfte über alles. Aber das galt nicht für alles, wie er schnell festgestellt hatte. Kurz nach ihrer ersten Begegnung hatte sie ihm unmissverständlich mitgeteilt, dass sein Geruch ihr Schmerzen in der Nase verursachte. Schnell hatte sie sich verbessert, denn trotz seines Pokerface hatte sie seine verletzten Gefühle erahnt, dabei bezog sie sich nur auf sein Deo und sein Aftershave. Sie hatte eine sehr empfindliche Nase und herkömmliche Parfüms machten ihr zu schaffen. Sein Körpergeruch sei bestimmt lecker, versuchte sie es noch zu retten und wurde dabei prompt rot. Beim nächsten Treffen trug er nur noch seinen eigenen Duft, frisch geduscht. Seitdem war das ein unausgesprochenes Abkommen zwischen den beiden.
Nun, nachdem sie ihre kleinen Hände an der Tasse gewärmt und genug vom Schokoduft eingeatmet hatte, trank sie den Tee aus, stand auf und dehnte und streckte sich ausführlich. Jan bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck. Durch das Strecken hoben sich ihre Brüste und rückten zusammen wie zwei reife Früchte, die nur darauf warteten, gepflückt und gekostet zu werden. Ihr dünner rosafarbener Pullover rutschte hoch und gab den Blick frei auf ihren kleinen Bauchnabel und wohlgeformte Hüften, die vom lavendelfarbenen Rock umspannt waren. Nicht, dass ihm der Anblick fremd war. Er hatte sie schon öfter nur in Unterwäsche massiert. Aber es war trotzdem etwas anderes, wenn eine Frau sich selbstvergessen wie eine Katze streckt und dabei ihre zarte Haut sehen lässt, die wie dafür geschaffen wurde, um gestreichelt und geküsst zu werden.
Jan dachte an die erste Massage zurück und musste ein Schmunzeln unterdrücken. Es war so anders abgelaufen als alle bisherigen Termine, die er gehabt hatte.
Kapitel 2 Die Begegnung
Es war Freitagnachmittag, als sein Handy klingelte. Er war müde und hatte keine Lust ranzugehen. Diese Woche war so rappelvoll mit Terminen, dass er kaum noch Zeit hatte, etwas zu essen, aber ab und zu brauchte Jan das, um nicht zu viel nachdenken zu müssen.
Für heute hatte er nur noch einen Termin anstehen. Vorher wollte er sich kurz ausruhen, da ihm eine lange Fahrt bevorstand. Sein bester und gleichzeitig schwierigster Kunde hatte sich beim Golfspielen eine leichte Zerrung in der Schulter zugezogen und wollte nur von ihm behandelt werden. Da er immer sehr gut zahlte und auch die Anfahrtskosten großzügig berechnete, würde Jan die Fahrt, die insgesamt drei Stunden dauerte, auch diesmal in Kauf nehmen.
Sein Handy klingelte erneut. Jemand auf der anderen Seite der Leitung war fest entschlossen, ihm seine kurze Pause zu ruinieren. Grimmig richtete er sich auf, schnappte sich sein Handy und ging ran.
„Hallo, was kann ich für Sie tun?“, fragte er knapp mit seiner tiefen Stimme.
Die angenehme und heitere Stimme einer jungen Frau antwortete.
„Ja, hallo“, sagte sie. „Bin ich froh, dass Sie rangegangen sind. Ich hoffe sehr, dass Sie mir helfen können. Ich bin total verzweifelt. Ich habe schon überall angerufen, aber niemand gibt mir so kurzfristig einen Termin. Und morgen ist Samstag. Ich habe Angst, dass es wieder so schlimm wird, wie letztes Mal.“ Es schien sie nicht zu stören, dass sie einen Monolog führte. Sie redete einfach drauflos. Ihre Art zu sprechen war sehr belebend. Jan hörte die Positivität und viel Temperament aus jedem ihrer Worte raus. Dann merkte sie doch die Stille in der Leitung.
„Hallo?“, rief sie unsicher.
„Um was geht es denn?“, fragte Jan und merkte verwundert, dass er sich nicht mehr so müde und gereizt fühlte.
„Oh, Entschuldigung“, sie lachte. Beim Klang ihres Lachens wurde ihm warm ums Herz.
„Ich habe vergessen, zu erwähnen, um was es geht. Ich gehe im Moment einer nicht sehr rückenfreundlichen Arbeit nach und stehe auch unter Zeitdruck. Beim letzten Mal, als ich ähnliche Rückenschmerzen bekommen und sie nicht ernst genommen habe, war ich mehrere Wochen in meinen Bewegungen eingeschränkt, inklusive Schmerz-Bonus. Ich habe daraus gelernt und möchte es nicht mehr so weit kommen lassen.“
„Was genau tut Ihnen weh?“, wollte Jan wissen.
„Mein Rücken ganz unten, rechte Seite“, sagte sie, „da habe ich wieder diesen dumpfen Schmerz.“
„Wie oft hatten Sie das schon?“, fragte Jan nach.
„Zum zweiten Mal. Beim ersten Mal hat sich ein Wirbel verschoben.“
„War das der fünfte?“, fragte Jan.
„Ja, genau“, bestätigte die junge Frau. „Ich sehe, Sie kennen sich aus. Auf Ihrer Webseite steht, dass Sie auch eine Ausbildung zum Osteopathen gemacht haben, und ich glaube, in Verbindung mit der Massage würden Sie meinen Rücken schnell in den Griff bekommen.“
„Ich habe auch viele Jahren im Bereich der Osteopathie gearbeitet, aber ich denke, Sie erwarten zu viel von mir. Ich bin kein Zauberer“, ergänzte Jan. Er wusste, dass die meisten Verspannungen und die damit zusammenhängenden Schmerzen im Rücken, Schulter oder Nackenbereich nicht, wie die meisten Menschen glauben, durch eine Verletzung, einen Unfall oder die falsche Körperhaltung verursacht werden, sondern oft von verdrängten und unterdrückten Emotionen und Traumata.
„Nun, ich erwarte nichts“, widersprach seine Gesprächspartnerin energisch. „Ich glaube nur fest daran, dass ich immer an die richtigen Menschen gerate, die mir helfen.“ Jetzt musste auch Jan lächeln.
„So, und Sie denken, ich bin der richtige Mensch?“, fragte er freundlich.
„Sie sind der Letzte auf der Liste“, sagte sie ehrlich, „und meine letzte Hoffnung“,
fügte sie nach einer kurzen Pause etwas dramatisch hinzu. „Haben Sie heute noch einen Termin frei?“, erkundigte sie sich hoffnungsvoll.
Jan wusste nicht, aus welchem Grund er es nicht fertigbrachte, diesem sympathischen Energiebündel Nein zu sagen.
„Sie haben tatsächlich Glück“, hörte er sich sagen. Weiter kam er nicht, denn es folgte begeistertes Schreien und Lachen am Ende der Leitung.
„Danke, danke, danke“, rief sie glücklich. Ihre Freude schien auf ihn überzugehen. Er lachte und warnte sie, dass er es nicht vor 19:00 Uhr schaffen würde.
„Das macht doch gar nichts“, versicherte sie ihm. „Hauptsache, Sie kommen.“
Jan notierte sich ihre Adresse.
„Aber falls man Ihnen einen Termin absagt“, fügte sie noch hinzu, „können Sie auch gleich bei mir vorbeikommen.“
„Mach ich“, versicherte Jan. „Aber in den letzten zwei Jahren ist es noch nie vorgekommen.“
„Ich bin dankbar, dass es überhaupt noch heute klappt, so kurzfristig, wie es jetzt war“, sagte sie zum Abschluss. Dann folgte ein melodisches „Bis bald!“. Es klang so vielversprechend, als hätten sie miteinander ein Rendezvous vereinbart.
Als Jan immer noch lächelnd sein Handy ablegte und sich auf den Weg machen wollte, klingelte es erneut. Er ging ran und nach einem kurzen Gespräch starrte er verdutzt vor sich hin. Sein Kunde mit dem langen Hinweg hatte kurzfristig abgesagt. Ihm sei etwas Wichtiges dazwischengekommen. Er entschuldigte sich und versicherte, die Kosten für den nicht stattgefundenen Termin zu erstatten.
Jan setzte sich hin und überlegte kurz. Dann nahm er lächelnd sein Handy und rief sie an. Sie freute sich, schien aber gar nicht überrascht zu sein, als würden ihr solche Zufälle öfter passieren. Und so trafen sie sich fast fünf Stunden früher, als ursprünglich ausgemacht war.
Sein Navi führte ihn in einen kleinen, abgelegenen Ort. Das Haus stand nah an der Hauptstraße und fiel durch markante rote Balken und große Fenster mit dazu passenden Rahmen auf. Nachdem Jan sein Auto direkt vorm Haus abgestellt hatte, stellte er fest, dass es keine Klingel gab, also klopfte er an der Tür.
Unmittelbar danach wurde sie schwungvoll geöffnet und er sah eine unglaublich schöne, blonde Frau vor sich stehen. Er schätzte sie auf Ende 20, etwas jünger als er. Sie begrüßte ihn lächelnd mit einem erstaunlich festen Händedruck und bat ihn herein.
Sie stellten sich einander vor. Sie hieß Leonie und gefiel Jan vom ersten Augenblick an. Sie hatte ein auffallend schönes Gesicht, das von blonden Locken, die sich aus ihrer eleganten Hochsteckfrisur gelöst hatten, eingerahmt wurde. Ihr Kleidungsstil war elegant und weiblich betont. Dazu roch sie unglaublich gut. Wann immer Leonie sich bewegte, bemerkte er einen zarten, warmen Duft, der ihn an Orangenblüten erinnerte. Mit Mühe löste Jan seinen Blick von ihr und schaute sich um.
Er stand in einer wahrscheinlich 120 Quadratmeter großen Halle. Er entdeckte ein Motorrad gleich neben dem Eingang. Eine gelbe Suzuki. An der Wand links stand eine riesige schwarze Ledersitzecke. In der Mitte des Raumes trugen zwei rote Metallsäulen das Dach, zwischen denen eine bunte Hängematte gespannt war. Metallschränke an der anderen Seite der Wand, ein langer Arbeitstisch, vollgestellt mit Maler- und Kunstzubehör, Leinwände in verschiedenen Größen, ein riesiger Spiegel gleich rechts am Eingang an der Wand und eine weitere petrolfarbene Polsterecke mit diversen bunten Kissen, abgegrenzt durch einen Paravent und Lichtervorhänge, dazu ein Esstisch mit sechs Stühlen frei im Raum.
Es war eine Welt für sich und es herrschte keine Spur von Chaos. Es gab eine klare Aufteilung zwischen Wohn- und Arbeitsbereich. Das war ihr Atelier.
Jan ging kurz raus, um seine Massageliege zu holen. Als er wieder reinkam, roch es nach Lavendel. Sie hatte einen Duftdiffuser eingeschaltet. Er stand fragend mit der Liege in der Hand und sie zeigte auf eine Nische neben ihrem Wohnbereich. Mit einem Heizkörper und einem kleinen Tisch daneben, wo er seine Utensilien abstellen konnte, eignete sie sich bestens dafür. Jetzt müsste er sich nur noch die Hände waschen. Sie zeigte ihm einen angrenzenden Raum, eine Art Büro mit Sanitärbereich.
„Gut“, sagte er, „dann fangen wir an.“
Ihren gesamten Rücken, vor allem den unteren Bereich, sollte er bearbeiten. Aber vorher wollte er einen Blick auf ihre Körperhaltung werfen, mit ihr ein paar Dehnübungen machen und ihre Wirbelsäule entlasten.
Sie stand unschlüssig da und wirkte mit einem Mal schüchtern. Er drehte sich zu seinen Ölen um, die er sorgsam auf dem Tisch ordnete, konnte aber noch mitkriegen, wie sie sich hinter dem Lichtvorhang entkleidete und ihre Sachen, den langen, schmalen grauen Rock mit der cremefarbenen Spitzenbluse und die rosafarbene kurze Strickjacke, auf der Polstergarnitur ablegte.
Sie hatte jetzt nur ihre Unterwäsche und die schwarzen Halblederstiefeln an. Der zarte, cremefarbene Spitzenstoff schmiegte sich perfekt an ihre Rundungen und bildete einen aufregenden Kontrast zu den glänzenden schwarzen Stiefeln. Jan musste sich kurz räuspern, bevor er sprechen konnte: „Die… die Schuhe müssten auch runter.“
„Das dachte ich mir schon“, sagte Leonie immer noch stehend. „Kannst du mir bitte dabei helfen?“ Sie wurde rot.
Jan begriff sofort. Wegen ihrer Rückenschmerzen tat sie sich schwer, die Schuhe alleine auszuziehen. Er machte einen schnellen Schritt auf sie zu und ging vor ihr auf die Knie.
„Stütz dich auf mir ab“, befahl er ihr, damit sie ihr Gleichgewicht nicht verlor, während er ihr den Stiefel aus weichem Nappaleder auszog. Da er eng um ihre Waden anlag, öffnete er den Reißverschluss langsam, um ihre Haut nicht einzuzwicken.
„So, geschafft“, sagte er ruhig, als er den ersten Stiefel am Sofa neben ihrer Kleidung abstellte. „Der nächste bitte.“
Leonie lächelte ihn dankbar an. Seine ruhige und vertrauensvolle Art löste ihre Befangenheit langsam auf. Als sie sich vor ihm hinstellte und sich nach seinen Anweisungen in verschiedenen Richtungen beugte – nicht, ohne ihr Gesicht vor Schmerz zu verziehen – sah er, dass ihre Haltung leicht schief war. Danach legte sie sich mit dem Rücken auf die Liege.
Jan schob seine linke Hand unter ihr Becken, während er mit der Rechten andere bestimmte Punkte in ihrer Bauchdecke massierte, um die Spannung der Muskeln zu mildern. Anschließend machte er Dehnübungen mit ihr, indem er ihren Ober- und Unterkörper in entgegensetzte Richtungen drückte. Sie war erstaunlich gelenkig. Und in einer sehr guten Form. Als Jan sie fragte, ob Leonie eine Sportkarriere hinter sich hatte, musste sie lachen.
„Du bist nicht der Erste, der mich danach fragt. Aber nein, ich habe nur, seit ich denken kann, den Sport als Ventil gebraucht, um meine überschüssige Energie abzubauen.“
Man sah es ihr an: Sie hatte eine schöne Sanduhrfigur, aber unter ihrer weichen, zarten Haut spürte man feste Muskeln. Als Leonie sich kurz anspannte, um hochzukommen, zeichnete sich ein Sixpack an ihrem Bauch ab. Er dachte auch an ihren erstaunlich festen Händedruck. Gleichzeitig war sie sehr weiblich und sanft.
Eine Dreiviertelstunde später, nachdem Jan die ihm bekannten und in diesem Fall geeigneten Stretch- und Dehnübungen mit ihr gemacht und festgestellt hatte, dass sie sehr starke Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich sowie im Kiefer hatte, kam der gemütliche Teil: die Massage. Leonie hatte bisher alles mitgemacht, ohne sich zu beklagen. Jan ließ sie kurz ruhen und wärmte in der Zeit sein Öl auf. Sie lag jetzt auf dem Bauch. Nun sagte er sanft: „Schauen wir mal, was ich noch für dich tun kann.“ Beide waren sich von Anfang an einig, einander zu duzen. Er nahm sein vorgewärmtes Öl und wollte es auf ihren Rücken verteilen, als sie sich plötzlich aufrichtete und, zu ihm nach hinten blickend, fragte: „Was genau ist das für ein Öl?“
„Keine Sorge, es hat eine ausgezeichnete Qualität“, versicherte Jan ihr.
„Ist da Jasmin drin?“, wollte sie wissen.
„Stimmt“, sagte Jan beeindruckt.
„Mir wird leider schlecht von diesem Geruch. Ich vertrage das nur in sehr kleinen Mengen, mit anderen Ölen gemischt.“
Jan blinzelte verdutzt. Noch nie hatte sich jemand wegen des Öls beschwert. Auch andere Öle, die er zur Auswahl mitgebracht hatte, gefielen ihr nicht.
„Und womit soll ich dich jetzt massieren?“, fragte er ratlos.
Sie zog entschuldigend ihre nackten Schultern hoch und meinte dann: „Du kannst mein Öl nehmen.“ Dazu deutete sie mit dem Kinn in Richtung des Tisches, wo tatsächlich eine unbekannte Flasche neben seinen Ölen stand. Wie es aussah, hatte sie im Voraus geahnt, dass sein Öl ihren Ansprüchen nicht genügen würde.
Jan nahm die Flasche und drehte sich entschlossen zu seiner Kundin um. Sie lächelte ihn zufrieden an und schloss ihre Augen. Trotz der Nähe zum Heizkörper fröstelte sie. Er deckte ihren Unterkörper mit einer Decke ab. Sein Blick fiel dabei etwas zu lang auf ihrem runden festen Po mit dem hübschen Slip. Den BH hatte sie, nachdem er ihr den Verschluss aufgemacht hatte, ausgezogen. Jan goss das Öl auf ihre nackte Haut und verteilte es zügig über ihren Rücken. Ein zarter und betörender Duft nach Rosen stieg ihm in die Nase.
„Ich liebe Massagen“, hörte er sie glücklich seufzen, „am liebsten Ganzkörpermassagen.“
„Ich habe heute Zeit und könnte auch eine Ganzkörpermassage machen“, schlug Jan vor. „Der Preis erhöht sich natürlich dadurch“, ergänzte er.
Sie hob leicht ihren Oberkörper, drehte sich zu ihm und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Abgemacht“, sagte sie und legte sich wieder hin. Und sie liebte es wirklich! Als seine kräftigen Hände über ihre Haut glitten und ihre verspannten Muskeln durchkneteten, massierten und lockerten, ließ sie keine Gelegenheit aus, ihm mitzuteilen, wie es sich für sie anfühlte.
Einmal schrie sie laut: „Au! Das tut weh!“
Er fuhr erschrocken zusammen. Dann wieder murmelte sie: „Oh ja, gut, bitte nicht aufhören.“
Bemerkenswert fand er das Stöhnen. Es war leise, aber laut genug, dass er alles hörte. Am Anfang hatte er noch gedacht, dass er versehentlich einen erogenen Punkt bei ihr entdeckt hatte, aber es schien, als wäre jede Stelle an ihrem Körper erogen. Er schaffte es nicht, sie ganz zum Entspannen zu bringen. Immer wieder berührte er eine Stelle, die sie zu erregen schien, und ihre Reaktion wiederum erregte ihm. Er hoffte, dass sie an der Vorderseite weniger empfindsam war – doch weit gefehlt. Ihre Knöchel, die gesamten Füße, die Oberschenkel, ihre Schultern, sogar ihre Hände – ganz zu schweigen vom Bereich um Bauch und Hüften – waren hochsensibel. Ihre Haut war so zart, weich und warm, der Duft vom Rosenöl berauschte ihn. Es entstand eine gewisse Spannung zwischen ihnen, ein Knistern, das deutlich wahrnehmbar war. Zu allem Überfluss war sie unglaublich kitzlig.
Jans T-Shirt war völlig durchgeschwitzt. Diese Frau hatte einerseits eine starke erotische Ausstrahlung und andererseits etwas Kindliches und Unschuldiges an sich. Sie war sich ihrer Wirkung auf die Männer nicht bewusst. Und das war vielleicht ihre größte Waffe. Als er zum Schluss hinter ihr stand und den Kopf massierte, öffnete sie plötzlich ihre Augen und schaute ihm direkt ins Gesicht. Er hielt ihren Kopf in seinen Händen und massierte mit den Fingern ihre Schläfen. Sie atmete selig aus und schloss lächelnd die Augen. Noch viele Stunden später, als er wieder in seiner Wohnung war, sah er noch dieses Bild vor sich und schlief damit ein.
Kapitel 3 Jan
Jan hatte viele Freunde und war überall beliebt und gern gesehen. Es lag zum Teil daran, dass er sehr gutmütig war und keinem, der seine Hilfe brauchte, absagen konnte. Und da er in sehr vielen Bereichen helfen konnte, wurde er immer irgendwo gebraucht. Mal half er beim Umzug oder sprang auf der Baustelle für einen erkrankten Arbeiter ein oder fuhr an Wochenenden stundenlang, um eine gebrauchte Küche oder andere Möbelstücke abzuholen und sie dann zu montieren.
Er verlangte nie etwas dafür. Es war für ihn eine Ehrensache, jemandem in Not zu helfen. Dementsprechend war er oft unterwegs und hatte nicht viel Zeit für sich allein. Jan war der Meinung, dass ihm, anderen Menschen zu helfen, die größte Erfüllung gab. Er hatte sonst keine Aufgaben oder Ziele in seinem Leben. Sein einziges Hobby war Sport. Das brauchte er, um abzuschalten, denn er stand immer unter Strom und wurde wie von einer unsichtbaren Kraft getrieben, die ihn nicht zur Ruhe kommen ließ. Nur wenn er bis zur Erschöpfung seine Runden hinter sich hatte, je nach dem Wetter laufend, auf dem Fahrrad oder im Schwimmen, und mit zitternden Beinen zum Auto ging, konnte er sich zu Hause nach dem Duschen und Essen ins Bett fallen lassen und, wenn er Glück hatte, traumlos durchschlafen.
Und dann kam sie in sein Leben. Wie ein bunter Schmetterling – oder ein Wirbelwind. Ihre Welt war so anders als seine. Sie strahlte so viel Licht, Liebe und Zuversicht aus. Ihre Begeisterung war ansteckend. Bei ihr drehte sich alles um Liebe, Gefühle, Farben, Düfte und Sex. Ja, Sex. Leonie hatte einen Tick, alles mit Sex zu vergleichen. Er dachte am Anfang, sie machte nur Spaß, aber nach einer Weile merkte er, dass es ihre Art war. Alles, was sich intensiv und gut anfühlte, wurde mit Sex verglichen.
Schwimmen war wie Sex.
Tanzen war wie Sex.
Leckeres Essen war wie Sex.
Und ein intensives langes Gespräch zum Thema Spiritualität – ratet mal – ja, auch Sex.
„Jeder Mensch“, hörte er sie einmal sagen, „ist ein geschlossenes Universum in sich.“
In dem Fall würde Leonies Planet Sex heißen. Den vollen Begriff für das Wort Sex erklärte sie ihm auch: „Sex bedeutet Synergetischer Energieaustausch. Synergetic Energy Exchange. SEX.“ Alles zusammen war sie ein unglaublich sinnliches Geschöpf, das mit fast schon kindlicher Begeisterung alles um sich rum erkunden, ertasten und probieren wollte.
Sie kannten sich erst seit sechs Wochen, aber er merkte, wie er bereits jetzt seinen gewohnten Alltag ihretwegen veränderte. Um mehr Zeit mit ihr zu verbringen, hielt er sich die Nachmittage, an denen sie ihn sehen konnte, möglichst frei und machte Überstunden an den anderen. Falls sie manchmal doch kurzfristig absagte, war er endlos enttäuscht. Das zeigte er aber nie. Er war es gewohnt, seine Gefühle tief in sich zu verbergen.
Heute war ein schöner, warmer Frühlingstag. Jan duschte sich wie gewohnt nach der Arbeit und zog seine frische Jeans und ein weißes T-Shirt an. Seine dichten braunen Haare waren noch feucht. Da er oft draußen war, hatte seine Haut immer eine gesunde, tiefe Bräune, als käme er frisch vom Strandurlaub. Obwohl er innen oft von Unruhe geplagt wurde, sah er nach außen ruhig und gelassen aus. Sein Gesicht verriet keine Gefühlsregungen. Seine Größe und Ausstrahlung verliehen ihm natürlichen Respekt bei den meisten Menschen und ließen ihn älter wirken, als er war.
Er freute sich schon die ganze Woche auf das heutige Wiedersehen mit Leonie und merkte überrascht, dass er Aufregung in sich verspürte, tat es aber energisch ab. Bevor er aus der Wohnung trat, nahm er noch seine schwarze Lederjacke mit, da es am Abend noch kühl wurde und Leonie gerne spontane Spaziergänge vorschlug und dann fror. In solchen Fällen erwies sich seine Jacke als sehr praktisch. Jan kam wie immer pünktlich und gab ihr ein paar Minuten Zeit, bevor er an der Tür klopfte. Er vernahm wie so oft die Musik aus ihrem Atelier. Ihr Musikgeschmack war sehr weit gefächert, je nach Lust und Laune hörte sie alles von Pop, Rock und Klassik bis Instrumental. Heute klang es nach indischen Mantra-Songs. Letztes Mal hatte ACDC herausgedröhnt. Er hörte ihre schnellen Schritte kommen – sie ging nie langsam – und schon öffnete sie mit Schwung die Tür und begrüßte ihn warmherzig. Jedes Mal, wenn er sie sah, kam ihm in den Sinn: „Es geht die Sonne auf.“ Mittlerweile umarmten sie sich zur Begrüßung.
„Komm rein!“, rief sie und ging ihm voraus. Er folgte ihr und musste sie die ganze Zeit anschauen. Sie hatte die aufrechte, stolze Haltung einer Königin. Dazu bewegte sie sich anmutig wie eine Tänzerin. Sie trug meistens lange, schmale Röcke aus fließenden Stoffen mit kniehohen Seitenschlitzen und Oberteilen aus zarten, dehnbaren Stoffen. Die Farben wurden immer harmonisch aufeinander abgestimmt. Sie verstand es, ihre Vorzüge zu betonen. Jan könnte sie ewig anschauen, denn sie hatte Geschmack und Stil, und es wirkte nie zu gewollt. Vielmehr ergänzt es Ihre Persönlichkeit. Als sie zum Tisch gelangten, sagte sie ihm, er solle sich hinsetzen. Sie spielte gerne die Gastgeberin und freute sich, wenn sie etwas tranken oder eine Kleinigkeit aßen, bevor er sie massierte. Wenn die Zeit es erlaubte, gingen sie auch spazieren. Gegenüber von ihrem Haus begann ein schöner Waldweg. Wenn das Wetter zu schlecht war, blieben sie bei ihr und unterhielten sich.
„Und?“, sagte sie zu ihm. „Willst du was trinken?“
„Weiß ich nicht“, gab Jan zurück. „Was gibt es denn?“
Sie schaute ihn schelmisch an und fing an aufzuzählen. „Also, ich habe Fencheltee“, er verzog das Gesicht. Sie lächelte.
„Oder basische Kräutertees.“
Jan machte ein erschrockenes Gesicht. Da musste sie lachen.
„Was ist mit flüssigem Sonnenschein?“, rief sie.
Er wusste nicht, was das war, und versuchte es mit raten: „Ist das ein Cocktail?“
Sie lachte vergnügt und sagte dann geheimnisvoll: „Du wirst es gleich herausfinden, ich mache es nur für dich.“ Sie zwinkerte mit dem Auge. Mann, sah sie dabei sexy aus.
Also blieb er sitzen und schaute ihr gespannt zu. Sie holte aus Ihrem Schrank eine Tasse, Messer, Schüssel, Orangen und die Presse. Jan lächelte, während Leonie Orangen presste. Sie schenkte ihm eine volle Tasse ein und es blieb noch eine halbe Tasse übrig.
„Ich nehme die andere Tasse“, schlug Jan vor.
„Nein!“, protestierte sie. „Ich trinke jeden Tag literweise Sonnenschein. Dieser da ist für dich.“
Jan fühlte sich nicht wohl über diese Aufteilung. Sie merkte es.
„Na gut. Wir teilen es uns, brüderlich“, scherzte sie und goss sich von seiner Tasse in ihre etwas ab. „So“, sagte sie feierlich, „und jetzt probiere es.“
„Gut“, antwortete Jan lächelnd, nachdem er einen Schluck probiert hat. „Wie kommst du auf flüssigen Sonnenschein?“
Leonie sah ihn überrascht an. Ihrer Meinung nach war das offensichtlich.
„Nun“ begann sie. „Die Orangen an sich sehen wir kleine Sonnen aus. Sie kommen aus warmen Ländern, wo sie jeden Tag von der Sonne geküsst und vom Wind gestreichelt und gewogen werden. Sie sind mit duftendem, süßen gelben Nektar gefüllt. Und jetzt wurde ihre Essenz in deine wunderschöne himmelblaue Tasse gefüllt und du darfst es kosten und die pure Lebensfreude, Wärme und Licht darin schmecken.“
Jan hörte auf zu lächeln, seine Augen wurden ernst. Es war wirklich ein sehr schöner Anblick. Die türkis-blaue Tasse mit satt gelbem Saft gefüllt. Er atmete den zarten, süß-fruchtigen Duft nach Orangen ein, schaute ihr tief in die Augen, während er die Tasse an seinen Mund hielt und trank. Er schluckte es nicht sofort runter, sondern ließ den Geschmack sich in seinem Mund entfalten.
Seine Augenbrauen gingen hoch. Er war überrascht, wie intensiv es schmeckte.
Sie lächelte und nahm einen kleinen Schluck aus ihrer Tasse. Sie tranken den Saft in absoluter Stille und schauten sich ab und zu lächelnd an.
Danach legte sie ihre Kleidung ab. Mittlerweile genierte sie sich nicht mehr, sich bei ihm ausziehen. Lediglich ihre Brüste umfasste sie mit ihren Händen, wenn sie sich auf den Rücken legte, bis er sie mit einem leichten Tuch abdeckte.
Jan kannte sie jetzt etwas besser. Er wusste, dass sie sehr empfindsam und empfindlich war. Er passte seine Griffe und Techniken an und schaffte es, sie zu entspannen und ihre Muskeln zu lockern, ohne sie mit zu intensiven oder schnellen Bewegungen zu erregen. Ihr Bedürfnis, sich ihm mitzuteilen, fand er süß und freute sich über ihre Offenheit. Leonie war ein Typ mit aktivem, unruhigem Geist, der stark zum Grübeln neigte und schlecht abschalten konnte.
Er fing mit den Füßen an. Sie hatte für eine Frau große Füße. Schön geformt mit sehr eleganten Fesseln. Jan musste genau den richtigen Druck finden, um sie zu beruhigen und nicht zu kitzeln oder zu erregen. Sie redete nicht mehr so viel wie am Anfang, aber hin und wieder kam ein tiefes, glückseliges Aufstöhnen. Oder auch ein erschrockenes „Au!“, wenn er ihren schmerzenden Muskel erwischte.
„Sorry, Schätzchen“, murmelte er dann und ließ sich nicht davon abhalten, ihre Muskeln oder Faszien zu lockern, auch wenn sie dabei zappelte und wie eine Stute austeilte.
Er liebte es, sie zu massieren. Es war ein sehr intimes und vertrautes Gefühl, denn sie hatte ihn in ihre Gefühlswelt miteinbezogen. Sie genoss so offensichtlich seine Berührungen. Und es machte ihn stolz, wie er es nach und nach schaffte, ihr zur Entspannung zu verhelfen, bis sie fast in den Schlaf rutschte.
Er kannte mittlerweile ihren Körper. Mit seinen großen Händen verteilte er warmes, duftendes Rosenöl, bis sie von oben bis unten mit feinem Glanz überzogen war, und gab sein Können zum Besten.
Ihr Körper erinnerten ihn an ein Musikinstrument. Ihre Schultern, der schöne durchtrainierte Rücken, die schmale Taille und die runden Hüften mit dem festen Po. Sie lag vor ihm mit vor Öl glänzender, samtweicher Haut in hoffnungsvoller Erwartung, von ihm zum Leben erweckt zu werden. Jan legte bedächtig seine warmen Hände auf ihre nackte, golden schimmernde Haut, und begann zu spielen. Er war der Maestro, der den Ton angab, und Spieler zugleich.
Seine Hände glitten wie von selbst. Seine Finger gruben sich in ihre Muskeln, er massierte an ihren bekannten verspannten Stellen, die er mit leichtem Druck, oft mit seinen Unterarmen, ausbügelte. Mal schneller, mal langsamer. Mal mehr Druck, mal weniger. Sie war ein sehr empfindsames Instrument.
Seine Berührungen entlockten ihr Geräusche, die wie Musik in seinen Ohren klangen. Vom leisen Seufzer bis zum langen Stöhnen. Beim falschen oder zu festen Griff ein Aufschrei oder entrüstetes Zischen, das er dann schnell mit besänftigendem Streicheln wiedergutmachte.
Er liebte es, wie sie auf seine Hände reagierte, und würde nie müde werden, sie zu massieren. Mit jedem Mal wurde Jan immer besser und die Melodie, die er ihr entlockte, immer stimmiger. Er nahm auch ihre Hände und massierte ihre zarten Finger. Sie hatte kurze, ovale rosa Fingernägel.
Zum Schluss kümmerte er sich um ihren Kopf. Vorsichtig dehnte er ihre Halsmuskeln, danach massierte er kräftig ihre Kopfhaut. Dafür wurden ihre Haare aufgemacht. Wie eine goldene Wolke fein und glänzend glitten ihre seidigen Haare zwischen seinen Fingern hindurch.
Jan stand über ihr, betrachtete ihr schönes, entspanntes Gesicht und wartete. Es gab keinen festen Zeitpunkt, aber plötzlich, manchmal erst kurz vor Schluss, machte sie ihre Augen auf und schaute direkt in seine. Einmal glaubte er, eine Art Sehnsucht darin zu sehen. Dann lächelte sie und schloss sie wieder. Dieser Moment war magisch für ihn. Für gewöhnlich ließ er sie, nachdem er fertig war, unter einer Decke ruhen. In der Zeit trank er etwas und packte seine mitgebrachten Gegenstände, ohne Lärm zu machen, ein. Diesmal merkte er gar nicht, wie sie sich erhob und ihm, eingewickelt in die Decke, beim Einpacken zusah.
„Du, Jan, sag mal, welche Massage magst du am liebsten?“, fragte sie ihn.
Er zuckte mit den Schultern, während er weiter einpackte.
„Ach, komm schon, so gleichgültig kannst du doch nicht sein. Du musst doch wissen, was sich für deinen Körper gut anfühlt.“
Er zögerte kurz, bevor er antwortete: „Ist etwas schwer zu sagen, wenn man es noch nicht gehabt hat.“
Sie war so überrascht, dass sie erst nichts sagen konnte.
„Das ist so traurig! Du schenkst den Menschen so schöne Momente und weißt gar nicht, wie es sich anfühlt“, sagte sie dann.
„Finde ich jetzt nicht“, erwiderte Jan ruhig und fügte lächelnd hinzu: „Nicht alle sind so wild drauf wie du, angefasst zu werden.“
Sie antwortete nicht darauf und blieb still.
Bevor er nach Hause fuhr, setzten sie sich auf ihre gemütliche Polstercouch, tranken Tee und plauderten.
„Sag mal“, fragte sie, „wie sieht so sein Tag aus und was machst du da alles?“
Jan war es nicht gewohnt, so viel Aufmerksamkeit zu bekommen, meistens hörte er den Menschen zu. Aber sie schien ein ehrliches Interesse an ihm zu haben und so schilderte er ihr nach und nach, wie er so lebte, in für ihn so typischen knappen Sätzen. Er konnte mit ihr so sein, wie er war, und es fühlte sich leicht und natürlich an.
Die Zeit verging auch diesmal unnatürlich schnell. Sie half ihm wie immer mit den Sachen und sie verabschiedeten sich bis zum nächsten Mal. Sie lächelte zum Abschluss und schloss die Tür, doch Jan merkte auf einmal, wie schwer es sich anfühlte, allein von hier wegzugehen. Bevor er ins Auto stieg, atmete er die klare Abendluft ein. Es war spät geworden und wurde bereits dunkel. In seinem Kopf wechselten und tummelten sich verschiedene Bilder, Farben und Eindrücke. Eine bunte Welt voller warmem Rosenöl auf weicher, goldener Haut.
Flüssiger Sonnenschein durchströmte seinen Körper. Seidige blonde Locken zwischen seinen Fingern. Strahlende Augen. Und das bezaubernde Lachen hörte er immer noch in seinen Ohren.
„Oh, Junge“, murmelte er. „Dich hat’s voll erwischt.“
Leonie schloss die Tür hinter ihm, hielt kurz inne, schaute nach oben und flüsterte: „Danke, dass ich diesen wunderbaren Menschen kennenlernen durfte. Er tut mir so gut und ist eine große Bereicherung für mein Leben. Ich habe mir schon so lange einen echten Freund gewünscht und ich glaube, hier entsteht gerade eine wunderbare tiefe Freundschaft. Ich hoffe, ich mache es nicht kaputt“, fügte sie besorgt hinzu. Denn sie spürte die sexuelle Spannung zwischen ihnen. Mittlerweile wusste Leonie, dass es bei ihr nicht viel zu bedeuten hatte, denn sie besaß die Fähigkeit, fast überall sehr viel und intensiv zu fühlen. Aber die Freundschaft zu diesem Mann war ihr wichtiger als kurzes sexuelles Vergnügen. Sie machte alles dicht in ihrem Atelier und beeilte sich, nicht allzu spät ins Bett zu kommen, da sie morgen sehr früh aufstehen musste und einen langen Tag vor sich hatte.
Dazu kamen die vielen Termine, die sie schon lange hinausgezögert hatte und nun schnell hinter sich bringen wollte. Das war einer dieser Tage, wo man sich, noch bevor er anfängt, wünscht, dass er schon vorbei ist. Sie mochte es nicht, wenn sie so negativ dachte. Aus Erfahrung wusste sie, dass solche anspruchsvollen Tage in Wirklichkeit halb so schlimm waren wie befürchtet und oft auch schöne Momente in sich bargen. Also sprach sie sich Mut zu und rief sich andere, schon überwundene Hindernisse ins Gedächtnis, um sich zu beruhigen.
Die Massage von Jan wirkte noch angenehm nach, die Schmerzen waren so gut wie weg. Leonie freute sich, auf ihr Zuhause und ihr schönes gemütliches Bett mit Lavendelduft, den sie immer wahrnahm, bevor sie einschlief. Dazu hatte sie sich einen schönen Plan überlegt, was sie bei ihrem nächsten Treffen umsetzen wollte. Bei diesem Gedanken freute sie sich so, dass sie lachen musste.
Kapitel 4 Rollentausch
Sie trafen sich alle zwei bis drei Wochen, meistens Donnerstag oder Freitag. Beiden freuten sich auf ein Wiedersehen.
Jan hatte plötzlich das Gefühl, alles sei heller und aufregender geworden. Er hatte einen Sinn im Leben und alles lief jetzt auf ein Ziel hinaus: im Atelier anzukommen und in diese wunderbare Welt einzutauchen. Sie freute sich auch und konnte es kaum erwarten. In ihrem Kopf hatte sie schon einen festen Plan. Und hoffte, dass er gut ankommen würde.
Jan hatte eine schwere Woche hinter sich. Er hatte für seinen Kollegen einspringen müssen, der einen Unfall gehabt hatte und im Krankenhaus lag. Da beide selbstständig waren, wusste er, dass sich in einer Woche bemerkbar macht, wenn man ausfällt. Seine Schultern schmerzten noch von den letzten Massagen und seine Fußsohlen brannten am Ende des Tages, aber es gab einen Lichtschimmer: Heute war es so weit und trotz seiner Müdigkeit freute sich Jan, Leonie wiederzusehen und zu massieren.
Sie machte die Tür wie immer mit Schwung auf und begrüßte ihn herzlich. Heute trug sie einen langen, grauen Seidenmantel mit rosafarbenen Orchideen drauf. Es reichte ihr bis zu den Knöcheln und verlieh ihr ein exotisches Urlaubsfeeling. Sie wirkte aufgekratzt und fest entschlossen zugleich. In der Zeit, in der er die Liege aufbaute, bereitete sie für sie beide einen Tee zu, den sie mit einem Tablett am kleinen Tisch vor der Polsterecke servierte.
„Komm, lass uns was trinken!“, rief sie zu ihm. Ihr entgingen nicht seine schweren Schritte und sein erschöpftes Gesicht. „Umso besser “, murmelte sie und nickte leicht.
„Lieber Jan“, begann sie, nachdem er sich auf das Sofa gesetzt hatte. „Ich habe einen Wunsch an dich und würde mich wahnsinnig freuen, wenn du ihn mir erfüllst.“
Sie konnte vor Aufregung kaum stillsitzen, er sah ihr an, dass sie Angst hatte vor seiner Ablehnung, aber nicht vorhatte, das einfach so hinzunehmen.
„Was möchtest du?“, fragte er sie schlicht.
Leonie kaute kurz an ihrer Unterlippe, vielleicht, um sich die bestmögliche Taktik zu überlegen, ihn zu überzeugen, und platzte dann doch raus: „Ich möchte dich heute massieren.“
Sie sah, für den Bruchteil einer Sekunde, wie seine Augen größer wurden und die Brauen sich hoben, dann hatte er wieder seine Fassung gewonnen und sein typischer undurchdringlicher Gesichtsausdruck war zurückkehrt.
„Nein“, sagte er geduldig wie zu einem Kind. „Das kommt nicht infrage.“ Und dachte: Wie kommt sie nur auf so eine verrückte Idee? Aus Rücksicht auf Leonie behielt er den letzten Satz für sich.
„Aber ich möchte es“, sagte sie so ehrlich entrüstet, dass er lachen musste.
Er hatte mit seinen 33 Jahren einiges erlebt, aber es würde nicht dazu kommen, dass er als professioneller Masseur sich aus Lust und Laune von seinen Kunden massieren ließ – nicht einmal, wenn die so bezaubernd waren wie diese. Es ging einfach nicht. Er war schließlich kein Spielzeug oder Versuchskaninchen.
Sie ließ, wie er vermutet hatte, nicht locker und bohrte weiter nach. Es wurde eine Endlosdiskussion, die ins Nichts führte. Dann war es ihm zu viel. Der lange Arbeitstag und die anstrengende Diskussion machten ihn gereizt. Also sagte er energisch zum letzten Mal: „Nein!“
Sie wurde still. Nun sprach sie ruhig und gefasst: „Dann werde ich keine weiteren Massagen von dir buchen können.“
Er schaute sie ungläubig an. War sie denn so rechthaberisch, dass sie ihn jetzt mit allen Mitteln dazu zwingen wollte? Was hätte sie nur davon? Es ergab für ihn keinen Sinn.
„Erkläre es mir“, sagte er nach kurzem Schweigen.
„Ich weiß nicht, ob ich das kann“, sagte sie schulterzuckend. Sie wirkte jetzt nicht mehr so fröhlich, aufgeregt oder trotzig.
„Versuch es“, ermutigte sie Jan.
„Ich genieße deine Massagen.“ Sie suchte nach passenden Worten. „Ich finde, dass im Leben ein Gleichgewicht herrschen sollte zwischen Geben und Nehmen.“
„Und?“ Jan konnte ihr immer noch nicht folgen.
„Nun, du gibst mir so viel und tust mir so gut.“
„Aber du bezahlst mich dafür“, erwiderte Jan ruhig.
„Ja, aber du machst mehr, als du machen musst“, sagte sie leise. „Du machst es mit so viel Liebe. Und ich möchte einfach … Es ist ein tiefes Bedürfnis in mir: Ich möchte dir wenigstens einmal auch so ein schönes Erlebnis schenken, vor allem, nachdem ich nun weiß, dass du es noch nie hattest. Ansonsten kann ich es nicht mehr genießen“, fügte sie leise hinzu.
Jan sagte lange nichts, er schaute sie nur an, wie sie dort hockte, die Tasse Tee, die jetzt kalt wurde, in ihren Händen, und ihn traurig anguckte. Nicht, weil sie ihren Willen nicht durchsetzen konnte, wie er erst zuerst gedacht hatte. Sondern weil er ihr Geschenk, das von Herzen kam, nicht annahm.
Er merkte plötzlich, dass er wusste, was sie meinte. Er sah sie. Ihr Wesen offenbarte sich ihm.
Diese Erkenntnis schnürte ihm die Kehle zu. Er wartete kurz ab und sagte dann betont ruhig: „Also gut, eine kleine Massage dürfte in Ordnung sein.“
Es war, als hätte er einen Lichtschalter umgelegt, denn im selben Moment erhellte sich ihr Gesicht. Sie sprang auf, verschüttete beinahe den Tee und hüpfte auf und ab.
„Aber nur eine kleine“, warnte sie Jan.
Leonie lachte nur.
„Danke!“, rief sie. „Ich mache es so schön, du wirst es nicht bereuen.“ Dann blieb sie kurz stehen und atmete ein paar Mal durch. Danach war sie um einiges ruhiger und sagte zu ihm: „Ich habe schon alles vorbereitet. Du folgst einfach meinen Anweisungen.“ Danach kam kichernd: „Oh Mann, wie cool ist das denn?“
Jan musste sich wiederholt das Lächeln verkneifen. Sie hatte tatsächlich alles vorbereitet. Und er sah gleich, dass es eine größere Sache sein würde. Aus irgendeinem Grund musste er schlucken.
Schnell und gezielt wurden die Sachen von ihm ergänzt. Es kamen ein Stapel mit zwei großen Duschtüchern, ein Waschlappen, eine zirka fünf Liter umfassende Keramikschüssel, eine Flasche Öl im Wasserbad und eine Duftkerze sowie die große orangene Kuscheldecke dazu.
Sie sammelte sich kurz und kam anschließend auf ihn zu, um Anweisungen zu geben.
Jan war etwas mulmig zumute, trotz der Lichtvorhänge und Kerzen, die eine gemütliche Atmosphäre schafften, der Musik mit Meeresrauschen und Möwengeschrei im Hintergrund. Dafür war Leonie auf einmal ruhig und entspannt.
„Zieh dich erst mal aus und stell dich auf diesen Teppich. Ich möchte mit einem Ritual beginnen“, sagte sie.
Er nahm sich vor, es hinter sich zu bringen, und machte mit. Schnell zog er seine Jeans und das T-Shirt sowie die Socken aus, faltete es zusammen und legte es auf seine Schuhe vor dem Sofa, sodass keiner drüber stolperte. Danach stellte er sich auf den Teppich, der neben der Massageliege hergerichtet war.
Sie drehte sich um und musste kurz innehalten. Jan war eine imposante Erscheinung mit seinen fast 1,90 m und dem braun gebrannten, durchtrainierten Körper nur in Boxershorts, die nicht viel dazu beitrugen, sein großes Geheimnis zu verstecken. Ihre Reaktion auf ihn entging ihm nicht und schmeichelte seiner Männlichkeit.
Leonie kam auf ihn zu, langsam und fast feierlich. Kurz vor ihm angekommen, blieb sie stehen, verneigte sich zuerst mit dem Oberkörper und ging dann plötzlich auf die Knie vor ihm und beugte sich weit nach unten, bis sie mit ihrer Stirn seine Füße berührte. Dazu fasste sie mit ihren warmen Händen an seine Knöchel und blieb in dieser Position einige Sekunden lang vor seinen Füßen am Boden. Jan fand die ganze Situation so surreal, dass er einfach nur verdutzt auf die ihm zu Füßen kniende Frau schaute.
Danach erhob sie sich anmutig und lächelte ihn an. „Ich habe mich vor deiner Männlichkeit verneigt“, antwortete sie ihm schließlich auf die stumme Frage, die in seinen Augen stand.
„Leg dich bitte hin“, befahl sie ihm danach. Es machte ihr sichtlich Spaß, über ihn die Kontrolle zu haben. Jan legte sich mit dem Rücken auf die Liege, auf der ein flauschiges Duschtuch ausgebreitet worden war.
„Ich werde dich jetzt waschen.“ Sein Protest wurde mit ihrem Zeigefinger, den sie einfach auf seinen Mund legte, gestoppt. Jan schaute sie warnend an.
„Ich werde dich symbolisch von deinen Negativitäten und Sorgen reinigen.“ Sie lächelte ihm an und flüsterte in sein Ohr: „Genieß es einfach.“
Wie sich herausstellte, wurde die Schüssel mit warmem Wasser und duftenden Essenzen gefüllt. Leonie bereitete verschiedene Duftkombinationen aus ihrer großen Sammlung an ätherischen Ölen vor. Sie deckte den unteren Bereich, den sie noch nicht gewaschen hatte, ab, damit er nicht fror – obwohl ihm tatsächlich warm, beinahe heiß war. Fast nackt da zu liegen und von ihr angefasst zu werden, kühlte ihn gewiss nicht ab.
„Schließe die Augen“, befahl sie ihm.
Jan folgte ihrer Anweisung. Er hörte ein plätscherndes Geräusch, da sie einen Waschlappen in die Schüssel tauchte, und unmittelbar danach fühlte er eine angenehme feuchte Wärme an seinem Gesicht, mit herrlichem Duft nach Citrus, Lavendel und Zeder. Es roch nach Toskana-Urlaub und hellte sofort seine Laune auf. Weicher, flauschiger Stoff streichelte zart über sein Gesicht und entspannte ihn. Es war, als würde dieser Waschlappen ihm tatsächlich mit jedem Wischen alles Müde, alles Graue und Sorgenvolle wegwischen. Sie tauchte den Lappen immer wieder ins warme Wasser, wrang ihn kurz aus und wusch seinen Körper Stück für Stück ab. Nichts wurde vergessen, seine Stirn und das ganze Gesicht, Ohren, Hals, Brust, Achseln, Schultern und Bauch, Beine und Füße. Mit jedem Wisch entspannte Jan sich mehr.
