Die Neurowissenschaft hinter Yoga und Meditation - Brittany Fair - E-Book

Die Neurowissenschaft hinter Yoga und Meditation E-Book

Brittany Fair

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Beschreibung

Heilsame Wirkung auf Gehirn und Nervensystem Es ist eine Tatsache, dass Yoga und Meditation einen positiven Effekt auf Körper und Geist haben – davon zeugen zahlreiche Berichte und das steigende Interesse an diesen Praktiken weltweit. Die Forschung an den wissenschaftlichen Hintergründen der Yogatherapie ist in den letzten Jahren deshalb explosionsartig angestiegen und die Frage, wie sich Yoga und Meditation auf das Gehirn auswirken, in den Mittelpunkt gerückt. Brittany Fair, Neurowissenschaftlerin und Yogalehrerin, ist dieser Thematik nachgegangen, hat Antworten gefunden und stellt nun leicht verständlich verpackt aktuelle neurowissenschaftliche Erkenntnisse zu diesen Praktiken vor. Kapitel für Kapitel werden Sie durch die neuesten Forschungsergebnisse geführt und können dieses Wissen direkt anwenden: – Lernen Sie die aktuelle Studienlage zur Yoga- und Meditationsforschung kennen. – Erfahren Sie, wie Gehirn und Nervensystem ticken und welche Sinne bei Yoga und Meditation angesprochen werden. – Vertiefen Sie Ihr Wissen darüber, wie das Gehirn Bewegung steuert. – Bekommen Sie ein Verständnis dafür, wie wichtig der Atem bei meditativen Praktiken ist und wie er den Körper physiologisch beeinflusst. – Nutzen Sie die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Yoga- und Meditationsforschung direkt für Ihre Praxis und entdecken Sie die positiven Auswirkungen auf neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall oder Multiple Sklerose, chronische Schmerzen, Stress, Traumata oder das Altern. Beispielhafte Yogaroutinen, die auf Ihre Bedürfnisse angepasst werden können, ausgewählte Kurzmeditationen und Atemübungen laden Sie dazu ein, Ihren persönlichen Horizont zu erweitern und die Wirkungen direkt spürbar werden zu lassen – für mehr Widerstandskraft, Wohlbefinden und Gesundheit.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 336

Veröffentlichungsjahr: 2024

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BRITTANY FAIR

Die Neurowissenschaft hinter Yoga und Meditation

BRITTANY FAIR

Die Neurowissenschaft hinter Yoga und Meditation

Wie aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung in die Praxis übertragen werden können, um die positiven Effekte auf Gehirn und Nerven zu nutzen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie. Detxaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttps://dnb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

1. Auflage 2024

© 2024 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Die englische Originalausgabe erschien 2023 bei Handspring Publishing, einem Imprint der Jessica Kingsley Publishers, Part of John Murray Press, unter dem Titel The Neuroscience of Yoga and Meditation. © 2023 by Brittany Fair, Vorwort © 2023 by Brandt Passalacqua. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Übersetzung: Max Limper

Redaktion: Lucia Rojas, www.derschoenstesatz.de

Umschlaggestaltung: Sabrina Pronold

Umschlagabbildung: Shutterstock/GarryKillian

Bildnachweis: Seite 229

Layout: Daniel Förster, in Anlehnung an das Original © Handspring Publishing

Satz: Daniel Förster, Belgern

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7423-1315-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-0626-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-0593-7

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

INHALT

Vorwort von Brandt Passalacqua

Vorwort

1 Einführung in die Yoga- und Meditationsforschung

Einführung

Was ist Yoga?

Hürden der Yoga- und Meditationsforschung

Forschungsmethoden und Studiendesign

Quantitative versus qualitative Methoden

Die Stichprobengröße zählt

Kausalität und Korrelation

Wie man Studien zergliedert

Was noch zu bedenken ist

2 Das Nervensystem

Einführung

Das Gehirn

Das Rückenmark

3 Die Anatomie des Gehirns

Einführung

Der Frontallappen

Der Temporallappen

Der Parietallappen

Der Okzipitallappen

Sonstige für Yoga und Meditation bedeutsame Hirnregionen

4 Yoga und Meditation als Sinneserfahrung

Der Sehsinn

Das dritte Auge

Der Gehörsinn

Der Geruchssinn

Der Geschmackssinn

Der Tastsinn

5 Wie Bewegung entsteht

Teil I – Willentliche Bewegungen: Wie das Gehirn Bewegungen steuert

Teil II – Unwillkürliche Bewegungen: Kein Gehirn erforderlich

Teil III – Propriozeption

6 Die Neurophysiologie des Atems

Die Physiologie des Ein- und Ausatmens

Die Bedeutung der Nase

Atem und Gehirn

Bewusstes Atmen

Resilienz durch Atemarbeit

7 Meditation und das Gehirn

Vier Kategorien der Meditation in der Forschung

Die Neuroanatomie der Meditation

Meditation verändert die Hirnstruktur

Meditation beeinflusst die Hirnfunktion

8 Stress, Trauma und Resilienz

Stress

Wie das Nervensystem auf Stress reagiert

Chronischer Stress und Entzündung

Stress und das Immunsystem

Das traumatisierte Gehirn

Was dich nicht umbringt, macht dich stark: Resilienz kultivieren

Angststörungen

Posttraumatische Belastungsstörung

Depression

9 Wie Yoga und Meditation auf das Gehirn wirken

Neurologische Erkrankungen, chronische Schmerzen und Sucht

Schädel-Hirn-Trauma

Schlaganfall

Multiple Sklerose

Alzheimer

Schmerz und das Gehirn

Chronischer Schmerz

Arthritis

Sucht

10 Gesund in jedem Lebensalter

Die frühen Jahre: Säuglingszeit und frühe Kindheit

Das reifende Gehirn: Kindheit und Jugend

Zu sich kommen: Das erwachsene Gehirn

Gesund alt werden: Das alternde Gehirn

Yogische Ernährung und Hirngesundheit

Schlaf und Yoga Nidra

Anhang

Über die Autorin

Dank

Glossar

Quellenverzeichnis

Bildnachweis

VORWORT

von Brandt Passalacqua

Ich hatte das Vergnügen, Brittany auf einer Konferenz zum Forschungsgebiet Yogatherapie kennenzulernen. Wie jedes Jahr war ich dort, um besser zu verstehen, warum Yoga aus naturwissenschaftlicher Sicht so gut funktioniert. Als sich dann meine Tischnachbarin beim Mittagessen als Neurowissenschaftlerin offenbarte, war ich begeistert! Als Leiter und Lehrer einer Yogatherapieschule war ich auf der Suche nach einer Gastdozentin, die meinen Schülern (und mir selbst!) erklären konnte, warum das Gehirn derart auf Bewegung, Atmung, Singen und Meditation reagiert.

Ähnlich wie bei vielen anderen war mein Weg zur Yogatherapie ein Leidensweg. Als sich herausstellte, dass ich an einer Autoimmunerkrankung litt, hatten mir Yogaübungen geholfen, meine körperliche, geistige und spirituelle Gesundheit wiederherzustellen. Ich ließ mich zum Yogatherapeuten ausbilden, dennoch blieb aus naturwissenschaftlicher Sicht manches für mich schwer fassbar. Wie lässt sich erklären, warum Stillsitzen auf einem Kissen und Mantrasingen bei Angstzuständen hilft. Oder warum 20 Minuten bewusstes Atmen am Tag chronische Schmerzen lindern kann. Oder warum helfen Bewegungs- und Atemübungen dabei, sich in der Schule besser zu konzentrieren. Bei vielen Klienten ist mir aufgefallen, dass sie ein Stück weit verstehen müssen, warum etwas funktioniert, um sich darauf einlassen zu können.

Das Gehirn ist für die meisten von uns ein Rätsel. Wir wissen, dass wir eins haben und dass es wichtig ist, aber die meisten von uns haben keine Ahnung, wie es funktioniert. Yogatherapeuten müssen lernen, wie die wichtigsten Hirnfunktionen ablaufen und wie diese Funktionsweisen nutzbringend zu beeinflussen sind.

Im Lauf der Jahre sah ich mich immer häufiger mit Warum-Fragen zur Wirksamkeit von Yogaübungen konfrontiert, besonders hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Psyche. Die Tendenz geht vom passiven Akzeptieren, dass Übungen funktionieren, hin zu einem starken Interesse an den wissenschaftlichen Hintergründen der Yogatherapie – vor allem an den neurowissenschaftlichen. Können Gehirnzellen regenerieren? Auf welche Weise verändern Yoga und Meditation das Gehirn? Wie lassen sich körperliche und seelische Zustände schaffen, die der Heilung zuträglich sind?

In den letzten zehn Jahren haben wir in der Yogaforschung eine explosionsartige Entwicklung erlebt, aber was noch fehlt, ist ein Ratgeber, der dieses immer umfangreicher werdende Themengebiet effizient und aufschlussreich zusammenfasst, um die Auswirkungen bestimmter Yogaübungen auf das Nervensystem und Teile des Gehirns zu beleuchten.

Genau das liefert dieses Buch. Was ist das Gehirn? Wie interagiert es mit dem Körper, dem Atem und den Sinnen? Was wissen wir und was nicht? Als Yogapraktizierende, Lehrer und Therapeuten wünschen wir uns Klarheit darüber, wie sich Yoga auf das Gehirn auswirkt, sei es, um bessere Behandlungspläne zu erstellen oder um Yoga und Meditation auf einer tieferen Ebene zu verstehen.

Für alle, die diese Ziele verfolgen, ist dieses Buch ein wahres Geschenk und eine wertvolle Ergänzung der Literatursammlung. Brittany hat einen Leitfaden zum Verständnis dieses Themenfelds geschrieben, aber noch wichtiger ist, dass sie uns die Möglichkeit gibt, ein so komplexes Thema auf handhabbare Weise zu verarbeiten.

Ich wünsche diesem Buch den Erfolg, den es verdient, und hoffe, dass es seinen Platz in den Händen und in den Bücherregalen von Yogainteressierten auf der ganzen Welt finden wird.

Brandt Passalacqua

C-IAYT, Leiter von Breathing Deeply Yoga

Therapy

VORWORT

Mit Yoga kam ich zum ersten Mal an der Uni in Berührung, als ich mich aus einer Laune heraus für einen Power-Yoga-Kurs anmeldete. Obwohl ich mich für sportlich begabt und körperlich fit hielt, merkte ich, dass mir selbst für einfachste Haltungen die Ausdauer fehlte. Aber erst in meinen späteren Studienjahren vertiefte ich meine Yogapraxis.

Als Doktorandin der Neurowissenschaften am Robert Larner College of Medicine der University of Vermont verbrachte ich meine Vormittage im Präparierkurs, wo ich mit gekonnten Skalpellschnitten menschliche Leichname sezierte. An den Nachmittagen und Abenden saß ich in der Bibliothek und versuchte mir so viele Informationen wie möglich ins Gehirn zu stopfen. Mein Leben bestand nur noch aus diesen Aktivitäten. Ich hatte keine Work-Life-Balance mehr.

Im zweiten Promotionsjahr holte mich dieser Lebensstil ein. All das Lernen, Lehren und Forschen verursachte mir immer mehr Stress und Angst. Auf der Suche nach Hilfe wandte ich mich wieder dem Yoga zu und bald wurde daraus eine Leidenschaft. An einer nahe gelegenen Yogaschule – dem Sangha Studio in Burlington, Vermont – meldete ich mich für die 200-stündige Yogalehrerausbildung an. So begann meine Reise in die Welt der Kontemplation.

Bevor ich mit der Ausbildung begann, glaubte ich, Yoga sei gleichbedeutend mit Bewegung, aber bald erfuhr ich, dass Aspekte wie Anatomie, Geschichte, Spiritualität und Atmung für die Yogapraxis gleichermaßen wichtig sind (wenn nicht sogar wichtiger). Außerdem begann ich regelmäßig zu meditieren und nahm an einem Meditationsretreat im buddhistischen Seminarzentrum Karmê Chöling teil. Jeden Tag zu meditieren war mit das Schwierigste, was ich je getan hatte. Stundenlang saßen wir schweigend auf Knien, nahmen unsere Gedanken wahr und ließen sie sanft davonschweben. Es war emotional und geistig anstrengend, aber auch befreiend. Ich fühlte mich so klar wie seit Langem nicht mehr.

Für meine Masterarbeit hatte ich mich mit den neuronalen Grundlagen der Persönlichkeit beschäftigt, aber mein wahres Ziel war es, die wissenschaftlichen Hintergründe von Yoga und Meditation zu verstehen. Es faszinierte mich, dass man das Gehirn durch etwas scheinbar so Einfaches wie den Atem beeinflussen konnte. Mein tiefes wissenschaftliches Interesse an Yoga und Meditation brachte mich dazu, regelmäßig Beiträge für Yoga Research & Beyond zu schreiben, eine Onlinebibliothek voller leicht verständlicher Rezensionen wissenschaftlicher Artikel.

Außerdem entwickelte ich auf Grundlage der neuesten Erkenntnisse in der Yoga- und Meditationsforschung einen Yogaworkshop namens NeuroFlow. Mein erster Workshop fand im Sangha-Studio statt, wo ich auch meine Ausbildung gemacht hatte. Um den Workshop so anschaulich wie möglich zu gestalten, beschloss ich, ein echtes Gehirn mitzubringen. Kurzfristig ein Gehirn aufzutreiben war in Vermont überraschend einfach, denn am Vorabend war einem hiesigen Schafzüchter ein Schaf verendet. Mit viel Geschick und höchster Sorgfalt entnahm ich das Gehirn, ohne das empfindliche Gewebe zu beschädigen. Dafür konnte ich am nächsten Tag in meinem Workshop die Anatomie des Gehirns an diesem perfekten Exemplar eines Schafshirns veranschaulichen. Und dieses Gehirn brachte Leben in den Workshop.

Auch wenn dieses Buch kein echtes Schafshirn enthält, hoffe ich doch, dass es viele der spannenden neurowissenschaftlichen Fragen im Hinblick auf Yoga und Meditation anschaulich darstellen kann. Das Buch ist keine Enzyklopädie aller verfügbaren Forschungsergebnisse, sondern bietet nur eine Auswahl an Material und soll neugierig darauf machen, wie Yoga und Meditation auf den Körper, den Geist und die Funktionsweise der Zellen wirken.

Ich möchte mit diesem Buch zur Entmystifizierung des Gehirns beitragen und erklären, warum Yoga und Meditation so vorteilhaft für die geistige und körperliche Gesundheit sind. Obwohl dieses Forschungsgebiet noch relativ neu ist, wächst die Zahl ernst zu nehmender wissenschaftlicher Studien überraschend schnell. Und die Untersuchungen, warum Yoga und Meditation dem Gehirn guttun, werden in den kommenden Jahren bestimmt noch neue Erkenntnisse zutage fördern.

Ich bin sehr glücklich, Ihnen dieses Projekt vorstellen zu dürfen, und hoffe, es wird Ihnen Freude bereiten.

Brittany Fair, M. Sc., 2023

KAPITEL 1

EINFÜHRUNG IN DIE YOGA- UND MEDITATIONSFORSCHUNG

Yoga und Meditation sind zunehmend in den Fokus wissenschaftlicher Forschung gerückt. Studien sollen ihre gesundheitliche Wirksamkeit bestätigen. Reduzieren Yoga und Meditation effektiv Stress? Sind sie eine Alternative zur Linderung bestimmter Beschwerden und Krankheiten? Helfen sie bei Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen? Der wissenschaftliche Gehalt solcher Studien zu Yoga und Meditation ist manchmal schwer zu ergründen. Viele sind aufgrund ihrer geringen Qualität anzuzweifeln. Sie basieren oft auf kleinen Fallzahlen und stützen sich auf Selbstauskünfte aus Fragebogen statt auf biologische Daten. In diesem Kapitel stellen wir wichtige Überlegungen zur Einschätzung von Studien an und erörtern, worauf bei der Bewertung ihrer Ergebnisse zu achten ist.

EINFÜHRUNG

Seit Jahrhunderten berichten Yogapraktizierende und Meditierende, dass sie sich ruhig, erfrischt und zentriert fühlen. Archäologie und Geschichtswissenschaft datieren die Anfänge des Meditierens auf etwa 1500 v. Chr.1 Dennoch kennt niemand die genauen Ursprünge meditativer Praktiken. Und wie sich diese Methoden der Kontemplation auf das Gehirn auswirken, beginnt die Wissenschaft erst neuerdings zu verstehen.

Das menschliche Gehirn ist formbar. Jüngste Forschungsergebnisse legen nahe, dass das Gehirn durch regelmäßiges Yogaüben und Meditieren auf vielfältige Weise verändert werden kann. Beispielsweise können die Regionen des Gehirns, die an empathischen Gefühlen beteiligt sind, durch das Praktizieren der Metta-Meditation aktiviert und gestärkt werden.2 Solche Übungen können bestimmte Nervenbahnen verändern, die es den Übenden ermöglichen, freundlicher und mitfühlender zu sein und ein längeres, gesünderes Leben zu führen.

Um zu verstehen, dass Yoga und Meditation einen positiven Einfluss auf die Gesundheit haben, braucht man keine Hirnscans. Die große Zahl der Berichte, die von den positiven Auswirkungen dieser Methoden auf die körperliche und geistige Gesundheit zeugen, haben viele Menschen im Westen dazu bewegt, sie auszuprobieren. Derzeit praktizieren tatsächlich mehr als 32 Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten Yoga, wobei diese Gruppe nicht für die Gesamtbevölkerung repräsentativ ist.3 In Deutschland sind es rund 3,3 Millionen.4 Laut dem National Health Interview Survey 2017, einer der größten und umfassendsten Umfragen zum Thema Gesundheit in den Vereinigten Staaten, praktizieren Frauen mehr als doppelt so häufig Yoga wie Männer, und unter den Frauen ist Yoga bei nichthispanischen weißen Erwachsenen in der Altersgruppe 18 bis 44 am beliebtesten.5, 6, 7

Das rapide zunehmende Interesse an kontemplativen Methoden hat auch die Neugier der Forschungswelt geweckt und die Frage aufgeworfen, wie sich diese Übungen auf Psyche und Körper auswirken. In den letzten zehn Jahren ist die Forschungstätigkeit zum Thema Yoga und Meditation explosionsartig gewachsen. Die Zahl der Veröffentlichungen ist exponentiell gestiegen: Gab es im Jahr 1950 nahezu null Arbeiten zum Thema, sind es heute Tausende. Auch die methodische Strenge der Forschungsarbeiten hat sich verbessert, was dazu beiträgt, dem Fachgebiet eine größere Legitimität zu verleihen. Inzwischen untersuchen Forscher an großen Universitäten und Kliniken, wie sich Yoga und Meditation auf die Gesundheit auswirken und sogar Veränderungen im Gehirn herbeiführen.

Entspannende Meditation am Meeresufer

WAS IST YOGA?

Yoga entstand in Indien als spirituelle Praxis. Eine der ersten yogischen Schriften ist das Yogasutra von Patanjali aus den ersten Jahrhunderten n. Chr.8 Das Wort Yoga leitet sich vom Sanskritwort yug oder yuj ab, was »Vereinigung« oder »Methode der spirituellen Vereinigung« bedeutet.9 Das Ziel der traditionellen Praxis bestand darin, einen Zustand zu erreichen, in dem ein Gleichgewicht zwischen Geist und Körper sowie zwischen dem Einzelnen und dem Gemeinwohl herrscht.

Heutzutage wird Yoga oft als meditative Bewegungsarbeit gesehen. Die wachsende Zahl von Praktizierenden und das zunehmende Interesse haben in der westlichen Welt eine Fülle von Yogastilen hervorgebracht, darunter Vinyasa, Hatha, Iyengar und Restorative Yoga. Yogarichtungen wie Power Yoga legen den Schwerpunkt auf Körperhaltungen, während sich andere mehr mit Meditation und Atemarbeit befassen. Im Westen wird Yoga im Allgemeinen als Körperarbeit gesehen, während im Osten eher der Atem und das Meditieren im Vordergrund stehen.10

Wegen der großen Vielfalt an Methoden, die als Yoga bezeichnet werden können, kann man oft nur schwer feststellen, was in einer Forschungsstudie untersucht wird. Welche Art von Yoga oder Meditation in einer Studie verwendet wird, bleibt oft unklar oder wird nicht explizit angegeben, was den Erkenntnisgewinn in Bezug auf bestimmte Yogastile erschwert. Stattdessen beziehen sich Schlussfolgerungen meist auf die Überbegriffe »Yoga« oder »Meditation«, und in den Studien wird untersucht, wie diese Disziplinen allgemein Stress reduzieren, die Gesundheit verbessern und die Selbstregulierung fördern. In letzter Zeit hat man die Notwendigkeit einer klareren Definition des Yogabegriffs für Forschungsstudien erkannt und die National Institutes of Health haben die Ausarbeitung eines Fragebogens finanziert, der in künftigen Studien verwendet werden kann. Der Fragebogen heißt »Essential Properties of Yoga« (zu Deutsch: Wesentliche Eigenschaften von Yoga), wurde an der University of California erstellt und enthält 62 Fragen zu 14 Dimensionen eines Yogaprogramms, die Mitgefühl, Atemarbeit, Körperbewusstsein, Yogaphilosophie und weitere Komponenten betreffen.11 Mithilfe dieses Fragebogens können Forscher nun genauer quantifizieren, welche Art der Yogaintervention in ihren Studien zum Einsatz kommt (Abbildung).

Schematische Darstellung der 14 Dimensionen des Fragebogens »Essential Properties of Yoga«

HÜRDEN DER YOGA- UND MEDITATIONSFORSCHUNG

Viele Forschungsarbeiten über Yoga oder Meditation leiden unter kleinen Fallzahlen (oft unter 20 Personen) und einer homogenen Gruppenzusammensetzung (meist weiße Frauen mittleren Alters). Darum ist es schwer zu sagen, ob ihre Ergebnisse für alle und jeden gelten würden. Viele Daten werden auch per Fragebogen erhoben, aber solche Selbstauskünfte sind anfällig für verzerrte Wahrnehmungen. Trotz dieser Einschränkungen stehen der Yoga- und Meditationsforschung zahlreiche Möglichkeiten offen, die in der Weiterentwicklung der Neuroimaging-Technik und der Molekularmedizin liegen. Mit zunehmender Etablierung der Forschungsrichtung wird sich auch die methodische Strenge verbessern.

Was ist ein wissenschaftlicher Nachweis?

Ein wissenschaftlicher Nachweis wird aus einer gut kontrollierten Studie abgeleitet, die eine Hypothese oder Theorie mittels Statistik entweder stützt oder widerlegt.

Was ist eine Variable?

Eine Variable ist jeder Faktor, der im Rahmen der Forschung auf irgendeine Weise verändert oder gemessen wird. In der Yoga- und Meditationsforschung können viele verschiedene Variablen gemessen werden: Art und Umfang der Yogapraxis, Stresshormonspiegel oder Messgrößen der psychischen Gesundheit.

FORSCHUNGSMETHODEN UND STUDIENDESIGN

Studie ist nicht gleich Studie. Es gibt viele Arten wissenschaftlicher Beweisfindung, die als Forschungsergebnis präsentiert werden können. Beispielsweise kann eine Wissenschaftlerin eine Stellungnahme oder einen Artikel in einem Fachjournal schreiben oder ein Forscherteam kann eine randomisierte kontrollierte Studie durchführen. Was sind die wichtigsten Unterschiede zwischen diesen Ansätzen und welche Bedeutung haben sie?

Stellungnahmen und Artikel beruhen auf der Meinung einer Einzelperson und nicht auf den Daten einer bestimmten Untersuchung. Genau genommen sind sie keine wissenschaftlichen Nachweise, können aber als Inspiration für handfestere Forschungsvorhaben dienen.

Fallstudien werden in der Yogaforschung selten verwendet, sind aber in der medizinischen Forschung weit verbreitet. Eine Fallstudie ist eine eingehende Analyse einer einzelnen Person, Gruppe oder Situation. Sie kann Nachweise bezüglich dieser einen Person, Gruppe oder Situation liefern, aber da die Fallzahl klein ist (nämlich meistens gleich eins), lässt sich unmöglich ableiten, ob die Ergebnisse allgemein auch für andere Personen, Gruppen oder Situationen gelten würden. Die Ergebnisse sind rein retrospektiv und nicht prognostisch.

Kohortenstudien sind in der Yoga- und Meditationsforschung weit verbreitet. Man protokolliert dabei die teilnehmende Gruppe über eine bestimmte Zeit hinweg, typischerweise vor und nach einer Intervention. Beispielsweise kann ein Forscher den Hormonspiegel der Teilnehmer vor und nach der Yogapraxis messen, um den Einfluss von Yoga auf den Hormonspiegel besser zu verstehen. Kohortenstudien können sich auch über längere Zeiträume erstrecken. Eine der größten und am längsten laufenden Kohortenstudien aller Zeiten, die Framingham-Studie über die Risikofaktoren für Herzerkrankungen, geht bis auf das Jahr 1948 zurück.

Randomisierte kontrollierte Studien sind der Goldstandard in der Forschung. Die Teilnehmer einer randomisierten kontrollierten Studie werden nach dem Zufallsprinzip entweder der Versuchsgruppe (der Gruppe, die die Intervention erhält, also Yoga oder Meditation praktiziert) oder der Kontrollgruppe zugeordnet. Diese Gruppen werden dann verglichen. Randomisierte kontrollierte Studien sind in der medizinischen Forschung weit verbreitet und werden häufig als Doppelblindstudie durchgeführt, bei der weder die Forscher noch die Teilnehmer wissen, ob das Medikament oder das Placebo verabreicht wird. Blind- oder Doppelblindstudien sind in der Yogaforschung nahezu unmöglich durchzuführen, da die Teilnehmer leicht erraten können, ob sie zur Versuchsgruppe (die Yoga übt) oder zur Kontrollgruppe (die kein Yoga übt) gehört. Daher besteht die Möglichkeit verzerrter Wahrnehmungen, die bei der Auswertung der Ergebnisse zu berücksichtigen sind.

Übersichtsarbeiten tragen die Ergebnisse mehrerer Forschungsstudien zusammen. Eine systematische Übersichtsarbeit beantwortet eine bestimmte wissenschaftliche Frage und berücksichtigt bei der Einbeziehung bestimmter Studien klare und festgelegte Zulassungskriterien. Übersichtsarbeiten enthalten häufig Metaanalysen, die mit statistischen Mitteln die Ergebnisse von Studien zusammenfassen. Für Übersichtsarbeiten werden keine eigenen Forschungen durchgeführt, sondern frühere Arbeiten analysiert, um eine Forschungsfrage zu beantworten. Diese Methode ist ein mächtiges Werkzeug, das einen Überblick ermöglicht, da es viel mehr Daten berücksichtigt als einzelne Studien.12

Welche Sorte Forschungsarbeit sollte ich vorrangig lesen?

Wenn Sie neu im Themenbereich sind, ist ein Übersichtsartikel ein ausgezeichneter Startpunkt. Das ist, wie wenn Sie eine Doku über afrikanische Tiere gucken anstatt einer, die sich nur um Giraffen dreht. Falls Sie ein echter Giraffenfan sind, sollten Sie unbedingt Letzteres tun! Aber ansonsten sammeln Sie lieber ein paar Hintergrundinformationen, bevor Sie tiefer eintauchen.

QUANTITATIVE VERSUS QUALITATIVE METHODEN

Wie sich Yoga und Meditation auf Körper und Geist auswirken, kann sowohl mit quantitativen als auch qualitativen Methoden untersucht werden. Während quantitative Daten auf Zahlen basieren, bestehen qualitative Daten aus Beschreibungen und Begrifflichkeiten.

Unter quantitativen Daten versteht man Informationen, die gezählt oder gemessen werden. In der Yogaforschung kann man beispielsweise messen, wie stark sich der Blutdruck einer Person durch die Yogaintervention verändert. Die Veränderung des Blutdrucks ist ein Wert, der leicht analysiert und verglichen werden kann. Bei den meisten in den Biowissenschaften gesammelten Daten handelt es sich um quantitative Daten.

Qualitative Daten sind beschreibender Natur und drücken sich in Worten aus, nicht in Zahlen. Mittels qualitativer Daten kann man Sachverhalte untersuchen, die schwer zu quantifizieren sind, wie zum Beispiel das »Warum« oder das »Wie«. So kann eine Forscherin beispielsweise durch eine ausführliche Befragung ergründen, wie die Yogaintervention es geschafft hat, dass sich Teilnehmer stärker in ihr Umfeld eingebunden fühlen.

Was sind also die Vor- und Nachteile beider Ansätze? Quantitative Daten können von anderen Forschern analysiert und repliziert werden, um zu prüfen, ob sie zum gleichen Ergebnis kommen. Wenn mehrere Studien zu denselben Ergebnissen kommen, ist dies ein Beweis dafür, dass das Ergebnis korrekt ist. Quantitative Daten geben nicht immer die ganze Wahrheit wieder, denn mit Zahlen und Messwertem lassen sich Dinge wie Gefühle und Emotionen nicht so einfach erfassen. Größere Zusammenhänge können übersehen werden.

Qualitative Daten hingegen bieten dichte, faktenreiche Einblicke in Beziehungen und eignen sich hervorragend für Erkundungszwecke. Da qualitative Beobachtungen einer Interpretation bedürfen, kann eine unvoreingenommene Analyse schwierig sein. Quantitative Daten werden in der neurowissenschaftlichen Forschung im Allgemeinen bevorzugt, da sie strukturiert und konkret sind, obwohl einige Wissenschaftler der Ansicht sind, dass Studien am besten beide Arten der Datenerhebung beinhalten sollten.

DIE STICHPROBENGRÖSSE ZÄHLT

Die Stichprobengröße ist die Anzahl der für ein Experiment ausgewählten Probanden. Sie ist einer der wichtigsten Faktoren bei der Gestaltung einer Forschungsstudie, da sie die Ergebnisse unweigerlich beeinflusst. Kleine Stichproben können sich negativ auf die Validität einer Studie auswirken, da sich die Ergebnisse dann oft nicht auf eine andere Gruppe oder Population übertragen lassen. Umgekehrt können extrem hohe Stichprobengrößen kleine Abweichungen in statistisch signifikante Unterschiede verwandeln und Verzerrungseffekte verstärken.13, 14 Darum sollte die Stichprobengröße einer Studie als genauso wichtig angesehen werden wie jede andere Variable.

Yoga- und Meditationsstudien leiden tendenziell unter kleinen, homogenen Stichproben. Typischerweise umfassen die Stichproben etwa 12 bis 25 Teilnehmer, was für Forschungen am Menschen als klein gilt. Es erscheint nahezu unmöglich, mit so wenigen Probanden aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen. Nehmen wir an, wir hätten herausgefunden, dass 15 Frauen mittleren Alters nach zweiminütigem Kopfstand weniger Stress verspürten: Würden die gleichen Ergebnisse auch für ältere Männer gelten? Um das herauszufinden, müsste eine größere Studie mit einer vielfältigeren Stichprobe durchgeführt werden. Wenn wir bei 100 Personen unterschiedlicher ethnischer Herkunft, unterschiedlichen Alters und unterschiedlichen Gesundheitszustands nach zwei Minuten Kopfstand einen verbesserten Stresspegel feststellten, könnte das bedeuten, dass ein Kopfstand zum Stressabbau beiträgt. Die Ergebnisse wären noch überzeugender, wenn sie in einer weiteren Studie mit noch mehr Teilnehmern repliziert würden.

Was ist Validität?

Externe Validität ist die Übertragbarkeit von Studienergebnissen auf eine breitere Bevölkerungsgruppe jenseits der Stichprobe. Wenn ein Forscher beispielsweise herausgefunden hat, dass die Ausübung von Yin Yoga dreimal pro Woche den Cortisolspiegel senkt, sollte eine andere Forscherin das Experiment mit einer anderen Personengruppe wiederholen und zu den gleichen Ergebnissen kommen können. Dies würde bedeuten, dass die Studie eine hohe externe Validität hätte.

Von interner Validität spricht man, wenn sich die Ergebnisse einer Gruppe innerhalb der Studie auf eine andere Gruppe innerhalb der Studie übertragen lassen. Dies zeigt, dass die Methoden zuverlässig die gleichen Ergebnisse liefern und die Ergebnisse nicht durch andere Faktoren erklärt werden. Eine gut konzipierte Studie verfügt über eine hohe interne Validität, da die Ergebnisse über alle Gruppen hinweg konsistent sind.

KAUSALITÄT UND KORRELATION

»Kausalität« und »Korrelation« sind gebräuchliche Begriffe in der Forschungswelt, aber was bedeuten sie eigentlich?

Kausalität liegt vor, wenn eine Variable in direktem Zusammenhang mit einer zweiten Variablen steht oder diese verursacht. In der Wissenschaft ist es äußerst schwierig, einen Kausalzusammenhang zu beweisen. Studien aus der Yogaforschung stellen gerne Behauptungen auf wie »Dehnen führt zu erhöhter Flexibilität«. Ohne einen erkennbaren mechanischen Zusammenhang zwischen Dehnung und Flexibilität ist es tatsächlich schwer zu beweisen, dass das eine das andere direkt verursacht. Vielmehr sind Dehnung und Flexibilität eng miteinander assoziiert oder korreliert. Wenn jedoch ein Wissenschaftler unter der Annahme, Dehnung führe zu einer Steigerung der Flexibilität, ein Körperteil sezieren würde und herausfände, welche Veränderung im Innern diesen starken Zusammenhang verursacht, ließe sich eine Kausalität nachweisen. Allerdings schlitzen wir unseren Yogalernenden nicht die Gliedmaßen auf, um zweifelsfrei zu beweisen, dass Dehnen zu mehr Flexibilität führt. Uns bleiben immerhin unser gesunder Menschenverstand und unsere mechanistischen Erkenntnisse über Dehnung und Flexibilität bei Tieren, aus denen wir schließen können, dass eine Kausalität in diesem Zusammenhang extrem wahrscheinlich ist.

Was ist statistische Signifikanz?

Die statistische Signifikanz ist ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Variablen in irgendeiner Weise zusammenhängen und das Ergebnis nicht auf Zufall zurückzuführen ist.

Beispiel einer Scheinkorrelation

Korrelation ist ein Maß dafür, wie stark zwei Variablen miteinander zusammenhängen, wobei möglicherweise die eine nicht die andere verursacht. Fast alle Studien zu Yoga und Meditation belegen Korrelationen, keine Kausalitäten. Zwei Variablen können miteinander korrelieren, aber das bedeutet nicht, dass die eine die andere verursacht. Manchmal haben Variablen, die stark korrelieren, keinerlei kausalen Zusammenhang, oder sie haben eine gemeinsame Ursache.

Wenn zwei Variablen stark korrelieren, aber nicht kausal zusammenhängen, spricht man von einer Scheinkorrelation. Beispielsweise korreliert die Buchstabenzahl im Siegeswort des nationalen Buchstabierwettbewerbs mit der Anzahl der Menschen, die jedes Jahr durch Giftspinnen getötet werden.15 Ganz offensichtlich führt ein längeres Gewinnerwort nicht dazu, dass mehr Menschen an Spinnenbissen sterben. Dieser Zusammenhang ist nichts weiter als ein Zufall, wie die Abbildung auf Seite 17 zeigt.

WIE MAN STUDIEN ZERGLIEDERT

Es gibt mehrere Möglichkeiten, an eine wissenschaftliche Publikation heranzugehen. Laut einer Twitterumfrage nehmen sich Wissenschaftler mehrheitlich zuerst das Ergebnis vor, wahrscheinlich weil sie sich bereits gut mit der Materie auskennen und so schnell wie möglich zu den wichtigsten Erkenntnissen gelangen möchten. Für alle, die mit einem Fachgebiet nicht vertraut sind, ist es möglicherweise am einfachsten, wenn sie mit der Einleitung beginnen, um erst die Hintergründe zu verstehen, und dann mit dem Rest der Studie fortfahren.

Einleitung:

In der Einleitung überblicken die Forschenden den Stand der Erkenntnisse, weisen auf Ungeklärtes hin und erläutern, wie ihre Studie eine wichtige Wissenslücke schließt. Wer geringe Fachkenntnisse hat, kann sich durch Lesen der Einleitung ein grobes Bild davon machen, worum es in der Studie geht.

Methoden:

In diesem Abschnitt werden die Experimente beschrieben, die zur Beantwortung einer Forschungsfrage verwendet wurden, und es wird erklärt, wie die Ergebnisse analysiert wurden. Dazu gehören Faktoren wie: 1) wie viele Personen an der Studie teilgenommen haben, 2) die demografische Zusammensetzung dieser Gruppe, 3) Informationen über eine vergleichbare Gruppe oder eine vergleichbare Erkrankung und 4) die Schwundquote (ob Teilnehmer ausgeschieden sind).

Ergebnisse:

Wie der Name schon sagt, präsentiert der Abschnitt »Ergebnisse« die wichtigsten Ergebnisse der Publikation. Er enthält üblicherweise viele Daten und Zahlen ohne viel Interpretation.

Diskussion:

Hier suchen die Forschenden nach der Bedeutung ihrer Ergebnisse und den Implikationen ihrer Arbeit. Oft erklären sie, wie sich ihre Studie in den Gesamtkontext der wissenschaftlichen Literatur einfügt, und weisen auf Möglichkeiten für zukünftige Forschungen hin.

WAS NOCH ZU BEDENKEN IST

Yoga und Meditation haben viele Vorteile, die auch dokumentiert sind, aber in Studien oft nicht berücksichtigt werden. Beispielsweise ermöglicht eine kontemplative Praxis oft, dass Einzelne eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten finden. Dies kann zu Verhaltensänderungen führen, beispielsweise zu mehr Bewegung und gesünderer Ernährung, wodurch die Wirkungen von Yoga und Meditation verstärkt werden und eine positive Rückkopplung entsteht.

Es besteht auch die Möglichkeit, dass Teilnehmer voreingenommen sind. Wer bereit ist, an einer Studie über Yoga oder Meditation teilzunehmen, neigt möglicherweise ohnehin zu einer gesunden Lebensweise und hat einen anderen Gesundheitszustand als jemand, der zum ersten Mal Yoga oder Meditation ausprobiert.

Solche Faktoren werden in Forschungsstudien oft übersehen, weil sie schwer zu messen sind. Die Wissenschaft beschränkt den Blick tendenziell auf die unmittelbaren und direkten Auswirkungen von Yoga oder Meditation auf die mentale und körperliche Gesundheit. Die daraus gezogenen Schlussfolgerungen liefern deshalb ein unvollständiges Bild der gesundheitlichen Auswirkungen kontemplativer Betätigung.

Beim Lesen und bei der Einordnung einzelner Forschungsergebnisse in den Gesamtzusammenhang sollten Sie diese Faktoren berücksichtigen, auch wenn viele der in diesem Buch besprochenen Studien solide konzipiert sind.

Die wichtigsten Punkte

Yoga wird in der Forschung oft als meditative Bewegungsarbeit definiert.Es gibt unterschiedliche Arten wissenschaftlicher Erkenntnisse, die als Forschung präsentiert werden können: Kohortenstudien, randomisierte kontrollierte Studien, Übersichtsarbeiten und vieles mehr.Quantitative Daten beziehen sich auf zählbare und messbare Informationen, wohingegen qualitative Daten beschreibend sind und in Worten dargestellt werden.Fast alle Studien zu Yoga und Meditation weisen Korrelationen nach, keine Kausalitäten.Die Yoga- und Meditationsforschung wird mit der Weiterentwicklung des Fachgebiets zweifellos methodisch strenger werden.

KAPITEL 2

DAS NERVENSYSTEM

Yoga und Meditation üben eine Wirkung auf das Nervensystem aus, jenes komplizierte Netz aus Neuronen und Nerven, das alle Organe und Gewebe im Körper verbindet. Dieses Kapitel befasst sich mit den Grundlagen des Nervensystems und untersucht, wie Yoga und Meditation das sympathische und das parasympathische Nervensystem durch Atmung, Bewegung und Stressabbau beeinflussen können. Die Anatomie der Gehirnzellen wird ebenso in Grundzügen besprochen wie die Moleküle, durch die sie kommunizieren, die sogenannten Neurotransmitter.

EINFÜHRUNG

Das Nervensystem besteht aus zwei Teilen: dem zentralen Nervensystem (ZNS) und dem peripheren Nervensystem (PNS). Zum ZNS gehören das Gehirn und das Rückenmark, während das PNS aus den Neuronen und Nerven besteht, die sich durch den ganzen Körper ziehen.

Das Nervensystem mit Gehirn, Rückenmark und Nerven

Einteilung des Nervensystems

Das PNS kann wiederum in zwei große Subsysteme unterteilt werden: das somatische und das autonome Nervensystem. Das somatische Nervensystem übermittelt Informationen über willentliche Bewegungen, während das autonome Nervensystem Informationen über automatische oder unwillkürliche Reaktionen weiterleitet. Das autonome Nervensystem ist der Autopilot des Körpers und funktioniert auch ohne bewusstes Denken. Es reguliert unter anderem die Atmung, die Herzfrequenz und die Verdauung.

Unterschiede zwischen dem parasympathischen und dem sympathischen Nervensystem: Jedes Nervensystem reguliert die Körperfunktionen auf eigene Weise.

Die Yoga- und Meditationsforschung befasst sich häufig mit dem autonomen Nervensystem, zu dem sympathisches, parasympathisches und enterisches Nervensystem gehören. Das sympathische Nervensystem, kurz Sympathikus, wird sowohl in Stressphasen als auch bei Anstrengung aktiviert. Es steuert nach allgemeiner Ansicht bei Gefahr die Kampf-Flucht-Erstarrungs-Reaktion. Steht man beispielsweise einem Löwen gegenüber, könnte die natürliche Reaktion darin bestehen, gegen den Löwen zu kämpfen, vor dem Löwen wegzurennen oder zu erstarren, um seine Aufmerksamkeit nicht zu erregen. Erwiesenermaßen verringern Yoga, Meditation und andere Entspannungstechniken die Aktivität des Sympathikus und verbessern dadurch möglicherweise die Handlungsfähigkeit unter unmittelbarem Stress.1, 2

Im Gegensatz dazu steuert das parasympathische Nervensystem, kurz Parasympathikus, die Entspannungsreaktion. Es beruhigt den Körper, entspannt die Muskeln und hilft bei der Verdauung. Es wird durch sanfte Bewegungen, Atemarbeit und Meditation aktiviert.3 Durch das Zusammenwirken von Sympathikus und Parasympathikus entsteht im Körper ein Gleichgewicht, die sogenannte Homöostase.

Restorative Yoga ermöglicht auf leicht zugängliche Weise die Aktivierung des Parasympathikus und die Beruhigung des Sympathikus (Abbildung rechts). Es kann Stress reduzieren, die Herzfrequenz verlangsamen, aber auch die Stimmung heben, den Stoffwechsel verbessern und Müdigkeit vertreiben.4, 5, 6 Diese Yogarichtung fußt auf den Lehren von B. K. S. Iyengar und wurde in den 1970er-Jahren durch seine Schülerin Judith Lasater populär gemacht.7 Beim Restorative Yoga verweilt man über längere Zeit in bequemen Yogahaltungen, gestützt durch Hilfsmittel wie Blöcke, Bolster und Decken. Dabei konzentriert man sich auf den Atem oder die Musik, um einen Zustand tiefer Entspannung zu erreichen. Diese langsame, gestützte Übungsweise ist ideal für Menschen, die unter Stress leiden und körperliche Erholung und Heilung benötigen.

Gebundener Winkel im Liegen mit einem Bolster und zwei Blöcken

BEISPIEL FÜR EINE ENTSPANNENDE SEQUENZ IM RESTORATIVE YOGA

1 Schneidersitz, mit zwei Blöcken gestützt

2 Kindhaltung, Variante mit zwei Blöcken

3 Fisch, mit zwei Blöcken gestützt

4a Unterstützte Brücke, Variante 1

4b Unterstützte Brücke, Variante 2

5 Rumpfdrehung, mit Bolster gestützt

6a Beine an der Wand

6b Gegrätschte Beine an der Wand

Der Vagusnerv

Der Vagusnerv, auch X. Hirnnerv genannt, ist der Hauptnerv des Parasympathikus. Er erstreckt sich vom Hirnstamm bis zum Dickdarm und steuert Herz, Lunge und Verdauungstrakt. Er gilt als wichtige Verbindung zwischen Darm und Gehirn.

Kontemplative Übungen stimulieren den Vagusnerv und fördern durch Anregung des Parasympathikus die Entspannung. Der Parasympathikus bremst die Stressreaktion und hemmt dadurch Entzündungen und Stresshormone im Körper.8, 9

Eine Vagusnervstimulation kann auch ärztlicherseits mit einem Gerät herbeigeführt werden, das elektrische Impulse erzeugt. Die Vagusnervstimulation ist in den USA zur Behandlung von Epilepsie und Depression zugelassen. Wegen ihrer entzündungshemmenden Wirkung wird ihr Einsatz auch in der Behandlung anderer Erkrankungen untersucht, etwa bei Hirnverletzungen, Rheumatismus und Schlaganfall.10

Wissenswert

Fast 95 Prozent des im Körper produzierten Serotonins werden im Darm produziert.11 Serotonin ist ein Botenstoff oder Neurotransmitter, der an der Regulierung von Stimmung, Schlaf und Appetit mitwirkt. Die anderen fünf Prozent werden in den Raphe-Kernen hergestellt, einer kleinen Region im Hirnstamm.12

Serotoninmolekül

Das dritte autonome Nervensystem ist das enterische Nervensystem. Es lenkt die meisten Verdauungsfunktionen, beispielsweise die Bewegungen des Magen-Darm-Trakts, und reguliert die Sekretion von Verdauungsflüssigkeiten und Hormonen. Es stimuliert auch das Immunsystem.13 Das enterische Nervensystem tauscht Signale mit dem ZNS aus, arbeitet aber auch selbstständig. Schätzungen zufolge enthält das enterische Nervensystem zwischen 400 und 600 Millionen Neuronen und produziert den größten Teil des körpereigenen Serotonins, eines Neurotransmitters, der Gehirnaktivität und Stimmung beeinflusst.14 Daher wird das enterische Nervensystem auch als »zweites Gehirn« bezeichnet.

Untersuchungen zum enterischen Nervensystem haben ergeben, dass Veränderungen im Darmmikrobiom die Psyche beeinträchtigen können und mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson in Zusammenhang stehen.15, 16, 17 Umgekehrt verbessern kontemplative Betätigungen wie Yoga und Meditation nachweislich das Darmmikrobiom und lindern die Symptome von Darmerkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom.18, 19, 20 Das Reizdarmsyndrom ist mit Stress und Entzündungen verbunden, und da Yoga und Meditation diese Faktoren mindern können, wirken sie sich möglicherweise auch positiv auf die Darmgesundheit aus.

Die wichtigsten Punkte

Das Nervensystem besteht aus zwei Hauptsystemen: dem zentralen Nervensystem und dem peripheren Nervensystem.Sympathikus und Parasympathikus sorgen im Zusammenspiel für ein Gleichgewicht im Körper.Entspannungsübungen können die sympathische Aktivität senken und die parasympathische Aktivität steigern.Sowohl Yoga als auch Meditation fördern die Darmgesundheit, indem sie Stress und Entzündungen mindern und dadurch das Darmmikrobiom verbessern.

DAS GEHIRN

Oberster Gebieter des zentralen Nervensystems ist das Gehirn. Aus ihm entspringen bewusste Gedanken, Bewegungen und Emotionen. Trotz seiner wichtigen Aufgabe wiegt ein menschliches Gehirn nur drei Pfund. Das entspricht ungefähr dem Gewicht einer kleinen Tüte Kartoffeln. Das dichte Gewebe des Gehirns enthält etwa 86 Milliarden spezialisierte Gehirnzellen, die sogenannten Neuronen, und weitere 85 Milliarden nichtneuronale Hilfszellen, die sogenannten Gliazellen.21

Jedes dieser 86 Milliarden Neuronen hat Tausende von Verbindungen zu anderen Zellen.22 Diese Verbindungen werden Synapsen genannt und ermöglichen es den Neuronen, Signale an andere zu senden, meist durch die Ausschüttung von Substanzen, die Neurotransmitter genannt werden. Zwischen allen Neuronen im Gehirn bestehen insgesamt über 100 Billionen Verbindungen.23

Neuronen sind eine besondere Klasse von Zellen, die im Körper und im Gehirn Informationen übertragen. Wie andere Zellen besitzen auch Neuronen einen Zellkörper, Soma genannt, in dessen Innern sich ein Zellkern befindet, der von einer Zellmembran umgeben ist. Am Soma hat das Neuron sogenannte Dendriten, das sind verzweigte Fortsätze, die mit anderen Zellen und Neuronen verbunden sind. Diese Dendriten empfangen chemische Signale von Hunderten oder sogar Tausenden anderen Zellen.

An dem anderen Ende des Zellkörpers befindet sich ein langes, dünnes Axon. Das Axon leitet elektrische Signale bis in die Endknöpfchen, mit denen das Neuron an den Dendriten eines anderen Neurons angeschlossen ist.

Anatomie eines Neurons

Wie kommunizieren Neuronen?

Neuronen sorgen für die Signalübertragung im Gehirn, indem sie über Neurotransmitter miteinander kommunizieren. Neurotransmitter können erregend oder hemmend wirken (siehe »Grundkurs Neurotransmitter«) und demnach im empfangenden Neuron ein Aktionspotenzial entweder fördern oder senken.

Jedes Neuron im Gehirn empfängt ständig Signale. Ist der erregende Signaleingang größer als der hemmende, entsteht ein Aktionspotenzial. Ein Aktionspotenzial ist ein elektrisches Signal, das über das Axon des Neurons an ein anderes Neuron gesendet wird. Erreicht das Aktionspotenzial die kleine Lücke zwischen den beiden Neuronen, die als Synapsenspalt bezeichnet wird, werden in der Lücke Neurotransmitter freigesetzt. Die Neurotransmitter binden sich an Andockstellen auf den Dendriten des empfangenden Neurons. Das sendende Neuron nimmt dann im Zuge der sogenannten Wiederaufnahme einen Teil seines Neurotransmitters zurück, sodass eine erneute Signalgebung stattfinden kann.

Grundkurs Neurotransmitter

Neurotransmitter sind Moleküle, die ein Signal von einem Neuron zum anderen übertragen. Man geht davon aus, dass es über 100 verschiedene Arten von Neurotransmittern gibt.24 Geläufige Neurotransmitter sind Acetylcholin, Dopamin, Noradrenalin, Serotonin, Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und Glutamat.

Acetylcholin wirkt an unterschiedlichen Aufgaben mit, unter anderem an Muskelkontraktion, Erregung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Lernen und Erinnerung.Dopamin ist der wichtigste Neurotransmitter im Belohnungssystem des Gehirns. Wenn man eine Belohnung erwartet, beispielsweise den Gewinn eines Preises, steigt der Dopaminspiegel im Gehirn. Wegen dieser Signalwege hat Dopamin auch mit Sucht und Drogenmissbrauch zu tun. Daneben ist es auch ein wichtiger Botenstoff für die Bewegung. Bei Erkrankungen wie Parkinson funktionieren die Dopaminsignalwege nicht richtig.25Noradrenalin hat im Gehirn und im Körper die Funktion, die Erregung bei Anstrengung, Stress und Gefahr herbeizuführen. Es verengt die Blutgefäße und erhöht dadurch den Blutdruck. Darüber hinaus kann es Ängste auslösen, trägt möglicherweise zu Depressionen bei und spielt eine Rolle bei Motivation und Belohnung.26, 27Serotonin ist an der Regelung von Stimmung, Schlaf und Appetit beteiligt. Man geht auch davon aus, dass es Schmerzen mindert.28 Dieser Neurotransmitter wird zum Teil im Gehirn produziert, doch etwa 95 Prozent des Serotonins stammen aus dem Darm.Gamma-Aminobuttersäure (GABA) ist ein hemmender Neurotransmitter und reduziert die Kommunikation zwischen Neuronen im Gehirn. Insgesamt senkt GABA die Aktivität des Nervensystems. Bei Ängsten, Depressionen und ähnlichen Erkrankungen ist sie wahrscheinlich fehlreguliert.29Glutamat ist der wichtigste erregende Neurotransmitter im Gehirn und könnte bei bipolaren Störungen und Schizophrenie eine Rolle spielen.30 Medikamente, die Lithiumcarbonat enthalten, stabilisieren Stimmungsschwankungen und beeinflussen möglicherweise den Glutamatspiegel im Gehirn.

GABA und Glutamat regulieren die Aktionspotenziale von Neuronen. Da GABA ein hemmender Neurotransmitter ist, bremst es Aktionspotenziale. Glutamat ist dagegen ein erregender Neurotransmitter und kann ein Aktionspotenzial in Gang bringen oder aufrechterhalten.

Freisetzung von Neurotransmittern im Synapsenspalt

Die wichtigsten Punkte

Das menschliche Gehirn wiegt etwa drei Pfund und enthält 86 Milliarden Neuronen.Neuronen kommunizieren untereinander über elektrische Ereignisse, sogenannte Aktionspotenziale, die zur Ausschüttung chemischer Botenstoffe führen, der sogenannten Neurotransmitter.Neurotransmitter ermöglichen die Kommunikation zwischen Neuronen.

Andere Hirnzellen

Neben Neuronen gibt es im Gehirn noch viele andere Zellarten. Tatsächlich sind fast die Hälfte der Zellen im Gehirn Gliazellen. Weil Gliazellen anders als Neuronen keine Aktionspotenziale abfeuern, haben Neurowissenschaftler die Gliazellen und ihre Aufgaben im Gehirn lange Zeit übersehen.31 Heute ist ihre vielfältige Rolle im Gehirn allgemein anerkannt: Unter anderem beeinflussen sie die Kommunikation der Neuronen und stellen wachstumsfördernde Nährstoffe bereit.32 Die drei wichtigsten Typen von Gliazellen sind Mikroglia, Oligodendrozyten und Astrozyten.

Mikroglia

sind die Immunzellen des Gehirns. Sie halten in der Umgebung des Gehirns Ausschau nach Eindringlingen wie Bakterien und Viren. Mikroglia dienen auch als Müllabfuhr des Gehirns, indem sie Abgestorbenes beseitigen und als Gärtner unnötige neuronale Verbindungen zurückstutzen. Bei bestimmten Hirnerkrankungen wie Alzheimer werden die Mikroglia hyperaktiv, was zu Entzündungen und toxischen Proteinablagerungen führt, den Amyloid-Plaques und neurofibrillären Bündeln.

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Oligodendrozyten

sorgen für den Schutz der besonders langen Axone im Gehirn, indem sie sie in eine Myelinscheide einhüllen. Die Myelinscheide dient als Isolierung und erlaubt den Neuronen eine schnellstmögliche Signalübermittlung. Oligodendrozyten sind die Elektriker des Gehirns. Sie umhüllen die Axone mit einer Schutzschicht, wie ein Elektriker ein Stromkabel isolieren würde.

Astrozyten

sind sternförmige Zellen, die den Neuronen Nährstoffe zuführen und die Kommunikation zwischen den Neuronen unterstützen. Astrozyten regulieren die Menge an Neurotransmittern rund um die Synapsen.

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Derzeit wird erforscht, wie Astrozyten die Kommunikation von Neuronen unterstützen.

Es gibt noch viele weitere wichtige Gliazelltypen. Schwannzellen zum Beispiel ähneln den Oligodendrozyten, kommen aber im peripheren Nervensystem vor statt im zentralen Nervensystem. Weiterhin gibt es Epithelzellen, die Eindringlinge davon abhalten, ins Blutsystem des Gehirns zu gelangen, Ependymzellen, die Hirnwasser produzieren, und noch einige andere.

Unterschiedliche Gliazellen im Gehirn

Wissenswert

Manche Tiere, beispielsweise Tintenfische, haben kein Myelin. Stattdessen haben sie riesige Axone, etwa so dick wie ein Bleistift und damit rund 1000-mal breiter als ein menschliches Axon.35 Der größere Durchmesser ist wegen des fehlenden Myelins nötig, um Signale schneller zu übertragen.

Riesiges Axon der Tintenfischart Dosidicus gigas

In den 1950er-Jahren wollten die Neurowissenschaftler Alan Hodgkin und Andrew Huxley Neuronen untersuchen, stießen dabei aber an technische Grenzen. Um mehr über diese schwer beobachtbaren Zellen zu erfahren, verwendeten die Forscher Tintenfische. Deren Axone waren sehr groß und ließen sich leichter untersuchen. So konnten die beiden Wissenschaftler erstmals feststellen, wie Aktionspotenziale funktionieren.36 Für ihre Entdeckung erhielten sie 1963 den Medizinnobelpreis.

DAS RÜCKENMARK

Zum zentralen Nervensystem gehört auch das Rückenmark (Abbildung rechts), ein Nervenstrang, der sich vom Gehirn aus etwa 46 Zentimeter bis zu den Lendenwirbeln im unteren Rücken erstreckt.37 Obwohl das Rückenmark nur etwa einen Zentimeter Durchmesser hat, enthält es rund eine Milliarde Neuronen.38, 39 Es fungiert somit wie eine Informationsautobahn, die Signale zwischen dem Gehirn und dem Körper hin und her leitet. Das Rückenmark ist an willentlichen wie unwillkürlichen Bewegungen beteiligt. Beispielsweise übermittelt es Signale vom Gehirn an die Beinmuskulatur, um Bewegungen zu veranlassen. Unabhängig vom Gehirn innerviert es die Lunge zum Zwecke der Atmung.