Die Polnische Mitgift - Patricia Verne - E-Book

Die Polnische Mitgift E-Book

Patricia Verne

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Beschreibung

"Mir gefällt diese Mischung aus: sich an die Vergangenheit erinnern, sie am Leben erhalten und daraus gleichzeitig Neues schaffen. Es geht nicht darum, das Deutsche oder das Polnische in sich getrennt zu sehen, sondern darum, das menschliche Gesamtkunstwerk nach außen zu tragen." Polen empfinden mit Blaubeeren: Migration ist nicht nur ein Wort, dahinter verbergen sich Erlebnisse, Geschichten und Wünsche einzelner Individuen. Patricia Verne geht direkt ins Gespräch mit Politik und den Bürgern, sammelt verschiedenste Eindrücke und zeigt auf feinfühlige und reflektierte Weise die große Vielfältigkeit ihrer kulturellen Herkunft auf. "Polnische Mitgift" ist ein Buch über Traditionen und den Umgang mit der Vergangenheit, noch viel mehr aber über die Zukunft, die Vielfalt Europas und über grenzenlose Hoffnungen.

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Das Buch

Die geheimen Pläne des Bundesnachrichtendienstes, zu klein geratene Windeln, heißer spirytus mit Honig und der schwarze Rosenkranz eines Autohändlers sind aus ihrer Familiengeschichte nicht wegzudenken. Heute ist sie bekennende Liebhaberin von Piroggen mit Blaubeeren und viel Schlagsahne. Den polnischen Aberglauben ihrer Eltern und Großeltern pflegt sie, so skurril er auch sein mag. Und dass sie mit ihren Kindern Polnisch spricht, ist für Patricia Verne mittlerweile selbstverständlich. Dabei hat sie – wie viele andere polnische Aussiedler in Deutschland auch – den simplen Satz „Ich komme aus Polen“ jahrelang nur mühsam über die Lippen bekommen. Dieses Buch erzählt aber nicht nur davon, wie die Autorin und andere Aussiedlerkinder anfangs mit ihrer Herkunft gehadert haben. Es erzählt vor allem davon, wie Migranten der zweiten Generation ihre Erfahrungen als Stärke sehen und einsetzen. Sie mischen verschiedene Kulturen und entwickeln diese weiter zu etwas Neuem. Die heute erwachsenen Zuwanderer aus Polen zeigen ihren Kindern und ihrem Umfeld, welches Potenzial Migration hat.

Die Autorin

Patricia Verne ist 1979 als Patrycja Czarkowska im polnischen Opole (Oppeln) geboren und in Konstanz am Bodensee aufgewachsen. Nach ihrem Studium der Interkulturellen Kommunikation und der Kunstgeschichte an der Sorbonne in Paris und der Universität des Saarlandes absolvierte sie ein journalistisches Volontariat bei der Nachrichtenagentur ddp in Berlin. Heute arbeitet sie als Hörfunk-Redakteurin beim SWR in Baden-Baden.

PATRICIA VERNE

DiepolnischeMitgift

Was wir unseren Kindern weitergeben

ERZÄHLENDES SACHBUCH

Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.

© 2021 Lauinger Verlag | Der Kleine Buch Verlag, Karlsruhe

Umschlaggestaltung, Satz & Layout: Sonia Lauinger

Lektorat: Franziska Rost

Projektmanagement, Korrektorat: Miriam Bengert

Satzkorrektur: Sandra Ritzinger

Umschlagabbildung: Kara K. Bigda „blueberry still life“, Massachusetts, USA

S. 215, Blaubeere Löffel, S. Contrell, Pixabay

Druckerei: General Nyomda, Szeged, Ungarn

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes (auch Fotokopien, Mikroverfilmung und Übersetzung) ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt auch ausdrücklich für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen jeder Art und von jedem Betreiber.

ISBN: 978-3-7650-9150-6

Dieser Titel erscheint auch als E-Book:

ISBN: 978-3-7650-9151-3

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Für Lionel und Louise.

Inhalt

1.Anderssein - Kein Rückgrat

2.Ausreise - Lücken füllen

3.Widersprüche - Konsequent inkonsequent

4.Umbruchphase - Verschüttetes ausgraben

5.Nachwuchs - Was wir daraus machen

6.Sprache - Po polsku oder lieber auf Deutsch?

7.Erziehung - Widerstand zwecklos

8.Kulinarisches - Mehr als nur Piroggen

9.Religion - Gott bewahre

Danksagung

Literaturnachweise

Anderssein

Kein Rückgrat

Das Holz im Feuer knisterte. Während wir im Kreis rund um das Lagerfeuer saßen, spielte jemand Gitarre, die anderen sangen eine wilde Mischung aus Liedern. Es war mein erstes Pfadfinder-Lager. Wir übernachteten eine Woche lang in Zelten, bauten Flöße, zogen mit dem Kompass durch die Wälder. Obwohl ich erst sieben Jahre alt war, fühlte ich mich sehr erwachsen, so ganz ohne Eltern unterwegs zu sein.

Gegen Mitternacht, als wir unser Stockbrot im Lagerfeuer grillten, kam das Thema auf, wer wo geboren sei. Die meisten aus der Runde waren Süddeutsche, kamen aus Konstanz, Überlingen oder Lindau. Als ich an der Reihe war, sagte ich, ich sei aus Opole in Polen.

»Ach, du bist also gar keine Deutsche«, sagte einer der älteren Pfadfinder barsch.

»Doch, bin ich. Ich habe einen deutschen Pass«, gab ich zurück. Ein Argument, das er nicht durchgehen ließ.

»Man kann nicht Deutsche sein, wenn man hier nicht geboren ist!«

Ich schluckte und wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Zu Hause hatte ich zwar schon öfter das Wort »Aussiedler« aufgeschnappt, ohne es jedoch zu hinterfragen.

Nach dem Lagerfeuer gingen alle Pfadfinder in ihre Zelte, wir schliefen jeweils zu sechst. Die Plätze ganz hinten, möglichst weit vom Eingang entfernt, waren die beliebtesten, denn obwohl keiner es zugeben wollte, hatten doch alle ein wenig Angst vor wilden Tieren. Jeder breitete seine Isomatte und seinen Schlafsack aus. Erst da fiel mir auf, dass ich als einzige keine Isomatte hatte. Ich erinnerte mich plötzlich daran, dass auf der Packliste, die wir von den Pfadfinder-Leitern bekommen hatten, auch »Isomatte mitnehmen« stand. Als mein Vater die Liste abarbeitete, fragte er:

»Co to jest ›Isomatte‹?« Was ist das »Isomatte«?

Die Schlafunterlage heißt auf Polnisch karimata. Da mein Vater das deutsche Wort nicht kannte, fiel die Isomatte durch das Raster der Erledigungen. Ich musste im Schlafsack auf der Zeltplane schlafen, direkt auf dem Boden.

Ich fror.

An diesem Abend spürte ich zum ersten Mal, dass ich nicht ganz dazugehörte, mein Deutschsein mit einem Aber versehen war. Es waren nie die großen Ereignisse, die mir das Gefühl gaben, nicht ganz der Norm zu entsprechen, vielmehr waren es die Kleinigkeiten im Alltag, die zu unangenehmen Situationen oder peinlichen Fehlern führten.

In der dritten Nacht des Zeltlagers war ich an der Reihe, Nachtwache zu schieben. Es war Brauch unter den Pfadfinder-Gemeinden, Lebensmittel-Vorräte und das Banner der anderen zu stehlen. Wir wechselten uns alle drei Stunden mit der Wache ab.

»Patricia, du bist von viertel zwei bis viertel fünf dran«, sagte der Leiter meiner Gruppe.

Um 1:45 Uhr kam ich zum Treffpunkt, meiner Meinung nach überpünktlich.

»Du bist eine halbe Stunde zu spät«, fuhr mein Wachen-Vorgänger mich an.

Mit gesenktem Kopf hörte ich dabei zu, wie er mir den Unterschied zwischen dem hochsprachlichen »Viertel vor zwei« im Gegensatz zum regionalen Sprachgebrauch »viertel zwei« erklärte. Dass auch viele Deutsche die Zeitangaben nicht auseinanderhalten können, wusste ich damals nicht. Es hätte mich auch nicht getröstet.

Meine Verspätung zum Wachdienst war einer der wenigen Fauxpas, die mit meinen Deutschkenntnissen zu tun hatten. Da ich bei unserer Ausreise erst zwei Jahre alt war, lernte ich Deutsch und Polnisch fast gleichzeitig. Zu Hause galt die Muttersprache meiner Eltern, mit den Kita-Kindern die Sprache der neuen Heimat. Und auch wenn ich nicht gerade im Kindergarten war, sprach ich Deutsch mit den Nachbarskindern, bei Spieletreffs, beim Toben auf dem Hof. Durch diese frühe Zweisprachigkeit hatte ich im Vergleich zu anderen Aussiedlerkindern einen Vorteil: Bei mir klang im Deutschen nie ein polnischer Akzent durch, vielmehr war deutlich ein deutscher Einschlag in meinem Polnisch zu hören.

Obwohl mein Deutsch tadellos war, merkten nicht nur die anderen Pfadfinder schnell, dass ich nicht »von hier« war. In Konstanz am Bodensee, wo ich den Großteil meiner Kindheit und Jugend verbracht habe, wird Badisch gesprochen. In den Kirchengemeinden, auf dem Markt, in Fastnachts- und Sportvereinen ist der Dialekt allgegenwärtig. Mir ist es nie gelungen, Badisch zu lernen, meine Versuche klangen wie missratene Kabarettisten-Possen. Aber ich habe schnell gelernt, den regionalen Dialekt zu verstehen. Meine Eltern dagegen tun sich bis heute schwer, Schwäbisch und Badisch zu unterscheiden.

»Luxusprobleme« nennt mein Cousin Markus das, was ich als Sprachdefizite meiner Kindheit bezeichne. Er war schon acht Jahre alt und sprach kein einziges Wort Deutsch, als er mit seinem Bruder Thomas, meinem Onkel Olek und dessen Frau Stasia als Achtjähriger nach Deutschland kam.

Statt wie bisher in die podstawówka, Grundschule, in Kołobrzeg zu gehen, umgeben von seinen Freunden, fand er sich von einem Tag auf den anderen ganz auf sich allein gestellt in einem Turbo-Deutsch-Intensivkurs wieder. Einen Wir-geben-dir-Zeit-zur-Eingewöhnung-Bonus gab es weder für Markus noch für andere Aussiedler. Mit seinen dunklen, wuscheligen Haaren und tiefbraunen Augen hielten ihn die anderen Kursteilnehmer für einen Südeuropäer und nicht für einen Polen. Wenn Markus an den damaligen Deutsch-Kurs denkt, fällt ihm der zum Teil sonderbare Lehrstoff ein. Statt alltagstaugliche Konversationen zu üben, habe er vor allem stur Vokabeln und Grammatikregeln lernen müssen.

»In den vier Wochen lernten wir unter anderem den Unterschied zwischen: ›ein Tal - zwei Täler‹ im Gegensatz zu ›ein Teller - zwei Teller‹. Ich habe mich gefragt, ob ich jemals das Wort ›Tal‹ brauchen würde. Die Regel habe ich aber trotzdem brav auswendig gelernt.«

Noch mehr habe ihn verwundert, dass seine Lehrerin, Frau Chochlowa, auf bestimmte Grammatikfragen keine Antwort wusste. Erst von einem anderen Teilnehmer erfuhr er: Die Lehrerin war gebürtige Russin und selbst erst seit einigen Jahren in Deutschland.

Russin hin oder her, Markus hing an den Lippen seiner Lehrerin, schrieb fleißig und ohne zu murren jedes Wort mit, immer hoffend, dass der Start in der deutschen Grundschule einigermaßen glatt über die Bühne gehen würde.

Nach den Sommerferien wurde Markus in die 2. Klasse eingeschult. Bald schon stand im Deutschunterricht das erste Diktat an, ihm wurde mulmig zumute. Er musste regulär, wie alle anderen auch, mitschreiben. Markus kam kaum mit, die Lehrerin sprach viel zu schnell, die meisten Wörter hatte er noch nie gehört.

»Das Heft kam komplett rot zurück. Und es wurde auch bei den nächsten Malen nicht besser.«

In Polen noch einer der Klassenbesten, kurze Zeit später überall stirnrunzelnde Lehrer. Und vor allem: Keine Schulter, an die man sich anlehnen, an der man sich ausheulen konnte.

»Wenn du niemanden kennst, mit niemandem kommunizieren kannst und nur im Mathe-Unterricht mitkommst, dann trifft es das Wort ›Horrortrip‹ ganz gut.«

Jetzt erst recht

Für dieses Nicht-ganz-dazugehören wollten weder Markus noch ich Mitleid. Aufgeben war auch keine Option. Im Gegenteil. Wir wollten so schnell wie möglich den Deutschen das Wasser reichen können, wollten deutsche Lieder auswendig mitsingen können, gute Noten schreiben, zu deutschen Freunden zum Mittagessen eingeladen werden und wissen, welche Klamotten und welche Musik in sind. Das war der Plan und er wurde Schritt für Schritt umgesetzt.

Markus sprach bald nur noch Deutsch mit mir und auch mit seinen Mitschülern. Er – athletisch, groß, sportlich – wurde fester Bestandteil der lokalen Basketball-Mannschaft und die Diktate blieben immer häufiger tintenblau statt rot. Zwar entdeckte er nicht unbedingt seine Liebe für deutsche Literatur, dafür aber für Naturwissenschaften. Er schaffte es problemlos aufs Gymnasium, bestand sein Abitur und studierte anschließend Maschinenbau.

Ich selbst hätte Werbung für »Wie werde ich schnellstmöglich zu 100 Prozent Deutsch?« machen können. Ich feierte wie meine deutschen Freunde meinen Geburtstag bei McDonalds, schaute die Sesamstraße, kannte alle Folgen von Bibi Blocksberg und lernte die dazu gehörenden Zaubersprüche auswendig. Als ich älter war, las ich, wie alle meine Freunde, Die drei ???, obwohl ich insgeheim TKKG noch ein Stück spannender fand. Ich wusste genau, was in welchem Alter angesagt war: Radlerhosen mit Neonstreifen tragen, sich Plastikschnuller in den verschiedensten Farben und Größen um den Hals hängen, Kinderüberraschungsfiguren und Telefonkarten aus aller Welt sammeln, Spanisch lernen, weil Englisch als zu mainstreamig galt. Ich zwang meine Eltern, die Lokalzeitung zu abonnieren, nachdem ich gesehen hatte, dass bei all meinen Freunden der Südkurier auf dem Küchentisch lag.

Polnische Literatur oder Unterhaltung? Fehlanzeige. Je weniger polnische Präsenz im Alltag, desto besser, war meine Devise. Da gab es aber ein Problem.

Meine Eltern. Liebevolle Eltern, die ich noch heute Mamulka, Mamalein, und Bobski, eine Mischung aus seinem Vornamen Bogusław und unserem Nachnamen Czarkowski, nenne.

Eltern, die ich als Kind und Jugendliche nicht ausreichend wertschätzte, wie mir im Nachhinein bewusst geworden ist. Denn ich empfand meine Eltern als Störfaktoren, was meine reibungslose Integration – oder was ich damals für eine reibungslose Integration in Deutschland hielt – anging. Meine Eltern lernten schnell passables Deutsch und fügten sich anstandslos den deutschen Regeln und Gesetzen. Sie schätzten sowohl die wirtschaftlichen Vorteile als auch die neu gewonnene Freiheit hier. Doch durch ihre, in meinen Augen, schwerwiegenden Fehler bewiesen sie regelmäßig, dass wir Ausländer waren. Sie sprachen Deutsch mit polnischem Akzent, bestellten »Lungenbrezeln« statt Laugenbrezeln, sie traten in Fettnäpfchen, weil sie viele deutsche Gepflogenheiten nicht kannten. Bei einem Gespräch über Sketche von Loriot fragten meine Eltern: »Wer ist Loriot?«.

Mich störte außerdem, dass im Kreis der Familie die polnische Sprache heilig und unantastbar war. Ich war gegen diesen Zuhause-Außerhalb-Kontrast, ich wollte ein deutsches Gesamtkonzept und nicht immer daran erinnert werden, dass wir in Deutschland nicht so verankert waren wie andere Familien.

Das klingt hart, böse und ungerecht. Schließlich waren es meine Eltern, die den Schritt gewagt hatten, Polen zu verlassen, um etwas Neues und Besseres aufzubauen.

Wie schwer sie es besonders am Anfang hatten, womit sie im Alltag kämpfen mussten, war mir nie aufgefallen. Ich sah nur, was meine Eltern im Gegensatz zu »richtig deutschen Eltern« nicht hatten: keine oder kaum deutsche Freunde, keine nennenswerten Hobbys, keinen Beruf wie Arzt oder Architekt, mit dem ich meine Freunde hätte beeindrucken können. Dass sie Freunde, Familie und ihre Anstellung in Polen zurückgelassen hatten, von Null anfangen mussten und darunter gelitten haben, habe ich mir nie bewusst gemacht.

»To był dramat – es war ein einziges Drama«, fasst mein Vater die Anfangszeit rückblickend zusammen.

Er sei sehr motiviert gewesen, schnell Deutsch zu lernen, Arbeit zu finden, soziale Kontakte aufzubauen. In allem jedoch wurde er anfangs gebremst. Deutsch konnten meine Eltern nur in der Sprachschule und beim Einkaufen üben, weil sie keine Deutschen kannten. Unsere ersten Nachbarn in Schwäbisch Gmünd, wo wir nach unserer Ankunft in Deutschland vier Jahre lang wohnten, waren Rumänen, Polen oder Russendeutsche. Auf die ersten Bewerbungen meines Vaters folgten nur Absagen, selbst für Stellen, für die er keine Deutschkenntnisse brauchte.

Eine Absage schmerzt ihn noch heute: bei Daimler in Untertürkheim. Über einen polnischen Bekannten hatte er erfahren, dass Mercedes-Benz Montage-Arbeiter suchte. Er setzte sich noch am selben Abend an den Küchentisch, schrieb so gut er konnte einen Lebenslauf und ein Bewerbungsschreiben. Am nächsten Tag ließ er sich beide Schreiben von unserer polnischen Bekannten Danuta korrigieren, der die besten Deutschkenntnisse in der ganzen Gegend nachgesagt wurden.

Es half nichts.

Weder mein Vater noch Danuta wusste, dass die Techniker-Ausbildung, die mein Vater im Lebenslauf wahrheitsgemäß angegeben hatte, dazu führen würde, dass er für die ausgeschriebene Stelle als überqualifiziert eingestuft werden würde. Andere polnische Aussiedler bekamen die Stelle, weil sie angegeben hatten, weder eine Ausbildung noch Erfahrung in der Produktion zu haben.

Mein Vater bekam nie einen Fuß in die Tür von Mercedes-Benz, dem Unternehmen, für das er heute noch, mit Ende 60, schwärmt. Seine erste Arbeitsstelle fand er schließlich bei einer Umzugsfirma. 10-Stunden-Tage. Knochenarbeit. Mein Vater spricht ungern über diese Zeit.

Meine Mutter kümmerte sich in den ersten Jahren vor allem um mich und um den Haushalt. Als ich sechs Jahre alt war, wurde meine Schwester geboren. In ihren erlernten Beruf als Hotelfachfrau, den meine Mutter so liebte, kehrte sie nie mehr zurück. Stattdessen nahm sie verschiedene Aushilfsjobs an.

»Warum hast du nicht probiert, wieder in einem Hotel zu arbeiten?«, frage ich sie erst, als ich dieses Buch schreibe.

»Das habe ich anfangs noch versucht. Aber in Polen habe ich nur Russisch als Fremdsprache gelernt. Mit Polnisch und Russisch und dem wenigen Deutsch, das ich damals konnte, hatte ich als Hotelfachfrau keine Chance. Je mehr Zeit verging, desto weniger glaubte ich daran, dass mich jemand einstellen würde«, antwortet meine Mutter in einem ungewohnt bedrückten Ton.

Von all diesen Niederlagen, zerplatzten Träumen und ungewollten Ausweichlösungen wusste ich jahrelang nichts.

Scham und Gram

Ich wusste nur eines: Es war mir peinlich, wenn meine Eltern als Nicht-Deutsche auffielen, wenn meine Freunde bei unseren selbst programmierten Sendern das Wort »Wideo« entdeckten (nicht wissend, dass es im Polnischen kein »V« gibt) und annahmen, meine Eltern seien Legastheniker, oder wenn ich wegen der Entscheidungen meiner Eltern in Verlegenheit gebracht wurde, wie bei meiner Kommunion: Ich hatte als einzige ein derart rüschenbeladenes Kleid an, dass alle dachten, ich sei dem Barock entsprungen.

Mein Cousin Markus kann sich ein Lachen nicht verkneifen, wenn er an das Kommunionskleid mit den Puffärmeln und den unzähligen Tüll-Lagen zurückdenkt.

»Weißt du, was mich an meinen Eltern damals am meisten gestört hat?«, fragt er und wartet dabei meine Antwort gar nicht erst ab. »Ich weiß noch, wie unangenehm es mir war, Freunde zu mir nach Hause zum Mittagessen einzuladen.« Er macht eine Pause, als wäre er nicht ganz sicher, ob er weitererzählen soll.

»Am Essen kann es nicht gelegen haben, da bin ich mir sicher«, sage ich, um das Gespräch am Laufen zu halten. Meine Tante Stasia ist eine hervorragende Köchin. Vor allem cielęcina z kluskami, Kalbsfleisch mit Klößen, und rolady wołowe faszerowane, gefüllte Rinderrouladen, schmecken bei ihr so hervorragend, dass meine Mutter jahrelang nur Kaffee-und-Kuchen-Einladungen pflegte, um den direkten Vergleich mit ihr zu vermeiden.

»Nein, es war nicht das Essen. Es lag daran, dass meine Eltern keine Unterhaltung auf Deutsch führen konnten. Wir saßen am Tisch und diese Mischung aus unangenehmer Stille und gebrochenen Halbsätzen fand ich entsetzlich.«

Die Defizite unserer Eltern, dieses Nicht-verbergen-können, dass wir aus einem anderen Land stammen, dieses ständige Sich-beweisen-müssen, begleitete mich jahrelang. Als Kind und Jugendliche habe ich mir mehr als einmal gewünscht, meine Familie wäre nicht aus Polen.

Die Schriftstellerin Alexandra Tobor ist zwei Jahre jünger als ich, auch sie kam als Aussiedlerin nach Deutschland. In ihrem Debütroman Sitzen vier Polen im Auto erzählt sie humorvoll die fiktive, aber mit biografischen Elementen gespickte Geschichte einer polnischen Familie, die in Deutschland Fuß fasst. Ihr Buch umfasst vieles, mit dem polnische Zuwanderer in Deutschland zu kämpfen hatten, mit Klischees, Alltagsproblemen und Missverständnissen. So schämt sich die Hauptfigur etwa, als sie bemerkt, dass ihre Mitschüler viel moderner angezogen sind als sie selbst; ihr Vater versucht in der Anfangszeit, einen polnischen Arzt zu bestechen, um endlich behandelt zu werden und von ihrem Umfeld wird ihren Eltern schnell bewusst gemacht, dass nur deutsch zu sein als erstrebenswert gilt.

Ein paar Jahre nach Erscheinen ihres Buches sucht Tobor in ihrem Artikel Made in Poland, den sie auf ihrem Blog veröffentlicht hat, Antworten darauf, warum das Polnische immer wieder zum Fallstrick wurde und warum Zuwanderer sich dafür schämten, aus Polen zu stammen.

Ein Grund für dieses Phänomen sei das Fehlen der »Marke Polen«.

»Für russische Themen lässt sich mit einer formschönen, farbenprächtigen Matryoschka oder dem roten Stern des Kommunismus werben. Russland ist eine Marke wie Italien, das visuell ebenso wirkmächtig auftrumpfen kann, allein schon mit seiner Stiefelform. Polen hat keine Logos, abgesehen von der Fahne der Solidarność vielleicht, die aber weder Assoziationen mit gelungenem Urlaub noch mit osteuropäischer Exotik weckt. Solche Kleinigkeiten mag man wegen ihrer kapitalistischen Natur als unbedeutsam verwerfen, aber ich glaube, dass sie eine große Rolle für die öffentliche Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung der Polen spielen«, schreibt Tobor.

Recht hat sie, denke ich und merke gleichzeitig: Ich selbst hatte jahrelang keine Vorstellung davon, was Polen als Land ausmacht, wie der Alltag der Menschen aussieht, was sie prägt. So sehr war ich damit beschäftigt, Deutsche zu sein. Zu keinem Zeitpunkt hätte ich sagen können, was meiner gleichaltrigen Cousine Małgorzata, kurz Gosia, deren Familie in Oberschlesien geblieben war, damals wichtig war. Dabei telefonierten wir regelmäßig miteinander.

Da Konstanz direkt an der Schweizer Grenze liegt, fuhren mein Vater und ich einmal im Monat in die Schweiz, um dort von einer Telefonzelle bei unserer polnischen Familie anzurufen – und das, obwohl wir zuhause ein Telefon hatten. Der Grund dafür: Mein Vater war überzeugt davon, dass es aus dem Schweizer Netz einfacher war, nach Polen durchzukommen.

»Vom deutschen Festnetz aus hat es teilweise stundenlang gedauert, bis ein Anruf zustande kam, weil zu viele polnische Migranten gleichzeitig in ihrer Heimat angerufen haben«, erklärt er mir.

Kann die Begründung meines Vaters stimmen, frage ich mich im Nachhinein? Warum sollte das polnische Netz weniger überlastet gewesen sein, wenn jemand aus der Schweiz anrief und alle anderen gleichzeitig aus Deutschland? In der Summe machte das doch keinen Unterschied.

Meine Tante Irena – die die Schwester meiner Großmutter ist, aber mir so nahe steht, dass ich sie Tante nenne – gibt mir eine andere Erklärung.

»Früher wurden viele Anrufe aus Deutschland aus politischen Gründen gar nicht erst durchgestellt. Ich glaube, dass Anrufe aus der Schweiz, dem damals politisch neutralen Land, weniger streng behandelt wurden.«

Was auch immer der Grund gewesen sein mag, es stimmte: Von der Schweiz aus hörten wir schon nach rund zehn Minuten die Stimme meiner Oma väterlicherseits, für mich nur babcia Stasia, die sich mit dem mir so vertrauten tak, sucham – ja, ich höre – meldete.

Bei einem dieser Telefonate verkündete meine Oma, dass sie, meine Tante Irena und deren Kinder Gosia und Rafal eine Reiseerlaubnis zu uns nach Deutschland bekommen hätten. Der Urlaub war für August 1986 geplant und sollte zu unserem ersten Wiedersehen nach unserer Ausreise werden.

Es war ein Sommer, mit dem ich vor allem die Farbe Dunkelblau verbinde. Wir waren jeden Tag schwimmen. Egal, ob die Sonne schien oder ob es regnete, wir waren stundenlang im Wasser, selbst dann noch, wenn unsere Lippen längst dunkelblau angelaufen waren. Auf dem Rückweg vom Freibad sammelten meine Cousine Gosia, ihr Bruder und ich am Waldrand körbeweise Blaubeeren. Zu Hause wartete meine Tante schon mit dem ausgerollten Piroggen-Teig auf uns, füllte die pierogi mit den Blaubeeren und schlug dazu Unmengen von Schlagsahne steif. Noch Stunden später hatte ich einen kugelrunden Bauch und eine dunkelblaue Zunge.

Und was ist von diesem Sommer, der mittlerweile mehr als 30 Jahre zurückliegt, bei meiner Cousine in Erinnerungen geblieben?

Gosia wohnt und arbeitet seit sie von zu Hause ausgezogen ist in Krakau – die lebendige Stadt mit ihren vielen Festivals und Kulturveranstaltungen passt perfekt zu meiner aufgeschlossenen Cousine. Als ich Gosia anrufe, ist sie noch bei der Arbeit und hat nur kurz Zeit für mich. Ich stelle ihr meine Frage und biete ihr an, mich zu einem anderen Zeitpunkt zurückzurufen, wenn sie Bedenkzeit brauchen sollte.

»Da muss ich gar nicht lange überlegen«, antwortet sie. »Ich weiß noch, wie fasziniert ich von deinem Riesenstapel Micky-Maus-Heften war. Und natürlich von deiner Radiergummi-Sammlung, du hattest sogar Radiergummis in Form einer Pizza oder eines Elefanten. Ich werde auch nie vergessen, dass wir schon vor dem Frühstück deine Lieblingszeichentrickserien angeschaut haben.«

Duck Tales, He-Man und Die Gummibärenbande, zählt sie so problemlos auf, als hätte man sie nach ihren Lieblingseissorten gefragt.

Ich selbst wusste nicht, was Gosia damals gerne las oder wofür sie sich interessierte. So sehr ich mich auch anstrengte, mir kam nichts in den Sinn, was ihr damals wichtig war. Die Tatsache, dass es damals ihr erster Besuch in der glitzernden und bunten Welt – wie sie Deutschland nannte – war, lasse ich mir selbst nicht als Erklärung dafür durchgehen, dass ich mich so wenig für ihr Leben interessierte. Nach dem Sommerurlaub 1986 sahen wir uns zwar bis zum Fall des Eisernen Vorhangs nicht, danach dafür umso häufiger. Ich besuchte sie mindestens zweimal im Jahr, schlief auf einer Matratze in ihrem Zimmer, inmitten von ihren Büchern und Spielzeugen.

Ich kann mich nicht erinnern, diese auch nur eines Blickes gewürdigt zu haben.

Späte Reue

Bin ich unbewusst davon ausgegangen, dass meine deutsche Lebensart Vorrang hat? Habe ich das Polnische in mir und um mich herum absichtlich oder unbewusst ausgeklammert und ignoriert?

Ich beschließe, dem Historiker Peter Oliver Loew meine Fragen zu stellen. Loew ist Autor des Buches Wir Unsichtbaren: Geschichte der Polen in Deutschland und befasst sich seit Jahrzehnten unter anderem mit der Geschichte Polens und Schlesiens sowie den deutschpolnischen Beziehungen in der Neuzeit. Als ich Loew interviewte war er stellvertretender Direktor des Deutschen Polen-Instituts, heute leitet er es. Bei unserem Telefongespräch konfrontiere ich ihn als erstes mit der Frage, die mir so auf der Seele brennt.

»Herr Loew, ist es ungewöhnlich, dass ich damals deutschland-fixiert war, dass ich wie mit Scheuklappen durch die Welt gelaufen bin?«

»Nein, der in unterschiedlichem Maße ausgeprägte Wunsch, sich rasch in die deutsche Mehrheitsgesellschaft zu integrieren, ist der kleinste gemeinsame Nenner bei Aussiedlerkindern. Dieser Wunsch, zu dem auch in gewissem Maße der Druck der Eltern hinzukam, ist bei keiner anderen Zuwanderergruppe so ausgeprägt wie bei den Polen«.

Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der Loew zufolge immer wieder bei Zuwanderern, die mit ihren Kindern nach Deutschland gekommen sind, beobachtet wird: Verlusterfahrungen. Durch die Entscheidung der Eltern, Polen zu verlassen, habe der Nachwuchs, oft ohne sich verabschieden zu können, sein gewohntes Umfeld, Freunde oder auch lieb gewonnenes Spielzeug zurücklassen müssen.

Zum Glück blieb mir das erspart, weil ich bei der Ausreise so jung war, dass ich mich nicht mehr an Polen erinnern kann. Mein Kinderzimmer mit den Wandregalen, in denen ich meine Kuscheltiere der Größe nach aufgestellt hatte und meine Spielkameradin aus dem Sandkasten, Kamila, kenne ich nur von Schwarz-Weiß-Fotos.

Noch eine zweite Frage treibt mich um. Warum waren polnische Zuwanderer stärker als andere darauf aus, sich möglichst schnell in Deutschland zu integrieren? Auch andere Migranten haben ihr Land doch aus wirtschaftlichen und politischen Gründen verlassen und sich nicht so stark darauf fixiert, ihre Herkunft zu kaschieren.

Loew sagt dazu: »Deutschland war für viele Polen das reiche und ersehnte Land, in dem alles besser funktionierte und das die Aussicht auf ein erfülltes Leben bot. Die Tatsache, dass polnische Aussiedler deutsche Papiere bekommen hatten, führte dazu, dass sie sich gegenüber der Aufnahmegesellschaft verpflichtet fühlten, sich auch so zu verhalten, wie es von ihnen erwartet wurde – nämlich wie Vertriebene, wie Aussiedler, wie Deutsche.«

Dazu muss man wissen, dass Vertriebene und Aussiedler im Gegensatz zu Asylbewerbern rechtlich bessergestellt waren, weil sie als Zuwanderer deutscher Abstammung galten und ein Anrecht auf die deutsche Staatsangehörigkeit hatten. Aussiedler wurden einerseits diejenigen genannt, die als deutsche Staatsangehörige in den früher deutschen Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie geboren wurden und bis nach 1945 dort geblieben sind, bevor sie nach Deutschland übersiedelten. Andererseits war der Begriff all denen vorbehalten, die als deutsche Volkszugehörige aus einem kommunistisch regierten Land über ein Aufnahmeverfahrens in die Bundesrepublik Deutschland auswanderten. Bei beiden Gruppen galt dies auch für die Ehepartner und Nachkommen. Bis Ende der 1980er Jahre kamen die meisten Aussiedler aus Polen und Rumänien, seit 1990 waren Aussiedler zunehmend Einwanderer aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion.

Wie verbreitet das Vorgehen bei Kindern polnischer Migranten war, möglichst schnell und erfolgreich in Deutschland Fuß zu fassen, ist mir in meinen Gesprächen und Interviews immer wieder aufgefallen. Ganz gleich, ob die Befragten bei ihrer Ankunft im Kindergartenalter waren oder schon Teenager. Polen war damals out.

Es ging mir wie vielen anderen auch nicht nur um eine gelungene Integration in Deutschland, sondern regelrecht darum, unsere polnischen Wurzeln zu verbergen. Es war nicht nur ein Desinteresse gegenüber Polen, es war ein Leugnen der Herkunft. Ganz so, als wäre das Polnische ein Makel.

Zu Unrecht. Aber das sollte mir erst Jahre später bewusstwerden.

Mein Vater lud mich Ende 2019 zu seinem 67. Geburtstag nach Polen ein, wo er mittlerweile wieder wohnt. Es war zwar kein runder Geburtstag, aber er war noch einmal – nein, innerhalb eines Monats gleich zwei Mal – Opa geworden, und wollte es sich nicht nehmen lassen, seine beiden Enkelinnen mit einem großen Familienfest zu feiern.

Als mein Mann und ich mit den Kindern nach einer langen Reise endlich ankamen, waren alle anderen bereits beim Nachtisch. Ich setzte mich neben meine Cousine Gosia und nahm mir ein großes Stück ciasto z bakaliami, mein Lieblingskuchen mit Trockenobst, kandierten Zitrusschalen und Nüssen. Endlich stellte ich Gosia all die Fragen, die längst überfällig waren.

Welche Romanhelden, welche Fernsehserien, welche Sammelleidenschaften habe ich während ihrer Kindheit verpasst? Sie erzählte mir, dass sie früher kaum ferngesehen hat – einerseits, weil das Fernsehangebot zu sozialistischen Zeiten recht beschränkt war, andererseits, weil sie ohnehin viel lieber las. Zu ihren Lieblingscomics gehörten Kajko i Kokosz von Janusz Christa. Die beiden Helden sehen Asterix und Obelix auffällig ähnlich. Nicht nur in Polen war die Comic-Serie sehr erfolgreich, sie wurde auch ins Englische und Französische übersetzt. Jahrelang war Gosia zudem Fan der mindestens so populären Jugendbücher Jeżycjada der Autorin Małgorzata Musierowicz. Der Buchtitel leitet sich vom Stadtteil Jeżyce in Poznań ab. 1975 wurde der erste Band veröffentlicht, es folgten bisher mehr als 20 weitere, die auch im Ausland so beliebt sind, dass sie in dutzende Sprachen übersetzt wurden.

Ich bin mittlerweile bei meinem zweiten Stück Kuchen angekommen und meine Cousine bei den Büchern von Alfred Szklarski.

Spätestens jetzt wird mir klar, dass ich mein jahrelanges Desinteresse bereue. Indem ich früher alles Polnische kategorisch ablehnte, habe ich vieles verpasst, das mich begeistert hätte. So auch Szklarskis Cykl powieści o Tomku Wilmowskim (Die Abenteuer des Jungen Tomek Wilmowski).

»Ich fand die Bücher so spannend, dass ich die meisten Bände gleich zwei Mal durchgelesen habe, am besten haben mir die Abenteuer im Land der Kängurus und bei den Quellen des Amazonas gefallen«, sagte Gosia und versprach mir, die beiden Bände zuzuschicken.

Am Tag nach der Feier flogen wir zurück nach Deutschland. Im Flugzeug las ich noch einmal die Buchtitel durch, die ich mir während des Gesprächs mit Gosia notiert habe und kam ins Grübeln.