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Bevor wir die multiplen globalen Krisen bewältigen können, müssen wir zuerst unsere Paradigmen an den tatsächlichen Gegebenheiten ausrichten. In "Die Natur der Natur" argumentiert die weltbekannte Umweltschützerin und Aktivistin Vandana Shiva, dass Nahrung die Währung des Lebens ist, ein Faden, der durch das Netz allen Lebens gewebt und nicht von der Erde und ihren natürlichen Systemen zu trennen ist. Wenn diese wechselseitige Abhängigkeit unterbrochen wird – wie es jetzt der Fall ist –, entstehen die Bedingungen für die »Stoffwechselstörung« von Klimazerrüttung und zahlloser anderer ökologischer Ungleichgewichte. Die Vorschläge von Big Ag und Big Tech zur Lösung der miteinander verflochtenen Klima- und Ernährungskrise werden beide nur noch verschlimmern. Mit Klarheit und in einer detaillierten Analyse entlarvt Shiva die falschen Versprechungen der technologieorientierten, laborintensiven digitalen Landwirtschaft und deckt die Gefahren auf, die von gefälschten und ultra-verarbeiteten Lebensmitteln ausgehen: Gefahren für die Umwelt und Ursache für den weiteren Anstieg der Treibhausgasemissionen sowie Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und unsere Ernährungssicherheit. In Die Natur der Natur bezieht Shiva kraftvoll Stellung und argumentiert mit Dringlichkeit und Leidenschaft für eine Ernährungs- und Klimazukunft, die nicht auf Techno-Optimismus, Halluzinationen und Konzernwahn beruht, sondern auf der natürlichen Regeneration der Artenvielfalt in Partnerschaft mit der Biosphäre baut. »Man hat sie den ›Getreide-Gandhi‹ genannt, den ›Rockstar‹ der Anti-GVO-Bewegung und eine ›Öko-Kriegsgöttin‹… Vor allem aber ist sie der festen Überzeugung, dass die Lebensmittel, die wir essen, wichtig sind, denn sie machen uns zu dem, was wir sind: körperlich, kulturell und spirituell.« – BBC. »Die Natur der Natur zeigt die unbestreitbaren Zusammenhänge zwischen der globalen Erwärmung und einem überholten Agrarsystem auf und leitet die Menschheit zu einem ökologisch sensibleren Ansatz bei der Lebensmittelversorgung an, bei welchem die Natur als Allgemeingut für alles Leben auf der Erde behandelt wird.« – Jeremy Rifkin, Wirtschaftstheoretiker, Sozialtheoretiker, Schriftsteller und Aktivist.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Vandana Shiva
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1. Auflage 2025
Vandana Shiva
Die Natur der Natur
Die Originalausgabe erschien 2024 bei Women Unlimited Ink, New Delhi unter dem Titel »The Nature of Nature«
© Vandana Shiva 2024
Für die deutsche Ausgabe Neue Erde GmbH, 2025
Alle Rechte vorbehalten.
Übersetzung aus dem Englischen von Andreas Lentz
Umschlag:
Illustration: Neelima Rao
Gestaltung: Neelima Rao und Dragon Design, GB
eISBN 978-3-89060-108-3
ISBN 978-3-89060-886-0
Neue Erde GmbH
Cecilienstr. 29 · 66111 Saarbrücken
Deutschland · Planet Erde
www.neue-erde.de · [email protected]
1. Eine planetarische Krise: der Zusammenhang von Biodiversität, Klima und Ernährung
2. Zwei Paradigmen: Mechanophilie vs. Techniken der Natur
3. Industrielle Landwirtschaft und die Illusion der Ernährungssicherheit
4. Tote Nahrung, toter Stoffwechsel
5. Die Schreckensvision künstlicher Lebensmittel
6. Die Zukunft der Lebensmittel
Danksagung
ANHANG Aktuelle Nachträge zu Kapitel 5 »Die Schreckensvision künstlicher Lebensmittel« vom Verlag
Anmerkungen
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Das Artensterben, die Klimazerrüttung und die Ernährungskrise sind Symptome und Folgen der Gewalt: eines Krieges gegen die Erde und die Erdbewohner, der durch die Gier des 1 % entfesselt wurde. Dieses 1 % beutet aus und hegt ein, verschmutzt eine empfindungsfähige Umwelt und zerstört die Lebensbedingungen auf der Erde, indem es sich die Ressourcen aneignet, welche die Lebensgrundlage der Menschen sind. Das fossile, »versteinerte« Hirngespinst einer »toten« Erde in Verbindung mit einer Wirtschaft der Ausbeutung und Einhegung hat den vielschichtigen Notstand geschaffen, der unsere Zukunft bedroht.
Unser Zeitalter wird häufig als Anthropozän bezeichnet. Ich lehne diesen Begriff ab, denn nicht die gesamte Menschheit ist egoistisch. Nicht der Mensch als Spezies hat die Klimakatastrophe oder das Artensterben verursacht, sondern die ausbeuterische, ungezügelte Handlungsweise des 1 %. Wir haben es nicht mit von der gesamten Menschheit verursachten anthropogenen, sondern mit »kapitalogenen« Auswirkungen der rücksichtslosen Handlungen des 1 % zu tun. Ich verwende den Begriff Anthropozän auch deshalb nicht, weil wir den Anthropozentrismus überwinden und eine Zukunft unter Einbeziehung allen Lebens auf der Erde erreichen müssen. Die Erde ist für alle Lebewesen da, nicht nur für die Menschen.
Das oberste 1 % der Emittenten verursacht über 1.000-mal mehr Umweltverschmutzung als das unterste 1 %. Wie aus dem Oxfam-Bericht 2023 hervorgeht, sind die Kohlenstoffemissionen des 1 % größer als die der ärmsten zwei Drittel der Menschheit.1 Da es sowohl an Verständnis als auch an Wissen über die ökologischen und sozialen Auswirkungen der »Gier-Wirtschaft« mangelt und die wirklichen Lösungen für die ökologischen Probleme verkannt werden, führt die eigentlich mehrheitliche Ablehnung der Herrschaft des 1 % zu einer Leugnung der schwerwiegenden ökologischen Krisen, die nicht nur das menschliche, sondern das gesamte Leben bedrohen.
Klimakatastrophen verstärken die zerstörerischen Auswirkungen des Kolonialismus mit all seinen Fehlentwicklungen; Profit wird über Natur und Menschen gestellt. Durch Greenwashing entsteht ein neuer »grüner« Kolonialismus, wobei eine komplexe, zusammenhängende ökologische Krise in einzelne, unzusammenhängende Krisen und eindimensionale Symptome aufgespalten wird. So kommen wir unversehens zu falschen Lösungen, die nur zu mehr Profit und einer größeren Kontrolle über die Erde, ihre Ressourcen und unser Leben führt.
Es sind die Länder des Südens, die den höchsten Preis für die ökologische Zerstörung zahlen, obwohl sie am wenigsten dazu beigetragen haben. Sie bekommen die schlimmsten Auswirkungen von Überschwemmungen und Dürren, Wirbelstürmen und Hitzewellen zu spüren. Ich habe in Gemeinden gearbeitet, die vom Super-Zyklon in Odisha 1999 betroffen waren, bei dem 10.000 Menschen ihr Leben verloren, ebenso wie in Gemeinden, die von der Kedarnath-Katastrophe 2013 betroffen waren, bei der 6.054 Menschen starben, und in den von der Rishi-Ganga-Katastrophe 2021 betroffenen Gemeinden, bei der 250 Menschen starben.
Umweltkrisen machen deutlich, dass wir die anthropozentrische Anmaßung überwinden müssen, die den Krieg gegen die Erde anheizt. Das 1 % bleibt gegenüber der Zerstörung der Vielfalt und der ökologischen Prozesse gleichgültig. Vielmehr weiten die Umweltverschmutzer die Zerstörung aus und beschleunigen sie, indem sie sich internationaler Umweltverträge bemächtigen, die eigentlich dazu gedacht waren, ihre Praktiken zu regulieren. Sie jedoch verwandeln diese Verträge in Instrumente zur Schaffung neuer Märkte, die zu Umweltverschmutzung und Umweltschäden führen.
Drei Jahrzehnte des internationalen Klimavertrags
Seit den 1970er Jahren gibt es ökologische Bewegungen. Sie waren eine Reaktion auf die ökologische Zerstörung, die durch ein extraktives (äußerst ausbeuterisches) Wirtschaftsmodell vorangetrieben wird, das sich als »Entwicklung« und »Wachstum« ausgibt, jedoch Globalisierung zugunsten der Konzerne bedeutet. Die Zerstörung der biologischen Vielfalt während der letzten vier Jahrzehnte – in Wäldern und Meeren und in der Landwirtschaft – führte zur Entstehung von Bewegungen zu deren Schutz. Die Verschmutzung der Luft und der Atmosphäre durch fossile Brennstoffe und daraus gewonnene giftige Chemikalien, die in einem aus dem Lot geratenen Klima, in Klimaextremen und in der Klimakatastrophe gipfelte, führte zur Einführung von zwei internationalen Umweltverträgen, die 1992 auf dem Erdgipfel in Rio von den Regierungen der Welt unterzeichnet wurden: das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) und das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC). Beide Verträge sind miteinander verknüpft, denn Biosphäre und Atmosphäre hängen ebenfalls miteinander zusammen.
Der Erdgipfel von 1992 in Rio fand vor dem Treffen in Marrakesch 1994 statt, auf dem die Welthandelsorganisation (WTO) gegründet wurde. Er fand in einer Ära vor der Globalisierung und Kontrolle durch Konzerne statt, in der es um dringende ökologische Belange ging und in der die Öko-Bewegungen nationale Regierungen und internationale Organisationen zwangen, sich für den Schutz der Umwelt und der indigenen Völker einzusetzen.
Das nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffene UN-System beruht auf dem Prinzip »ein Land, eine Stimme«. Auf dem Erdgipfel wurden sowohl das Übereinkommen über die biologische Vielfalt als auch das Klimaabkommen von den Ländern des Südens mitgestaltet, weil dort nicht nur die meisten der 36 überlebenswichtigen Hotspots der biologischen Vielfalt liegen, sondern auch über zwei Milliarden Menschen leben, darunter einige der Ärmsten der Welt, die für ihren Lebensunterhalt und ihr Wohlergehen ganz unmittelbar auf gesunde Ökosysteme angewiesen sind.
Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt sollte die Biodiversität, das Wissen der indigenen Völker und die Souveränität der Länder schützen und bewahren. Im Laufe der Zeit wurde diese Konvention allerdings völlig ausgehöhlt, weil Vorschriften zur Verhinderung von Biopiraterie unterlaufen, Regelungen zur biologischen Sicherheit durch digitale Kartierung und gentechnisch veränderte Organismen (GVO) umgangen werden und die Zerstörung der biologischen Vielfalt unter dem Deckmantel des »Biodiversitätsausgleichs« stattfindet. Die Verkehrung der internationalen Umweltverträge, mit denen eigentlich die ökologische Krise des Planeten angegangen werden sollte, findet also sowohl auf der umwelt- als auch auf der wirtschaftspolitischen Ebene statt. Heute ist die internationale Ebene nicht mehr zwischenstaatlich, sondern ein von den Globalisten – dem 1 % – kontrollierter Bereich.
Dreißig Jahre sind seit dem Weckruf des Erdgipfels vergangen, und die Erosion der biologischen Vielfalt ist inzwischen zu einem Notstand des Artensterbens geworden. Die Klimakrise ist zu einer Klimakatastrophe geworden, trotz der jährlichen Klimakonferenzen (COP), die stattfinden, um Strategien für die Bewältigung der Klimaveränderungen und diesbezügliche Fortschritte zu diskutieren.
Der abschüssige Weg von Deregulierung und Korporatisierung1
Die Klimaveränderungen sind eine Frage der Gerechtigkeit und letztlich eine Frage von Leben und Tod. Das Ziel des UN-Klimavertrags war es, Umweltverschmutzung und Klimaungerechtigkeit zubeenden, und er war rechtlich bindend: Die Verursacher müssen die Verschmutzung stoppen. Die Verursacher müssen zahlen. Da die Industrieländer für die durch fossile Brennstoffe verursachte Verschmutzung verantwortlich waren, galten die Emissionsreduktionsziele des Vertrags ursprünglich für 37 Industrieländer, die auf der COP 3 in Kyoto 1997 als Anhang-B-Länder festgehalten wurden. In der ersten Phase des Kyoto-Protokolls (das 1997 verabschiedet wurde, aber erst ab 2005 in Kraft trat) wurden die reichen Länder, die historischen Verschmutzer, dazu verpflichtet, ihre Emissionen von 2008 bis 2012 um fünf Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Die Verursacher verwandelten diese rechtsverbindlichen Beschränkungen von Verschmutzung und Emissionen jedoch durch die Doha-Änderung des Kyoto-Protokolls im Jahr 2012 in einen Handel mit Verschmutzung, den sogenannten Emissionshandel.
Die beiden wichtigsten COP-Treffen fanden 2009 in Kopenhagen und 2015 in Paris statt. 2009 flog US-Präsident Barack Obama nach Kopenhagen, schlug mit einer kleinen Gruppe von Ländern außerhalb der Konferenzverhandlungen die Abschaffung des rechtsverbindlichen Rahmens und dessen Ersetzung durch freiwillige Verpflichtungen vor, hielt eine Pressekonferenz ab und flog dann wieder nach Hause. Deshalb stand der bolivianische Präsident Evo Morales im Verhandlungssaal auf und sagte: »Wir sind hier, um die Rechte von Mutter Erde zu schützen, nicht die Rechte der Verschmutzer.« Er ergriff die Initiative und mobilisierte die Bürger der Welt, um die Universal Declaration for the Rights of Mother Earth zu verfassen, ein Vorgang, an dem ich beteiligt war.2
Für den Kopenhagener Gipfel im Jahr 2009 habe ich das Buch »Soil Not Oil« (Erdboden, nicht Erdöl) geschrieben. Damals erstellten wir auch eine gemeinschaftliche Studie mit dem Titel Climate Change at the Third Pole (»Klimaveränderungen am dritten Pol«) und unternahmen eine Rundreise durch den westlichen Himalaya, um die Auswirkungen der Klimaveränderungen auf die Bevölkerung und die Ökosysteme im Himalaya zu untersuchen. Die Menschen im Himalaya haben nicht zu der Verschmutzung beigetragen, die ihre Gletscher schmelzen lässt, doch durch sie drohen ihnen Katastrophen.3
Die COP 21, die 2015 in Paris stattfand, markierte das Ende eines rechtsverbindlichen Rahmens. In Paris ging es nur noch um »freiwillige« Verpflichtungen. Vor allem aber bedeutete es das Ende der UN-Abkommen als Übereinkommen zwischen Ländern, die durch ihre gewählten Regierungen gegenüber den Menschen rechenschaftspflichtig sind. Mit dem Pariser Abkommen verlagerte sich das Ziel der konkreten und rechtlich verbindlichen Verpflichtung, dass die Verursacher ihre Emissionen reduzieren, auf freiwillige Zusagen von 196 Ländern, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur deutlich unter 2ºC zu halten. Paris leitete auch einen neuen Prozess ein, bei dem »Ergebnisse« und »Entscheidungen« von Milliardären wie Bill Gates bestimmt wurden: außerhalb und unabhängig von den formellen Verhandlungen zwischen Regierungen.
Die COP 28 im Jahr 2023 wurde von Sultan Ahmed Al Jaber geleitet, dem Chef der Abu Dabhi National Oil Company (ADNOC), an der BlackRock Inc., Eni SpA und KKR & Co. Inc. weltweite Beteiligungen halten. Al Jaber ist außerdem Vorsitzender von Masdar, dem führenden Bauunternehmen in Saudi-Arabien. Es war das erste Mal in der Geschichte der Klimarahmenkonvention – deren Ziel es ist, Emissionen aus fossilen Brennstoffen zu reduzieren –, dass der Vorstandsvorsitzende eines Ölgiganten die Verhandlungen leitete. Ironischerweise fand das Treffen zur Emissionsreduzierung in der Ölhauptstadt der Welt statt, und über die Zukunft der Landwirtschaft wurde in der Wüste beraten.
Konzerne, die die Verschmutzung durch fossile Brennstoffe vorantreiben, sowohl durch direkte Nutzung als auch durch ihre industrialisierte, chemieintensive Landwirtschaft, waren in Dubai vorherrschend. Waren Lebensmittel und Landwirtschaft bisher auf den meisten COP-Konferenzen kein Thema, so war nunmehr die Vereinnahmung der Lebensmittel- und Landwirtschaftsagenda durch die Konzerne auf der COP 28 unübersehbar.
Die Klimakonferenz wurde mit einer Sondersitzung eröffnet, die der COP 28 UAE Declaration on Sustainable Agriculture, Resilient Food Systems, and Climate Action gewidmet war. Die Staats- und Regierungschefs von 134 Ländern unterzeichneten diese bahnbrechende Erklärung, um Nahrungsmittelsysteme zu stärken, die Widerstandsfähigkeit gegenüber den Klimaveränderungen zu erhöhen, globale Emissionen zu verringern und zum weltweiten Kampf gegen den Hunger beizutragen.4 Die Vereinigten Arabischen Emirate sagten lediglich 100 Millionen US-Dollar zu, verpflichteten sich aber gleichzeitig, 30 Milliarden US-Dollar in einen neuen in Dubai ansässigen Private-Equity-Fonds für grüne Investitionen, Alterra, zu investieren, der mit BlackRock und anderen Vermögensverwaltern zusammenarbeitet, um »Klimainvestitionen« im Süden zu tätigen.5
Die Agrarindustrie, vertreten durch ADM, Bayer, Cargill, Danone, Nestlé, Olam, Syngenta und Google, die systematisch die biologische Vielfalt in den Böden und in der Umwelt zerstört haben, startete eine Initiative, mit der sie den Menschen vorgaukelte, sie trüge zu dem bei, was sich »regenerative Landwirtschaft« nennt. Die Dairy Methane Action Alliance wurde von Big Dairy – Danone, General Mills, Kraft Heinz und Nestlé –, Big Ag und Big Food – Bayer, Cargill, Danone, Louis Dreyfus, Nestlé, Olam, Pepsi, Tyson und Yara2 – gegründet, womit sie eine Initiative zur »Dekarbonisierung« der Nahrungskette ankündigten. Dabei verursachen ihre Geschäfte 50 Prozent der Umweltverschmutzung im Zusammenhang mit industriellen Nahrungsmittelsystemen.6
Wie üblich betrat Bill Gates am Ende der Sitzung zum Thema Landwirtschaft die Bühne, um eine Partnerschaft zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und der Bill & Melinda Gates Foundation mit einem 200-Millionen-Dollar-Fonds für Lebensmittelsysteme, landwirtschaftliche Innovation und Klimaschutz anzukündigen. Dieser Fonds wird sich auf die landwirtschaftliche Forschung, die Verbreitung von landwirtschaftlichen Innovationen und die Finanzierung von technischer Hilfe für die Umsetzung der COP-Erklärung konzentrieren. Wie The Guardian (ebenfalls von Gates mitfinanziert) schwärmte: »Endlich gibt es Nahrung auf dem Tisch.«7
In diesem Buch befasse ich mich mit den Ursachen der Klimaveränderungen, erforsche die engen Zusammenhänge zwischen unserer Ernährung und dem Klima und gehe der Frage nach, ob Bill Gates »Innovationen« für künstliche Lebensmittel eine Lösung für die weltweite Unterernährung, den Hunger und die Klimaveränderungen sein können oder ob sie die Krisen noch verschärfen. Ich stelle zudem Alternativen vor, die mit der Natur und ihren ökologischen Gesetzen zusammenarbeiten und die damit die wahren Lösungen für die Klimaveränderungen sind, Lösungen, die zudem die Erde regenerieren und die Ernährungssicherheit verbessern.
Wie das große Geld die Klima-Agenda an sich gerissen hat und falsche Lösungen popagiert
Bill Gates vertritt keine Regierung, er ist keine »Partei« bei den UN-Verhandlungen, aber in Paris tauchte er gewissermaßen als »Herr« der globalen Plattformen auf und nutzte die COP, um Geoengineering, Gentechnik und jetzt auch künstliche Lebensmittel, Net Zero und Kohlenstoffkompensationen (carbon offests) zu lancieren. Gates hat mit Hilfe von Manipulationen gewählte Regierungen an den Rand gedrängt und ein Stück weit die Demokratie abgeschafft. Er hat den Grundsatz »der Verursacher zahlt« durch das Prinzip »der Verursacher wird bezahlt« ersetzt, indem er falsche Klimalösungen propagiert, um neue Märkte zu schaffen, weitere Gemeingüter einzuhegen und neue Möglichkeiten zum Geldverdienen zu schaffen.
In den Jahren nach Paris hat sich die Agenda der falschen Lösungen fest etabliert. Gates gibt der Natur und den Landwirten die Schuld und propagiert natur- und landwirtschaftsfeindliche Lösungen, die die soziale und ökologische Krise nur noch verschärfen werden.
Die Sonne ist nicht das Problem, sondern die Umweltverschmutzung. »Die Sonne zu verdunkeln«, indem Aerosole in der Atmosphäre versprüht werden, wird das Problem der globalen Erwärmung nicht lösen.
Kühe sind nicht der Feind Nr. 1, sondern die Massentierhaltung. Die Fütterung von Kühen mit energieintensivem Mais- und Sojafutter ist eine Hauptquelle der Umweltverschmutzung, nicht das Methan, das bei der Verdauung des Futters entsteht.
Bäume sind nicht das Problem, daher können »künstliche Bäume« ebenfalls keine Lösung für die Klimaveränderungen sein.
Als David Gelles von der New York Times auf der Climate Forward-Veranstaltung im September 2023 in New York Bill Gates nach Bäumen fragte, die Kohlendioxid binden, erklärte dieser, dass diejenigen, die glauben, dass Bäume Kohlendioxid absorbieren, Idioten seien: »Sind wir Wissenschaftler oder sind wir Idioten?«8 Gates wirbt für industrielle, mechanische Systeme zur Kohlenstoffbindung als technologische Innovation. Doch künstliche Bäume, die Kohlenstoff mechanisch binden, können keine Photosynthese betreiben, sie können keine Nahrungsmittel und Fasern produzieren, sie können kein Leben spenden oder erhalten – sie können keinen Humus und keinen lebendigen Boden schaffen, sie können kein Wasser regenerieren und bewahren. Es ist ein mechanistisches Denken, das nur eine Funktion sieht und versucht, diese zu ersetzen, ohne die Vielfalt der Funktionen in Betracht zu ziehen.
Netto-Null bedeutet nicht Null-Emissionen. Vielmehr geht es darum, durch clevere Finanztrickserei mehr Geld zu verdienen. Gates musste zugeben, dass der Weg zur Null nicht wirklich null bedeutet: »Es gibt keine realistischen Wege zur Null, die den vollständigen Verzicht auf fossile Brennstoffe oder die Einstellung aller anderen Aktivitäten beinhalten, die ebenfalls Treibhausgase erzeugen (etwa die Herstellung von Zement, die Verwendung von Düngemitteln oder das Austreten von Methan aus Erdgaskraftwerken). Stattdessen werden wir in einer kohlenstofffreien Zukunft höchstwahrscheinlich immer noch einige Emissionen produzieren, aber wir werden Möglichkeiten haben, den Kohlenstoff, den sie ausstoßen, zu entfernen.«9Die Net-Zero-Initiative unter dem Vorsitz des ehemaligen Gouverneurs der Bank of England, Mark Carney, spricht davon, »das gesamte Finanzsystem für immer zu verändern«, aber in Wirklichkeit ist es nur eine weitere Art, mit der das 1 % auf der Grundlage von falscher Wirtschaft und falscher Wissenschaft mehr Geld verdienen kann, während die Umweltverschmutzung durch »Kohlenstoffgutschriften« »ausgeglichen wird«. Die Finanz- und Beratungsfirmen stehen mit ihrer finanziellen Infrastruktur für Net-Zero bereit. In einem McKinsey-Bericht über den Netto-Null-Umstieg heißt es: »Wir schätzen, dass sich die weltweiten Ausgaben für Sachanlagen in der Übergangsphase zwischen 2021 und 2050 auf etwa 275 Billionen US-Dollar belaufen werden.«10
Der enge Zusammenhang von Biodiversität, Klima, Ernährung und Gesundheit
Die Krise der biologischen Vielfalt, die Klimakrise und die Ernährungs- und Gesundheitskrise sind eine einzige planetarische Krise, weil Biosphäre und Atmosphäre ein eng verflochtenes System unserer lebendigen Erde sind. Die Biosphäre hat das Klimasystem der Erde geschaffen und reguliert es. Die Biosphäre wird wiederum durch Nahrungskreisläufe und den Fluss von Nahrung als Währung des Lebens zwischen Arten und Ökosystemen aufrechterhalten. Der Kohlenstoffkreislauf ist ein Nahrungskreislauf. Was durch lebende Systeme fließt, ist Nahrung. Der Nahrungskreislauf ist der grundlegende Kreislauf des Lebens. Er beginnt mit der Aufnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre mit Hilfe des Sonnenlichts durch die Photosynthese. Der Kohlenstoff aus der Atmosphäre wird von den Pflanzen in Kohlenhydrate umgewandelt. Der Kohlenstoff kehrt so in die Biosphäre zurück, einschließlich der Artenvielfalt der Pflanzen und der Artenvielfalt im Boden. Tiere, einschließlich des Menschen,3 nehmen Pflanzen als Nahrung auf und geben dabei Kohlendioxid ab. Das ist der Kohlenstoffkreislauf. Die Klimaveränderungen sind eine Folge der Unterbrechung dieses Kreislaufs, verursacht durch fossile Brennstoffe.
Der Wechsel von Lebensmittelsystemen, die auf biologischer Vielfalt beruhen, zu solchen, die auf fossilen Brennstoffen und fossilen Chemikalien aufbauen, hat die ökologischen Kreisläufe der Erde verletzt, ein Paradigma des linearen Extraktivismus,4 und die damit verbundene Abfallerzeugung geschaffen und zur Verschmutzung von Wasser, Boden, Atmosphäre und unserer Lebensmittel beigetragen. Die Fähigkeit der Erde, mit Hilfe der Biosphäre und der biologischen Vielfalt ihr Klima zu regulieren, wird durch die Schadstoffbelastung stark gestört, die die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Verwendung von Petrochemikalien verursachen. Diese Verschmutzung führt zu sogenannten Treibhausgasen (THG), die seit dem Industriezeitalter stark zunehmen.
Die Verschmutzung der Atmosphäre durch Treibhausgasemissionen – CO2, N2O, CH4 – ist die Ursache der Klimaveränderungen, und die globalisierte industrialisierte Nahrungsmittelproduktion ist für 50 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das Giftkartell hat die Landwirte weltweit in ein energie-, chemie- und kapitalintensives Agrarsystem gedrängt, was zu einer tiefgreifenden Landwirtschafts-, Ernährungs- und Gesundheitskrise geführt hat. Das Erdölzeitalter hat unsere Ernährungssysteme völlig verändert. Wir essen tatsächlich Erdöl, von der Produktion der Lebensmittel bis zu ihrer Verteilung, der industriellen Verarbeitung und der Plastikverpackung. Die schädliche Energie der fossilen Brennstoffe wirktsich nicht nur negativ auf den Stoffwechsel der Erde aus und führt zu Klimakatastrophen, sondern diese »Junk«-Energie und extrem verarbeitete Lebensmittel stören zudem den menschlichen Stoffwechsel und haben zu einer Pandemie chronischer Krankheiten geführt.
Die Klimazerrüttung hat dazu geführt, dass Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Dürren immer häufiger und extremer auftreten, was vermehrt zu Ernteausfällen und großer Ernährungsunsicherheit führt, denn im Gegensatz zur vielfältigen, kleinbäuerlichen heimischen Landwirtschaft sind industrielle Monokulturen für Ernteausfälle anfällig. Weltweite Schätzungen legen nahe, dass bis 2050 3,5 Milliarden Menschen unter Ernährungsunsicherheit leiden werden, das sind 1,5 Milliarden Menschen mehr als heute.11 Der Temperaturanstieg in Verbindung mit der Destabilisierung des Wasserkreislaufs hat sich bereits negativ auf unsere Ernährungssysteme ausgewirkt. Zwischen 2021 und 2022 wurden die Bauern am Golf von Bengalen von mehreren Wirbelstürmen heimgesucht – Yaas, Gulab, Jawad, Asani und Citarang –, die ihre Ernten vollständig vernichteten. Im Jahr 2023 blieb der Regen aus, was zu einer Dürre führte, die die Aussaat von Reis und Knollenfrüchten wie Kurkuma und Colocasia beeinträchtigte. Mehrere Bezirke im Wüstenstaat Rajasthan wurden am 18. Juni 2023 von dem tropischen Wirbelsturm Biparjoy heimgesucht, der die lokalen Vogel- und Tierpopulationen stark dezimierte, was wiederum schwere Schäden an den Ernten verursachte, da Schadinsekten unkontrolliert zunahmen. Im Doon-Tal im Bergstaat Uttarakhand, wo noch vor einem Jahrzehnt Hülsenfrüchte wie Urad, Navrangi, Masoor und Moong üppig gediehen, gibt es sie heute wegen des extremen Regens kaum noch. Im Jahr 2024 hat dann das Ausbleiben des Winterregens die Frühjahrsernte von Weizen und Senf vernichtet. Auch die Region Vidarbha in Maharashtra zeigte 2023 Anzeichen der Klimaveränderungen, als in erratischen Monsunregen die Hälfte des Jahresniederschlags an einem Tag niederging. Schwere Regenfälle vernichteten Soja und Baumwolle, weil auf 35 Prozent der Fläche nicht einmal mit der Aussaat begonnen werden konnte.
Die Ernährung steht derzeit im Mittelpunkt der Klimadebatte, sowohl wegen der Auswirkungen von Klimakatastrophen auf die Landwirtschaft als auch wegen der konzertierten Bemühungen des 1 %, kleine Bauernhöfe und Landwirte auszumerzen, indem es eine auf Technologie und fossilen Brennstoffen beruhende Nahrungsmittelproduktion aggressiv finanziert. Bill Gates und die Tech-Giganten des Silicon Valley investieren in großem Umfang in Unternehmen, die hochverarbeitete künstliche Lebensmittel herstellen, und in den Kauf von Ackerland. Tatsächlich ist Gates heute der größte private Ackerlandbesitzer in den USA.12
Die Scheinlösung für die Klimaveränderungen, die in Form von künstlichen, im Labor hergestellten Lebensmitteln propagiert wird, schafft ein Schreckensszenario: eine Landwirtschaft ohne Landwirte und Lebensmittel ohne Bauernhöfe. Allerdings werden für die Herstellung von Labornahrung viel mehr Ressourcen benötigt, und weil sie ressourcen- und energieintensiv ist, trägt sie zu höheren Treibhausgasemissionen bei. Wenn wir den industriellen Weg der ressourcen- und energieintensiven Lebensmittelproduktion, -verarbeitung und -verteilung weitergehen, werden wir die Zentralisierung und die Kontrolle des Lebensmittelsystems durch die Konzerne verstärken und die Destabilisierung der Erde und ihrer Klimasysteme beschleunigen.
Es gibt einen anderen Weg, einen Weg, der mit der Erde geht, der den ökologischen Gesetzen der Erde folgt: dem Gesetz der Vielfalt und dem Gesetz der Rückführung. Das ist der Weg, der die Distanz zwischen Erzeugern und Verbrauchern verkürzt und die Lebensmittelsysteme deindustrialisiert und entglobalisiert. So werden Emissionen vermindert und die Gesundheit verbessert. Dieser Weg bietet Lösungen für die Klimakrise, die Krise des Artensterbens sowie die Ernährung- und Gesundheitskrise, denn die Gesundheit des Planeten und unsere Gesundheit sind untrennbar verbunden.
Die Regeneration der Erde durch Fürsorge ist unsere ethische und ökologische Pflicht. In der Regeneration liegt das Potential, die Kraft und das Versprechen, die Erde und die Menschheit zu heilen. Ökologische Gesetze haben das Leben auf der Erde in seinen verschiedenen Evolutionsstufen aufrechterhalten und dabei das Recycling durch Kreislaufwirtschaften auf der Grundlage biodiverser, chemiefreier, kleinbäuerlicher und lokaler Lebensmittelsysteme verstärkt. Dieselben Prozesse, die zur Regeneration der biologischen Vielfalt führen und gesunde Lebensmittel hervorbringen, wirken zugleich den Klimaveränderungen entgegen. Sie vermeiden Emissionen aus fossilen Brennstoffen und fossilen Chemikalien, die in der energie- und chemieintensiven Produktion, auf Langstreckentransporten und in der industriellen Verarbeitung entstehen. Die ökologische, demokratische und humane Option zur Bewältigung der Klimaveränderungen wächst in dem Maße, wie der Verzehr echter, gesunder Lebensmittel zunimmt: durch die Schaffung biologischer Vielfalt und ökologischer, lokaler und kreislauforientierter Lebensmittelwirtschaften. Die falschen Lösungen, die die Lebensmittelindustrie anbietet, werden den Hunger vergrößern, weil sie die Lebensmittel von den Menschen wegführt und zu Rohstoffen für Labornahrung macht. So hat auch die Umwidmung von Lebensmitteln zu Tierfutter und Biokraftstoff den Hunger vergrößert. Die Klimaveränderungen werden durch den hohen Energieverbrauch bei der künstlichen Lebensmittelproduktion verschärft, und durch die ultrastarke Verarbeitung von Lebensmitteln mit synthetischen Stoffen werden Krankheiten zunehmen.