Die, my love - Ariana Harwicz - E-Book

Die, my love E-Book

Ariana Harwicz

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Beschreibung

Ein Leben mit Mann und neugeborenem Sohn in der französischen Provinz. Was für andere Frauen gemütliches, sonnendurchflutetes Glück bedeuten würde, verstört die Erzählerin dieses Romans. Natürlich möchte sie eine gute Mutter, eine liebevolle Partnerin sein – und stellt doch fest, dass ihr diese Normalität nichts bedeutet. Mordfantasien, wirre Träume und Bilder suchen sie heim. Ariana Harwicz fasst ihre emotionale und geistige Achterbahnfahrt, voll sarkastischer Geistesblitze und magisch-dunkler Traumbilder, in eine irrlichternd schöne, messerscharf und hellsichtig pointierte Sprache und rechnet mit unserem Ideal von Mutterglück ab. Dieser Roman ist eines der Bücher, von denen Franz Kafka sprach, als er Literatur die "Axt für das gefrorene Meer in uns" nannte.

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Veröffentlichungsjahr: 2019

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Ariana Harwicz

Stirb doch, Liebling

Roman

Aus dem Spanischenvon Dagmar Ploetz

C.H.Beck

Zum Buch

Landlust und Mutterglück – für die namenlose Erzählerin in «Stirb doch, Liebster» erweisen sich diese Vorbedingungen ihres neuen Lebens mit Mann und Sohn in der französischen Provinz als zutiefst verstörend. Sie möchte schon eine gute Mutter, eine liebevolle Gefährtin sein – und stellt doch fest, dass ihr eine gemütliche, fröhliche und sonnenbeschienene Normalität nichts bedeutet. Mordfantasien, sexuelle Träume und Bilder suchen sie heim, sie irritiert ihren Mann und ihre Freunde, schläft mit dem Nachbarn und hadert gleichzeitig mit ihrer Empfindung, sich weder passend zu verhalten noch passend zu fühlen. Diese emotionale und geistige Achterbahnfahrt, voll sarkastischer Geistesblitze und magisch-dunkler Traumbilder, fasst Ariana Harwicz in eine irrlichternd schöne, messerscharf und hellsichtig pointierte Sprache, die oft mit der von Sylvia Plath oder Clarice Lispector verglichen wird. Dieser Roman ist eines der Bücher, von denen Franz Kafka sprach, als er sie «die Axt für das gefrorene Meer in uns» nannte.

Über die Autorin

Ariana Harwicz, geboren 1977 in Buenos Aires, ist eine der wichtigsten Autorinnen Argentiniens und lebt in Frankreich. Sie studierte Film- und Theaterwissenschaften in Argentinien und Performance und Komparatistik und ist Dokumentarfilmerin und Schriftstellerin. «Stirb doch, Liebling» machte sie schlagartig international bekannt und wurde von der argentinischen Zeitung «La Nación» als Roman des Jahres ausgezeichnet.

Über die Übersetzerin

Dagmar Ploetz, geboren 1946 und in Argeninien aufgewachsen, Lektorin, Autorin und Übersetzerin, hat u.a. Werke von Gabriel Garçía Márquez, Juan Marsé, Rafael Chirbes, Juan Rulfo und Valeria Luiselli übersetzt. Für C.H.Beck übersetzte sie von Julian Ayesta «Helena oder Das Meer des Sommers» (2004).

Inhalt

ICH LEGTE MICH AUF DAS GRAS

ICH SITZE BEIM KIND

WENN MEIN MANN AUF REISEN GEHT

BEI MEINER LETZTEN ERINNERUNG

DER ORT MEINER ERSTEN ERINNERUNG

JETZT SPRECHE ICH WIE ER. ICH BIN ER, DENKE AN SIE, UND MEIN MUND WIRD TROCKEN.

WIE HÄTTEST DU ES GERNE

DIE NACHT STAND HOCH

ICH SITZE AM TISCH

IN DER STADT GEHEN DIE LEUTE AN REGENTAGEN

MIT DER EINEN HAND HALTE ICH MEINEN KLEINEN

ÜBER MIR DAS TÜRKIS VON GRÜNSPAN

DAS ALLES HATTE ZWEI SIMULTANE ANFÄNGE

SEIT TAGEN BEHANDELN SIE MEINE SCHNITTWUNDEN

AUS DEM BODEN HABE ICH TAUSEND UND EIN MAL

UNWICHTIG, DASS DER GANZE VORMITTAG

UND DANN ERLEBTE ICH

WENN ES SO ETWAS WIE LEVITATION GIBT

DAS BABY WAND SICH WEINEND

DAS TELEFON LÄUTETE

ICH ERINNERE, WAS NICHT DA IST

JETZT BIN ICH ES, DIE IHM NACHSPIONIERT

UND ER STIEG MITTEN IN DER NACHT AUS DEM SCHMALEN BETT

JETZT SIND ES SCHON FÜNF WOCHEN

PUNKT SIEBEN

KAUM WAREN WIR VOM WOCHENENDE AUFGEWACHT

ICH WOLLTE ALLES SCHNELL ZU ENDE BRINGEN

SIE WACHTE AUF UND SAH IHREN MANN

GERADE ALS ICH DEN ABHANG ZUM WALD ERREICHE

ICH WILL AUFS KLO

NIE BIST DU COO

ICH BENUTZE SEINE SCHLAFENDE HAND, UM MICH ZU BERÜHREN

DIE WILDEN BLUMEN

JEDES MAL, WENN MEIN MANN MICH STÖSST

ABER ER IST AUCH KEIN IDIOT

HEUTE WIRD DER CHAMPAGNER AUS KELCHEN GETRUNKEN

ICH WAR EIN WEISSES KLEID

APATHISCH UND MIT GELBEN SHORTS

AM ERSTEN MORGEN

BIS DU MIR NICHT SAGST, WAS PASSIERT IST

ER VERSCHWAND, UND ICH BLICKTE AUF DEN PARK

DIE BEIDEN STANDEN MIT DEN TASCHEN

ICH MUSSTE IHN IN GEDANKEN WIEDERBELEBEN

DAS LEBEN FLIESST NICHT

ICH WACHTE AUF

DAS HAUS WAR SCHÖN DEKORIERT

ICH LEGTE MICH AUF DAS GRAS zwischen umgestürzten Bäumen, und die Sonne, die auf meiner Handfläche brannte, gab mir das Gefühl, ein Messer zu halten – ein flinker Schnitt in die Halsschlagader, und ich werde verbluten. Hinter mir, vor der Kulisse eines leicht heruntergekommenen Hauses, hörte ich die Stimmen von meinem Sohn und meinem Mann. Beide nackt, planschten sie in dem blauen Plastikbecken, das Wasser bei fünfunddreißig Grad. Es war der Sonntag vor einem Feiertag. Ich lag wenige Schritte von ihnen entfernt, im Gestrüpp versteckt. Ich belauerte sie. Wie konnte es sein, dass ich, eine schwache, gestörte Frau, die von einem Messer in der Hand träumte, Mutter und Ehefrau dieser beiden Wesen war? Was würde ich tun? Ich verbarg meinen Körper, presste mich in die Erde. Töten würde ich sie nicht. Ich ließ das Messer fallen. Ging die Wäsche aufhängen, als ob nichts sei. Klammerte die Socken meines Kleinen und meines Mannes ordentlich fest. Die Unterhosen und die Hemden. Ich sah mich als harmlose Landfrau, die Wäsche aufhängt und sich die Hände am Rock trocknet, bevor sie in die Küche geht. Sie haben nichts gemerkt. Das Wäscheaufhängen war ein Erfolg. Ich legte mich wieder zwischen die Baumstämme. Es wird bereits das Holz für die nächste Saison gefällt. Die Menschen hier bereiten sich wie die Tiere auf den Winter vor. Nichts unterscheidet die einen von den anderen. Sogar ich, gebildet und studiert, bin tierischer als diese todgeweihten Füchse mit dem rot eingefärbten Kopf und einem Stock, der ihr Maul sperrangelweit öffnet. Ein paar Kilometer weiter hat mein Nachbar Frank, der erste von sieben Brüdern, sich letztes Weihnachten mit dem Jagdgewehr einen Schuss in den Hintern gesetzt. Eine feine Überraschung für die Schar seiner Sprösslinge. Der Typ hat die Tradition fortgesetzt. Selbstmord mit dem Jagdgewehr beim Ururgroßvater, beim Urgroßvater, Großvater und Vater; das Mindeste, was man sagen konnte: Er war an der Reihe. Und ich? Eine normale Frau, aus einer normalen Familie, aber exzentrisch, vom Weg abgekommen. Mutter eines Kindes und, wer weiß das jetzt schon, mit einem weiteren unterwegs. Vorsichtig schob ich meine Hand in die Unterhose. Und ausgerechnet ich soll über die Erziehung meines Sohnes wachen. Mein Mann ruft mich zu einem Bierchen in die Pergola, fragt, ob dunkel oder hell. Das Baby hat sich offenbar vollgeschissen, und ich muss ihm eine Torte zum Monatstag kaufen. Bestimmt backen andere Mütter die selbst. Sechs Monate, sagen sie, ist nicht dasselbe wie fünf oder sieben. Immer, wenn ich das Kind anschaue, erinnere ich meinen Mann hinter mir, wie er fast auf meinem Rücken abspritzt, als ihm plötzlich einfällt, mich umzudrehen und einzudringen, in letzter Sekunde. Hätte er nicht diese Eingebung gehabt, hätte ich die Beine zusammengepresst, hätte ich mir seinen Schwanz gegriffen, müsste ich jetzt nicht zur Bäckerei gehen, um Kerzchen und eine Creme- oder Schokoladentorte zu kaufen. Schon ein halbes Jahr. Die anderen sagen gleich nach dem Gebären, ich kann mir mein Leben ohne das Kind nicht mehr vorstellen, als wäre es schon immer da gewesen. Pfff. Ich komm schon, Liebling! Ich möchte schreien, versinke aber noch tiefer in der rissigen Erde. Ich möchte knurren, blöken, lasse mich stattdessen von den Mücken stechen, die sich an meiner zuckrigen Haut laben. Die Sonne wirft den silbrigen Reflex des Messers in meiner Hand zurück und blendet mich. Der Himmel ist rot, violett, zittert. Ich höre, wie sie mich suchen, das vollgeschissene Baby, mein nackter Mann. Ma-ma, ta-ta, kak-ka. Mein Baby spricht, die ganze Nacht durch. Co-co-na-na-ba-ba. Da sind sie. Ich lasse das Messer auf der versengten Wiese liegen, ich hoffe, dass es, wenn ich es finde, nach einem Seziermesser, einer Feder, einer Nadel aussieht. Erhitzt stehe ich auf, gestört von dem Kribbeln zwischen meinen Beinen. Hell oder dunkel? Was du willst, Liebling. Wir gehören zu diesen Paaren, die das Wort «Liebling» mechanisch verwenden, selbst wenn sie sich hassen: Ich will dich nicht mehr sehen, Liebling. Bring mir ein Helles, sage ich mit meinem Akzent. Ich komm schon, sage ich, und bin eine falsche Frau vom Lande mit einem roten, gepunkteten Rock und gespleißtem Haar. Und ich bin eine Frau, die sich gehen lässt, Karies hat und nicht mehr liest. Lies doch, du Idiotin, sage ich mir, lies einen Satz flüssig herunter. Hier sitzen wir drei zusammen, für ein Familienfoto. Lass uns auf das Glück des Babys anstoßen, und wir trinken unser Bier, auf seinem Stühlchen kaut mein Sohn an einem Blatt. Ich fahre ihm mit den Fingern in den Mund, und er kreischt, beißt mich mit seinem zahnlosen Kiefer. Mein Mann will einen Baum pflanzen, auf dass das Baby ein langes Leben hat, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, und grinse wie eine dumme Gans. Merkt er was? Bei all den schönen und gesunden Frauen in der Gegend hat er sich ausgerechnet mit mir eingelassen. Ein klinischer Fall. Eine Ausländerin. Eine, die man als hoffnungslos einstufen müsste. Was für ein schwüler Tag, nicht?, scheint noch länger so zu bleiben, sagt er. Ich trinke in langen Schlucken aus der Flasche, atme durch die Nase und wäre, genau das, am liebsten tot.