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Geheime Teigtaschen-Mission
Der Zwerghamster Hamza Backentasche ist verzweifelt: Seine Familie, zu der die beiden Menschen-Kinder, Sonia und Luki, sowie ihre Mutter Amina gehören, ist vor Kurzem aus einem fernen Land in die Hamburger Deichstraße gezogen. Doch ihre Vermieterin mag keine Haustiere, und als sie Hamza entdeckt, kündigt sie ihnen die Wohnung … Mutter Amina, eine hervorragende Köchin, die in ihrer Heimat für ihre köstlichen Teigtaschen berühmt gewesen ist, weiß nicht weiter. Keine Frage: Hier können nur die Muskeltiere helfen, brauchen aber auch eine ordentliche Portion Glück! Picandous Begeisterung für ausgefallene Briefmarken spielt dabei eine Rolle, auch ein Junge, dessen Vater Koch beim Bundespräsidenten ist, sowie der Bundespräsident selbst, der in Berlin ein Schloss hat. Deshalb müssen die Muskeltiere und die Kinder nach Berlin reisen, zusammen mit den fliegenden Teigtaschen …
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Seitenzahl: 139
Veröffentlichungsjahr: 2025
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© 2025 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 Mü[email protected](Vorstehende Angaben sind zugleichPflichtinformationen nach GPSR.)Alle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: Lena EllermannUmschlagillustration: Ute Krauseck · Herstellung: UKSatz: Lena Ellermann, PotsdamReproduktion: Lorenz+Zeller GmbH, Inning a.A.
ISBN 978-3-641-32593-0V001
www.cbj-verlag.de
Inhalt
01 Briefmarken und ein verwöhntes Gör
02 Eine erstaunliche Begegnung
03 Was ist mit Herrn Backentasche?
04 Die Befreiung
05 Eine unglückliche Begegnung
06 Hamza Backentasche erzählt
07 Frau Ehrfurchts Nagelphobie
08 Picandous großartige Idee
09 Ein Hamster wie Hamza
10 Die Kok-Piraten
11 Familientag
12 Noch ein Plan
13 Das Geheim-Rezept
14 Was nun?
15 Teigtaschen und eine Überraschung
16 Bens Plan
17 Eine Tüte voller Taschen
18 Berlin, Berlin!
19 Ein Schloss mit »B«
20 Friedrich der Kleene
21 Dreißig Köche, dreißig Väter
22 Alles wird gut
23 Die Briefmarke des Präsidenten
Kapitel 1
Briefmarken und ein verwöhntes Gör
Mäuserich Picandou Camembert Saint Albray konnte sein Glück nicht fassen. Gleich vier Umschläge mit den allerherrlichsten Briefmarken hatte er zufällig in der Papiertonne neben Frau Fröhlichs Feinkostgeschäft entdeckt. Und er hatte auch gleich eine Idee, was er damit anstellen würde.
Es ist dringend nötig, dass wir unsere Höhle mal wieder aufhübschen, murmelte er vor sich hin. Das ist die perfekte Gelegenheit!
Er schleppte die Umschläge, die mindestens fünfmal so groß waren wie er selbst, durchs Abflussrohr, den Geheimgang der Muskeltiere, und bugsierte sie ins Waschbecken im Keller.
Dann machte er den Stöpsel zu, ließ etwas Wasser ins Becken laufen und weichte die Briefumschläge ein. Nachdem er die Marken abgelöst und getrocknet hatte, trug er sie zur Mäusehöhle unter der Kellertreppe, wo er feierlich verkündete: »Zeit, die Wohnung schick zu machen.«
»Oha«, rief Mäuserich Pomme de Terre verblüfft, als er die Marken in Picandous Pfoten sah.
»Ausgezeichnete Idee«, lispelte Hamster Bertram und sah zu, wie der wohlbeleibte Mäuserich sich an die Arbeit machte. Eifrig hängte er seine neuen Bilder auf, hängte sie um und hängte sie nochmals um.
»Hübsch«, sagte Rattendame Gruyère, als er fertig war. »Damit ist die Höhle gleich noch viel schöner.«
Doch das war leider erst der Anfang, denn ab jetzt durchforstete der Mäuserich allabendlich alles, was einer Papiertonne im Entferntesten ähnelte. Und jeden Abend schleppte er weitere Schätze in die Mäusehöhle.
Anfangs freuten sich seine Freunde über die neuen Bilder. Doch als die Wände immer voller wurden und der Mäuserich trotzdem nicht aufhörte, neue Briefmarken anzuschleppen, wurden sie unruhig. Mit wachsender Sorge beobachteten sie, wie Picandou pausenlos durch die Höhle turnte – für seine Verhältnisse fast sportlich – und dabei die Marken von links nach rechts schleppte und wieder von rechts nach links.
»Sag mal, Jongchen, hassu langsam nich genug?«, näselte Pomme de Terre eines Abends. Draußen vor dem Kellerfenster war es schon lange hell. »Man erkennt ja die eigene Höhle kaum wieder.«
Er betrachtete die Wände, die inzwischen bis auf den letzten Zentimeter mit Briefmarken zugeklebt waren.
»Wie kannst du so etwas sagen?«, erwiderte Picandou empört. »Ich plage mich seit Tagen und Wochen für euch ab, mache alles schön, und statt dankbar zu sein, beschwerst du dich!«
Die Freunde wechselten alarmierte Blicke. War der graue Mäuserich völlig durchgeknallt? Aus dem Feinkostgeschäft drangen die Stimmen von Frau Fröhlich, Margarethe und den Kunden. Normalerweise schliefen die Muskeltiere um diese Zeit längst, aber seit Picandous Briefmarken-Fimmel war an Schlaf kaum mehr zu denken.
Gruyère gähnte mehrmals betont, aber das schien Picandou nicht zu stören. Pomme de Terre, der gerade die Augen schließen wollte, bemerkte entsetzt, wie der graue Mäuserich gerade das Bild von ihrer geliebten Traviata mit einer neuen Marke überklebte.
Das ging nun doch zu weit, denn auf dem wunderschönen Kreuzfahrtschiff hatten die Muskeltiere spannende Abenteuer erlebt.
Pomme de Terre setzte sich auf und rief: »Du kannst doch unsere Traviata nich durch diesen alten Eierkopp ersetzen!«
»Dieser alte Eierkopp passt aber farblich viel besser zu unseren Möbeln«, erwiderte Picandou verschnupft. »Außerdem finde ich das Schiff inzwischen langweilig!«
Auch Bertram protestierte, doch als sein Blick auf die Marke in Picandous Pfoten fiel, stutzte er. Nicht über den Kopf des Mannes, den Picandou unbedingt an die Wand hängen wollte, sondern über das, was darunter geschrieben stand.
»Dieser alte Eierkopp, wie ihr ihn nennt, ist immerhin unser Präsident«, lispelte er.
»Unser was, bitte?«, fragte Pomme de Terre.
»Na, der Präsident von Deutschland.«
»Von mir aus kann er der Ober- und Unter-Präsi-dings von Sankt Pauli sein, aber er verdeckt mir nich unsere Traviata«, entgegnete der braune Mäuserich entschieden.
»Was bitte schön ist ein Präsi-dings-von-Deutschland?«, fragte Gruyère aus ihrer Camembertschachtel.
»Er ist sozusagen der Chef von uns allen«, erklärte Bertram. »Tassilo hatte da mal eine Hör-CD…«
Pomme de Terre winkte ab. »Unsinn, niemand is mein Chef.«
»Ist er aber. Das ist sein Job.«
»Wie? Wat heißt hier sein Job?«
Bertram versuchte sich an das zu erinnern, was er damals gehört hatte. »Na ja, er muss sich um uns alle kümmern.«
»Das ist doch unmöglich«, erwiderte Picandou und betrachtete den Mann auf der Marke.
»Doch, doch. Das ist seine Aufgabe.«
»Seine einzige Aufgabe?«, fragte Gruyère.
Bertram überlegte. »Na ja, er muss auch viele Hände schütteln und Leute zum Essen einladen und so.«
»Den Job hätte ich auch gerne«, seufzte Picandou.
»Du kannst dich ja bewerben, das kann jeder«, erwiderte Bertram. »Eine Maus als Präsident, das wäre doch mal was.«
Pomme de Terre winkte ab. »Häng dein Präsi-dingsda lieber über die Frau mit dem komischen Hut. Und dann gib endlich Ruh«, knurrte er und deutete auf eine Briefmarke mit einer ägyptischen Königin. »Ein Herr Eierkopp über ’ne Frau Eierkopp. Dat is doch ’ne feine Sache.«
»Er ist kein Herr Eierkopp«, korrigierte Bertram, »sondern wie gesagt – der Präsi–«
Weiter kam er nicht, denn oben im Laden schimpfte Margarethe laut: »Er hat es schon wieder getan!« Sie hörten, wie sie die Ladentür aufriss. »Dieses Gör! Hey, heb das gefälligst sofort auf!«, brüllte sie.
Die Muskeltiere blickten erschrocken zur Decke.
»Ich schau mal lieber nach.« Pomme de Terre flitzte aus der Höhle und dann die Kellertreppe hinauf. Vorsichtig spähte er durch die angelehnte Tür. Margarethe stand am Schaufenster. So wütend hatte er sie selten gesehen.
»Er hat schon wieder sein Eispapier vor unser Haus geschmissen«, rief sie Frau Fröhlich zu. »Obwohl ich ihm x-mal hinterhergerufen habe. Sogar einen Mülleimer habe ich hingestellt.«
»Kinder sind eben Kinder«, erwiderte Frau Fröhlich, die hinter der Theke eine köstliche Käselieferung auspackte.
»Ach was! Das ist einfach rücksichtslos. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder macht, wozu er Lust hat. Stell dir vor, ich würde im Bikini zur Arbeit kommen, nur weil ich Lust dazu habe.«
»Das wäre allerdings eine Sensation«, rief Frau Fröhlich vergnügt.
Als er in die Höhle zurückkehrte, berichtete Pomme de Terre, was er gehört hatte. »Die arme Margarethe ist ziemlich von der Rolle!«, näselte er. »Dat is nich gut für ihre Nerven. Wahrscheinlich sollte man dat Kerlchen mal ordentlich auf’n Pott setzen.«
»Sollte man, wenn man weiß, um wen es sich handelt«, erwiderte Picandou.
»Dat weiß ich doch. Den hab ich sofort wiedererkannt«, antwortete der braune Mäuserich. »Der gehört zu der neuen Familie, die ein paar Häuser weiter auf der anderen Straßenseite eingezogen is.«
»Wenn das so ist«, Bertram hob ein Krällchen, »dann schreibe ich ihm sofort eine Mahnung. Damit das Ganze ein Ende hat.«
Pomme de Terre runzelte die Stirn. »Du glaubst im Ernst, dass der auf einen Brief von dir hört?«
Bertram ließ sich nicht beirren. »Lasst euer Backenbärtchen nur machen«, lispelte er.
Und gleich am nächsten Abend, nachdem sie im Müllsack gespeist hatten, dichtete er, nach etlichen Versuchen, eine aus seiner Sicht ausgezeichnete Mahnung. Feierlich las er sie vor:
»Und dat soll wirken?«, fragte Pomme de Terre zweifelnd.
»Natürlich«, erwiderte der Hamster und bestand darauf, die Nachricht dem Jungen noch am selben Abend zu bringen. Sie bugsierten sie durchs Abflussrohr und trugen sie zwei Häuser weiter auf die andere Straßenseite. Dort legten sie sie vor der Haustür ab und beschwerten sie mit ein paar Kieselsteinen.
Bertram wirkte äußerst zufrieden und rieb sich die Pfoten. »So, ab nach Hause! Denn hiermit ist Margarethes Problem gelöst.«
Keiner widersprach, denn niemand hatte Lust, sich auf eine Diskussion mit dem Hamster einzulassen. Wenn der sich im Recht fühlte, redete er jeden in Grund und Boden.
Plötzlich aber blieb Picandou wie elektrisiert stehen, denn neben dem Hauseingang stand eine weitere überquellende Papiertonne, deren Bekanntschaft er noch nicht gemacht hatte. Über den Rand lugte ein Umschlag mit der außergewöhnlichsten Briefmarke, die er je gesehen hatte.
Freudig hüpfte er auf die Kartons zu, die neben der Tonne gestapelt waren und eine Art Treppe bildeten. Er hatte die erste Kiste bereits erklommen, als Gruyère ihn am Schwanz packte.
»Hiergeblieben«, sagte sie streng und nahm seine Pfote. »Es ist schon viel zu spät.« Sie deutete zum Himmel, wo ein erster rosa Lichtstreif zu sehen war.
»Aber da ist eine Marke, die muss ich unbedingt haben!«
»Das kannst du morgen erledigen«, erwiderte Bertram und ergriff seine andere Pfote.
Picandou protestierte heftig, doch die Freunde schleiften den schimpfenden Mäuserich zurück in die Mäusehöhle. Ohne neue Briefmarken würden sie nun endlich ungestört schlafen können.
Kapitel 2
Eine erstaunliche Begegnung
Picandou aber ließ der Gedanke an die wunderschöne Briefmarke keine Ruhe. Morgen ist die Tonne vielleicht schon geleert, dachte er, während er sich unruhig in seiner Sardinendose wälzte. Dann ist die schöne Marke für immer und ewig verloren, dachte er. Und wer weiß, was in diesem gigantischen Papierkorb noch alles für Schätze schlummern!
Je mehr er darüber nachdachte, desto unruhiger wurde er. An Schlaf war nicht mehr zu denken, und nachdem er sich versichert hatte, dass die Freunde alle leise vor sich hin schnarchten, kletterte er durch den Geheimgang im Waschbecken nach draußen.
Noch war es früher Morgen und zum Glück niemand unterwegs; er erreichte ohne Zwischenfälle die Tonne und kletterte leichtfüßig die Kartons nach oben.
Ein freudiger Schauer durchfuhr seinen kleinen Körper, als er das Papier-Paradies betrat und nicht nur einen, sondern gleich mehrere Umschläge mit den allerprächtigsten Briefmarken entdeckte. So schöne hatte er nie zuvor gesehen. Er beglückwünschte sich zu seiner klugen Entscheidung und musste bloß noch überlegen, wie er die schweren Umschläge nach Hause kriegen sollte.
Aber auch dieses Problem hatte er schnell gelöst: Er würde um die Marken herumnagen. Ohne das Gewicht der schweren Umschläge würden sie leicht zu transportieren sein. Die anderen würden sicher staunen und endlich aufhören, dauernd zu nörgeln. Jawohl! Selbst wenn es keinen Platz mehr an den Wänden gab, so gab es doch reichlich Platz an der Decke. Das wäre was, wenn man die neuen Bilder vom Bett aus bewundern könnte! Er konnte es kaum erwarten. Er würde gemütlich in seiner Sardinendose liegen und sie alle vor sich haben, ohne den Kopf heben zu müssen. Er nagte die erste Marke an den Rändern entlang ab und kam gut voran, doch plötzlich ging die Haustür neben der Tonne auf. Hastig versteckte sich der Mäuserich hinter einem Karton und sah, wie ein Kind in Kapuzenjacke auf die Straße trat. Es trug eine Tasse, die es hinter der Tonne absetzte, dann verschwand es wieder im Haus.
In dem Moment bemerkte Picandou, dass sich der Himmel zugezogen hatte. Ein dicker Tropfen platschte auf seine Nase. Es folgten ein zweiter, ein dritter und dann sehr, sehr viele. Es war höchste Zeit, dass er nach Hause kam.
Schnell beendete er seine Arbeit, schob die Marken über den Rand der Tonne und kletterte hinterher. »Eine äußerst erfolgreiche Mission«, murmelte er zufrieden. Fünf Bilder hatte er ergattert!
Während er sie einsammelte, bemerkte er plötzlich einen Rauchkringel, der hinter der Papiertonne hervorkam. Der Kringel verwandelte sich zu Picandous Verwunderung langsam in ein Fragezeichen. Das musste er sich genauer ansehen.
Vorsichtig spähte er um die Ecke. Hinter der Tonne, in der Teetasse, die das Kind herausgetragen hatte, saß ein winziger Hamster auf einem winzigen Kissen und zog an einer klitzekleinen Wasserpfeife. Picandou traute seinen Augen nicht – der Fremde sah aus wie eine Miniatur-Ausgabe von Bertram.
Der Hamster hatte Picandou bemerkt. »Erfreut«, murmelte er und neigte den Kopf. »Mögen die Engel Euch beschützen.« Er räusperte sich. »Hamza Backentasche.«
»Wie bitte?«
»Backentasche. Hamza Backentasche«, wiederholte der Hamster, der einen leichten Akzent hatte und sehr schnell sprach. »Roborowski-Zwerghamster,, verwandt mit dem Syrischen Hamster, auch Goldhamster genannt.«
»Aber warum sitzen Sie in einer Teetasse?«, wollte Picandou wissen.
Der Hamster paffte nachdenklich an seinem Wasserpfeifchen. »Ich träume von einer besseren Welt«, sagte er schließlich.
»In einer Teetasse?!«
»Die ist genauso gut geeignet wie jeder andere Ort auch.«
»Aber ist das nicht ein bisschen ungemütlich? Ich meine, bei dem Wetter …« Picandou deutete zum Himmel, aus dem weitere Tropfen herabfielen.
»Ja, schon. Doch leider muss ich ein Weilchen hier ausharren.« Der Hamster zog wieder an seinem Wasserpfeifchen und blinzelte Picandou freundlich zu. »Machen Sie sich bitte keine Gedanken. Es gibt Schlimmeres.«
Plötzlich verwandelte sich der Regen in einen Wolkenbruch. Innerhalb von Sekunden waren Hamster und Maus völlig durchnässt.
»Hören Sie, Herr Backenflasche …«
»Backentasche«, korrigierte der Hamster.
»Herr Backentasche – ich muss los. Ich hole mir sonst eine saumäßige Erkältung.«
»Erkältung. Ja, das kann ich mir vorstellen.« Herr Backentasche zog einen Schal – oder eher ein Schälchen, so winzig, wie er war – zwischen den Kissen hervor und bot ihn Picandou an. »Bitte nehmen Sie. Dann bekommen Sie keine Halsschmerzen.«
»Ähm … das ist sehr nett«, erwiderte Picandou gerührt. »Aber das kann ich nicht annehmen.« Er bemerkte, dass der Regen die Tasse bereits bis zum Rand gefüllt hatte. Das Kissen und der kleine Hamster schwammen darauf umher.
»Sie können hier unmöglich bleiben«, fügte er hinzu. Die Briefmarken wogen inzwischen schwer in seinen Pfoten, denn auch sie waren völlig durchnässt.
»Wissen Sie was«, schlug er vor. »Ich könnte ein bisschen Hilfe beim Tragen gebrauchen. Würden Sie so freundlich sein, mir unter die Arme zu greifen?«
Der Hamster zögerte. »Im Prinzip würde ich das gerne tun … Aber ich kann leider nicht weg. Was, wenn meine Kinder merken, dass ich nicht mehr da bin?«
»Ich wohne gleich da drüben.« Picandou zeigte aufs Feinkostgeschäft. »Und wenn der Regen aufhört, bringe ich Sie zurück. Sie könnten sich bei uns ein wenig aufwärmen und ich wäre Ihnen natürlich sehr dankbar. Meine Bilder lassen sich nämlich kaum noch anheben.«
Worauf der Hamster sein Wasserpfeifchen in die eine Pfote nahm und mit der anderen die Briefmarken heben und tragen half. Er staunte nicht schlecht über den Geheimgang, aber am allermeisten beeindruckte ihn die mit Schwammbett und Sardinendosen eingerichtete Mäusehöhle.
»Oh, là là!« Er flüsterte, um die Schlafenden nicht zu stören.
»Schön haben Sie es hier. Und diese hübschen Bilder! Äußerst geschmackvoll!«
Er deutete auf die Marken, die sich durch den Regen bereits vom Papier lösten. »Soll ich Ihnen beim Aufhängen helfen? Ich liebe es, Räume einzurichten!«
Picandou strahlte und nickte und konnte sein Glück über diese erfreuliche Begegnung kaum fassen. Sie mussten allerdings sehr leise sein, denn wenn einer der anderen aufwachte, gab es sicher Ärger.
Aber es wachte zum Glück niemand auf.
Gruyère seufzte einmal kurz, Pomme de Terre lachte über etwas im Traum, und Bertram schnarchte wie immer so laut, dass sie in aller Ruhe die Bilder an die Höhlendecke kleben konnten.
Andächtig betrachteten sie ihr Werk.
»Super Idee«, murmelte der kleine Hamster. »Und super-superschön.«
»Nicht wahr?« Picandou seufzte selig. Endlich war er jemandem begegnet, der seine Arbeit zu schätzen wusste. »Also, wenn ich Ihnen auch einmal behilflich sein kann …«, flüsterte er und bot Herrn Backentasche an, die Sardinendose mit ihm zu teilen, bis der Regen aufgehört hatte.
Hamza zögerte kurz, murmelte etwas über seine Kinder, aber dann willigte er ein. Es war zwar eng in der Dose, aber irgendwie auch kuschelig und der Hamster schloss sofort die Augen.
Eigentlich hatte Picandou noch immer nicht erfahren, wieso der Zwerghamster in einer Teetasse wohnte und warum das Kapuzenkind den Hamster vor die Tür gesetzt hatte. Konnte es sein, dass das der Papierwerfer war? Und was war mit Hamzas Kindern, derentwegen er sich solche Sorgen machte?
Fragen über Fragen. Aber Picandou war zu erschöpft, um nachzuhaken. Das würde er nachholen, wenn sie sich ein wenig ausgeruht hatten.
Kapitel 3
Was ist mit Herrn Backentasche?