Die Psychologie der Zeugen Jehovas - Silvia Lackner - E-Book

Die Psychologie der Zeugen Jehovas E-Book

Silvia Lackner

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Beschreibung

"Die Organisation der Zeugen Jehovas ist eine höchst intelligent manipulierende und effizient seelen-beraubende Institution. Sie stiehlt pure Lebenskraft." Erkennbar ist dies aber erst von außen - solange man drin ist, ist es nicht zu sehen. Dieser Lebensbericht gewährt tiefen Einblick in die Welt der Zeugen Jehovas, beleuchtet die Hintergründe ihrer Aktionen und die Wirkung auf die Psyche des einzelnen. Dieses Werk ist speziell den Hineingeborenen gewidmet und zeigt auf, was es für ein Kind heißt, "als Zeuge Jehovas erzogen" zu werden. Es macht deutlich, wie das Glaubensgebäude der Organisation die natürliche Individualität - besonders bei Kindern - grundlegend und nachhaltig verzerrt und stört. Es zeigt aber auch, dass TROTZ ALLEM angerichteten Schaden des Menschen innerer Kern durch NICHTS zerstört werden kann ... und schenkt damit jedem Aussteiger (besonders hineingeborenen) sowohl Mut als auch Hoffnung, wieder zu sich selbst zu finden.

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WIDMUNG und DANKSAGUNG

Dieses Buch ist all jenen gewidmet,

die in die Organisation der Zeugen Jehovas

hinein geboren wurden

und den Wunsch haben, sich daraus zu befreien.

Und es ist allen gewidmet,

die in Betracht ziehen, ihre Kinder in dieser Organisation

zu „treuen und ergebenen Dienern Jehovas“ zu erziehen.

Meine Danksagung gilt besonders

meinem Geliebten und Ehemann,

der mich großartig bei Schreiben dieses Buches

unterstützt hat.

Ich bedanke mich von Herzen bei allen,

die sich meiner beiden Kinder liebevoll angenommen

und sie mit Rat und Tat unterstützt haben,

und besonders bei meiner ersten Schwiegermutter,

die immer und jederzeit für meine Kinder da war.

Und ich bedanke mich aufrichtig bei meiner Mama,

weil sie in jeder Situation ihr Bestes gegeben hat

und wenn’s drauf ankam

stets zu übermenschlichen Taten bereit war.

INHALTSVERZEICHNIS

Widmung

Einleitung

Kapitel 1 – Der Beginn

Kapitel 2 – Erziehung und Prägung

Kapitel 3 – Das Ereignis

Kapitel 4 – Die Folgen

Kapitel 5 – Die erste große Liebe

Kapitel 6 – Familie

Kapitel 7 – Der Ausstieg

Kapitel 8 – Die Welt

Kapitel 9 – Psychologisch betrachtet

Kapitel 10 – Der magische Aspekt

Kapitel 11 – Das wahre Leben

Epilog

Anhang: Organisationsstruktur, Lehren & Leben der ZJ

EINLEITUNG

Jeder Mensch wird in eine Art Überzeugungssystem und Glaubenstradition hinein geboren.

Die Einstellung und Ansichten der Eltern werden zu einem Großteil automatisch auch zur eigenen Lebensart gemacht.

Im Zuge des Heranwachsens und Sich-selbst-Kennenlernens sowie durch Vergleichsmöglichkeiten mit andersartigen Überzeugungsstrukturen verändert sich das erworbene Weltbild nach und nach und passt sich dem eigenen Wesen an. Im Normalfall sind sie sich im Grunde ihrer selbst sicher, sie kennen ihre Eigenheiten und prägen ihr Leben selbst aktiv durch Wertvorstellungen, die sie sich selbst erarbeitet haben. Sie orientieren sich ziemlich schnell neu, wenn die Stagnation eines eingeschlagenen Weges bemerkt wird. Auch sind sie mehr oder weniger offen für Erlebnisse außerhalb ihres bisherigen Erfahrungsspektrums, denn sie haben ihre Fähigkeit im Laufe der Zeit wiederholt geübt, ihr eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen und daraus etwas zu machen (Macht).

Bei Menschen, die in die Organisation der Zeugen Jehovas hinein geboren werden, ist dies anders.

Vom Augenblick ihrer Geburt an werden solche zu einem idealen „Diener Gottes“ geformt. Ihrer individuellen Persönlichkeit wird keine Chance gegeben, sich zu entwickeln. Jeder Ansatz von Individualität wird nach Konformität dem (vorgegebenen) Glaubensgebäude entsprechend geprüft und entweder bis zur Verkümmerung dessen bekämpft oder aber übermäßig gelobt und bestärkt.

Ein Sich-selbst-Kennenlernen – Wer bin ich? Wie bin ich? Was sind meine natürlichen Begabungen? – ist nicht möglich, denn ein Kind darf nur ganz, ganz selten sein wie es ist. Von Anfang an wird ihm ein sehr verzerrtes Bild von seiner wahren Natur, seinem Selbst, vermittelt. Fatalerweise wird dieses schnell zum Selbstverständnis.

Außerdem wird es zur Passivität erzogen, was eigene Entscheidungen, spontanes Handeln und selbstbestimmtes Denken betrifft – davor hat es stets zu prüfen, ob solches auch „im Sinne Jehovas“ ist. Weil Kindern solch Abstimmungsverhalten fremd ist, müssen sie oft „gezüchtigt“ werden („die Rute der Zucht“ ist es, die ein Kind am richtigen Weg hält, so die Überzeugung der Zeugen Jehovas.) Zu meiner Kindeszeit hieß dies verbale und oft auch buchstäbliche Prügel, mit Kochlöffel, Teppichklopfer und jeder Art von Stangen, die in solchen Situationen greifbar waren. Das war bei den allermeisten Familien damals üblich, es gab nur wenige Ausnahmen.

In der Zwischenzeit ist diese Art von Züchtigung (durch einige Gerichtsfälle wegen Kindesmisshandlung) glücklicherweise etwas entschärft.

Nachdem die Rute der Zucht sein Werk vollbracht hat, wird dem Kind erklärt, dass sein Verhalten absolut unakzeptabel ist, weil es Jehova missfällt. Es wäre auch äußerst respektlos Jehova gegenüber, diese Tat ungestraft durchgehen zu lassen, weshalb diese Fehltritte die Eltern zwingen, Züchtigungsmaßnahmen zu setzen. Die Eltern könnten gar nicht anders, wenn sie sich vor Jehova nicht schuldig machen wollen.

Ist das Kind dann verbal oder körperlich „weich geklopft“, ist es für solcherlei Erklärungen wesentlich aufnahmebereiter und es prägt sich tiefer ein als wenn die Erklärungen vor der Züchtigungsmaßnahme erfolgt – so war die allgemeine Erziehungsrichtung zu meiner Kindheitszeit.

Sehr früh also lernt das Kind, sich schuldig zu fühlen, und sehr schnell sind Schuldgefühle tief eingeprägtes Verhaltensmuster. Es entsteht in den ersten Lebensjahren auch eine Art Dauer-Unsicherheit, weil für das Kind nicht abzuschätzen ist, welches Verhalten nun gutgeheißen und welches bestraft wird. Zu unnatürlich für das kindliche Gemüt sind die Regeln.

Zeugen Jehovas sind grundsätzlich Opfer der Umstände; Für sie sind Schwierigkeiten, besonders mit „Weltmenschen“, jedes Mal aufs Neue die Bestätigung dafür, dass sie am richtigen Weg sind (denn nur die wahren Diener Gottes werden schlecht behandelt, verfolgt, abgelehnt etc.). Das wird dem Kind sehr intensiv durch Erfahrungsberichte anderer vermittelt und es selbst erlebt es im Umgang mit anderen immer wieder.

Von ganz klein an wird das Kind dazu angehalten, nur mit Gleichgläubigen Umgang zu haben, alle anderen sind „böse“, „gefährlich“, „unter dem Einfluss des Teufels und seiner Dämonen“ und eindeutig „schlechter Umgang“, weshalb diese zu der von Gott bestimmten Zeit (so sie bis dahin nicht den wahren Glauben angenommen haben) vernichtet werden. Infolge dessen sei ein Zusammensein mit diesen „Weltmenschen“ nur aufs Allernötigste zu reduzieren.

Es gibt deshalb keinen bis wenig Kontakte zur Außenwelt, wodurch dem Kind u.a. jegliche Vergleichsmöglichkeit zwischen den Lebensarten von Zeugen Jehovas und Nicht-Zeugen-Jehovas verwehrt wird.

Die Andersartigkeit und die Nicht-Zugehörigkeit fallen schon früh auf. Manche Kinder beginnen, ein Doppelleben zu führen, was früher oder später zu großer innerer Zerrissenheit führt. Andere wiederum ziehen sich von ihren Mitmenschen zurück und meiden zwischenmenschliche Interaktion so gut sie können, weil sie sich überfordert fühlen bzw. der Spott und die Ablehnung der anderen nicht ertragen. Wer nicht Revoluzzerblut in sich hat (und dadurch zum „Problemkind“ wird), durchleben die Schulzeit und generell Kontakt zu anderen generell als eindeutiger Außenseiter. Beides führt in seiner Art zu Einsamkeit, die einem Nicht-Zeuge-Jehovas fremd ist.

Jeder Hineingeborene geht anders damit um, die einen beginnen irgendwann zu rebellieren, die anderen werden depressiv, wieder andere apathisch, oder aber fanatisch, das gesteigert werden kann bis zur absoluten Selbstaufgabe.

Ein Hineingeborener sieht selten reale Chance, auszubrechen, weil er einerseits das „Draußen“ nicht kennt (doch, korrigiere: als böse, gefährlich, vernichtenswert, teuflisch und dämonisch kennt, doch wer begibt sich schon gerne in eine Todeszone?). Andererseits bedeutet ein Ausbrechen den Verlust alles Bekannten und Vertrauten. Der Kontakt zu allen Freunden (die in manchen Fällen ausnahmslos Zeugen Jehovas sind) wird abgebrochen (wer weiterhin Kontakt zu einem Ausgeschlossenen pflegt, droht ebenfalls ausgeschlossen zu werden.

Zu meiner Jugendzeit gab’s noch den „Bezeichneten“, ich weiß nicht, ob es das heute noch gibt: Ein Bezeichneter ist ein Zeuge Jehovas, der verurteilenswerte Handlungen pflegt und dies trotz mehrmaliger Zurechtweisung (in manchen Fällen auch öffentlich, vor allen) nicht aufzugeben bereit ist. Einem solchen wurde eine gewisse Zeit lang die Gelegenheit eingeräumt, diese Angelegenheit zu korrigieren, ansonsten wird er ausgeschlossen.)

Die Organisation hält jeden dazu an, den Kontakt zu einem ausgeschlossenen Familienmitglied abzubrechen; die meisten Familien halten sich daran, weil dadurch das Ansehen der Versammlung und der Familie selbst gewahrt bleibt. Nur wenige ignorieren diese Weisung.

Und damit sitzt ein Hineingeborener, der aussteigt, in einer völlig fremden, ihm feindlich gesinnten und tödlichen Umgebung (so empfindet er es) ... und ist anfangs wirklich völlig allein.

Ein solcher erlebt im Sinne des Wortes eine Neugeburt.

Wir werden unsere Reise - vom Hineingeboren-Werden bis zum Ausstieg und danach - immer wieder aus psychologischer Sicht betrachten. Psychologie ist bei den Zeugen Jehovas eher gemieden. Ich kenne keinen einzigen Zeugen, der dieses Wissensgebiet studiert hat oder auch nur zum persönlichen Hobby erklärt hat – ob das Zufall ist? In meiner Kinder- und Jugendzeit wurde Psychologie als einer der gefährlichen und hinterlistigen Irrwege Satans definiert, die einen sehr weit vom Weg der Wahrheit abbringen können; Es wurde konkret davon abgeraten, sich damit zu befassen. Heute kenne ich den wahren Grund dieser Sichtweise. Denn würden sich mehr Zeugen Jehovas mit diesem Fach befassen, würden sie ganz sicher oft anders handeln, besonders in Erziehungsangelegenheiten und in Verbindung mit jungen Menschen generell. Und sie würden viel eher die brillant ausgefeilten Manipulierungen der Organisation durchschauen.

Weiters werden wir auch auf den magischen Aspekt eingehen. Darin jedoch möge jeder für sich selbst weitere Nachforschungen betreiben.

An dieser Stelle empfehle ich dem Leser, der selbst kein Zeuge Jehovas ist bzw. war, vor der eigentlichen Erzählung den Anhang zu lesen.

In diesem werden kurz und bündig die Lebensweise und das Weltbild der Zeugen erläutert, und dies zu kennen ist dem Verständnis so mancher Erlebnisschilderung sehr förderlich. Bei der Beschreibung der Ereignisse müsste ich sonst viel zu weit ausholen, um das gesamte Erlebnisspektrum nachvollziehbar zu vermitteln, was jedoch den Fokus vom Wesentlichen zerstreut hätte.

Und damit begeben wir uns an den Anfang dieser Reise ...

Kapitel 1: DER BEGINN

Es gibt zwei Erinnerungen an die Kleinkind-Zeit:

die eine mit ca. 11 Monaten – ich stehe im Gitterbett, gleich links neben dem Eingang im Vorzimmer einer Miniwohnung und schaue auf meine Eltern, die sich in der Türe zur Küche streiten.

Die zweite, mit nicht ganz zwei Jahren: ich unter einem Weihnachtsbaum, schon in der neuen, größeren Wohnung. Es war das letzte Weihnachten, das wir feierten.

Zu dieser Zeit studierte Mama bereits mit den Zeugen Jehovas. Überzeugt und begeistert werden ich und meine bald kommende Schwester sehr intensiv von diesem Glaubensgebäude geprägt und geformt. Unser Vater hatte weder Interesse noch Verständnis dafür, und bald spielte er aus den unterschiedlichsten Gründen für sehr lange Zeit keine aktive Rolle mehr in unserem Leben.

Für Mama war’s mit uns zweien nicht leicht. Auf Unterhalt verzichtete sie (im Ausgleich dafür forderte sie, dass Vater keinerlei Kontakt zu uns haben darf), weshalb sie erst Heimarbeiten annahm und später dann außerhalb jobbte.

Sie bekam viel Unterstützung in der Versammlung; Alleinerziehende Elternteile bekommen immer wieder verstärkte Aufmerksamkeit von den Ältesten („sie benötigen vermehrt den Segen Jehovas, denn durch das Fehlen eines Teils der Familie sind solche Kinder anfälliger für die Schlingen von Satans Welt“. Heranwachsende von Alleinerziehenden werden in der Organisation potentiell als Problemfälle gesehen, und in den allermeisten Fällen sind sie es auch. Der Verlust eines Familienteils verändert das kindliche Gemüt und viele Scheidungs-(oder Witwen-)kinder denken und agieren selbstständiger, unabhängiger, erwachsener, eigenverantwortlicher als behütete Kinder. Meine Beobachtung ist, dass solche Kinder sich früher ihre eigene Meinung bilden, sich weniger leicht und gerne führen lassen und die jugendlich-rebellische Phase früher erleben – und sich leichter von Vertrautem loszukoppeln bereit sind als Kinder in wohlbehütenden Familien.)

Andererseits war auch spürbar, dass alleinerziehende Frauen in der Versammlung immer zur „unteren Schicht“ gehören. Von vielen Ältesten wird eine solche ohne Ehemann oft nicht ernst genommen, oftmals als ungebildet, einfältig, dümmlich betrachtet (Älteste sind in der Regel verheiratet und haben für Alleinerziehende oft wenig Verständnis), und das geschieht sehr, sehr oft unterschwellig. Denn Frauen haben ihrem Mann sowieso untertan in allem zu sein – hat eine Frau keinen Ehemann, kann niemand „für sie reden“, und sie selbst hat in der Organisation nichts zu sagen (biblische Anordnung von Paulus).

So tun sich also die Alleinerziehenden sympathieweise zusammen, und in jeder Versammlung ist es so, dass die Kinder von Alleinerziehenden mit anderen Kindern solcher Elternteile besser miteinander können als mit Kindern von „Familien in Jehovas Sinne“.

In unserem Fall war es eine Mutter mit drei Kindern (zwei Burschen, ein Mädchen), mit denen wir fast wie Geschwister aufwuchsen. Für die Mütter war es sicher eine Art Entlastung, denn wir Kinder verbrachten viel Zeit miteinander.

Auch der regelmäßige Versammlungsbesuch wurde für uns alle dadurch leichter. Viele Jahre lang fuhren wir zwei Mal die Woche abends zur Versammlungsstätte, eine Fahrzeit von ca. einer Stunde mit Autobus und Straßenbahn, und einmal etwas näher von uns in einer Privatwohnung, auch abends (das „Buchstudium“). Die Versammlungszeiten waren unter der Woche von 19 bis 21 Uhr aus Rücksicht auf die Berufstätigen, am Wochenende war es früher angesetzt. Für die, die kein Auto hatten (wie wir und die befreundete Familie), betrug der Heimweg spätabends oftmals bis zu eineinhalb Stunden, da die Verkehrsmittel je später es wurde, nicht mehr so oft fuhren.

Für uns Kinder war das oft extrem unangenehm, besonders die langen Wartezeiten im Winter. Ich erinnere mich an viele Male, an denen wir vor Kälte buchstäblich zitternd, an der Station standen und sowas von müde waren, dass uns schlecht dabei war. Das mag übertrieben klingen, doch in der Versammlung durften wir nicht schlafen oder auch nur einnicken. Da waren nicht nur die Eltern, sondern auch die Brüder und Schwestern ringsum sehr genau – erlaubte ein Alleinerziehender seinem Kind ein Nickerchen, wurde er/sie von den Ältesten darauf hingewiesen, dass dies mehr als unangebracht ist („Es ist eine Respektlosigkeit Jehova gegenüber, und wie soll das Kind jemals Wertschätzung für die geistige Nahrung bekommen, wenn ihm erlaubt wird, dabei zu schlafen?“)

In den 70er Jahren war die Einstellung der Zeugen Jehovas Kindern gegenüber ziemlich radikal. „Kind“ und „eigenständige Persönlichkeit“ war so weit entfernt wie „Jehova“ und „Satan“. Kinder wurden zwar als Geschenk betrachtet, aber insofern, als dass die Eltern die Möglichkeit haben, dieses Kind zum „ergebenen und loyalen Diener des Höchsten“ erziehen zu dürfen.

Alles daher, was im Widerspruch dazu war, hat ausgemerzt zu werden. „Spare nicht mit der Rute der Zucht“ galt als direkter Auftrag Jehovas. (Dies wurde glücklicherweise im Laufe der Jahre gelockert, nachdem vermehrt Fälle von Kindesmisshandlungen bei den Zeugen von Außenstehenden zur Anzeige gebracht wurden.)

Heute gibt es vermehrt statt purer Gewalt intelligent-logische, stark manipulierende Überzeugungsreden („Dein Tun gefällt Jehova überhaupt nicht, du machst ihn sehr, sehr traurig dadurch – und mich – uns, Mama, Papa – auch!“ ... sehr wirkungsvoll bei kleineren Kindern. Bei größeren etwa so: „Schau, ich möchte doch nur, dass du mit uns gemeinsam ins Paradies kommst, weil wir dich wirklich lieben – aber mit dem, was du tust, geht das nicht!“), gepaart mit irgendeiner Form von Liebesentzug oder auch mit direkter Ankündigung einer Art von Bestrafung durch Jehova selbst.

Für einen in die Organisation hineingeborenen Ausgestiegenen ist es extrem schwer (wenn überhaupt möglich), von dem Gedanken völlig frei zu werden, wegen seines Tuns von Gott persönlich verstoßen, verachtet, verurteilt zu werden. Es kann zwar ignoriert und in den Hintergrund verdrängt werden, aber diese Vorstellung völlig aufzulösen erfordert in allen Fällen, die ich kenne (einschließlich meines eigenen) fremde (therapeutische) Hilfe.