Die Phönixerfahrung - Anne Vonjahr - E-Book + Hörbuch

Die Phönixerfahrung Hörbuch

Anne Vonjahr

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Beschreibung

In der heutigen Zeit ist es unsere größte Aufgabe, uns selbst kennenzulernen. Nur wenn wir unsere innere Welt verändern, kann sich die Welt um uns herum verändern. Wenn wir in das uralte Wissen unserer Seele eintauchen, dann entdecken wir die versteckten Muster, die unsere Erfahrungen im Leben kreieren. Anne Vonjahr nimmt uns in diesem völlig neuartigen Ratgeber mit auf eine geheimnisvolle Fantasy-Reise in unser Innerstes. Dort treffen wir auf den Mentor William Morgan, der uns zeigt, welche ungeahnten Kräfte in uns schlummern und wie wir mit Schattenarbeit unseren inneren Magier wieder zum Leben erwecken können. Wir begeben uns auf eine unvergessliche Reise zu uns selbst, die unsere Sicht auf das Leben für immer verändern wird.

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Zeit:10 Std. 3 min

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Impressum

© eBook: 2023 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2023 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

unum ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Clea von Ammon, Anja Schmidt

Lektorat: Imke Rötger

eBook-Herstellung: Vicki Braun

ISBN 978-3-8338-8950-9

1. Auflage 2023

Bildnachweis

Illustrationen: Coverabbildung Phönix: Welt von Beyond GmbH; goldener Hintergrund Phönix: iStock JoyTasa; Coverabbildung

Blätter: Daniela Hofner; Icons Innenteil: thenounproject.com

Syndication: www.seasons.agency

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Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung des Verfassers dar. Sie wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten theratpeutischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Dieses Buch widme ich in tiefer Dankbarkeit meinem alten Freund William Morgan, der in der schmalen Gasse der uralten Stadt, in der ich einst lebte, einen kleinen Laden hatte. Ohne ihn würde ich mich heute noch vor der Dunkelheit fürchten.

Ich widme es der Sucherin in meiner inneren Welt und ihrer Laterne, die mir das Vertrauen schenken, dass ich mein inneres Licht finden werde, wie dunkel es auch immer auf einer meiner Suchen werden mag.

Und ich widme es Marc Rabl, den ich von ganzem Herzen liebe. Er glaubt stets unerschütterlich an mich und schenkte mir den Mut, das niederzuschreiben, was in mir lebt. Danke, dass wir die Abenteuer des Lebens gemeinsam meistern.

VORWORT

Es gibt Zeiten, in denen wir denken, dass unser Herz gebrochen ist. Es gibt Momente in unserem Leben, da denken wir, dass wir zerbrochen sind.

Aber dann geschieht etwas in unserem Leben, das uns daran erinnert, dass tief in unserer inneren Welt ein Phönix lebt und wir die Fähigkeit haben, wiedergeboren zu werden und unsere Flügel auszubreiten, um nach einer Zeit der Dunkelheit in einen neuen Tag zu fliegen.

Wir erleben, dass wir einen Verlust in Wachstum verwandeln können. Und dass Veränderungen uns machtvolle Erkenntnisse schenken und wir in unserem Schmerz unser Licht finden können.

An dem Tag jedoch, als die Dunkelheit über mich und mein Leben hereinbrach und ich innerhalb kurzer Zeit erst meine Gesundheit, dann meine Arbeit, meine Wohnung und zum Schluss auch mein altes, vertrautes Umfeld verlor, habe ich das nicht gewusst und ich hätte es vielleicht auch nicht geglaubt.

In jener Zeit, in der ich mich so verloren, so fremd fühlte und in der ich mein bisheriges Leben und alles, was ich mir aufgebaut hatte, vor mir in Asche zerfallen sah, trat auf mysteriöse Weise William Morgan, der Besitzer eines kleinen Ladens, verborgen inmitten einer uralten Stadt, in mein Leben.

Als ich über die Schwelle seines Ladens trat, war es, als wäre ich in die Welt hinter meinen Augen eingetreten. Ich habe von diesem weisen Magier, denn das war er für mich, so viel über die innere Welt von uns Menschen und über ihre Bewohner, die Archetypen, gelernt.

Als mein Leben in Chaos versank und ich meinen Weg nicht mehr sah, war es William, der mir half, dass ich mein Abenteuer meisterte und der mir den Namen meiner Reise verriet: Die Phönixerfahrung!

»Wisse«, sagte er, »dass jede Phönixerfahrung mit einem großen Ereignis beginnt, welches dich und dein Leben, wie du es bisher kanntest, aufrüttelt und für immer verändern wird. Was auch immer das Ereignis ist und ob es deine Beziehung, deine Familie, deine Arbeit, deine materiellen Sicherheiten oder deine Gesundheit trifft, es schmerzt zutiefst. Wir fühlen uns so machtlos und hilflos und bleiben zurück mit der Frage: ›Warum geschieht mir das? Es kann erleichternd sein, wenn wir dann entdecken: Mein Schicksal spiegelt sich in einem uralten Mythos, in dem des Vogels Phönix. Weil wir damit die Gewissheit haben: Es ist ein Menschheitsschicksal und auch wir werden dieses meistern können.«

Ich weiß nicht, wie oft das Leben dich durch die Phönixerfahrung geführt hat, ob du gerade am Anfang deiner ersten oder einer weiteren Phönixerfahrung stehst, ob du schon kurz davor bist, wiedergeboren zu werden, oder ob du gerade deine Flügel ausgebreitet hast und ein neues Kapitel in deinem Leben begonnen hat.

Aber ich weiß, dass eine geheimnisvolle Kraft in deinem Leben dazu geführt hat, dass du diese Zeilen liest. So wie eine geheimnisvolle Kraft mich damals in Williams Laden führte, wo er mir auf seine magische Weise einen Reiseführer schenkte.

Einen Reiseführer, der mich in die Geheimnisse einweihte, die mich bei jedem der sechs Schritte der Phönixerfahrung erwarteten. Er half mir, die Botschaften der Bewohner meiner inneren Welt in den Flammen zu hören und in der Asche meinen Schatz zu finden.

Ich begegnete William, als ich glaubte, so vieles in mir und in meinem Leben verloren zu haben und er half mir zu erkennen, dass ich in Wahrheit dabei war, mich selbst zu finden.

Einige Jahre später, an dem Tag unseres Abschieds gab ich William mein Versprechen, seinen Wunsch zu erfüllen. Er wünschte sich, dass es weitere Orte wie seinen kleinen Laden mit der grünen Eingangstür und den kleinen Fenstern geben möge. Orte, an denen Menschen, wenn sie den Ruf des Phönix vernehmen, wieder die Tür in ihre innere Welt öffnen können, sich selbst finden und neu geboren werden.

In dem Moment, in dem du begonnen hast, diese Zeilen zu lesen, hat das Leben dich symbolisch zu der grünen Eingangstür geführt.

Du hältst die Geschichte über meine Phönixerfahrung und über die magischen Tage, in denen William mich in ihre Geheimnisse einführte, in deinen Händen. Und zugleich ist dies ein Reiseführer durch deine ganz eigene Phönixerfahrung. Dieser Reiseführer wird immerwährend sein. Wann immer ein Sturm über dein Leben hinwegzieht, wird er dir ein Kompass sein, um deinen Nordstern zu finden und wie der Phönix aus der Asche aufzuerstehen.

»Wisse, alles, was zu Ende geht, ist zugleich auch Teil deines neuen Anfangs. Ohne das, was war, würde es diesen neuen Anfang nicht geben können.«

Dein persönliches Reisetagebuch

Während ich aus der Erinnerung alles niederschrieb, was William mich einst lehrte und wir gemeinsam erlebten, geschah etwas Wundervolles. Im Rückblick erkannte ich noch viele tiefere Wahrheiten und Zusammenhänge zwischen meinen Lebenserfahrungen und den großen Krisen in meinem Leben, meinen Phönixerfahrungen. Ich sammelte weitere fehlende Puzzlestücke ein, traf auf unerwartete Erkenntnisse und gewann eine neue Wahrnehmung, die mir half, noch ein Stück mehr die großen Ereignisse meines Lebens anzunehmen, innerlich zu heilen und zu wachsen.

Mein Wunsch ist, dass auch du genau dies erleben magst, während du dich mit mir in dieses magische Abenteuer begibst. Wenn du neben all dem, was du aus den kommenden Seiten an Weisheit für dich ziehen kannst, deine Lektüre noch mehr zu einem wahren gelebten Abenteuer verwandeln magst, dann lade ich dich ein, ein Reisetagebuch über deine Phönixerfahrung zu führen.

Was du auf den Seiten deines Reisetagebuchs niederschreiben wirst, wird die Landkarte deiner inneren Welt sein und bewahrt die Geschichten, wie es dir gelang, Bewohnerinnen und Bewohner in deiner inneren Welt vom Schatten ins Licht zu führen und wie du neuen Bewohnerinnen und Bewohnern zum ersten Mal begegnest.

Dein Reisetagebuch wird von den Schätzen erzählen, die du während deiner vergangenen, jetzigen oder zukünftigen Phönixerfahrung finden konntest. Es wird für dich deine Gedanken und Erkenntnisse bewahren und dir auch Jahre später von ihnen erzählen.

Dein Reisetagebuch hilft dir, deine Erfahrungen in einzelnen Kapiteln zu ordnen, die dir ermöglichen, Ursache und Wirkung herauszufinden und deine Phönixgeschichte zu entdecken.

Dein Erleben niederzuschreiben schenkt dir ein Stück innere Heilung und das Gefühl, selbst die Geschichte deines Lebens bewusst weiterschreiben zu können. Wenn du dieses möchtest, dann begleite ich dich dabei: Du findest in diesem Buch immer wieder Fragen und Inspirationen für dein Reisetagebuch.

Anmerkung

Alle Menschen und Orte, denen du auf unserer Reise begegnen wirst, hat es wirklich gegeben. Aber weil ich die Menschen und Orte gerne beschützen möchte, habe ich ihre Namen geändert und einige Details.

Alle Geschichten entstehen am Ende aus zwei Zutaten: aus wahren Ereignissen und Vorstellungskraft, und wenn dem so ist, dann ist dies sicher auch mit dieser Geschichte so.

KAPITEL 1

DIE SECHS SCHRITTE DER PHÖNIXERFAHRUNG UND DIE ORTE DER INNEREN WELT

MEINE BEGEGNUNG MIT DEM MAGIER UND DIE TÜR IN MEINE INNERE WELT

»Wenn ein Sturm über dein Leben hinwegzieht und es dir unmöglich erscheint, deinen Weg zu finden, dann denke daran, dass in dir eine Heldin lebt. Eines Tages wirst du zurückblicken können und sehen, dass in dir eine viel größere Kraft lebt, als du jemals zu glauben gewagt hättest und die dir half, dich selbst zu retten.« – Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, welchen Film ich damals schaute, aber diese Sätze haben sich in mein Gedächtnis gebrannt. Ich lag in meinem Bett. Bis auf den Einkauf in dem Lebensmittelgeschäft um die Ecke hatte ich dort den ganzen Tag verbracht, so wie all die Tage zuvor auch. Wie lange es schon so ging, daran erinnere ich mich nicht mehr. Ich bezweifle, dass ich es damals wusste. Den Überblick über die Tage hatte ich längst verloren.

Ich war Schauspielerin. Mein Weg hatte vielversprechend ausgesehen. Ich hatte Engagements an Theatern und konnte mein Leben damit bestreiten. Als schwierigere Tage kamen, dachte ich mir zunächst nichts dabei. Es ist nur eine Phase, meinte ich. Einmal eine längere Pause zwischen zwei Engagements, das kommt vor, das ist normal in diesem Beruf. Aber aus einem Monat wurden zwei, dann drei, dann vier und die Absagen türmten sich auf meinem Küchentisch. Irgendwann ging ich nicht mehr zum Briefkasten. Zusagen kamen immer telefonisch, Absagen per Post und mit den Absagen auch die Rechnungen, vor denen ich mich immer mehr fürchtete. Die Anzahl der Tage, in denen ich den Briefkasten nicht mehr geöffnet hatte, wurde mehrstellig und so verwandelte er sich für mich zu einem Ungeheuer. Ich hoffte, dass wenn ich ihn im Vorbeigehen nicht anschaute, mich dieses Monster, das sein Maul als Tür getarnt hatte, auch nicht angreifen würde. Dort an der Wand des Hausflurs erschien es so harmlos und war dabei so gefährlich. Vor allem, wenn man es mit dem Briefkastenschlüssel herausforderte.

Am Anfang ging ich noch häufig daran vorbei, weil ich Freunde traf und versuchte, mir immer wieder von ihnen einreden zu lassen, dass wir alle mal Durststrecken erlebten, dass es bestimmt bald wieder anders aussehen würde. Ich bemühte mich, ihnen zu glauben, aber in mir fühlte es sich an, als würde meine Welt untergehen. Ich kämpfte gegen dieses unangenehme Gefühl an, aber als die Kraft nachließ und das beängstigende Gefühl in mir nicht verschwand, da hörte ich auf, meine Freunde zu treffen und irgendwie muss es dann passiert sein, dass ich am Ende nur noch aufstand, um mir etwas zum Essen zu kaufen.

Es war zu dieser Zeit, dass ich fast unbeteiligt einen Film schaute und mich dieser Satz traf, als wäre er direkt an mich gerichtet: »Wenn ein Sturm über dein Leben hinwegzieht und es dir unmöglich erscheint, deinen Weg zu finden, dann denke daran, dass in dir eine Heldin lebt. Eines Tages wirst du zurückblicken können und sehen, dass in dir eine viel größere Kraft lebt, als du jemals zu glauben gewagt hättest und die dir half, dich selbst zu retten.« In diesem Moment durchfuhr mich der Gedanke: Was, wenn dieses eklige, so niederschmetternde Gefühl nicht daher kam, dass ich einfach nicht in der Lage war, positiv zu sein? Was, wenn dieses Gefühl die Wahrheit sagte? Was wenn dieses Gefühl ein Vorbote war, um mir zu sagen, dass der Wind sich gedreht hat und dass dieses Kapitel meines Lebens zu Ende ging? Wie konnte ich es schaffen, mich selbst aus der Dunkelheit zu retten, die sich wie ein Ring immer dichter um mich und mein Leben zu ziehen schien?

Wenige Tage nach diesem Abend wurde ich krank, sehr krank. Innerhalb weniger Stunden entzündete sich meine gesamte Gesichtshaut, mein Magen spielte verrückt und die Dunkelheit hüllte mein Leben vollständig ein. Es dauerte nicht lange bis die Krankheit mich zwang, meine Unabhängigkeit aufzugeben und wieder bei meiner Familie einzuziehen. Damit zerbrach für mich alles, was ich mir in den Jahren zuvor aufgebaut hatte. Das Einzige, was mir blieb, war ich selbst, der Blick von meinem Bett an die Zimmerdecke und die Frage, warum das alles geschah. Warum war das mir passiert? Was hatte ich falsch gemacht? Womit hatte ich das verdient?

Eines Nachts hatte ich einen Traum. Ich irrte in einem Wald umher und suchte verzweifelt meinem Weg hinaus, aber die Dunkelheit ließ mich kaum den Pfad erkennen. Wohin ich mich auch wandte, es schien keinen Ausweg zu geben. Panik stieg in mir auf, bis auf einmal kleine, hell leuchtende Lichter vor mir auftauchten. Ich folgte ihnen und kam an eine Lichtung, die sich zu einer Seite öffnete und zu den Ufern eines Meeres führte. Dann geschah etwas, was nur in Träumen möglich ist. Aus dem Nichts erschien eine Frau, die einen langen grünen Umhang trug und eine Laterne emporhielt. Als ich fast bei ihr angekommen war, reichte sie mir ihre Hand. In demselben Augenblick tauchte hinter ihr ein Schiff aus dem Dunkel der Nacht auf, an dessen Bug sich ein großer, eigenartiger Vogel befand. Dann wachte ich auf.

Der Traum wiederholte sich in den folgenden Nächten. Als ich wieder einmal davon erwachte, ging ich zum Bücherschrank meiner Eltern und suchte das Lexikon der Symbole. Nachdem ich es gefunden hatte, blätterte ich den Abschnitt »Mystische Kreaturen« durch. Ich betrachte eine Skizze nach der anderen, bis ich unter dem Buchstaben »P« eine Abbildung fand, die dem Vogel am Bug des Schiffes in meinem Traum ähnlich war. Diese Zeilen standen darunter:

»Der Vogel Phönix ist eine mystische Kreatur. Er repräsentiert den Tod und die Wiedergeburt, die Kreation und Zerstörung. Der Phönix, als Symbol der Stärke und Erneuerung, stirbt nie wirklich. Er ist unsterblich, wird immer wieder aus seiner Asche neu geboren und breitet seine Flügel aus.«

Als ich mich in dieser Nacht zu Bett legte, war um mich herum immer noch diese Welt, die mir so fremd war. Aber da war noch etwas, ein neues Gefühl: Hoffnung! Die Hoffnung, noch eine Möglichkeit zu bekommen und selbst wie der Vogel Phönix wiedergeboren zu werden.

DER KLEINE LADEN MIT DER ALTEN GRÜNEN TÜR

Zwölf Monate nach Beginn meiner Krankheit war ich zwar nicht gesund, aber so weit stabil, dass ich wieder allein leben konnte. Ich nahm die Reste meines Ersparten, kaufte mir ein Reiseticket und folgte meinem inneren Gefühl. So kam ich mit zwei Koffern, den Resten meines alten Lebens, in der uralten Stadt an. Ich könnte viele scheinbar logische Gründe nennen, warum ich entschied, in die uralte Stadt zu reisen. Aber das wäre nichts anderes als ein Versuch, logische Gründe für etwas zu finden, was nicht in das Konzept von Logik passt. Ich mag mir vorstellen, dass unsere Seele Verabredungen mit bestimmten Orten hat, deren wir uns vielleicht nicht bewusst sind, aber die wir tief in uns spüren können.

An einem Tag im November, wenige Wochen nach meiner Ankunft in der uralten Stadt wanderte ich durch ihre Straßen. Der Nebel, der sich an diesem späten Nachmitttag wie ein schwerer Schleier durch die Gassen zog, schien das Wetter meiner inneren Welt widerzuspiegeln. Hätte ich an diesem nebligen Novembertag nicht mein kleines Zimmer verlassen und hätte ich mich nicht durch die Gassen der alten Stadt treiben lassen, dann hätte ich wohl auch nicht den kleinen Laden mit den schwach beleuchteten Fensterscheiben und der alten grünen Eingangstür gefunden und auch nicht William Morgan.

Es gibt Momente in unserem Leben, die sind magisch und ich habe oft erlebt, dass diese uns genau in den Augenblicken erwarten, in denen unser Leben sich so gar nicht magisch anfühlt. Ich ließ mich damals ziellos durch die Straßen treiben und bog so in die kleine, versteckte Gasse ein. Ich erinnere mich, wie das Licht der Straßenlaternen ganz besonders durch den Herbstnebel schien. Etwas an dieser verborgenen Gasse schien anders zu sein, ohne dass ich es hätte in Worte fassen können. Nach wenigen Schritten hörte ich plötzlich ein Rauschen. Anfangs schien es nur von Weitem zu mir zu dringen, aber dann kam es immer näher, gefolgt von etwas, was sich anhörte wie machtvolle Flügelschläge.

In diesem Augenblick schien die Zeit stillzustehen. Als hätte das Geräusch etwas tief in meiner inneren Welt berührt, stieg blitzartig die Erinnerung an meinen wiederkehrenden, nächtlichen Traum in mir herauf und ich sah vor meinem inneren Auge das Lexikon der Symbole mit der Skizze des Phönix. Ich blieb stehen und sah mich um, aber ich konnte nicht erkennen, woher das Geräusch gekommen war.

Ich wollte schon weitergehen, da fiel mein Blick auf einen kleinen Laden mit alten Schaufenstern links und rechts der Eingangstür, durch die kaum Licht drang. Ein Sog, von dem ich nicht wusste, woher er kam, zog mich zu der alten grünen Tür mit dem goldenen Handgriff und ehe ich mich dessen versah, hatte ich ihn heruntergedrückt. Eine altmodische Ladenglocke ertönte und ich trat über die Schwelle.

Im Inneren des Ladens erhellten kleine Wandlampen die vielen Regale und warfen ihr Licht auf alte Instrumente, kuriose Objekte, Sanduhren, kleine Statuen und Bücher. Auf einem Tisch stapelten sich Landkarten, Zeichnungen und Kompasse. Am Ende des Raumes thronte ein alter Ladentisch. Links daneben war ein Regal, auf dem halb im Dunkeln hölzerne Statuen von mystischen Kreaturen standen. Vielleicht wären sie mir gar nicht aufgefallen, hätte ich nicht das Gefühl gehabt, dass eine Statue in dem Moment, als mein Blick auf sie fiel, ein wenig aufblitzte. Aber als ich mich den Statuen ganz zuwandte, standen alle vier, die Dryade, die Meerjungfrau, der Drache und der Pegasus ruhig und still nebeneinander.

Auf dem Ladentisch war eine Klingel, wie man sie manchmal noch in alten Hotels finden kann und daneben stand ein Schild mit den Worten »Willkommen. Dreimal klingeln«. Bevor mir bewusst war, was ich tat, hatte ich die Klingel schon betätigt.

So kam es, dass ich an diesem Tag das erste Mal William Morgan, den Besitzer des kleinen, in der uralten Stadt verborgenen Ladens begegnete. William, mit seinen tiefliegenden Augen, dem weißen Bart, seinem braunen Umhang und dem altmodischen Spazierstock. Jedes Mal, wenn ich in den Jahren unserer Freundschaft über die Schwelle seines kleinen Ladens schritt, trat ich zugleich in die Welt hinter meinen Augen ein.

Es war William, der mir zeigte, dass meine eigene Geschichte auf den Schultern von uralten, riesigen Geschichten ruht.

»Die Menschen vergessen die universellen Geschichten«, sagte William immer. »Aber die Mythen und Legenden erzählen uns so viel über unsere unbewussten persönlichen Muster. Sie verbinden unsere innere und unsere äußere Welt und sie verbinden uns wieder mit unserer Seele. Wenn die Menschen sich nur wieder daran erinnern würden, wie viel einfacher sie über Geschichten und Mythen Zugang zu ihrer inneren Welt finden können. So vieles fällt uns leichter zu verstehen und zu akzeptieren, wenn wir es uns über diesen Spiegel anschauen dürfen. Es sind Geschichtenerzähler, die uns Menschen helfen, die Tür in unsere innere Welt zu finden und sie zu erforschen. All die Charaktere und Figuren, die Priesterinnen, Alchemisten, Vampire, Trolle, Riesen, Könige oder Meerjungfrauen, denen wir in Geschichten begegnen, haben eines miteinander gemein: Sie repräsentieren eine bestimmte Form von Energie, die es gilt, in uns zu meistern, um unseren Seelenplan zu erfüllen. Ist es die Prinzessin die darauf wartet, gerettet zu werden? Ist es der Perfektionist in unserer inneren Welt, der uns stets antreibt, besser zu sein, um geliebt zu werden? Oder gehen wir durch die Phönixerfahrung, damit wir neu geboren werden können? Wie anders wären die Welt und unser Leben, wenn wir uns in schwierigen Zeiten die Frage stellen würden: ›Welcher Mythos lebt gerade in mir? Was ist wirklich die Geschichte hinter meiner Geschichte, die ich erlebe? Welcher Bewohner (Archetyp) meiner inneren Welt bestimmt gerade mein Denken und mein Verhalten?‹«

Ich habe von meinem alten Freund William Morgan so viel über die innere Welt von uns Menschen gelernt. Er war es, der mir half, ihre Bewohnerinnen und Bewohner zu verstehen. Wir nennen sie Archetypen und archetypische Erfahrungen. Aber William nannte sie nur »die Bewohner«. Ich werde nie den Beginn unserer Freundschaft und diese magischen fünf Tage vergessen, in welchen er mir half, mich selbst zu retten, indem er mir das Geheimnis enthüllte, das sich hinter der schwierigsten und zugleich magischsten Erfahrung meines Lebens verbarg: der Phönixerfahrung.

Es war gegen fünf Uhr am Nachmittag, als ich wenige Wochen nach unserer ersten Begegnung inmitten der kuriosen Gegenstände, Bücher, Instrumente und alten Karten in Williams kleinem Laden stand. William war dabei, einen Kunden zu bedienen. Während ich wartete, blickte ich hinaus auf die schmale Gasse. In den vergangenen Wochen hatte ich voller Hoffnung versucht, in der uralten Stadt mein Leben wieder aufzubauen. Aber es war wie verhext. Nichts schien mir zu gelingen. Ich hatte gehofft, dass jetzt, da es mir gesundheitlich ein wenig besser ging, alles besser werden würde und ich wieder die Kontrolle über mein Leben zurückgewinnen würde. Ich wollte doch mir und allen anderen beweisen, dass ich es schaffen konnte! Aber meine Schwierigkeiten wurden nicht weniger. Das winzige Zimmer, in dem ich lebte, war kalt, feucht und laut. Ich musste dringend eine Arbeit finden, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Meine Überlebensängste waren meine ständigen Begleiter und wurden immer größer und dabei fühlte ich mich in meinem eigenen Leben so fremd, so eigenartig.

An diesem Nachmittag schien die Dunkelheit in mir unerträglich zu sein. Der Anblick der Menschen, die in der uralten Stadt ihrem täglichen Rhythmus folgten, verstärkte dieses Gefühl nur noch mehr. Sie hatten ihren Rhythmus, einen Alltag. Ich hatte nichts, woran ich mich festhalten konnte. Nichts, außer William und seinen kleinen Laden. Alles andere hatte die Dunkelheit verschlungen.

Je stärker dieser Gedanke wurde, umso größer wurde meine innere Verzweiflung und sie verwandelte sich in Panik. Als der Kunde den Laden verlassen hatte, platzten die Worte nur so aus mir heraus: »Was habe ich falsch gemacht, William? Ich kämpfe jeden Tag, aber wie sehr ich mich auch bemühe, mein Leben wieder aufzubauen, es gelingt mir nicht. Ich habe das Gefühl, dieser Albtraum wird niemals enden!» Meine Worte klangen noch im Raum, da erschrak ich selbst über ihre Heftigkeit und das Gefühl der Scham überkam mich. Ich schämte mich, dass ich die Fassung verloren hatte. Wie ein unglückliches Kind stand ich dort, verloren inmitten der unzähligen Gegenstände. William schaute mich an und schwieg. Die Stille kam mir wie eine Ewigkeit vor und das Gefühl der Scham breitete sich in mir wie eine klebrige Masse immer weiter aus. Was dachte er jetzt wohl von mir? Warum hatte ich das so sagen müssen? Warum hatte ich mein Leid in dieser Form ausschütten müssen?

»Es tut mir leid.« stammelte ich. »Ich wollte nicht …« Ich konnte den Satz nicht zu Ende sprechen. Die Tränen waren schon zu nah. William schaute mich mit seinen tiefliegenden Augen an, als würde er in meinem Gesicht etwas suchen, und dann lud er mich mit einer kleinen Geste ein, auf einem der alten grünen Sessel vor dem Kamin Platz zu nehmen. Während er sich auf dem Sessel mir gegenüber niederließ, griff er in seinen Umhang, zog eine kleine Taschenuhr hervor, öffnete sie und schob sie auf dem kleinen Tisch zwischen uns zu mir herüber. Ich beugte mich vor und sah, dass einige Ziffern auf der Taschenuhr durch Symbole ersetzt worden waren. Als ich genauer hinsah, erkannte ich, dass es Abbildungen eines Phönix waren. Ein jedes der sechs Bilder zeigten den mystischen Vogel in einem anderen Stadium. Man sah, wie er sein Nest baute, wie er es mit Hilfe der Sonne in Brand setzte, wie das Feuer alles zerfallen ließ, bis nur noch Asche, glühend wie ein Edelstein, zu sehen war, aus der am Ende ein junger Phönix neu geboren wurde, und wie dieser seine Flügel ausbreitete und hoch hinausflog. Ich schaute William fragend an. Er lächelte, lehnte sich in seinem Sessel zurück und begann mir zum ersten Mal von einer Reise zu erzählen, die wir alle mehrfach im Leben antreten: von einer Reise durch eine dunkle Nacht der Seele, in der wir durch die Phönixerfahrung gehen, um eines Tages neu geboren zu werden.

DER PHÖNIX-MYTHOS

»In den Mythen vieler Kulturen finden sich Geschichten über den sagenumwobenen und legendären Feuervogel – dem Phönix aus der Asche.

Der Mythos besagt: Wenn der Phönix sein Ende fühlt, trägt er ein Nest aus duftenden Hölzern und Balsamen zusammen, entzündet es im Strahl der Sonne und entfacht die Glut mit seinen Flügeln. Aus seiner Asche entsteht ein Edelstein, aus dem ein junger, kraftvoller Phönix neu geboren wird. Wenn der Phönix in unser Leben tritt, bringt er die Botschaft mit sich, dass alles irgendwann zu einem Ende kommt. Aber auch, dass in dem Ende bereits der Samen für einen neuen Anfang liegt. Aus der Asche des Phönix wird der nächste Phönix geboren.

Wenn du den Ruf deines inneren Phönix vernimmst, dann ist für dich die Zeit gekommen, dass du deine alten Ideen, Glaubenssätze, Vorstellungen und Prägungen loslässt. Das, was du einst dachtest, dass du es bist und wie du das Leben sahst, muss sterben, damit du neu geboren werden kannst. Und damit dies geschehen kann, bricht mit dem Ruf des Phönix eine dunkle Nacht über dein Leben herein und bringt ein Ereignis mit sich, welches dich und dein Leben erschüttern wird. Es fühlt sich an wie ein Sturm, der unerbittlich so vieles mit sich reißt, und man denkt, man müsse sterben. Und in einem gewissen Sinne stimmt dies auch. Etwas in dir muss sterben, damit etwas Neues kommen kann. Was dies sein wird, dass wirst du auf deiner Reise durch die Nacht herausfinden.«

William blickte mir tief in die Augen, als wolle er sichergehen, dass ich seine Worte wirklich höre: »Versuche niemals ein Kapitel deines Lebens dabei aufzuhalten, zu seinem natürlichen Ende zu kommen, denn das nächste wartet bereits darauf, dass es beginnen kann. Du kannst mit der Nacht und den Zyklen des Lebens nicht verhandeln. Wenn die Zeit gekommen ist, dass ein Kapitel in deinem Leben zu Ende geht, dann ist die Zeit gekommen. Aber wie du es zu Ende bringst, kannst du am besten bewusst entscheiden, wenn du die Gesetze kennst, die eine dunkle Nacht bestimmen, und die Schritte, die dich bei deiner Phönixerfahrung erwarten.«

Wieder schaute ich auf die kleine Taschenuhr, auf der die Schritte des Phönix bis zu seiner Wiederauferstehung abgebildet waren. »Es tut so weh«, sagte ich leise »An manchen Tagen ist es so schmerzhaft, dass ich es nicht in Worte fassen kann. Dann denke ich, dass ich es nicht mehr länger ertragen kann.«

»Umso stärker, mutiger und weiser wird der Phönix deiner inneren Welt auferstehen«, antwortete William und nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: »Die Dunkelheit der Nacht steht für das, was dir unbewusst ist, für deine alten Wunden, Schatten und Traumata, denen du auf der Reise begegnen wirst. Aber indem du dir ihrer bewusst wirst, kannst du heilen und am Ende wie der Phönix aus der Asche wiedergeboren werden. Die Phönixerfahrung steht für den Weg der Transformation, der dich erwartet. Die Dunkelheit der Nacht steht für das, was es gilt zu transformieren.«

»Bedeutet dies, dass der Sturm, der mit der Nacht kommt, einem Menschen immer etwas nimmt, stets das alte Leben zerstört?«, fragte ich William und dachte an alles, was ich bereits verloren hatte.

»Nein, nicht immer«, antwortete mir William, »aber stets geschieht etwas, was uns aus unserem bisherigen Leben herausholt. Wir werden auf einmal großen Herausforderungen in unserer inneren und äußeren Welt gegenüberstehen und wir haben keine andere Wahl, als dem Ruf unseres Phönix zu folgen. Für einige Menschen ist es ein dramatisches Ereignis. Vielleicht endet eine Partnerschaft, man verliert die Arbeit oder sein Erspartes. Vielleicht trifft ein Schicksalsschlag die gesamte Familie, wir werden krank oder wir erleben einen schweren Verlust. Etwas, was wir dachten, dass es für immer zu uns gehören würde, verschlingt die Dunkelheit.

Aber nicht immer muss das große Ereignis ein dramatisches sein«, fuhr William fort. »Für einige Menschen beginnt ihre Reise durch die Nacht mit einem freudigen Ereignis. Vielleicht werden sie innerhalb kurzer Zeit berühmt. Auf einmal steht ihnen viel mehr Geld, viel mehr Anerkennung zur Verfügung als je zuvor. So wundervoll solche plötzlichen, freudigen Veränderungen in unserem Leben sein können, auch sie stellen uns vor große Herausforderungen und rufen uns auf, durch die Phönixerfahrung zu gehen. Wenn wir von einem Tag auf den anderen mehr Anerkennung, mehr Macht oder mehr Geld erhalten, dann bringt dies neue Entscheidungsmöglichkeiten mit sich. Unsere äußere Welt verändert sich viel schneller, als unserer inneren Welt dies möglich ist. In unserer inneren Welt ist alles wie zuvor und ihre Bewohner sind nicht darauf vorbereitet, diese neuen Ressourcen und Umstände zu handhaben. Sie werden weiterhin unsere Entscheidungen und unser Verhalten bestimmen. Sie beeinflussen uns nach wie vor und so riskieren wir, dass wir das, was wir gewonnen haben, wieder verlieren oder emotional daran zerbrechen. Es sei denn, wir treten bewusst unsere Reise durch die dunkle Nacht an und gehen durch die Phönixerfahrung.

»Dann stimmt es nicht, was man sagt, dass neue Möglichkeiten nur in unser Leben kommen, wenn wir bereits unsere innere Welt verändert haben?«, warf ich überrascht ein.

»Es kann sein, dass sich neue Möglichkeiten zeigen, weil wir unsere innere Welt verändert haben. Aber wenn sie als Ruf des Phönix in unser Leben treten, dann fordern sie von uns eine Veränderung, damit wir wirklich durch die Tür in ein neues Leben gehen können.«

Wieder schaute William mich eindringlich an: »Denke daran: Jede dunkle Nacht kommt in dein Leben, um dir zu helfen, Licht in die Schatten zu werfen und dich zu ermächtigen, um deine Seele auf neuen Wegen zum Ausdruck zu bringen. Ein jedes Ereignis, welches die Dunkelheit einläutet, sei es ein freudiges oder ein schmerzhaftes, tritt immer in dein Leben, um dir zu zeigen, was es tief in deiner inneren Welt zu verändern gilt.«

»William, damals, bevor ich krank wurde, da hatte ich gespürt, dass etwas zu Ende geht. Aber warum habe ich innerlich gespürt, dass etwas passieren wird, wenn ich es doch nicht abwenden konnte?«

DIE VORBOTEN EINER DUNKLEN NACHT

William blickte auf die kleine Taschenuhr vor uns auf dem Tisch und zeigte auf die unterste Abbildung des Phönix, der dabei war, sein Nest zu bauen. »In einer Zeit lange vor unserer, da wussten die Menschen noch, dass der Phönix in ihrer inneren Welt zyklisch stirbt und wiedergeboren wird und das damit auch zyklisch die Dunkelheit über ihr Leben hereinbricht. Sie vertrauten ihrem Gefühl, dass ihnen sagte, dass das Ende gekommen war. Sie wussten, dass sie mit diesem Gefühl der Ruf ihres inneren Phönix ereilte und sie bereiteten sich vor, so wie der Vögel Phönix sich vorbereitet, wenn er spürt, dass seine Zeit gekommen ist und sein Nest baut. Sie vertrauten auf ihr Gefühl, auch wenn in ihrer äußeren Welt scheinbar noch alles friedvoll war. Sie wussten, dass bald das große Ereignis kommen würde. Sie kannten die Gesetze der dunklen Nacht und sie verfügten über das Wissen, welches sie in jedem Schritt der Phönixerfahrung erwartete. Sie wussten, dass sie in diesem Kapitel ihres Lebens das Maximum ihres Potenzials erreicht hatten und nun eine Zeit des Übergangs kam.

Weil heute nur noch wenige Menschen die Gesetze der dunklen Nacht und die Schritte der Phönixerfahrung kennen, besteht die Gefahr, dass sie sich in der Dunkelheit verlieren und zurückbleiben mit der Frage ›Warum? Warum geschieht mir dies?‹

Aber bis heute spüren die Menschen noch immer den Vorboten einer dunklen Nacht in sich. Einige beginnen von dem Archetyp des Todes zu träumen, vielleicht in Form einer alten Frau oder eines Raben. Andere haben das Gefühl, dass ihnen ihr Leben fremd zu werden beginnt. Sie wissen jedoch nicht immer diese Gefühle und Wahrnehmungen richtig zu deuten. So kann die Angst von ihnen Besitz ergreifen und sie fürchten mitunter den realen Tod. Es ist möglich, dass der Tod eines lieben Menschen das große Ereignis ist, das eine Reise durch die Nacht einläutet. Aber in vielen Fällen ist es das auch nicht. Unsere Seele sendet uns dieses Gefühl, diese inneren Bilder als Zeichen dafür, dass uns die Phönixerfahrung erwartet. Nur leben wir in einer Welt, in der sich die Menschen noch schwertun mit Metaphern und dem Unbewussten und stattdessen an der Oberfläche nach Erklärungen suchen.

Nicht alle Menschen sind bereit, ihrer inneren Stimme zuzuhören und den Vorboten wahrzunehmen. Es ist menschlich, dass wir Angst bekommen, wenn sie uns zuflüstert: ›Etwas in deinem Leben wird bald zu Ende gehen.‹ Wir haben Angst, weil wir nicht wissen können, welchen Bereich unseres Lebens das Ereignis treffen wird. Wir wissen nicht, ob die Dunkelheit unsere Arbeit, unsere Gesundheit, unsere Liebe oder unsere Familie treffen wird. Wir stehen vor dem Unbekannten. Aber vor allem wird unsere Illusion, dass wir die alleinige Macht und Kontrolle über unser Leben haben können, herausgefordert. Deswegen hast du dir die Frage gestellt: ›Warum habe ich innerlich gespürt, dass etwas passieren wird, obwohl ich es doch nicht abwenden konnte?‹ Es fällt anfangs schwer zu verstehen, dass der Vorbote kommt, damit wir uns innerlich vorbereiten können und nach den ersten Zeichen Ausschau halten, was es für uns fortan in unserer inneren Welt zu verändern gilt.

Wir wünschen uns als Menschen einerseits, dass wir innerlich reif und stark genug sind, unserer inneren Stimme, unserer Intuition zuzuhören. Aber zugleich fürchten wir uns auch vor ihr. Wenn unsere Seele uns den Ruf des Phönix bringt, wie mutig sind wir, ihn bewusst wahrzunehmen?«

Zeit für dein Reisetagebuch

Liebe Seele, hier beginnt dein Reisetagebuch, in welchem du deine ganz eigenen Abenteuer niederschreiben kannst. Bevor du beginnst, wisse bitte, dass du mehrmals im Leben durch eine Phönixerfahrung gehen wirst. So kannst du für jede Phönixerfahrung, die du vielleicht bereits erlebt hast, ein eigenes Kapitel in deinem Reisetagebuch anlegen. Oder du widmest jeder Phönixerfahrung ein kleines Büchlein.

Alle kommenden Fragen kannst du für jede deiner Phönixerfahrungen in deinem Reisetagebuch beantworten, so werden dir rückblickend viele Zusammenhänge bewusst werden und du wirst neue Erkenntnisse daraus gewinnen. Diese können dir bei deiner jetzigen und bei deinen zukünftigen Phönixerfahrungen helfen. Denn jede Phönixerfahrung, die du erlebst, ist stets verbunden mit der vorherigen. Darüber erzähle ich dir später noch mehr.

In welchem Jahr/Monat hat das große Ereignis dein Leben getroffen?Welchen Bereich deines Lebens hat das große Ereignis erschüttert und welcher Bereich deines Lebens hat sich dadurch verdunkelt? Deine Partnerschaft, deine Arbeit, deine Finanzen, dein Familienleben, deine Gesundheit oder etwas anderes?Hast du vorab die Vorboten deiner Phönixerfahrung wahrgenommen? Wenn ja, wie hast du diese Botschaft wahrgenommen? Über Träume, über innere Bilder, über ein inneres Gefühl, über vermehrte Schwierigkeiten und Herausforderungen in deinem Leben oder über etwas anderes?Wenn du bereits in der Vergangenheit durch eine Phönixerfahrung gegangen bist, schreibe einige Stichpunkte auf, was sich in dir und um dich herum an ihrem Ende verändert hatte.

DIE GROSSE SUCHE

Während William mir an diesem späten Nachmittag von der dunklen Nacht und dem Phönix erzählte, wanderten die Zeiger der kleinen Taschenuhr weiter und langsam legte sich der Abend über die schmale Gasse. William klappte die alte Taschenuhr zu. Den Rand des Deckels verzierten die Flügel eines Phönix und sie rahmten ein Bild in der Mitte ein. Es zeigte oben auf einem Hügel eine Frau mit grünem Umhang. Sie hielt eine Laterne in ihrer Hand und schaute hinab auf die Stadt, die eingebettet zwischen Landschaften vor ihr lag. Auf den ersten Blick war mir das Bild so vertraut und zugleich schienen die Landschaft und die Stadt wie aus einer anderen Welt zu sein. So fremd und so vertraut zugleich.

»Wer ist diese Frau?«, fragte ich.

»Das ist die Sucherin in deiner inneren Welt«, antwortete William und so begann er mir von dieser Bewohnerin der inneren Welt zu erzählen.

»Wenn der Himmel sich verdunkelt, wenn unser Leben von einem großen Ereignis tief erschüttert wird, dann breiten sich in unserer inneren Welt Gefühle der Entfremdung, der Leere, der Traurigkeit, der Machtlosigkeit, der Hilflosigkeit und der Einsamkeit aus. Plötzlich fühlen wir uns verloren in einer Welt, die uns kurz zuvor noch so vertraut war. Aber wir werden noch etwas spüren können, wenn auch vielleicht nur ganz zart: eine mysteriöse Sehnsucht, die tief aus unserer inneren Welt emporsteigt. Jede große Suche beginnt mit einer solchen Sehnsucht, die uns die Sucherin unserer inneren Welt sendet. Mit dem Beginn der dunklen Nacht beginnt auch die große Suche, damit wir wie der Phönix neu geboren werden können.«

William schaute einen Moment wortlos ins Feuer. Ich blickte wieder auf die Taschenuhr und für einen Moment schien es, als würde die Laterne in der Hand der Sucherin aufflammen und sich ein Stück bewegen, während die Flügel des Phönix ihr Bild weiterhin umrahmten. Und in diesem Moment wusste ich, wo ich diese geheimnisvolle Frau schon einmal gesehen hatte: in meinem Traum, damals bevor ich in die uralte Stadt gekommen war.

Ich schaute zu William, aber seine Augen ruhten noch immer auf dem Kamin und er schien nichts bemerkt zu haben. »William«, sagte ich und versuchte meine Aufregung nicht durchklingen zu lassen. »Kann es sein, dass es die Sucherin meiner inneren Welt war, die mich in diese uralte Stadt und zu dir führte?«

William atmete einmal tief ein und wieder aus, als würde er sich wieder sammeln, nachdem er mit seinen Gedanken weit entfernt gewesen war. »Bevor die Menschen erkennen, dass die wahre Suche in ihrer inneren Welt stattfindet, werden sie, wenn ihr Leben erschüttert wird, versuchen, im Außen auf eine große Suche zu gehen. Immer wieder hallt die Frage in ihnen wider: ›Warum? Warum geschieht dies und warum geschieht es mir?‹ Fast jede Heldin, fast jeder Held verspürt am Anfang dieses tiefe Gefühl der Machtlosigkeit. Sie tragen so viele Fragen in ihrem Herzen und sie denken, dass die Antwort doch irgendwo da draußen sein muss. Es muss doch eine Erklärung geben, warum dies alles geschieht! Es muss doch eine Lösung geben, etwas, was den Schmerz nimmt, was den Weg leichter macht. Sie hoffen die Wahrheit, die Antworten, die sie suchen, unter einem Stein, in der Abgeschiedenheit, zwischen den Menschen, in dem Herzen einer großen Stadt, in einer Romanze oder in den heiligen Hallen einer Bibliothek zu finden. Sie suchen im Außen nach Erklärungen, die ihnen helfen könnten zu verstehen, was gerade passiert und warum es geschieht. Je stärker ihr Leben in der Dunkelheit versinkt, umso verzweifelter werden sie auf ihrer Suche im Außen und umso weniger sehen sie in ihr Inneres. Bis sie eines Tages erkennen, dass es niemals um eine Suche im Außen ging. In dem Moment beginnt ihre wahre Reise, denn sie treten über die Schwelle in ihre innere Welt und erkennen: Wenn sie über ihre physischen Sinne hinausgehen, finden sie sich in den Mysterien ihrer inneren, grenzenlosen Welt wieder. Einer Welt, die groß genug ist für ihre großen Fragen.«

William machte eine kleine Pause und blickte mich an, um sicherzugehen, dass ich seinen Worten auch folgen konnte. »Einige Menschen verlassen zu Beginn ihrer Suche ihr gewohntes Umfeld, so wie du, indem du in die uralte Stadt zogst. Manchmal müssen wir am Anfang auch im Außen reisen, Orte aufsuchen, an denen man eine andere Sprache spricht, anderen Menschen und einer anderen Kultur begegnet. Dies kann uns helfen, die Kruste des alten Bildes, das wir von uns und dem Leben hatten, zu durchbrechen. Manchmal erwartet uns an einem anderen Ort eine Begegnung, ein Erlebnis, welches uns die Tür in unsere innere Welt öffnen kann. Aber eines steht fest: Die eigentliche Suche findet in deiner inneren Welt statt. Wenn du nur im Außen reist und suchst, dann wird dir die Transformation nicht gelingen. Vielleicht verstehst du jetzt, dass der Anfang nicht einfach sein wird, wenn wir während einer Phönixerfahrung an einen anderen Ort gehen, sondern uns weitere Herausforderungen begegnen, die uns immer wieder daran erinneren, wo unsere wahre Suche beginnen sollte: in uns! Wenn wir dem Ruf der Sucherin folgen, dann hilft sie uns auf unserer großen Suche. Sie wird uns wertvolle Fragen einflüstern und eine Sehnsucht in uns am Leben erhalten, weiterzugehen, über unsere bekannte, innere Welt hinauszugehen und das Unbekannte und Unbewusste zu erforschen.«

Ich dachte an den alten Schriftzug über Williams Ladentür: »Go beyond into your own magical world.« Mir kam der Tag in den Sinn, an dem ich mit meinen zwei Koffern in der uralten Stadt angekommen war. Wenn mich damals jemand gefragt hätte, wonach ich suchte, hätte ich geantwortet: »Nach einer neuen Arbeit, nach Sicherheit, nach Liebe, danach, wieder gesund zu werden und ein glückliches Leben zu leben. Bis der Tag kam, dieser Tag im November, als ich zum ersten Mal in die schmale Gasse einbog, in der die Lichter der alten Straßenlaternen ganz besonders durch den Herbstnebel zu leuchten schienen, und über die Schwelle von Williams Laden in meine innere Welt trat. Dieses Bild hatte sich mir eingebrannt, als hätte meine Seele ein Foto aufgenommen. Während ich diesen Erinnerungen nachhing, schien es mir erneut, als würde die Laterne in der Hand der Sucherin auf dem runden Deckel der Taschenuhr für einen Moment aufblitzen.

Ich schaute William an, aber ich konnte in seinem Gesicht kein Anzeichen dafür erkennen, dass auch er das Aufblitzen gesehen hatte. Bevor ich etwas sagen konnte, fuhr er fort: »Wir begegnen den Bewohnern unserer inneren Welt nicht nur in unseren Träumen oder wenn wir uns nach innen wenden.Wir begegnen ihnen auch in der äußeren Welt, in Menschen, in Situationen, in Büchern, in Liedern, in der Kunst oder in einer schmalen Gasse, inmitten einer uralten Stadt.«