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Cybergrooming, die Anbahnung des sexuellen Missbrauchs eines Kindes über Soziale Medien und Onlinespiele, gilt als eines der schwerwiegendsten digitalen Risiken für Kinder. Für viele Kinder gehört es dabei zur Normalität in einer digitalisierten Welt aufzuwachsen und ihre Zeit in Sozialen Medien und Onlinespielen zu verbringen. In diesen Programmen spielen und kommunizieren die Kinder ganz selbstverständlich auch mit unbekannten Erwachsenen und anderen Minderjährigen. Hieraus können für die Kinder eine Vielzahl von Risiken entstehen. Eines der vermutlich relevantesten ist dabei die Gefahr, dass das Kind Opfer eines Sexualdelikts wird. Wie effektiv sind aber gegenwärtig die gesellschaftlichen und vor allem kriminalpolitischen Maßnahmen, um Kinder vor solchen Risiken in einem globalisierten digitalen Raum zu schützen? Dieses Buch setzt sich daher grundlegend mit dem Phänomen des Cybergroomings und seiner gesellschaftlichen Bekämpfungsstrategien auseinander. Neben einer umfangreichen Darstellung der Phänomenologie, der Täter- und Opferstruktur sowie der Ursachen für normenabweichendes Verhalten im digitalen Raum aus Sicht der Cyberkriminologie, liegt ein Schwerpunkt der Arbeit auf der strafrechtlichen Einordnung von Cybergrooming in Deutschland. Im Zentrum dieser juristischen Betrachtung steht die aktuelle Auseinandersetzung über die Auswirkungen der Einführung einer Versuchsstrafbarkeit für § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB. Die vorliegende Publikation versteht sich als eine intradisziplinäre Arbeit, die Erkenntnisse aus den Bereichen der Rechtswissenschaft, der Cyberkriminologie und der Medienwissenschaften kombiniert, um einen möglichst ganzheitlichen Blick auf das Phänomen Cybergrooming zu gewinnen. Im Ergebnis werden kriminalpolitische Handlungsempfehlungen abgeleitet, die in der Gesamtheit die Keimzelle einer digitalen Generalprävention bilden könnten.
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Seitenzahl: 754
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Die onlinebasierte Anbahnung des sexuellen Missbrauchs eines Kindes
Eine kriminologische und juristische Auseinandersetzung mit dem Phänomen Cybergrooming
ISBN 978-3-86676-593-1
Thomas-Gabriel Rüdiger
Die onlinebasierte Anbahnung des sexuellen Missbrauchs eines Kindes
–
Eine kriminologische und juristische Auseinandersetzung mit dem Phänomen Cybergrooming
ISBN 978-3-86676-593-1
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Vorwort
Cybergrooming ist ein noch recht junges, doch gesellschaftlich zunehmend relevantes Phänomen. Zwar sind verschiedene Formen des sexuellen Missbrauchs vermutlich so alt wie die Menschheit selbst – und nicht auf diese beschränkt. Doch kommen mit dem „Tatmittel Internet“ neuartige Kommunikationsmechanismen ins Spiel, die einen zeitlich wie räumlich freieren Zugang von angehenden Tätern zu ihren potentiellen Opfern ermöglichen, aber zugleich die Bedingungen des Zustandekommens dieser Kommunikation verschleiern. Mit wem führe ich hier ein Gespräch? Wie alt, welchen Geschlechts ist mein Gegenüber? Wo befindet es sich überhaupt? Was sind dessen Absichten? Und wer kann uns beobachten, mich vielleicht beschützen? Solche Fragen können wir im Internet mit weitaus weniger Gewissheit beantworten als in realweltlichen Kommunikationszusammenhängen, und dies gilt für Kinder und Jugendliche in verstärktem Maße. An Schulen, auf Spielplätzen oder auf offener Straße greifen andere, und zwar bislang offenbar wirksamere Schutzmechanismen gegen unerwünschte, unerlaubte Annäherungen. Unsere Gesellschaft hat Routinen ausgeprägt, zum Teil auch Normen geschaffen, die beschreiben was schützenswert ist und wie es zu schützen ist. Doch unsere Orientierungsmittel in diesen Feldern – und vielleicht auch unsere Normen – verlieren ihren Halt in den noch nicht in allgemein zustimmungsfähige Routinen übersetzten Eigenschaften und Nutzungspraktiken des Internet.
Vor diesem Hintergrund widmet sich das nun vorliegende Buch des Cyber-Kriminologen Thomas-Gabriel Rüdiger primär der Frage, ob die kriminalpolitischen Maßnahmen zur Bekämpfung des Cybergrooming ausreichend sind und wie sie angepasst werden sollten. Die Aktualität des Themas wird an Gesetzesänderungen sichtbar, denen u.a. die Arbeit von Herrn Rüdiger in den vergangenen Jahren voraus ging.
Dieses Buch hat einen ausgeprägten interdisziplinären Charakter. Es verbindet die Felder Online-Medien und Recht anhand einer kriminologischen Analyse und zieht dafür Methoden der empirischen Sozialforschung heran. Trotz dieses fachlichen Brückenschlags bleiben die Darlegungen verständlich, was ich als nicht zu unterschätzende Leistung des Autors einstufen möchte. Das hohe Innovationspotential der Arbeit liegt in der Verbindung einer theoriegeleiteten Analyse des Strafrechts mit praxisgeleiteten Erkenntnissen der kriminalpolizeilichen Realität, die über umfassende empirische Untersuchungen belegt, differenziert und zueinander in Bezug gesetzt werden. Dies alles erfolgt vor dem Hintergrund der sich schnell entwickelnden medialen Ökosysteme des Internets. Die als Ergebnis formulierten kriminalpolitischen Empfehlungen bringen den gleichermaßen überfachlichen (d.h. Recht, Kriminologie und Medien betreffenden) sowie Theorie und Praxis zusammenführenden (dabei auf Justiz, Polizeiarbeit und Politik ebenso wie auf Schule und Elternhäuser ausgerichteten) Charakter dieser Arbeit eindrucksvoll zum Ausdruck.
Besonders hinweisen möchte ich auf eine der von Herrn Rüdiger formulierten Empfehlungen zum Aufbau von Medienkompetenz bei Schülern, und dafür auch bei deren Eltern und Lehrern. Damit greift er nicht nur eine von Fachexperten seit langem ausgedrückte Forderung auf, sondern untersetzt diese zugleich mit neuen Inhalten, Vermittlungselementen (z.B. der „Broken Web“ Theorie) und mit einer neuen, außerordentlich hohen gesellschaftlichen Relevanz. Es bleibt für nachfolgende Generationen zu hoffen, dass dies Früchte tragen wird.
Ulrike Lucke
Potsdam, im März 2020
Danksagung
Wenn eine solche Arbeit fertiggestellt wird, haben letztendlich wesentlich mehr Menschen zum Erfolg beigetragen als nur der Autor selbst. Zuerst muss da an die eigene Familie gedacht werden. An die Kinder und die Ehefrau, die mir den Rücken freihielten und akzeptieren mussten, wenn der Vater und Ehemann wieder am Computer oder vor Büchern seine Zeit verbringen musste. Daher gilt mein Dank zuerst meiner Frau Ines, die mir stets mit Rat und Tat zur Seite stand und sich geduldig meine unzähligen Theorien und Ideen angehört und mit mir diskutiert hat. Aber auch meinen beiden Töchtern, für die ich jetzt wieder viel mehr Zeit haben werde, um mit ihnen die Spielplätze in Brandenburg unsicher zu machen. Zudem meiner eigenen Familie wie auch der meiner Ehefrau, die mir mit vielen Ratschlägen, Tipps und der einen oder anderen moralischen Unterstützung zur Seite gestanden haben. Ohne Euch hätte ich weder den Willen, die Kraft noch die Zeit gefunden, um diese Arbeit fertigzustellen. Es müssen aber auch die Personen bedacht werden, die diese Arbeit fachlich begleitet und stets mit Rat und Tat unterstützt haben. Ich hatte hierbei das seltene Glück, dass mich zwei Fachleute aus gänzlich unterschiedlichen Disziplinen betreut haben. Herrn Prof. Dr. Mitsch danke ich v. a. für die Bereitschaft und die Geduld, einen Promotionsstudenten aus der eher sozialwissenschaftlich orientierten Kriminologie anzunehmen und zu begleiten. Dies ist nicht selbstverständlich. Gerade hier kann die Unterstützung und Begleitung von Frau Prof. Dr. Ulrike Lucke nicht hoch genug angerechnet werden, die mich bereits seit Beginn meiner Auseinandersetzung mit den digitalen Risiken begleitet und mich auch bei Durststrecken ermuntert hat weiterzumachen. Sie war letztlich der Anker, der mich stets auch animiert hat neue Fragen aufzuwerfen und die Thematik weiterzuentwickeln. Vielen Dank. Ein weiterer Dank gilt zudem dem Ersteller des Zweitgutachten, Herrn Prof. Dr. Steinberg. Daneben gibt es noch eine Vielzahl an weiteren Menschen, die auf die ein oder andere Art und Weise die Erstellung dieser Arbeit unterstützt haben. All diese Menschen haben dazu beigetragen, dass die vorliegende Arbeit durch die Juristische Fakultät der Universität Potsdam im Juni 2019 angenommen und im April 2020 erfolgreich verteidigt werden konnte.
In Erinnerung an meinen guten Freund Bastian Maaß.
Thomas-Gabriel Rüdiger
Potsdam, im März 2020
Über den Autor
Thomas-Gabriel Rüdiger ist ehemaliger Polizeihauptkommissar und studierter Kriminologe. Er arbeitet und forscht als Akademischer Rat am Institut für Polizeiwissenschaft an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg und gilt als einer der ersten Vertreter einer deutschsprachigen Cyberkriminologie. Diese vertritt er im In- und Ausland als Speaker auf unterschiedlichsten Fachveranstaltungen und Podiumsdebatten, als häufig angefragter Interviewpartner für Medien und als Autor einer Vielzahl an Fachpublikationen. Für seine Masterarbeit zu Kriminalität in Onlinegames wurde er mit dem ersten Zukunftspreis der Polizeiarbeit ausgezeichnet.
Der Autor in den Sozialen Medien:
Instagram → @Cyberkriminologe
Twitter → @TGRuediger
LinkedIn → @TGRuediger
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
I. Einführung
I.1 Das Internet als Viktimisierungsort des sexuellen Kindesmissbrauchs
I.2 Cybergrooming als akzeptierte Normalität
I.3 Politische Forderung nach der Einführung einer Versuchsstrafbarkeit für Cbergrooming
I.4 Fragestellung
II. Der sexuelle Kindesmissbrauch im physischen Raum
II.1 Sexuelle Gewalt – altes Phänomen im neuen Gewand
II.2 Sexueller Missbrauch als kriminologisches Phänomen
II.3 Der Grooming-Prozess
III. Der Cybergrooming-Prozess
III.1 1 Cybergrooming als kriminologisches Phänomen
III.2 Begriffsauseinandersetzung
III.3 Abgeleitete Definition von Cybergrooming
III.4 Täterprofile und Modi Operandi
III.5 Opferprofile und Auswirkungen der Viktimisierung durch Cybergrooming
IV. Der digitale Raum
IV.1 Entwicklung des digitalen Raumes
IV.1.1 Soziale Netzwerke
IV.1.2 Messenger und Chat-Räume
IV.1.3 Video- und Bildplattformen
IV.1.4 Onlinespiele und andere virtuelle Welten
IV.1.5 Zwischenfazit
IV.2 Mediennutzung in Deutschland
IV.2.1 Mediennutzung von Jugendlichen und Erwachsenen
IV.2.2 Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen
IV.2.3 Frühkindliche Internet- und Mediennutzung
IV.2.4 Digitale Spiele als Spielsphäre von Kindern
IV.2.5 Zwischenfazit
IV.3 Digitaler Narzissmus als Risikofaktor für Cybergrooming
IV.4 Relevanz der Anonymität im digitalen Raum für Cybergrooming
IV.5 Schlussfolgerung
V. Hell- und Dunkelfeldbetrachtung
V.1 Relevanz der Polizeilichen Kriminalstatistik bei der Analyse von Cybergrooming
V.2 Aussagewert der PKS für Cybergrooming
V.3 Methodik der PKS-Analyse
V.4 Hellfeldbetrachtung
V.4.1 Abgrenzung der Tatschlüssel
V.4.2 Auswertung Grundtabelle 01 § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 StGB
V.4.3 Auswertung Grundtabelle 05 § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 StGB
V.4.3.1 Allgemeine Tatentwicklung
V.4.3.2 Tatentwicklung in Brandenburg
V.4.3.3 Tatentwicklung in Österreich
V.4.4 Auswertung der Tatverdächtigenstruktur
V.4.4.1 Geschlechtsstruktur der Tatverdächtigen
V.4.4.1.1 Weibliche Tatverdächtige
V.4.4.1.2 Erklärungsansatz für weibliche Tatverdächtige
V.4.4.1.3 Vergleich mit dem Land Brandenburg
V.4.4.2 Altersstruktur der Tatverdächtigen
V.4.4.2.1 Verhältnis minderjähriger zu erwachsenen Tatverdächtigen
V.4.4.2.2 Altersstruktur der männlichen Tatverdächtigen
V.4.4.2.3 Altersstruktur der weiblichen Tatverdächtigen
V.4.4.2.4 Vergleich mit dem Land Brandenburg
V.4.4.3 Besondere Tatmerkmale der Tatverdächtigen
V.4.4.3.1 Relevante besondere Merkmale der Tatverdächtigen
V.4.4.3.2 Vergleich mit dem Land Brandenburg
V.4.4.5 Zwischenfazit Tatverdächtige
V.4.5 Auswertung der Opferstruktur
V.4.5.1 Altersstruktur der Opfer
V.4.5.2 Geschlechtsstruktur der Opfer
V.4.5.3 Vergleich der Opferstruktur mit dem Land Brandenburg
V.4.5.4 Zwischenfazit Opferstruktur
V.4.6 Täter-Opfer-Verhältnis
V.4.6.1 Soziales Beziehungsverhältnis zwischen Täter und Opfer
V.4.6.2 Räumliches Beziehungsverhältnis zwischen Täter und Opfer
V.4.6.3 Vergleich mit dem Land Brandenburg
V.4.7 Aufklärungsquote
V.4.7.1 Allgemeines
V.4.7.2 Aufklärungsquote § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 StGB
V.4.7.3 Vergleich mit dem Land Brandenburg
V.4.7.4 Schlussfolgerung
V.5 Dunkelfeldbetrachtung
V.5.1 Einteilung des Dunkelfelds
V.5.2 Aussagewert von Dunkelfelduntersuchungen
V.5.3 Analyse des Dunkelfelds
V.5.3.1 Katzers Studie
V.5.3.2 Partner 4 Studie
V.5.3.3 Mikado Studie
V.5.3.4 Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN)
V.5.3.5 JIM, KIM und miniKIM
V.5.3.6 Speak Studie
V.5.3.7 Studie „Mediatisierung Mobil“
V.5.3.8 MIKE- und JAMES-Studienreihe
V.5.3.9 Studie „SOS Kinderdorf“
V.5.3.10 Internationale englischsprachige Studien
V.5.3.11 Schlussfolgerungen der Dunkelfeldanalysen
V.6 Gesamtergebnis der Hell- und Dunkelfeldanalyse
V.6.1 Erkenntnisse zu den Opfern
V.6.2 Erkenntnissen zu den Tätern
V.6.3 Täter-Opfer-Beziehungen
V.6.4 Schlussfolgerung
VI. Juristische Betrachtung 277
VI.1 Entstehung der Strafbarkeit
VI.1.1 Einführung des § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB
VI.1.2 Verhältnis von § 176 Abs. 4 Nr. 3 zu § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB
VI.1.3 Reform des § 176 StGB im Jahr 2015
VI.1.4 Internationale Bestimmungen
VI.2 Materielle Betrachtung von § 176 Abs. 4 Nr. 3 und Nr. 4 StGB
VI.2.1 Schutzzweck § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 StGB
VI.2.2 Strafrahmen § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 StGB
VI.2.3 § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 StGB – Einordnung als unechte Unternehmensdelikte?
VI.2.4 Gemeinsame Tatbestandsmerkmale von § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 StGB
VI.2.4.1 Definition Kind gemäß § 176 Abs. 4 StGB
VI.2.4.2 Einwirken auf ein Kind im Sinne von § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 StGB
VI.2.4.2.1 Einwirken auf ein Kind nach § 176Abs. 4 Nr. 3 StGB
VI.2.4.2.2. Einwirken auf ein Kind nach § 176Abs. 4 Nr. 4 StGB
VI.2.4.2.3 Bedarf die Einwirkung stets einer sexuellen Komponente bei § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB?
VI.2.4.2.4 Zwischenergebnis
VI.2.5 Individuelle Tatbestandsmerkmale gem. § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB
VI.2.5.1 Tatbestandsmerkmale gem. § 176 Abs. 4 Nr. 3 a StGB
VI.2.5.1.1 Tatbestandsmerkmal der sexuellen Handlung gem. § 176 Abs. 4 Nr. 3 a StGB
VI.2.5.1.2 Tatbestandsmerkmal der sexuellen Handlungen vor einer anderen Person gem. § 184 h Nr. 1 StGB
VI.2.5.2 Erheblichkeitsschwelle der sexuellen Handlungen gem. § 176 Abs. 4 Nr. 3 a StGB
VI.2.5.3 Tatmittel des § 176 Abs. 4 Nr. 3 STGB
VI.2.5.4 Tatbestandsmerkmale § 176 Abs. 4 Nr. 3 b StGB
VI.2.5.4.1 Kinderpornografische Schrift nach § 184 b Abs. 1 Nr. 3 StGB 326
VI.2.5.4.2 Die Tatbestandsvariante gem. § 184 b Abs. 1 Nr. 3 StGB
VI.2.5.4.3 Die Tatbestandsvariante gem. § 184 b Abs. 3 StGB
VI.2.5.4.4 Zwischenfazit
VI.2.6 Individuelle Tatbestandsmerkmale § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB
VI.2.6.1 Tatmittel und Modi Operandi gem. § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB
VI.2.6.2 Erheblichkeitsschwelle bei § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB
VI.3 Versuchsstrafbarkeit für § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 StGB
VI.3.1 Versuchsstrafbarkeit für § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 StGB
VI.3.2 Strafbarkeit des untauglichen Versuchs im Sinne des § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB
VI.3.3 Relevanz des § 176 Abs. 5 StGB für die Betrachtung
VI.3.4 Mögliche Auswirkungen der Einführung einer Versuchsstrafbarkeit
VI.3.5 Zwischenfazit
VI.4 Juristische Handlungsmöglichkeiten
VI.4.1 Ausweitung des Schutzalters auf Jugendliche?
VI.4.2 Vorschlag zur Einführung eines Tatbestandes der digitalen sexuellen Belästigung
VI.4.3 Sollten Grooming-Handlungen auch im physischen Raum unter Strafe stehen?
VI.4.4 Weltweit gültiges Normenverständnis
VII. Kriminologische und kriminalpolitische Betrachtung
VII.1 Vorbemerkung
VII.2 Das digitale Dunkelfeld
VII.3 Broken Web als Erklärungsansatz für Cybergrooming
VII.4 Präventionsmöglichkeiten auf Grundlage des Broken-Web-Ansatzes
VII.4.1 Einflussnahme auf die Tätermotivation durch digitale Bildung
VII.4.2 Resilienzetablierung bei potentiellen Opfern durch Medienkompetenz
VII.4.3 Erhöhung der Risiken für potentielle Täter
VII.4.3.1 Community
VII.4.3.2 Wirtschaft
VII.4.3.2.1 Alters- und Personenverifikationen
VII.4.3.2.2 Alterseinstufungen und Jugendmedienschutz
VII.4.3.2.3 Einsatz von technischen Filtermechanismen
VII.4.3.2.4 Community-Manager
VII.4.3.2.5 Mechanismen zur Täteridentifikation
VII.4.3.2.6 Versicherungen gegen Cybergrooming?
VII.4.3.3 Rechtsstaat
VII.4.3.3.1 Erhöhung der Strafverfolgungswahrscheinlichkeit
VII.4.3.3.2 Erhöhung der digitalen Polizeipräsenz
VII.5 Abschließende kriminalpolitische Betrachtung
VIII. Kriminalpolitische Forderungen
IX. Schlussbetrachtung
X. Literatur
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Grooming-Prozess nach Bullens
Abbildung 2 Fünf-Phasen-Modell des Grooming-Prozesses nach Bullens
Abbildung 3 Vier-Phasen-Grooming-Modell nach Berson
Abbildung 4 Täter-Typologien nach Webster et al.
Abbildung 5 Auszug zur Mediennutzung ab 14 Jahren in Prozent. Quelle: Heintze 2017, Nutzer-Erosion – Facebook hat ein Generationen-Problem
Abbildung 6 Entwicklung kindlicher Internetnutzung von 2008–2016. Quelle: KIM Studien 2008, 2012, 2016.
Abbildung 7 Übersicht der genutzten Falltabellen der PKS. Quelle: BMI 2019, Polizeiliche Kriminalstatistik 2018
Abbildung 8 Auswertungsprozess Grundtabelle 01, Grundtabelle 05 und Eingrenzung Tatmittel Internet.
Abbildung 9 Entwicklung der Gesamtfallzahlen. Quelle: BMI 2004–2019, Polizeiliche Kriminalstatistik 2003–2018, Grundtabelle 01, Tatschlüssel 131400
Abbildung 10 Prozentuale Steigerung des Tatschlüssels 131400 Tatmittel Internet bezogen auf das Ausgangsjahr 2009 (156 Anzeigen). Quelle: BMI 2010–2019, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2018, Grundtabelle 05 Tatschlüssel 131400
Abbildung 11 Vergleich prozentuale und absolute Steigerung Grundtabelle 01 zu Grundtabelle 05. Quelle: BMI 2010–2019, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2018, Grundtabelle 01, Grundtabelle 05, Tatschlüssel 131400
Abbildung 12 Vergleich Fallzahlen in absoluten Zahlen. Quelle: BMI 2010–2019, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2018, Grundtabelle 01, Grundtabelle 05 Tatschlüssel 131400
Abbildung 13 Prozentuales Verhältnis Anzeigeraten Grundtabelle 01 zu Grundtabelle 05. Quelle: BMI 2010–2019, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2018, Grundtabelle 01, Grundtabelle 05 Tatschlüssel 131400
Abbildung 14 Vergleich der Häufigkeitsziffer zwischen Grunddelikt und Delikt unter Begehung Tatmittel Internet. Quelle: BMI 2010–2019, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2018, Grundtabelle 01, Grundtabelle 05, Tatschlüssel 131400
Abbildung 15 Fallzahlen Land Brandenburg. Quelle: PKSBB 2003–2016, TM Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 16 Erfasste Anzeigen Österreich. Quelle: BK 2013–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2013–2017, § 208a öStGB
Abbildung 17 Entwicklung Tatverdächtige in absolute Zahlen. Quelle: BMI 2010–2019, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2018, Grundtabelle 05, Tatschlüssel
Abbildung 18 Prozentuale Verteilung der Geschlechtsstruktur der Tatverdächtigen. Quelle: BMI 2010–2019, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2018, TM Internet, Tatschlüssel
Abbildung 19 Verhältnis Geschlechtsstruktur Grundtabelle 01 und Grundtabelle 05. Quelle: BMI 2010–2019, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2018, TM Internet, Tatschlüssel
Abbildung 20 Vergleich Entwicklung Internetnutzung Geschlecht zu TV Geschlecht 2009–2016. Quelle: ARD/ZDF 2017, Entwicklung der Onlinenutzung in Deutschland 1997 bis 2017; BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Grundtabelle 05, Tatschlüssel 131400.
Abbildung 21 Geschlechtsstruktur TV Land Brandenburg. Quelle: PKSBB 2009–2016, TM Internet, Tatschlüssel
Abbildung 22 Prozentuale Entwicklung Kinder/Jugendliche zu Erwachsenen als Tatverdächtige. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 20, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 23 Altersstruktur der Tatverdächtigen in absoluten Zahlen. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 20, Tatschlüssel 131400
Abbildung 24 Prozentualer Vergleich ü21 und u21 Bundesebene TM Internet. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 20, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 25 Tatverdächtigen-Altersstruktur Gesamt Internet in Prozent. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 20, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 26 Zuwachsraten gegenüber Basisjahr 2009 n Nichterwachsene und Erwachsene Tatverdächtige. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 20, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 27 Absoluter Anstieg der kindlichen und jugendlichen Tatverdächtigen im Vergleich zur prozentualen Abdeckung des Besitzes eines Smartphones von 2009–2016. Quellen BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 20, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400; Mediendaten JIM/KIM-Studie 2009–2016.
Abbildung 28 Prozentualer Anteil der 18- bis 30-Jähriger und älteren Tatverdächtigen. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 20, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 29 Durchschnittsalter aller Tatverdächtigen. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 20, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 30 Prozentualer Anteil von Minderjährigen an der Gesamtkriminalität in Deutschland, Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 20, Tatschlüssel Straftaten insgesamt.
Abbildung 31 Verteilung erwachsener Tatverdächtige in absoluten Zahlen. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 20, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 32 Altersstruktur männlicher TV in absoluten Zahlen. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 20, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 33 Altersstruktur männlicher TV prozentualer Anteil. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 20, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 34 Altersstruktur weiblicher TV in absoluten Zahlen. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 20, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 35 Altersstruktur weiblicher TV prozentualer Anteil. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 20, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 36 Altersstruktur weiblicher minderjähriger und erwachsener TV, 2009–2016. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, TM Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 37 Altersstruktur der Tatverdächtigen im Land Brandenburg im prozentualen Vergleich. Quelle: PKSBB 2009–2016, TM Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 38 Altersstruktur der Tatverdächtigen im Land Brandenburg in absoluten Zahlen. Quelle: PKSBB 2009–2016, TM Internet, Tatschlüssel 131400.
Abbildung 39 Altersstruktur der tatverdächtigen Minderjährigen und Heranwachsenden im Land Brandenburg in absoluten Zahlen. Quelle: PKSBB 2009–2016, TM Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 40 Altersstruktur weibliche Tatverdächtige in Brandenburg. Quelle: PKSBB 2009–2016, TM Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 41 Verteilung besondere Tatmerkmale im prozentualen Vergleich. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 22, TM Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 42 Anzahl Tatverdächtige Brandenburg. Quelle: PKSBB 2003–2016, TM Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 43 Verteilung Tatmerkmale Tatverdächtige Brandenburg. Quelle: PKSBB 2003–2016, TM Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 44 Schematische Darstellung der Altersstufen von Opfern geordnet nach möglichen Modi Operandi
Abbildung 45 Altersstruktur der Opfer in absoluten Zahlen. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 91, TM Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 46 Altersstruktur der Opfer im prozentualen Vergleich. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 91, TM Internet, Tatschlüssel
Abbildung 47 Geschlechtsverteilung Opfer unter 6 Jahren. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 91, TM Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 48 Geschlechtsverteilung Opfer von 6–14 Jahren. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 91, TM Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 49 Geschlechtsverteilung Opfer von 6–14 Jahre im prozentualen Vergleich. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 91, TM Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 50 Geschlechtsstruktur Opfer in absoluten Zahlen. Quelle: PKSBB 2009–2016, TM Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 51 Geschlechtsstruktur Opfer im prozentualen Vergleich. Quelle: PKSBB 2009–2016, TM Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 52 Täter-Opfer-Beziehung in absoluten Zahlen, 2009–2016.
Abbildung 53 Täter-Opfer-Beziehung im prozentualen Vergleich. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 92, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 54 Beziehungsstatus zwischen männlichen Opfern und Tatverdächtigen in absoluten Zahlen. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 92, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 55 Prozentualer durchschnittlicher Anteil naher Tatverdächtiger bei männlichen Opfern. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 92, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 56 Beziehungsstatus zwischen weiblichen Opfern und Tatverdächtigen in absoluten Zahlen. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 92, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 57 Prozentualer durchschnittlicher Anteil naher Tatverdächtiger bei weiblichen Opfern. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 92, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 58 Beziehungsstatus zu Tatverdächtigen bei männlichen Opfern prozentuale Verteilung. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 92, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 59 Beziehungsstatus zu Tatverdächtigen bei weiblichen Opfern prozentuale Verteilung. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 92, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 60 Prozentuale Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung bei weiblichen Opfern. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 92, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 61 Prozentuale Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung bei männlichen Opfern. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 92, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 62 Räumliche Beziehung Täter – Opfer in absoluten Zahlen. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 93, Tatmittel Internet, Tatschlüssel
Abbildung 63 Räumliche Beziehung Täter – Opfer prozentualer Vergleich. Quelle: BMI 2010–2017, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2016, Tabelle 93, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400
Abbildung 64 Räumliche Beziehung Täter – Opfer absolut Brandenburg. Quelle: PKSBB, 2009–2016, Tabelle 93, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400.
Abbildung 65 Räumliche Beziehung Täter – Opfer prozentual Brandenburg. Quelle: PKSBB, 2009–2016, Tabelle 93, Tatmittel Internet, Tatschlüssel 131400.
Abbildung 66 Entwicklung der Aufklärungsquote Grundtabelle 05 in absoluten und anteiligen Zahlen. Quelle: BMI 2010–2019, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2018, Grundtabelle 05, Tatschlüssel 131400
Abbildung 67 Prozentuale Aufklärungsquote Grundtabelle 01 und Grundtabelle 05. Quelle: BMI 2010–2019, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009–2018, Grundtabelle 01, Grundtabelle 05, Tatschlüssel 131400
Abbildung 68 Aufklärungsquote Brandenburg TM Internet. Quelle: PKSBB, 2009–2016, Tatmittel Internet, Tatschlüssel
Abbildung 69 Verteilung/Aburteilung Cybergrooming laut PKS Sachsen. Quelle: Ulbig 2017, Kleine Anfrage zu Cybergrooming Drs. Nr.: 6/8977.
Abbildung 70 Arten des Dunkelfeldes.
Abbildung 71 Anzahl Personen mit sexuellem Onlinekontakt zu Jugendlichen. Quelle: Neutze/Osterheider 2015, Missbrauch von Kindern, S. 9.
Abbildung 72 Prozentualer Vergleich unangenehmer Erfahrungen im Chat. Quelle JIM-Studien 2003–2007.
Abbildung 73 Onlinebasierte sexuelle Belästigung nach Altersstufen in der Schweiz in Prozent. Quelle: JAMES-Studie 2014–2016.
Abbildung 74 Persönliche Treffen mit Internetbekanntschaften in der Schweiz in Prozent. Quelle: JAMES-Studie 2014–2016.
Abbildung 75 Durchschnittliches Tatverdächtigen Profil
Abbildung 76 Durchschnittliches Opferprofil.
Abbildung 77 Vergleich der Häufigkeitsziffer PKS Gesamt gegenüber IT-Angriffen auf die Bundeswehr
Abbildung 78 Handlungsmöglichkeiten auf Basis des Broken Web Ansatzes
I. Einführung
Das Verwaltungsgericht Cottbus hatte am 14. Februar 2018 einen ungewöhnlichen Fall zu entscheiden1. Das Gericht urteilte, dass im Rahmen eines Strafverfahrens gegen einen Brandenburger Polizeibeamten wegen des Verdachtes des sexuellen Missbrauchs von Kindern eine erkennungsdienstliche Behandlung – sprich Abbildung – seines Geschlechtsteils in Betracht komme2. Hintergrund des Urteils war, dass dem Polizeibeamten vorgeworfen wurde über seinen privaten Facebook-Account von seinem Dienstrechner aus Kontakt zu einem 13-jährigen Mädchen aufgenommen zu haben. Der Beschuldigte soll in der Folge mit dem Kind „erotische Gespräche“ – vermutlich sind hier sexualisierte Gespräche gemeint – geführt haben, bei dem das Kind ihm auch ein Bild von sich zugesandt hat – wobei das Gericht die Art und Weise des Bildes nicht weiter thematisierte3. Das im Rahmen der Entscheidung beschriebene Vorgehen des Beschuldigten, also das Suchen und Finden von kindlichen Opfern, der offenbar vorhandene Aufbau eines Vertrauensverhältnisses, die Verlagerung auf sexuell bzw. pornografisch geprägte Kommunikationen und der Austausch von eigenproduzierten Bildern – nicht selten pornografischem Inhaltes – beschreibt in seiner Phänomenologie die onlinebasierte Anbahnung eines sexuellen Missbrauchs. Für diese Vorgehensweise hat sich im deutschsprachigen Raum sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch in der Wissenschaft4 weitestgehend der unbestimmte Begriff „Cybergrooming“ etablieren können5.
Bei einer näheren Analyse des Phänomens ist jedoch auch ersichtlich, dass es offenbar kein allgemeingültiges Verständnis davon gibt, was der Begriff konkret für ein Phänomen beschreibt. Insbesondere zwischen den kriminalwissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Zugängen zum Cybergrooming verläuft hierbei ein offensichtlicher Riss. Gerade die sozialwissenschaftliche Sicht setzt teilweise im Vergleich zum juristischen Tatbestand an einer sehr differenten Phänomenbeschreibung an. Dieses unterschiedliche Verständnis hat dann auch Auswirkungen auf die Betrachtung und Analyse sowohl des Hellfeldes – in Form der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) – als auch des Dunkelfeldes in Form von nationalen und internationalen Studien. Insbesondere die Dunkelfeldanalysen bedürfen hierbei einer besonderen Analyse, da nur die wenigsten Studien ein gemeinsames Phänomenverständnis bzw. eine generelle Definition in ihren Untersuchungen zu Grunde legen. Mit der vorliegenden Arbeit soll diese wichtige Perspektive in die Phänomenbetrachtung integriert werden.
Im Rahmen des oben genannten Beispielsfalls gab das Gericht in seiner Urteilsbegründung aber auch an, dass aufgrund der besonderen Vorgehensweise des Täters mit weiteren Taten letztlich durchaus gerechnet werden kann. Vor allem fand bei der Bewertung Beachtung „[…] dass der Antragsteller im Rahmen der Vorbereitung bzw. Begehung der Tat unter Nutzung des dienstlichen Rechners bewusst das Risiko jederzeitiger Entdeckung durch Arbeitskollegen oder durch den Dienstherrn bzw. durch die für den Dienstherrn tätigen Mitarbeiter der IT-Stelle in Kauf genommen hat […] zumal er neben – dem [sic!] ihm ohne weiteres bekannten – strafrechtlichen Konsequenzen mit dienstrechtlichen Schritten bis hin zu seiner Entfernung aus dem Staatsdienst habe rechnen müssen […]“6.
Interessanterweise ist aber der Sachverhalt nicht durch dienstliche Ermittlungen oder Kollegen des Beschuldigten bekannt geworden. Vielmehr soll der Vater der Geschädigten auf den Kontakt aufmerksam geworden sein und ihn dann zur Anzeige gebracht haben 7.
Dieser Sachverhalt steht buchstäblich für eine Vielzahl an Fragen, die sich um dieses Phänomen drehen:
• Nahm der Beschuldigte – immerhin ein entsprechend ausgebildeter oder studierter Polizist – das Risiko der Entdeckung tatsächlich einfach so hin, weil sein Drang zur Tathandlung so hoch war?
• Konnte er eventuell die Strafbarkeit seiner Handlung nicht richtig einschätzen und ging daher davon aus, dass die Kontaktanbahnung über einen Dienstrechner unproblematisch sei?
• Oder ging er davon aus, dass die Strafverfolgungswahrscheinlichkeit so gering war, dass sich für ihn kein großes Risiko ergibt?
• Wie erreichte er eigentlich sein Opfer?
• Schrieb er einfach einen unbekannten Account auf Facebook an oder kannte er das Kind aus dem physischen Raum und nahm dann Kontakt auf? Hat er nur zu einem einzigen Kind Kontakt aufgenommen?
I.1 Das Internet als Viktimisierungsort des sexuellen Kindesmissbrauchs
Dabei ist es faktisch irrelevant, ob diese Fragen für den konkreten Fall beantwortet werden können. Es ist eher von Relevanz, welche Erkenntnisse man zu diesem Phänomen hat und ob dieser Fall ein ungewöhnlicher Einzelfall ist oder für ein grundsätzliches Risiko im digitalen Raum steht8. Es stellt sich aber auch die Frage, ob bisherige kriminologische Theorien zur Erklärung von Verhalten, das von der Norm abweicht, auch auf solche offenbar durch die Digitalisierung begünstigende Delikte Anwendung finden können. Denn seit ungefähr 15 Jahren hat sich eine weitere Form von öffentlichem Raum gebildet, die insbesondere durch Politiker mit dem Attribut ‚rechtsfrei‘ assoziiert wird9. In diesem digitalen Raum des Internets10 bewegen sich Kinder mittlerweile ganz selbstverständlich und das Einstiegsalter für die Nutzung digitaler Medien sinkt jedes Jahr11. Dabei wird unter digitalem Raum in dieser Arbeit die Gesamtheit der unterschiedlichsten einzelnen Programme verstanden, die eine onlinebasierte Verknüpfung und Kommunikation von Menschen ermöglichen. Dies ist vergleichbar mit dem öffentlichen Raum, in dem einzelne Plätze und Straßen für sich genommen Räume darstellen, während gleichzeitig die Gesamtheit dieser Plätze einen neuen gemeinsamen Raum darstellen kann. Der digitale Raum setzt sich einerseits aus den unterschiedlichsten einzelnen Programmen zusammen und kann gleichzeitig in seiner Gesamtheit auch als ein eigenständiges Konstrukt wahrgenommen werden. Dabei ist der digitale Raum insbesondere geprägt von der Nutzung sog. Sozialer Medien, die eine offene, aber auch weitestgehend anonyme Interaktion und Kommunikation der Nutzer untereinander ermöglicht12. Sexualtätern eröffnet sich hier also ein Raum, in dem sich Kinder bewegen, aber offenbar nur eine geringe Strafwahrscheinlichkeit besteht13. Der „Routine Activity Approach“ von Cohen und Felson – der maßgeblich auf der Rational Choice Theorie (Theorie des rationalen Wahlhandelns)14 aufbaut – geht davon aus, dass ein Täter dann eine abweichende Handlung begeht, wenn er in einer konkreten zeitlichen und räumlichen Situation ein sich lohnendes Ziel hat, es geringe Schutzmechanismen gibt und der Täter selbst eine hohe innere Motivation zur Tathandlung aufweist15. Diese drei Elemente beeinflussen sich gegenseitig: Wenn eines schwächer ausgeprägt ist, kann dies durch die Stärkung eines anderen Elements ausgeglichen werden. Wenn beispielsweise das innere Verlangen zur Tathandlung hoch und ein greifbares und motivierendes Ziel vorhanden ist, schreckt ggf. auch ein hohes Schutzniveau einen Täter nicht ab. Gleichzeitig müssen aber auch die einzelnen Elemente zusammenkommen. Ein Täter handelt dementsprechend nur dann, wenn ein Ziel – zumindest aus seiner Sicht – auch greifbar ist. In dem skizzierten Sachverhalt deutete der Richter beispielsweise an, dass der Täter eine so hohe „Motivation“ hatte, den Kontakt zu dem Kind – dem Ziel – aufzubauen, dass ihn auch die Schutzmechanismen in Form der Entdeckungswahrscheinlichkeit nicht von der Tathandlung an seinem Arbeitsplatz abhalten konnten16. Diesem Gedanken entsprechend ist es auch naheliegend, dass die primären Orte der sexuellen Viktimisierung von Kindern in der Familie oder dem sozialen Nahfeld liegen17. Eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) ergab, dass 49,1 Prozent aller Kinder, die von sexuellen Viktimisierungserfahrungen mit Körperkontakt berichteten, einen männlichen Familienangehörigen als Täter angaben. Weitere 27,3 Prozent waren männliche Bekannte. Insgesamt berichteten demnach 76,4 Prozent von bekannten männlichen Tätern aus dem sozialen Nahfeld.
Lediglich 19,8 Prozent berichteten von unbekannten Tätern und 3,8 Prozent von Täterinnen18. Nach der Mikado-Studie haben wiederum 20 Prozent der sexuellen Kindesmissbraucher19 und/oder Nutzer von Missbrauchsabbildungen entweder im Beruf oder in einer ehrenamtlichen Tätigkeit einen Kontakt zu Kindern20. Nach der Routine Activity Theorie ist diese hohe Zahl auch folgerichtig, da der Täter hier relativ unbeobachtet Zugang zu seinem Ziel – den Kindern – hat und durch seine Funktion oder Eigenschaft Übergriffe auch gut verschleiern kann. Durch diesen Zugriff können sie zudem die gesellschaftlichen wie individuellen Schutzmechanismen minimieren bzw. umgehen, was nach der Routine-Activity-Theorie eine Überwindung der Hemmschwelle zur Tatbegehung erhöht. Die Täter sind demnach primär dort zu finden, wo ihre kindlichen Opfer sich aufhalten und die Schutzmechanismen gering sind. Für den digitalen Raum und die Thematik des Cybergroomings liegt daher eine Übertragung dieses Ansatzes nahe, die bei der Erörterung der Erklärungs- und Präventionsansätze Vertiefung finden wird. Dies würde darauf hindeuten, dass dieser digitale Raum mittlerweile einen quantitativ signifikanten Viktimisierungsort für Kinder und auch Jugendliche darstellt.
I.2 Cybergrooming als akzeptierte Normalität
Ein Polizeibeamter des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg zog im Rahmen einer polizeilichen Operation gegen Cybergroomer zur Beschreibung der generellen Lage den Vergleich mit einem Piranhabecken. Hiermit wollte er beschreiben, dass sich die Täter so aggressiv wie Piranhas auf die mutmaßlichen kindlichen Opfer im digitalen Raum stürzen würden21. Ein Polizeibeamter der Taskforce Internet des Landeskriminalamtes Wiesbaden beschreibt in einer TV-Reportage, dass „[…] Kinder, die auf solchen Chat-Plattformen unterwegs sind, innerhalb von wenigen Sekunden bis maximal ein bis zwei Minuten bereits von Pädophilen sexualisiert angesprochen werden […]“22. Im Rahmen eines Cybercrime-Lagebildes kommt das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) zu einer ernüchternden Einschätzung des Umfanges des Phänomens. Demnach sei „[…] für viele Kinder und Jugendliche die Annäherung mit sexuellen Motiven bereits selbstverständlicher Teil der Kommunikation im Internet […]“ und daher würden die „[…] Opfer ein solches Verhaltens oftmals zunächst nicht als strafbare Handlung bewerten […]“23. Trotz dieser Einschätzung liegt aber die Aufklärungsquote für Delikte im Bereich Cybergrooming seit 10 Jahren gemäß einer Analyse der zu Grunde liegenden PKS konstant bei über 80 Prozent24. Dies könnte als Anzeichen dafür ausgelegt werden, dass der Strafverfolgungsdruck bei diesem Delikt offenbar nicht hoch genug sein könnte. Denn wenn die Straftaten mit hinreichenden Anhaltspunkten durch die Strafverfolgungsbehörden aufgeklärt werden können, kann dies auch darauf hindeuten, dass die aufgeklärten Täter nur geringe oder unwirksame Schutzmechanismen zur Unterbindung einer wirksamen Strafverfolgung oder gar keine nutzen. Insgesamt können diese Indizien daher darauf hindeuten, dass es entweder objektiv nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit für Täter gibt, bei entsprechenden Cybergrooming-Prozessen auch angezeigt zu werden, oder dass die Täter diese nur subjektiv als gering empfinden und daher nur geringe Schutzmaßnahmen gegen die Strafverfolgung einleiten. Um dieser Entwicklung zu begegnen, erscheint es notwendig herauszuarbeiten, wo die Opfer viktimisiert werden, welche Umstände die Viktimisierung unterstützen und welche Schutzmechanismen in Form des Strafrechts, aber auch der kriminalpolitischen Ansätze ausreichend sind, um eine solche Viktimisierung zu unterbinden.
Eine besonders kontroverse Diskussion hatte in diesem Zusammenhang bereits 2010 die Sendung „Tatort Internet“ ausgelöst. In dieser gaben sich Journalisten im Internet als Kinder aus, ließen sich in einschlägigen Internetforen durch offenkundige Cybergroomer kontaktieren und trafen sich dann mit diesen Kontakten. Dabei wurden die Personen, die sich mit dem vermeintlichen Kind treffen wollten, von einem Kamerateam entsprechend bloßgestellt25. Diese Sendung hat auch in der medialen Darstellung und in der Gesellschaft Kritik ausgelöst26. Aber nicht nur Journalisten gehen so vor: Eine Vielzahl Personen, Gruppen oder auch Institutionen führen noch heute vergleichbare ‚Operationen‘ durch. Im Rahmen dieser an Vigilantismus grenzenden Handlungen werden die Täter wie bei „Tatort Internet“ zumeist vor einer laufenden Kamera bloßgestellt und die Aufnahmen nicht selten auch in Sozialen Medien veröffentlicht. Der YouTuber MemoHD27 hatte mehrere solcher Videos mit teilweise sechsstelligen Zugriffszahlen und tausenden von Kommentaren veröffentlicht28. Eine ganze Reihe anderer YouTuber betreiben ähnliche Formate, die offenkundig auch zur Erhöhung der Aufmerksamkeit des eigenen Kanals dienen sollen29. Einen etwas anderen Weg ging der niederländische Zweig der Organisation Terre des Hommes bereits im Jahr 2012. Diese setzten mit Sweety einen täuschend echt aussehenden Avatar eines 10-jährigen Mädchens ein, um sich von Sexualtätern ansprechen zu lassen und diese letztlich zu überführen30. Im Rahmen dieser ‚Operation‘ kontaktierte Terre des Hommes nach eigenen Angaben weltweit Strafverfolgungsbehörden, um insgesamt 100.000 Menschen identifizieren zu lassen, die bereit waren für den Missbrauch vor der Kamera Beträge zwischen 10 und 15 US-Dollar zu zahlen; 1.000 Tatverdächtige konnten schlussendlich identifiziert werden31. Unabhängig davon, wie solche Formate und Sendungen bewertet werden, offenbart es doch gleichzeitig, wie einfach und letztlich normal es offenbar im Internet ist mit Sexualtätern konfrontiert zu werden, und auch, wie schnell sich mutmaßliche Sexualtäter mit vermeintlichen Kindern im physischen Raum treffen oder einen sexuellen Missbrauch über digitale Medien vornehmen.
I.3 Politische Forderung nach der Einführung einer Versuchsstrafbarkeit für Cbergrooming32
In der Politik und den Sicherheitsbehörden sind in diesem Zusammenhang Forderungen nach der Einführung der bisher nicht vorhandenen Versuchsstrafbarkeit für § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB erhoben worden33. Diese Forderung wurde in den Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung der 19. Legislaturperiode aufgenommen. Hier heißt es: „[…] wir führen eine Strafbarkeit für den Versuch des Cybergroomings ein, um Kinder im Internet besser zu schützen und die Effektivität der Strafverfolgung pädophiler Täter, die im Netz Jagd auf Kinder machen, zu erhöhen […]“34. Die Verwendung des Wortlautes „wir führen ein“ deutet darauf hin, dass es sich nicht um eine reine Wollenserklärung, sondern um eine tatsächliche Absichtserklärung handelt. Demnach kann damit gerechnet werden, dass ein entsprechendes Gesetzesvorhaben angegangen wird. Diesem Bundesvorhaben ist das Bundesland Hessen bereits zuvorgekommen und hat im Oktober 2018 im Bundesrat einen eigenen Gesetzesvorschlag zur Einführung einer Versuchsstrafbarkeit für § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB vorgelegt35.
Hintergrund dieser politischen Forderung zur Einführung einer Versuchsstrafbarkeit ist, dass der Gesetzgeber in § 176 Abs. 6 Hs. 2 StGB festgeschrieben hat, dass zunächst jeder Versuch aus dem Tatkanon des § 176 StGB unter Strafe steht. Er hat dann aber als Eingrenzung explizit festgesetzt, dass keine Versuchsstrafbarkeit für § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 StGB greifen soll. Dieser Feststellung misst der Gesetzgeber offensichtlich sogar eine besondere Bedeutung bei, da es sich bei § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 StGB um ein Vergehen handelt. Der Versuch eines Vergehens ist gem. § 23 Abs. 1 StGB aber nur strafbar, wenn der Gesetzgeber dies explizit so vorsieht. Erst durch die Ausweitung der Versuchsstrafbarkeit auf den gesamten § 176 StGB ist also die Eingrenzung notwendig geworden. Dennoch scheint der Gesetzgeber diese Tathandlungen als weniger verwerflich anzusehen als den übrigen Tatkanon des § 176 StGB. Die fordernden Politiker erhoffen sich dem Koalitionsvertrag zufolge durch die Einführung einer solchen Versuchsstrafbarkeit v. a. eine effektivere und leichtere proaktive Überführung von Sexualtätern durch die Strafverfolgungsbehörden36. Dieser Gedanke basiert auf der Durchführung von proaktiven polizeilichen Operationen, bei denen sich Polizisten mit der Identität eines Kinders – sog. Scheinkinder oder Lockvögel – tarnen und sich entsprechend passiv durch Täter ansprechen lassen37. Im Rahmen einer solchen Operation kann es nach gegenwärtiger Rechtslage zu einer strafbewährten Handlung kommen, wenn die Tatverdächtigen im Glauben handeln, mit einem Kind zu kommunizieren, und z. B. vor einer Webkamera sichtbare sexuelle Handlungen vornehmen. Hierbei ergibt sich eine noch zu betrachtende Strafbarkeitsmöglichkeit in Form eines untauglichen Versuches nach §§ 176 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. Abs. 5 i. V. m. 23 Abs. 1 StGB. Die Forderung der Politik zielt nun darauf ab, dass es bereits strafbar sein sollte, wenn ein mutmaßlicher Täter in der Annahme, mit einem Kind zu kommunizieren, in Wirklichkeit mit den entsprechend vorgehenden Polizisten spricht. Dies soll aus Sicht der Politik offenbar eine wirksame Strafverfolgung verbessern und somit langfristig die Zahl der Täter und somit auch der Opfer zu verringern. Im Kern soll dies letztlich dazu beitragen, für Täter die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, mit einer Strafanzeige konfrontiert zu werden. Dabei würde die Einführung einer solchen Versuchsstrafbarkeit jedoch – je nach Formulierung des Gesetzestextes – faktisch auch bereits das Ansetzen zu einem Einwirken auf ein Kind unter Strafe stellen. Dies würde die Strafbarkeit offensichtlich weit vor der eigentlichen Tathandlung ansetzen, was relativ einmalig im deutschen Strafrecht wäre. Aber auch ohne den Diskussionspunkt der Vorfeldstrafbarkeit stellt sich hier die Frage, welche Auswirkungen die Einführung hätte und ob sie sinnvoll erscheint. Dabei ergibt sich auch die Frage, wie sich die Einführung einer solchen Versuchsstrafbarkeit eigentlich auf die polizeiliche Arbeit bei der Bekämpfung entsprechender Sexualtäter auswirkt. Bisher fehlt es im deutschsprachigen Raum weitestgehend an einer gesamtheitlich getragenen Betrachtung des Phänomens Cybergrooming, die die kriminologischen Erkenntnisse zum Phänomen und gesellschaftliche Bekämpfungsstrategien und -bedingungen mit einer strafrechtlichen Betrachtungsweise kombiniert. Alexiou hat hier jüngst erste wichtige Vorarbeiten geleistet, wobei sie v. a. Täterprofile und die Rechtmäßigkeit des § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB analysiert hat38. Dabei fehlt es jedoch an den kriminologischen Erklärungsansätzen, beispielsweise dazu, warum Täter offenbar im digitalen Raum so unkontrolliert aktiv sein können, warum die Zahlen der kindlichen und jugendlichen Tatverdächtigen stetig steigen und ob die gesellschaftlichen Reaktionsmechanismen auf diese Phänomene überhaupt dafür geeignet sind, den damit verbundenen Risiken zu begegnen und letztlich das Viktimisierungsrisiko zu senken. Diese Forschungs- und Erkenntnislücke soll durch die vorliegende Arbeit geschlossen werden.
I.4 Fragestellung
Die vorliegende Arbeit möchte sich des erwähnten Spannungsverhältnisses zwischen hohen Deliktsraten und offenbar nur geringen Schutzmechanismen annehmen. Dabei stellt sich die grundsätzliche und primäre Frage, ob die bisherigen kriminalpolitischen und v. a. auch strafrechtlichen Maßnahmen überhaupt geeignet sind, diese Deliktsformen zu bekämpfen. Schwind bestimmt die Kriminalpolitik als „[…] die Gesamtheit aller staatlichen und außerstaatlichen (also nicht nur strafrechtlichen) Maßnahmen […], die zum Schutz der Gesellschaft und des einzelnen Bürgers auf Verhütung und Bekämpfung von Kriminalität gerichtet sind“39. Diese Definition hat sich weitestgehend in der Wissenschaft etabliert40. Der Begriff der Kriminalität, der sich vom lateinischen Wort „crimen“ für Verbrechen ableitet41, wird dabei durchaus unterschiedlich definiert und ist vom jeweiligen historisch-kulturellen Kontext geprägt42. Diese Arbeit bezieht sich auf den strafrechtlich-formellen Kriminalitätsbegriff, wonach Kriminalität die Gesamtheit aller „Handlungen mit strafrechtlichen Rechtsfolgen“43 ist. Übertragen auf das Phänomenfeld Cybergrooming muss daher hinterfragt werden, ob die vorhandenen gesamtgesellschaftlichen Maßnahmen ausreichend sind, um Kinder vor dieser Art von Sexualdelikten zu schützen.
Konkret soll durch die vorgelegte Arbeit folgende übergeordnete Frage in zwei Teilen beantwortet werden:
I. Sind die aktuellen kriminalpolitischen Maßnahmen dafür geeignet Cybergrooming zu bekämpfen?
II. Welche kriminalpolitischen Handlungsempfehlungen erscheinen geeignet das Phänomenfeld Cybergrooming zu bekämpfen?
Mehrere Unterfragen sollen einerseits zur Beantwortung dieser Frage hinführen und andererseits den notwendigen Diskurs voranbringen:
1. Welche Straftatbestände bilden das Phänomenfeld Cybergrooming in Deutschland ab?
2. Welches Verhältnis besteht zwischen § 176 Abs. 4 Nr. 3 und Nr. 4 StGB in Bezug auf das Phänomenfeld?
3. Können durch eine Analyse des Hellfeldes die Opfer- und Tatverdächtigenprofile präzisiert werden?
4. Ergeben sich Strukturähnlichkeiten des Deliktes sowie der Opfer- und Tatverdächtigenstrukturen bei einer Analyse des Hellfeldes und des Dunkelfeldes?
5. Sollte eine Versuchsstrafbarkeit des § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB eingeführt werden und wäre dies ein wirksamer kriminalpolitischer Mechanismus, um das Phänomenfeld Cybergrooming zu bekämpfen?
Zur Annäherung an diese Untersuchungsfragen wird sich diese Arbeit mit den relevanten Aspekten des sexuellen Kindesmissbrauchs im physischen Raum, mit der digitalen Lebenswirklichkeit von Kindern sowie, soweit für die Untersuchungsfragen relevant, auch mit denen von Jugendlichen und Erwachsenen auseinandersetzen. Außerdem werden die Vorgehensweisen und Erscheinungsformen von digitalen Sexualtätern sowie die entsprechenden Straftatbestände analysiert. Dies wird flankiert durch die erste tiefergehende Analyse der Erkenntnisse der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) zum Cybergrooming in Deutschland und des Dunkelfeldes sowie durch eine Analyse der zu Grunde liegenden Straftatbestände, insbesondere hinsichtlich der Forderung nach der Einführung einer Versuchsstrafbarkeit, aber auch zur Frage, ob nur § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB Cybergrooming-Tathandlungen erfasst oder auch Nr. 4. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend, werden die bisherigen kriminalpolitischen Reaktionen und aktuellen Begegnungsstrategien betrachtet und in einen kriminologischen Kontext gesetzt. Zur Einordnung muss auch hinterfragt werden, wie Normenbrüche im digitalen Raum entstehen können, welche Kontrollmechanismen greifen und welche Funktionen dabei Sicherheitsbehörden zukommen. Schlussendlich sollen auf dieser Grundlage Vorschläge für die Bekämpfung des Phänomens erarbeitet werden.
1 VG Cottbus Beschl. v. 14.02.2018 – 3 L 95/18, RN. 1.
2 VG Cottbus Beschl. v. 14.02.2018 – 3 L 95/18, RN. 1.
3 VG Cottbus Beschl. v. 14.02.2018 – 3 L 95/18, RN. 2.
4 Vgl. u. a. Fontanive/Simmler 2016, Gefahr im Netz, S.485 ff.; Eisele 2012, Tatort Internet, S. 697 ff; Hube 2011, Die Strafbarkeit des Cyber-Groomings, S.71 ff; Schulz-Spirohn/Lobrecht 2013, Cyber-Grooming im Lichte der Strafverfolgung, S. 31 ff.; Laubenthal 2012, Handbuch Sexualstraftaten, RN 476; Wachs/Wolf/Pan 2012, Cybergrooming, S. 628.
5 Es hat sich in der Literatur gegenwärtig noch keine etablierte einheitliche Schreibweise des Begriffes „Cybergrooming“ etablieren können. Einige Autoren wie Hube, Eisele oder Laubenthal verwenden den Begriff mit Bindestrich, Fontanive/Simmler, Wachs/Wolf/Pan oder auch Mathiesen schreiben den Begriff hingegen ohne Bindestrich. Der Autor hat sich hierbei für letztere Schreibweise entschieden. Vgl. Fontanive/Simmler 2016, Gefahr im Netz, S.485 ff.; Eisele 2012, Tatort Internet, S. 697 ff.; Hube 2011, Die Strafbarkeit des Cyber-Groomings, S.71 ff; Schulz-Spirohn/Lobrecht 2013, Cyber-Grooming im Lichte der Strafverfolgung, S. 31 ff.; Laubenthal 2012, Handbuch Sexualstraftaten, RN. 476; Wachs/Wolf/Pan 2012, Cybergrooming, S. 628.
6 VG Cottbus Beschl. v. 14.02.2018 – 3 L 95/18, RN. 5.
7 VG Cottbus Beschl. v. 14.02.2018 – 3 L 95/18, RN. 5.
8 Vgl. zur Thematik, ob das Internet einen eigenständigen digitaler Raum darstellt bzw. ob gar die Konzepte der Räumlichkeit aufgelöst werden auch Stegbauer 2011. Dieser sieht vor allem einen Unterschied zwischen einem Sozialraum und einem physischen Raum. Der soziale Raum, und damit auch entsprechende Interneträume, bedarf demnach gerade keine physikalische Komponente. Dennoch kommt er zu dem Punkt, dass das Internet nicht den physischen Raum auflöst, sondern lediglich eine Art Fortführung und Ergänzung darstelle. Stegbauer 2011, Eine neuer räumliche Ordnung?, S. 589 ff.
9 So hatte die Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel mehrfach betont: „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum“, u. a. in ihren Podcast „Bundeskanzlerin Direkt“ am 27. Februar 2010 und zuletzt am 03. Februar 2018. Merkel 2010, Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, Minute 02:37; Merkel 2018, Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, Minute 01:23. Vergleiche zur Thematik auch Bayerl/Rüdiger 2018, Braucht eine digitale Gesellschaft eine digitale Polizei? S. 4 ff.
10Schmidt 2009, Das neue Netz, S. 13 ff.
11Koch/Frees 2017, ARD/ZDF-Onlinestudie, S. 444.
12Rüdiger/Bayerl 2017, Soziale Medien Anbruch eines neuen Zeitalters polizeilicher Arbeit, S. 5.
13Rüdiger 2015, Der böse Onkel im digitalen Kinderzimmer, S. 114 ff.
14Becker 1974, Crime and Punishment, S. 1 ff.; Cohen/Felson 1979, A Routine Activity Approach, S. 588.; Neubacher 2017, Kriminologie, Kap. 8, RN. 8.
15Cohen/Felson 1979, A Routine Activity Approach, S. 589.
16 VG Cottbus Beschl. v. 14.02.2018 – 3 L 95/18, RN. 13.
17Stadler/Bieneck/Pfeiffer 2012, Repräsentativbefragung Sexueller Missbrauch 2011, S. 36 Tabelle 22.
18Stadler/Bieneck/Pfeiffer 2012, Repräsentativbefragung Sexueller Missbrauch 2011, S. 36 Tabelle 22.
19 Teilweise wird in der Literatur die sprachliche Anwendung des Begriffes „Kindesmissbrauchs“ als problematisch angesehen, da dieser ein Kind als Objekt darstellt. Bundschuh spricht davon, dass es sonst einen „[…] angemessenen Gebrauch von Kindern“ geben könnte. Da sich diese Begrifflichkeit als Beschreibung von Sexualdelikten gegen das kindliche Wohl gerichtet etabliert hat, wird diese Arbeit diesen Begriff verwenden. Bundschuh 2001, Pädosexualität, S. 11, FN.1. Ähnlich auch Füller der zudem auf das Problem des Begriffes der „sexuellen Gewalt“ gegen Kinder aufmerksam macht. Demnach ist auch dieser Begriff problematisch, da er sprachlich nicht die Fälle erfasst, bei denen der Täter keine Gewalt anwendet, beispielsweise Täter die sich an Babys oder Kleinstkindern vergehen, oder solchen Tätern die das kindliche Opfer psychisch an sich binden vgl. Füller 2015, die Revolution missbraucht ihre Kinder, S. 11. Brettel umgeht diese Begriffsauseinandersetzung in dem er zu dem Punkt kommt, dass die Kriminologie eine eigene deliktspezifische Betrachtung vornehmen muss, wobei sich dies an den strafrechtlichen Deliktskategorien ausrichten soll. Göppinger/Brettel 2008, Kriminologie, § 29 RN. 52 ff.. Dies erscheint sinnvoll, so nutzt die Kriminologie auch den Begriff des sexuellen Missbrauchs, da auch die für diese Arbeit relevanten Strafrechtstatbestände sprachlich den Begriff des „sexuellen Missbrauch“ verwenden. So beginnen u. a. § 176 a Abs. 1 und 2 StGB sehr eindeutig mit „Der sexuelle Missbrauch von Kindern […]“. Entsprechend wird auch in dieser Arbeit diese Begrifflichkeit, trotz der bekannten Schwächen, verwendet.
20Neutze/Osterheider 2015, Missbrauch von Kindern, S. 6.
21Schulzki-Hadouti 2016, Außer Kontrolle, S. 64.
22HR-Fernsehen 2014, Auf der Jagd nach Pädophilen, Minute 0:24–0:36; Rüdiger registrierte in einem vergleichenden Versuch in der virtuellen Welt „Habbo Hotel“ innerhalb von nur 40 Minuten insgesamt 26 sexualisierte Anbahnungen gegenüber seiner kindlichen Legende, vgl. Rüdiger 2013, Sexualtäter in Virtuellen Welten, S. 18.
23LKA NRW 2013, Cybercrime in Nordrhein-Westfalen, S. 21.
24BMI 2004–2019, Polizeiliche Kriminalstatistik 2003–2018, einschließlich Tabelle 05 2012–2018.
25Solmecke 2013, Internetrecht für Eltern, Kap. 3.3 Position 1389.
26Eisele 2012, Tatort Internet, S. 697.
27MemoHD hat in einem Video, dass er bei Youtube am 11. Dezember 2017 hochgeladen hat, verkündet, dass er alle seine entsprechenden Videos löschen wird und einen neuen „Fashion-Kanal“ gründen möchte. Entsprechend sind die auch in dieser Arbeit zitierten Videos nicht mehr öffentlich aufrufbar, teilweise wurden die Videos jedoch durch andere Youtuber besprochen und erneut hochgeladen. MemoHD 2017, Ich höre auf.; vgl. hierzu auch Borchardt 2016, Dieser 19-Jährige stellt Pädophile bloß.
28MrGamerPros/MemoHD 2016, Pädophiler wird Ertappt!, Minute 0:10.
29Datskid 2018, Knuddels Pädos ärgern; Farina 2017, Ich mach den Pädophilen-Check!; Schultz 2017, BadbroTV; Yuppo 2017, Pedophiler auf MSP will N*cktbilder.
30Terre Des Homes 2016, Webcam child sex tourism, S. 54 ff.
31Terre Des Homes 2016, Webcam child sex tourism, S. 5.
32 Anmerkung: Im Laufe des formellen Promotionsverfahrens wurde durch den Bundestag am 17.01.2020 die Einführung einer Versuchsstrafbarkeit für § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB auf den Weg gebracht. Vgl. BT.-Drs.19/13836, S.1. Dieses Gesetzesvorhaben wurde am 14.02.2020 durch den Bundesrat gebilligt. Vgl. BR.-Drs. 25/20, S. 1. Die Ausführungen im Rahmen dieser Publikation behalten insofern ihre Gültigkeit, als dass bereits von einer ähnlichen Entwicklung ausgegangen wurde und vor allem die Kritik an der Einführung einer solchen absoluten Versuchsstrafbarkeit vollumfänglich aufrechterhalten werden kann.
33BMJV 2017, Abschlussbericht der Reformkommission zum Sexualstrafrecht, S. 111.; Winkelmeier-Becker 2017, Das Recht sichert die Freiheit, S. 274 ff.
34CDU/CSU/SPD 2018, Zeilen 6131 bis 6134.
35 BR.-Drs. 518/18, S. 4.
36CDU/CSU/SPD 2018, Koalitionsvereinbarung, Zeilen 6131 bis 6134.
37LKA BW 2014, Cybergrooming; Schulzki-Haddouti 2016, Außer Kontrolle, S. 64.
38Alexiou 2018, Cyber-Grooming, S. 115 ff., S. 203 ff.
39Schwind 2016, Kriminologie und Kriminalpolitik, § 1 RN. 37; ähnlich Clages/Zeitner 2016, Kriminologie, S. 33; Kaiser et al. 1993, Kleines kriminologisches Wörterbuch, S. 280.
40 Anders hingegen Meier, der einerseits einen Unterschied zwischen Kriminologie und Kriminalpolitik macht und andererseits die Kriminalpolitik als Veränderung der Strafrechtsordnung sieht, um den inneren Frieden einer Gesellschaft in der Zukunft zu verbessern oder zu sichern. Meier 2016, Kriminologie, § 1 RN. 8.
41Dolata 2014, Compliance contra Wirtschaftskriminalität, S. 137.
42 Zur Diskussion: Durkheim 1968, Kriminalität als normales Phänomen, S. 27; Frevel 2008, Kriminalpolitik im institutionellen System der Bundesrepublik Deutschland, S. 104; Smaus 1985, Das Strafrecht und die Kriminalität in der Alltagssprache der Deutschen Bevölkerung, S. 54.
43Schwind 2016, Kriminologie und Kriminalpolitik, § 1 RN. 2.
II. Der sexuelle Kindesmissbrauch im physischen Raum
Für eine Betrachtung des Phänomens Cybergrooming erscheint es zunächst sinnvoll, es nicht losgelöst vom sexuellen Kindesmissbrauch im physischen Raum zu betrachten. Vielmehr erscheint es naheliegend, dass Täter, die früher klassisch auf Kinder in physischen Raum eingewirkt haben bzw. hätten, nun auch die digitalen Medien nutzen. Entsprechend sollen zunächst die für das Untersuchungsfeld relevanten Erkenntnisse zum sexuellen Kindesmissbrauch betrachtet werden.
II.1 Sexuelle Gewalt – altes Phänomen im neuen Gewand
Dass Kinder unterschiedlichsten Alters zu Objekten der sexuellen Gewalt erwachsener und jugendlicher Täter, aber auch anderer Kinder werden, ist vermutlich ein Phänomen so alt wie die Menschheitsgeschichte. Bereits aus der Frühzeit sind Überlieferungen in Form von Mythen und Sagen bekannt, die inhaltlich sexuelle Gewalt an Kindern zum Inhalt haben44. Als bekanntes Beispiel lässt sich die antikgriechische Päderastie – die ‚Knabenliebe‘ – nennen45. Dies wurde als „Eromenos“-System benannt, bei dem ein jugendlicher bzw. pubertierender Junge – der Eromenos – mit Erreichen der Geschlechtsreife bei einem älteren Mann – dem sogenannten Erastes – in die Lehre gehen sollte46. Dieses System beinhaltete letztlich auch die Zurverfügungstellung bzw. Unterwerfung des Eromenos als sexuelles Objekt für den Erastes von seinem 12. bis 17. Lebensjahr47. Insbesondere die Symposien, in denen die Eromenos von den Erastes angeleitet wurden bzw. in denen der Wissensstoff vermittelt werden sollte, beinhalteten auch den sexuellen Missbrauch der Jungen48. Füller betont, dass zwar die platonische Form des sexuellen Missbrauchs, also eine ‚Beziehung‘ zwischen einem Mann und einem Knaben ohne sexuellen Missbrauch, als Ideal in der griechisch-antiken Gesellschaft existent war. Er arbeitet jedoch gleichzeitig heraus, dass dieses Ideal in vielen Fällen der Realität des Missbrauchs durch die Erastes weicht49.
Diese ‚Knabenliebe‘ – beispielsweise in Form des Schenkelverkehrs, seltener des Analverkehrs – wurde auf antiken Urnen und anderen Gefäßen in entsprechend expliziter Form künstlerisch festgehalten50. Diese Art der Darstellung könnte bereits als eine frühe Form kinderpornografischer Abbildungen angesehen werden51. Dabei stellte diese Form der Päderastie letztlich einen frühen, erfolgreichen Versuch einer Institutionalisierung des sexuellen Missbrauchs von Kindern dar. Dies mag auch daran gelegen haben, dass im antiken Griechenland von Männern ein historisch-kultureller Kontext – beispielsweise durch die literarische Überhöhung der Päderastie52 – geschaffen wurde, der den sexuellen Missbrauch legalisierte. Durch die Etablierung dieses Systems kann von der Schaffung eines institutionellen Rahmens gesprochen werden, der den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ermöglichte oder zumindest förderte.
Füller zieht den Schluss, dass sich in neuerer Zeit durch die Etablierung eines interaktionsbezogenen digitalen Raumes eine ähnliche Situation gebildet hat, in der eine Form des sexuellen Missbrauchs von Kindern institutionell gefördert bzw. durch Untätigkeit ermöglicht wird53. Dies macht er insbesondere fest an dem aus seiner Sicht mangelnden Schutz von Kindern in diesem digitalen Raum vor sexuellen Übergriffen wie Cybergrooming. Dieser besteht insbesondere dadurch, dass keine gesellschaftliche Debatte über einen wirksamen Kinder- und Jugendmedienschutz zugelassen wird. Füller bezeichnet dies auch explizit als einen „Kulturkampf im Netz“ zwischen den Aspekten des Kinder- und Jugendmedienschutzes und den „Netzlobbyisten“54. Letztere wollen demnach Einschränkungen in der Netznutzung – mit denen vermutlich eine Erhöhung der Sicherheit für Kinder einhergehen würde – verhindern, was einen entsprechenden Diskurs erschwere. Er kommt zu dem Schluss, dass das Internet mit seinen Möglichkeiten und der geringen Schutzhöhe mittlerweile eine „pädophile Spielwiese“ sei55. Hiermit kommt er zu einer ähnlichen Einschätzung wie die in der Einleitung zitierten Sicherheitsbehörden. Solmecke weist darauf hin, dass trotz des Internets als aktueller Ort der Viktimisierung die Sexualtäter weiterhin auch im physischen Raum aktiv sind56. Es darf daher kein reiner Dualismus genutzt werden: Sexualdelikte können überall dort stattfinden, wo Täter auf Kinder treffen, also sowohl der physische als auch der digitale Raum. Hummel weist zudem dabei darauf hin, dass die Klassifizierung einer Handlung als Sexualdelikt eine rein „juristische Entscheidung“ sei, die von keiner anderen Disziplin – v. a. nicht der Psychologie oder Medizin – vorgenommen werden kann57. Letztlich können beide Formen des sexuellen Missbrauchs auch ineinander übergehen. So können digitale Sexualdelikte zu einem Treffen mit einem physischen Missbrauch führen und gleichzeitig können physische Missbrauchshandlungen auch digital weitergeführt werden, beispielsweise indem der Täter das kindliche Opfer – beziehungsweise ein Kind, das er aus dem physischen Raum kennt – dann auch digital kontaktiert58.
II.2 Sexueller Missbrauch als kriminologisches Phänomen
Die klassische Vorstellung des sexuellen Missbrauchs von Kindern kann auf zwei grundlegende Typen eingegrenzt werden. Es handelt sich einerseits um eine dem Opfer weitestgehend unbekannte – zumeist männliche – Person, die ein Kind mit Gewalt oder durch Täuschung sexuell missbraucht. Andererseits gibt es den Tätertypus, der sich das Vertrauen des Kindes und nicht selten auch der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten erschleicht bzw. von vornherein inne hat – wenn es sich beispielsweise um einen familiären Missbrauch handelt. Hierbei handelt es sich jedoch eher um eine Betrachtung der Vorgehensweisen von Tätern und Täterinnen auf einer Metaebene, nicht um eine Betrachtung der Tätermotivation und ob es sich beispielsweise um Kernpädophile59 oder homosexuell-pädophile Tätertypen handelt60.
Der erste genannte Tätertypus kennzeichnet sich zumeist durch einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Kontaktaufnahme bzw. Interaktion mit dem Opfer und der Durchführung des sexuellen Missbrauchs bzw. auch von Tötungs- und Entführungsdelikten. In der jüngeren Vergangenheit haben dies unter anderem die Tötungen des 6-jährigen Elias aus Potsdam und des 4-jährigen Mohamed aus Berlin gezeigt. Der Täter Sylvio S. soll bereits am Tage nach der Entführung von Mohamed sein Opfer – nach einem mehrfachen sexuellen Missbrauch – umgebracht haben61. Ein weiteres Kennzeichen dieses Tätertypus ist es zumeist, dass es sich bei dem Übergriff um einen begrenzten Zeitraum handelt, in dem der eigentliche Missbrauch – teilweise auch überfallartig – geschieht62. Es handelt sich typischerweise nicht um einen langfristig wiederkehrenden und anhaltenden Missbrauch, der in weiteren primären Folgeviktimisierungen enden kann63. Etwaige sekundäre64 oder tertiäre65 Viktimisierungen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens und der Selbstwahrnehmung als Opfer können jedoch weiterhin erfolgen.
Dabei kann unabhängig von konkreten Einzeldelikten davon ausgegangen werden, dass diese Form des sexuellen Missbrauchs eher im Hellfeld festgehalten werden kann als ein strategisch eingeleiteter und lange vorbereiteter Missbrauch, bei dem die Schutzmechanismen um und bei dem kindlichen Opfer sukzessive verringert werden. Wenn das Kind beispielsweise einem Missbrauch auf seinem Schulweg zum Opfer fällt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass bereits durch die vermutlich erlittenen Verletzungen, aber auch durch das Verhalten und Schilderungen des Kindes, Erziehungsberechtigte etc. auf die Tat aufmerksam werden. Auch bei einer Entführung oder gar Tötungshandlung liegen üblicherweise objektive Tatsachen für das Vorhandensein einer (Straf-)Tat oder Gefahrensituation vor, die innerhalb kürzester Zeit erkannt werden können. Beispielsweise sollen nach Darstellung der Medien und der Eltern beim Entführungs- und Tötungsfall des 6-jährigen Elias im Juli 2015 in Potsdam zwischen dem mutmaßlichen Entführungszeitpunkt (frühestens 17:30) und dem Zeitpunkt der Anzeige bei der Polizei (19:13 Uhr) insgesamt nur 103 Minuten gelegen haben66. Dies legt nahe, dass solche Übergriffe ein zunächst höheres Hellfeld aufweisen.
Im Gegenzug existiert aber auch ein Tätertypus, der langfristig den Missbrauch einleitet, vorbereitet und aufrechterhält67. Biedermann unterteilt Sexualtäter in insgesamt 8 Kategorien. Der Täter, der Grooming-Prozesse nutzt, wird von ihm als „Kategorie 5“ erfasst. Diese Täter setzen gezielt auf „Lock-Strategien“ um sich mit den Opfern anzufreunden und sie ggf. zu einem Missbrauchsort zu locken68. Dieser Tätertypus nutzt dabei entweder vorhandene Gegebenheiten – wie im Rahmen des familiären Missbrauchs – oder erschafft sich einen Rahmen, der ihm den sexuellen Missbrauch von einem oder mehreren Opfern ermöglicht. Teilweise argumentieren aber auch mit dem Opfer verwandte oder ihm bekannte Täter damit, dass ihre Tathandlung spontan erfolgt sei und ein Zwang über sie gekommen sei, der erst zu dem eigentlichen Missbrauch geführt habe oder dass es gar nichts Sexuelles gewesen sei69. Damit würden bei dieser Sonderform gerade keine strategischen Planungen oder Vorbereitungshandlungen vorliegen.
Der Kontext, den diese Täter ausnutzen oder schaffen, baut zum einen ein Vertrauen mit dem Kind soweit auf, dass es den Missbrauch nicht als solchen erkennt und einstuft. Zum anderen kann ein Kontext entstehen, in dem das kindliche Umfeld so vertrauensvoll geprägt wird durch den Täter, dass einem Kind die Offenlegung des Missbrauchs schwierig erscheint. Dabei findet typischerweise keine Gewaltanwendung statt, vielmehr versucht der Täter die Tathandlung durch die Gewinnung von Vertrauen zu erreichen bzw. zu ermöglichen70. Studien scheinen dabei zu belegen, dass zumindest in den vergangenen Jahrzehnten die wenigsten kindlichen Opfer eines sexuellen Übergriffs im sozialen Nahfeld eine durch ‚schwere‘ Gewalt erzwungene Handlung erlebten – eine Vergewaltigung. In einer Studie aus den USA an 930 Frauen mit sexuellen Viktimisierungserlebnissen in der Kindheit berichteten nur 32 Prozent von der Anwendung von Gewalt und nur 1 Prozent von schwerer Gewalt71. Empirische Studien im deutschsprachigen Raum unterscheiden dabei typischerweise nicht, ob der sexuelle Missbrauch eines Kindes im Rahmen des sozialen Nahfeldes durch Gewalt erzwungen oder durch einen Grooming-Prozess ermöglicht wurde. Selbst in repräsentativen Dunkelfeldbefragungen erfolgt keine entsprechende Differenzierung – womit Zahlen zu dieser Form des Grooming-Prozesses im deutschsprachigen Raum nicht darstellbar sind72. Die Studie von Hellmann fokussiert sogar explizit nicht auf das Vorliegen von physischer Gewalt, um einen sexuellen Missbrauch zu begründen: „Aufgrund der Asymmetrie der Beziehung ist physische Gewaltanwendung explizit kein Definitionskriterium. Bezeichnend für den sexuellen Missbrauch ist aus dieser Perspektive vielmehr das Macht- und Autoritätsgefälle zwischen den Beteiligten […]“73.
II.3 Der Grooming-Prozess
Die beschriebene strategische Vorgehensweise kann auch bedeuten, dass ein Täter soweit auf ein Kind einwirkt, dass es den sexuellen Missbrauch gar nicht erst als einen solchen erkennen oder benennen kann, was im Gegenzug dazu führt, dass der Täter annimmt, dass es das Opfer möchte74. Ziel des oder der Täter sei dabei, dass das Opfer die Handlung als „natürlichen Akt“ und ganz normale alltägliche Handlungen wahrnehmen solle75. Dabei besteht im Rahmen der Erforschung des sexuellen Missbrauchs von Kindern die Annahme, dass dieser Tätertypus verallgemeinert einem vierstufigen Aufbau folgt76. Zunächst muss ein Täter prinzipiell motiviert sein, ein Kind missbrauchen zu wollen, und selbst innere Hemmungen – beispielsweise durch Rechtfertigungsstrategien – abbauen. Ost bezeichnet diesen Prozess als Situation mit dem „[…] individual justifying or denying their behaviour […]“ 77. Hierbei muss der Täter durch seine Rechtfertigungsstrategien auch die moralischen Konventionen negieren, die den Missbrauch eines Kindes als einen schweren gesellschaftlichen wie strafrechtlichen Normenbruch definieren. Diese Selbstrechtfertigung weist auch Ähnlichkeiten zu den Neutralisationstechniken auf, die Sykes und Matza thematisieren, laut denen Täter zur moralischen Neutralisation ihres Normenbruches fünf primäre Rechtfertigungsgründe nutzen. Ein Aspekt ist die ‚Verneinung des Unrechtes‘ (denial of injury), die beim sexuellen Missbrauch beispielsweise in der Form auftritt, dass der Täter die Schuld am Missbrauch dem kindlichen Opfer zuschreibt78. Beispiele für solche Rechtfertigungsstrategien können mannigfaltiger Natur sein und reichen von […], daß auch das Kind selbst mit dem Missbrauch einverstanden war […]“ bis zu „das was passiert ist, war nicht wirklich etwas Sexuelles […]“79. Dabei baut der Täter diese Rechtfertigungsgründe durchaus langfristig in seine Missbrauchsstrategie ein, indem er die Grenzen der eigentlichen Tathandlungen immer weiter überschreitet. Dieser Rechtfertigungsprozess muss dabei nicht am Anfang stehen, er kann auch erst im Rahmen der Missbrauchsentwicklung entstehen, um die ersten Übergriffe zu verharmlosen bzw. zu rechtfertigen.
Dabei ist ein wichtiger Aspekt, dass der Täter ein Umfeld schafft, in dem das Risiko eines Eingreifens von außen gering erscheint. Entweder hat der Täter bereits eine bestehende Beziehung – beispielsweise als Familienangehöriger oder Freund – zu den Eltern, Pflegeberechtigten oder zum Schutz bereiten Bezugspersonen (weitere Freunde der Familie, Patenonkel etc.) des Opfers, oder er baut diese Beziehung erst auf, um deren Vertrauen zu gewinnen80. Auf dieser Grundlage ist das Ziel des Täters, diese Bezugspersonen eventuell von ihrem Kind zu entfremden oder ihre Sensibilität für die Risiken zu verringern, wenn nicht gar gänzlich zu negieren81. In einem weiteren Schritt ist das Anliegen des Täters der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zum Opfer. Die Vorgehensweisen sind unterschiedlichster Art und reichen vom reinen Schenken von Aufmerksamkeit – beispielsweise, dass „[…] er ihnen Zeit und Aufmerksamkeit schenkte, die sie zu Hause nicht bekamen […]“82 – über das gemeinsame Einkaufen von Markenartikeln, also der Ausnutzung finanzieller Ressourcen83, bis hin zum Anwerben mit Computerspielen84. Schlussendlich muss der Täter noch Gelegenheiten schaffen, in denen er mit dem Opfer alleine ist, um den Missbrauch vornehmen zu können. Diese Phase baut auf den vorhergehenden auf. Aus Tätersicht ist der beste Fall dann eingetreten, wenn er das Vertrauen der Bezugspersonen und des Opfers gewonnen hat. Dies erhöht für den Täter die Wahrscheinlichkeit, dass ihm das Kind überlassen wird. Hierzu gibt es wiederum die unterschiedlichsten Vorgehensweisen, es geht aber im Kern darum, dass Täter anbieten, auf die Kinder aufzupassen, sie zu einer Freizeitaktivität mitzunehmen und ähnliches85. Letztlich will dieser Tätertypus erreichen, dass das Kind keine Möglichkeit zu einer aktiven Gegenwehr oder einem Ausbrechen aus dem Bindungs- bzw. Missbrauchsprozess erhält bzw. auch den Missbrauchscharakter der Handlungen nicht erkennt86. Diese Faktoren führen dazu, dass gerade solche Missbrauchsdelikte, die auf einer Beziehung aufbauen – sog. Beziehungsdelikte – ein hohes Dunkelfeld aufzuweisen können, was eine Entdeckung, Aufklärung und kriminalpolitische Diskussion dazu erschwert87.
Abbildung 1 Grooming-Prozess nach Bullens
Obwohl beide Tätertypen einen strategischen Planungsprozess vor dem eigentlichen Missbrauch durchlaufen, unterscheiden sich die Vorgehensweisen. Während der erste Typus bei seinen strategischen und taktischen Planungen beachten muss, wie er in möglichst kurzer Zeit ein Kind mit oder ohne Anwendung von Gewalt sexuell missbrauchen kann, muss der zweite Tätertypus mit möglichst langfristigem Blick vorgehen. Er muss nicht nur eine Situation schaffen oder eine gegebene Rahmenkonstruktion ausnutzen, in der der Missbrauch möglich ist und damit sein Risiko minimieren, entdeckt und überführt zu werden. Er hat auch ein Interesse daran oder muss diese Situation möglichst lange aufrechterhalten88. Dies liegt insbesondere daran, dass dieses Vorgehen einen hohen Ressourceneinsatz erfordert, insbesondere von Zeit89, je nach Vorgehen aber auch Geld, z. B. für Aktivitäten und „Belohnungen“90. Es ist beispielsweise nicht unüblich, dass Opfern auch Geld oder virtuelle Währungen, z. B. in Onlinegames, für die Ermöglichung des Missbrauchs geboten wird. Im Rahmen eines qualitativen Interviews beschrieb ein 17-jähriges Mädchen eine Anbahnungserfahrung im Chatraum Knuddels: „Da hat mich eener einfach so droff angeschrieben […] und dann ging das Thema los mit Sex so: ‚Hattest du schon einmal und willste mit mir treffen und Sex und Geld verdienen und so?‘ […]“91. Die linguistische Studie von Black et al.