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"Die Wahrheit ist immer ein Dreiwörtersatz. Er ist tot. Ich liebe dich. Sie ist weg. Alles war besser." Doch Wahrheit ist so vergänglich wie das Paradies, von dem jeder ein kleines Stück finden möchte oder glaubt, gefunden zu haben. Charlotte ist 17, ein eigenwilliges, starkes Mädchen mit einem ebenso starken Gerechtigkeitssinn. Sie ist mit ihrer Mutter in eine Kleinstadt gezogen. Dort ihren Platz zu finden, ist gar nicht so ohne, auch weil sie sich verpflichtet fühlt, ihre Mutter an die Hand zu nehmen: "Bei meiner Mutter ist alles Gute schon passiert obwohl es als es passiert ist überhaupt nicht gut war" und "jetzt tut sie plötzlich so als wären wir aus dem Paradies vertrieben worden". Für beide ist es ein schwieriger Neuanfang. Aus dem Paradies vertrieben fühlt sich auch Adam. Von seiner Rente kann er kaum leben, der Magen knurrt, die Gedanken sind wirr, der Abschied von seiner Eva schmerzhaft – mit ihr ist das Glück gegangen. Die Tage vergehen im schwerfälligen Gleichmaß: "Die Wohnung ist so still dass einem das eigene Herzklopfen Angst macht." Adam bricht auf zu einem Befreiungsschlag und ein in ein fremdes Haus. Auf der Suche nach Essen, nach einem neuen Platz für sich oder um sich und seiner Eva etwas zu beweisen? So steht er nachts vor einer fremden Tür und vor Jannik. Der 16-Jährige erwartet eigentlich Charlotte. Seitdem sie das erste Mal auf dem Schulhof stand, spielt das Herz verrückt. Tagelang hat er sinniert, bis er sie endlich angesprochen und eingeladen hat. Für Jannik wird die Situation kompliziert, weil er Charlotte, wenn schon nicht mit großen Worten, dann immerhin mit einem romantischen Abend beeindrucken möchte. Doch da steht dieser alte Mann vor seiner Tür und dann ist da noch ein Fuchs ... Eva Rottmann schafft in "Die mich jagen" eine Situation, die aus dem Ruder läuft: In der Begegnung zweier Generationen und ihrer Realitäten geht es um die Suche nach dem eigenen Paradies, das Ausloten von Freiheit und um Kontrollverlust. Wer ist Jäger, wer Gejagter? Auf welcher Seite stehen die Gefühle, Erwartungen und Nöte? Auf welcher Seite stehe ich? Und wo, um Himmels willen, ist das Paradies?
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Seitenzahl: 43
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Eva Rottmann
Die mich jagen
Ein Stück für Kinder ab zwölf Jahren
FELIX BLOCH ERBEN
Verlag für Bühne, Film und Funk
Inhaltsverzeichnis
Title Page
Personenverzeichnis
Prolog
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Epilog
Über die Autorin
Über das Stück
Impressum
CHARLOTTE
JANNIK
ADAM
Das Stück ist als Auftragswerk für das Theater Baden-Baden entstanden und wurde am 6.5.2011 uraufgeführt.
CHARLOTTEGestern war die Beerdigung. Ich hab mich erst auf den Friedhof getraut als alle weg waren. Es war ganz still. Stiller als sonst. DAS PASST habe ich gedacht und plötzlich hatte ich so eine Lust zu rennen einfach loszurennen ohne ein Ziel in den Horizont zu rennen egal wohin durch die Stadt durch den Wald über Wiesen zur nächsten Stadt und immer weiter rennen bis ich nicht mehr kann bis meine Beine brechen wie zwei morsche Äste und die Lunge in mir explodiert und mich in Einzelteile zerlegt und auf der Straße verteilt und dann dazuliegen und in den Himmel zu sehen aus dem der Regen auf mich runter rauscht.Angefangen hat alles so.
CHARLOTTEHallo Stadt. Hier bin ich. Jetzt mach was mit mir. Mach mit mir was du willst. Hat mich ja auch keiner gefragt ob ich hier sein will. Also los. Mach was. Irgendwas. Samstagabend. Und ich steh hier und unterhalte mich mit den Hauswänden hinter denen die langweiligsten Leute des Universums sitzen und sich einen runterholen während im Fernsehen WER WIRD MILLIONÄR läuft. Danke Mutter. Irgendwas muss jetzt passieren. Jetzt.
ADAMHier gibt es Leute die wollen schlafen.
CHARLOTTESchlafen kann man wenn man tot ist.
ADAMIhr seid gestern hier eingezogen.
CHARLOTTEDas haben Sie aber scharf beobachtet.
ADAMWo kommt ihr her.
CHARLOTTENeugierig sind Sie ja nicht gerade.
ADAMMan wird doch wohl noch fragen dürfen.
CHARLOTTEMan wird doch wohl nicht antworten dürfen.
ADAMIch würde hier als junge Frau nicht so nachts auf der Straße. Hier ist schon mal jemand überfallen worden.
CHARLOTTEUnd haben Sie da auch am Fenster gesessen und sich gefreut. Endlich mal was los hier geil.
ADAMUnd deine Mutter.
CHARLOTTEWas.
ADAMIst ihr egal dass du hier die ganze Nachbarschaft zusammenbrüllst.
CHARLOTTEJa.
ADAMKannst du aufhören mit diesem Kaugummi.
CHARLOTTENein.
ADAMGeh jetzt weg da.
CHARLOTTEWarum.
ADAMIch will dich nicht mehr sehen.
CHARLOTTEIch kann hier so lange bleiben wie ich will.
ADAMKsch.
CHARLOTTEMachen Sie halt Ihr Fenster zu.
ADAMWas ich mit meinem Fenster mache geht dich gar nichts an.
CHARLOTTEIst ja gut.
ADAMBauch rein Brust raus Ohren auf Durchzug und die Nase in den Wind. So hat Adam das immer gemacht. Man darf sich nicht beschweren. Darf man nicht.
JANNIKSie steht auf dem Pausenplatz. Steht da und guckt zu wie die Leute an ihr vorbei in den Haupteingang strömen. Ich seh sie nur leicht angeschnitten im Profil. Von hinten links. Aber das reicht. Ich hab nicht gewusst dass man so stehen kann. Sie sieht aus als wär sie gekommen um die Schule einzunehmen. Roald Amundsen kurz bevor er seine Flagge in den Südpol rammt. Dass man so stehen kann. Bin ich der Einzige der das merkt. Ich kann gar nicht anders. Ich bleib stehen und seh ihr zu. Bis es läutet. Bis nur noch sie und ich auf dem Pausenplatz stehen. Ich komme zu spät. Ich bin noch nie zu spät gekommen. Aber ich weiß dass ich mich nicht von der Stelle bewege solange sie da steht. Ich kann sie riechen. Sie riecht gut. Sie riecht nach.
CHARLOTTEÄh.
JANNIKWaschmittel. Waschmittel und Zigaretten und.
CHARLOTTEHallo.
JANNIK–
CHARLOTTECharlotte. Elf A.
JANNIKJa.
CHARLOTTEJa was.
JANNIK-
CHARLOTTEAha. Na vielleicht fällt es dir ja später wieder ein.
JANNIKJannik. Ich heiße Jannik.
ADAMAdam sitzt am Fenster. Die Sonne geht auf. Die Leute kommen aus ihren Häusern und sehen sehr wichtig aus. Sie gehen nach links oder nach rechts. Es würde ihnen nicht einfallen aus dem Haus zu gehen ohne zu wissen wo sie hin wollen. Sie sitzen auch nicht am Fenster. Adam ist ihnen wohl unangenehm. Manchmal gucken sie hoch zu ihm und verziehen das Gesicht. WAS GIBTS DENN DA ZU GUCKEN. EIN ALTER MANN SITZT AM FENSTER UND LANGWEILT SICH. WEITERGEHEN. GIBT NICHTS ZU GUCKEN. WEITERGEHEN. HIER JETZT. EINFACH WEITERGEHEN. HIER GIBTS NICHTS.
ADAMDu schon wieder.
CHARLOTTEIch rauch nur schnell eine.
ADAMDeine Mutter ruft dich.
CHARLOTTEHeute war mein erster Schultag hier.
ADAMUnd.
CHARLOTTENichts.
ADAMHast du es überlebt.
CHARLOTTESieht so aus.
ADAMDeine Mutter ruft dich.
CHARLOTTEWeiß ich.
ADAMWarum antwortest du ihr nicht.
CHARLOTTEHaben Sie kein eigenes Leben.
ADAMNein.
CHARLOTTEDann denken Sie sich eines aus.
ADAMDu sitzt unter meinem Fenster.
CHARLOTTEIch komm schon Mama.
JANNIK