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Gabriele Oettingen

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Beschreibung

Wie oft werden wir im Alltag aufgefordert, optimistisch zu sein und positiv zu denken. Es komme nur darauf an, unsere Ziele mit höchster Konzentration anzugehen, dann würden sich die Ergebnisse wie von selbst einstellen. Die Psychologin Gabriele Oettingen weist nach, dass diese Gleichung nicht aufgeht. Ihr Konzept präsentiert einen überraschend neuen Ansatz der Selbstmotivation, dessen Wirksamkeit in zahllosen Untersuchungen bestätigt wurde: Sobald die Menschen nicht nur positiv denken, sondern auch Hindernisse in ihren Planungen berücksichtigen, gelingt es ihnen besser, ihre individuellen Ziele zu erreichen.

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Gabriele Oettingen

Die Psychologie des Gelingens

Aus dem Englischen von Ulrike Strerath-Bolz

Knaur e-books

Über dieses Buch

Inhaltsübersicht

WidmungInhaltVorbemerkung der AutorinWorum es geht1 Wir träumen statt zu handelnDer Kult des OptimismusOptimismus, genauer hinterfragtVerlorene Jahrzehnte, verlorene Gelder2 Die freundliche Seite des TräumensIch habe einen TraumEin Schuss FreudeBerührung mit der Wirklichkeit3 Wir führen uns am NarrenseilWenn es wirklich mühsam wirdTeure Martinis und entspannte ZugfahrtenMentale VerwirklichungSind wir die Gefangenen unserer Träume?4 Der klügere Umgang mit unseren TräumenDie Validierung der TheorieAndere Vorteile des mentalen KontrastierensNegative ZukunftsphantasienCharlies Geschichte5 Die Rolle des Nicht-BewusstenEine Sache von MillisekundenDie Treppe nehmenHat jemand Lust auf Schach?Wollen Sie sich verbessern?Nutzen Sie Ihren gesunden Menschenverstand6 WOOP wirkt WunderVom Labor in die PraxisMentales Kontrastieren verstärkenDarf ich vorstellen: WOOP7 Das Leben WOOPenMehr Sport, gesündere ErnährungGesünder leben mit WOOPWenn die Dinge im Argen liegenZwischenmenschliche Beziehungen verbessernWOOP in der Schule und am ArbeitsplatzDas WOOP-Versprechen8 Ein Freund fürs LebenFangen Sie am Anfang anEntwickeln Sie Ihr tägliches WOOP-RitualWOOP geht »mobile«Die Feinabstimmung Ihrer WünscheHaben Sie GeduldNutzen Sie WOOP in Stress-SituationenWOOP bei hartnäckigen ÄngstenKlarheit findenFangen Sie jung anAuf dem Weg in die FreiheitDank
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Für Anton, Jakob und Peter

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Inhalt

Vorbemerkung der Autorin 8

Worum es geht 9

1 Wir träumen statt zu handeln 15

2 Die freundliche Seite des Träumens 40

3 Wir führen uns am Narrenseil 63

4 Der klügere Umgang mit unseren Träumen 82

5 Die Rolle des Nicht-Bewussten 122

6 WOOP wirkt Wunder 155

7 Das Leben WOOPen 183

8 Ein Freund fürs Leben 208

Dank 243

Anmerkungen 247

Register 269

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Vorbemerkung der Autorin

In diesem Buch beziehe ich mich auf wissenschaftliche Studien, Aufsätze und Kapitel aus Büchern, die meine Kollegen und ich in den letzten zwanzig Jahren veröffentlicht haben, wobei ich deren Beiträge nicht hoch genug würdigen kann. Bei der Beschreibung unserer Experimente, unserer Forschungsergebnisse und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen habe ich die Quellen angegeben, so dass interessierte Leser die Originaltexte konsultieren können.

 

Begriffe wie »Studenten«, »Kollegen«, »Teilnehmer« werden als Oberbegriff für eine Gruppe häufig nur in der maskulinen Form verwendet; sie gelten jedoch immer für beide Genera, es sei denn, es ist anders vermerkt.

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Worum es geht

Was ist Ihr sehnlichster Wunsch? Welche Träume haben Sie für die Zukunft? Was wollen Sie erreichen oder sein? Stellen Sie sich vor, Ihr Traum würde Wirklichkeit. Wie herrlich wäre das, wie erfüllend.

Was hält Sie davon ab, Ihren Wunsch zu verwirklichen? Was in Ihnen hindert Sie, ihn wahr zu machen? Wo liegt das zentrale Hindernis in Ihnen? Haben Sie sich je darüber Gedanken gemacht?

Im vorliegenden Buch Die Psychologie des Gelingens geht es um Wünsche und darum, wie man sie (sich) erfüllen kann. Das Buch beruht auf zwanzig Jahren Arbeit in der Motivationsforschung und präsentiert eine außerordentlich überraschende Schlussfolgerung: Gerade die Hindernisse, von denen wir glauben, dass sie uns von der Wunscherfüllung abhalten, können uns am meisten helfen, unsere Wünsche zu verwirklichen, wir müssen nur anders als gewohnt mit ihnen umgehen.

Auf Fragen, wie man seinem Traum näherkommen kann, haben viele von uns eine einfache Antwort: positiv denken! Halten Sie sich nicht mit den Hindernissen auf, das zieht Sie nur runter! Seien Sie optimistisch, konzentrieren Sie sich auf das, was Sie erreichen wollen, stellen Sie sich eine glückliche Zukunft vor, in der Sie aktiv und engagiert leben. Malen Sie sich aus, wie viel besser Sie aussehen werden, wenn Sie zehn Kilo abgenommen haben, wie viel glücklicher Sie sein werden, wenn Sie befördert worden sind. Wie viel attraktiver wird Ihre Partnerin Sie finden, wenn Sie aufhören zu trinken, wie viel mehr Erfolg werden Sie haben, wenn Sie die neue Firma erst gegründet haben. Lassen Sie positive Energien fließen, und ehe Sie sichs versehen, werden Sie der Erfüllung Ihrer Wünsche und Lebensziele näherkommen.

Jedoch sind Träumer in den seltensten Fällen diejenigen, die wirklich handeln werden, um sich ihre Wünsche zu erfüllen. Meine Forschung hat gezeigt, dass es uns nicht weiterbringt, wenn wir nur von der Zukunft träumen und uns in unseren Träumen verlieren. Das bloße Träumen hindert uns eher, unsere Träume und Wünsche zu realisieren, wie es auch das bloße Grübeln über die Hindernisse tut. Es gibt viele Gründe, warum Träumen ohne die Einbeziehung der Realität nichts bringt. Der angenehme Akt des Träumens gaukelt uns häufig die Erfüllung unserer Wünsche vor und nimmt uns gleichzeitig die Energie, die wir doch brauchen, um die Herausforderungen unseres Lebens zu bestehen.

Es gibt aber eine andere Möglichkeit, sich die Zukunft vorzustellen – eine neue Methode, die sich aus unserer Arbeit in der Motivationsforschung entwickelt hat. Es handelt sich um das »mentale Kontrastieren«, das uns lehrt, unsere Träume zwar zu träumen, aber gleichzeitig die eigenen inneren Hindernisse anzuschauen, die uns davon abhalten, diese Träume zu verwirklichen. Vielleicht fürchten wir, dass wir unsere Ansprüche herunterschrauben müssen, wenn wir unsere Träume direkt mit der Realität konfrontieren. Vielleicht fürchten wir, dass wir dadurch am Ende noch weniger von unseren Träumen verwirklichen können und noch unmotivierter und antriebsloser sein werden als zuvor. Aber gerade das passiert nicht. Wenn wir das mentale Kontrastieren anwenden, gewinnen wir die zum Handeln notwendige Energie. Und wenn wir uns dann noch einen Plan machen, wie wir ganz konkret handeln wollen, sobald diese Hindernisse auftauchen, wird es uns auch gelingen, sie zu überwinden und auf dem eingeschlagenen Weg voranzukommen.

Die Teilnehmer unserer Studien waren nach der Anwendung des mentalen Kontrastierens wesentlich motivierter – zum Beispiel mit dem Rauchen aufzuhören, abzunehmen, bessere Noten zu bekommen, ihre Beziehungen zu verbessern und in geschäftlichen Dingen erfolgreicher zu verhandeln. Indem es den positiven Zukunftsphantasien ein Stück Realität hinzufügt, befähigt das mentale Kontrastieren zu beidem: zur Entwicklung positiver Phantasien und zum Handeln.

Die Psychologie des Gelingens führt Sie in die Forschungswerkstatt, in der wir untersuchten, warum Zukunftsträume oft nicht das halten, was die Menschen sich von ihnen versprechen. Das Buch untersucht und dokumentiert die Kraft einer verblüffend einfachen Methode: der Kontrastierung unserer Träume mit den Hindernissen, die der Wunscherfüllung im Wege stehen. Ich erläutere, warum das mentale Kontrastieren funktioniert und besonders in unserem Nicht-Bewussten wirkt, und stelle die spezifische Prozedur des Planens vor, die es noch effektiver macht. In den letzten beiden Kapiteln wende ich die Methode des mentalen Kontrastierens auf drei Gebieten persönlicher Veränderungswünsche an – gesünder leben, Beziehungen verbessern, in der Schule und am Arbeitsplatz mehr leisten – und gebe eine Anleitung, wie man diese Methode auf das eigene Leben übertragen kann. Wichtig sind dabei vier Schritte, die auf mentaler Kontrastierung basieren. Diese vier Schritte haben wir definiert und WOOP genannt. Das Akronym steht für: Wish, Outcome, Obstacle, Plan, auf Deutsch Wunsch, Ergebnis, Hindernis, Plan. Diese Methode ist wissenschaftlich geprüft, leicht zu erlernen, leicht auf kurzfristige und langfristige Wünsche anzuwenden und bewirkt, dass wir energetischer und zielgerichteter handeln.

Ich habe das Buch Die Psychologie des Gelingens für Menschen geschrieben, die in Stagnation gefangen sind und nicht wissen, wie sie da herauskommen. Es wendet sich an Menschen, denen es gut geht und die ihr Leben trotzdem noch verbessern wollen. Es ist für Menschen, die vor einer besonderen Herausforderung stehen, an der sie unter Umständen schon mehrfach gescheitert sind, und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Letzten Endes habe ich das Buch aber für uns alle geschrieben. Wir alle brauchen Unterstützung, um uns selbst zu motivieren und unseren Lebensweg erfolgreich zu gehen.

Warum ist das so? Nun, traditionelle Gesellschaften haben eine größere Anzahl von Mechanismen zur Verfügung – Rituale, Sitten und Gebräuche, Regeln, Gesetze, Normen –, mit denen sie die Autonomie des Individuums beschneiden und den Menschen bestimmte Rollen und Verantwortlichkeiten zuweisen. In den Diktaturen unserer Welt ist auch heute noch der Handlungsspielraum eingeschränkt. Wenn wir aber wenig Handlungsspielraum haben, können wir kaum eigene Entscheidungen treffen, äußere Faktoren bestimmen unser Tun und Lassen. Die Herausforderung in diesen Gesellschaften besteht in erster Linie darin, dass Menschen ihren Lebensmut nicht verlieren und durchhalten.

Die modernen westlichen Gesellschaften aber sind anders: Sie lassen uns allein mit dem, was man den »Fluch der Freiheit« nennen könnte. Konventionen und Fremdbestimmung scheinen sich gelockert zu haben. Viele von uns genießen größere Freiheiten als je zuvor in der Geschichte. Jedoch sind wir auf uns allein gestellt, wenn es darum geht, die Kraft zur Motivation in uns selbst zu finden, um voller Energie, engagiert und wach zu leben. Niemand hilft uns, das zu tun, was wir tun müssen, um gesund zu bleiben, um ein erfülltes Berufsleben zu führen oder eine Familie zu gründen. Niemand sorgt dafür, dass wir Sinn in unserem Leben finden. Alles müssen wir selber machen. Wir müssen selbst dafür sorgen, dass wir nicht vom Weg abkommen, und ganz allein unsere Kraft zum konstruktiven Handeln finden, wenn wir uns wieder einmal festgefahren haben.

Das Schwelgen in positiven Zukunftsphantasien ist hier keine Hilfe. So angenehm dieses Schwelgen kurzfristig auch sein mag, auf lange Sicht erschöpft es unsere Bemühungen nur und lässt uns letztlich immer wieder straucheln. Wir enden in völliger Unfähigkeit, uns zu entscheiden, am Rande der Apathie, anfällig für das unkontrollierte Taumeln von einer sinnlosen, leeren Handlung zur nächsten, über unsere Grenzen hinaus belastet, innerlich brodelnd vor Frustration und dem Unglücklichsein anheimgegeben, ohne dass wir verstehen, woher das alles kommt. Indem wir aber die erwünschte Zukunft in unseren Phantasien erleben und sie gleichzeitig in der Realität verankern, in die wir eingebunden sind, können wir uns dazu bringen, das Leben bei den Hörnern zu packen und uns dem zuzuwenden, was das Leben für uns bedeutet und ausmacht.

Ganz gleich ob Sie unglücklich sind, mit ernsthaften Problemen zu kämpfen haben oder einfach nur die in Ihnen schlummernden Fähigkeiten entdecken, freischaufeln und optimieren wollen – dieses Buch wird Ihre Vorstellungen von Motivation vertiefen und Ihnen helfen, mutig Ihren Weg in die Zukunft zu entwerfen und zu gehen. Wie so viele Teilnehmer unserer Studien werden Sie sich nach der Lektüre dieses Buches motiviert und offen mit den Menschen um Sie herum verbinden und handeln. Und das alles als Ergebnis einer einzigen unkonventionellen, simplen Frage: Was hält Sie davon ab, sich Ihre Wunschträume zu erfüllen?

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1 Wir träumen statt zu handeln

Einer meiner Freunde, ein Mann Anfang vierzig, den ich hier Ben nennen will, war Ende der Achtzigerjahre auf dem College heftig in eine Mitstudentin verknallt. Er hatte die Frau ein paar Mal gesehen, wenn er mit seinen Freunden in der College-Cafeteria zum Essen gegangen war. Und ganz gleich, ob er sich am Morgen rasierte oder sich auf den Unterricht zu konzentrieren versuchte – ständig schweiften seine Gedanken ab, und er malte sich aus, wie es wohl sein würde, mit dieser Frau zusammen zu sein. Er stellte sich vor, sie sei Künstlerin und er würde mit ihr nach Rom fahren, antike Ruinen besuchen und die Deckenfresken in der Sixtinischen Kapelle bewundern. Vielleicht würde sie ihn zeichnen, wie er an einem sonnigen Tag im Innenhof des Universitätsgeländes lag und ein Buch las oder – noch besser – wenn er am Klavier saß, denn er verdiente sich an den Wochenenden ein bisschen Taschengeld als Jazzpianist. Wie sehr würde er es genießen, friedliche Momente mit einem Menschen zu verbringen, der seine Kreativität verstand und teilte! Wie schön würde es sein, eine Frau zu haben, die so wie er gern ins Kino ging, die Sonnenuntergänge liebte und einfach mal zum Bummeln mit ihm in die Nachbarstadt fuhr.

Ben hütete sein kleines Geheimnis und erzählte seinen Freunden nichts davon. Er hatte wunderbare, zutiefst befriedigende Phantasien – aber leider wurde nicht mehr daraus, denn Ben konnte sich nicht dazu durchringen, seine Traumfrau einmal zum Essen einzuladen. Sie war eine Fremde, und er fürchtete sich davor, sie anzusprechen. Außerdem war er ein fleißiger Student, gute Noten waren ihm wichtig, und er hatte überhaupt keine Zeit für ein Date, zumal er wirklich genug Freunde hatte, mit denen er die Wochenenden verbringen konnte.

Warum brachte Ben nicht die Energie und den Drive auf, auf die Frau zuzugehen? Er tat doch das, was so viele für eine unabdingbare Voraussetzung des Erfolgs halten: Er träumte davon, dass seine Wünsche in Erfüllung gehen. Was hielt ihn zurück?

Der Kult des Optimismus

Eine weit verbreitete Vorstellung in unserer Zeit lautet: Wenn wir uns nur oft genug ausmalen, dass unsere tiefsten Wünsche wahr werden, dann hilft uns das dabei, sie tatsächlich wahr werden zu lassen. Bestseller wie The Secret[1] und Hühnersuppe für die Seele[2] reden uns ein, wir könnten Gutes in unserem Leben entstehen lassen, indem wir positiv denken. Positiv denkende Menschen seien »gesünder, aktiver, produktiver – und würden von ihrer Umgebung höher geschätzt«. [3] Tatsächlich ist positives Denken weit verbreitet, wie man am strahlenden Optimismus der Teilnehmer von Sendungen wie »Deutschland sucht den Superstar« oder »Germany’s next Topmodel« sehen kann. Sie erklären im Brustton der Überzeugung, dass sie alle anderen überflügeln und den Preis gewinnen werden. Und das Publikum ist ihnen dankbar – nicht nur für ihre Phantasien, sondern auch dafür, dass sie wie in einer Seifenblase mit diesen Phantasien leben und ohne den Hauch eines Zweifels daran glauben, dass ihre Träume eines Tages wahr werden.

Der Kult des Optimismus geht aber noch weiter. In der Werbung werden glückliche, optimistische Menschen als erfolgreiche Vorbilder präsentiert. Politiker auf allen Ebenen beglücken die Bürger mit Hoffnungen – und in den USA ganz besonders mit der Hervorhebung sämtlicher Tugenden des Amerikanischen Traums. Wirtschaftswissenschaftler arbeiten mit Begriffen wie »Konsumstimmung«, »Umsatzerwartung« und »Geschäftsklima« und fragen nach den verschiedensten Formen des Optimismus. Die Finanzmärkte reagieren auf solche Stimmungen. In der Popmusik werden die Fähigkeit zu träumen und die Träumenden geradezu verherrlicht: Sie werden die Welt retten, heißt es dort. Von frühester Jugend an und auf jeder neuen Entwicklungsstufe rät man uns, schädliche »negative Selbstgespräche« aufzugeben und uns vom negativen Denken zu befreien, wenn wir im Leben Erfolg haben wollen. [4] Eine inspirierende Botschaft an der Mauer einer Schule in Manhattan rät den Kindern: »Greift nach den Sternen – selbst wenn ihr sie nicht erreicht, bekommt ihr doch den Mond.«

Auch in schwierigen Zeiten spielt dieser Optimismus eine Rolle. Im Jahr 2008, mitten in der weltweiten Finanzkrise, lancierte PepsiCo in den USA eine Konsumentenstudie – das Pepsi Optimism Project. Im Jahr 2010 erklärten 94 Prozent der Befragten, Optimismus sei »wichtig bei der Entstehung neuer Ideen, die eine positive Wirkung in der Welt entfalten können«. Fast drei Viertel der Teilnehmer erklärten, sie erwarteten gerade in unsicheren Zeiten, dass etwas Gutes geschehen werde. Und mehr als 90 Prozent stimmten der Vorstellung zu, Optimismus könne »eine starke Wirkung auf den Fortschritt einer Gesellschaft haben«. [5] Als im Jahr 2013 einige Beobachter den Untergang des Amerikanischen Traums und des amerikanischen Optimismus ausriefen, zeigte eine Befragung, die von einer großen Lebensversicherungsgesellschaft in Auftrag gegeben worden war, dass 73 Prozent der Amerikaner immer noch eher ein halb volles als ein halb leeres Glas vor sich sahen und dass 79 Prozent der Ansicht waren, der Amerikanische Traum sei nach wie vor lebendig. [6] Eine Gallup-Umfrage ergab, dass 69 Prozent der Befragten im Jahr 2013 ihre persönlichen Aussichten »optimistisch« betrachteten. [7] Und in Deutschland berichtet die Forschungsgruppe Wahlen Mitte Dezember 2014 im ZDF-Politbarometer: [8] »Ähnlich positiv wie in den letzten Jahren fällt die Bilanz des fast abgelaufenen Jahres aus. Für 74 Prozent war 2014 persönlich eher ein gutes Jahr und nur für 23 Prozent eher ein schlechtes. Dass 2015 ähnlich ausfallen wird, meinen 65 Prozent, 27 Prozent erwarten sogar eine Verbesserung. Nur fünf Prozent glauben, dass es nächstes Jahr für sie persönlich schlechter laufen wird.«

Der Kult des Optimismus ist weder neu noch typisch amerikanisch. Er findet sich als Thema in der Weltliteratur, von Mark Aurel (»Genießt die Schönheit des Lebens«) [9] bis Samuel Johnson (»Die Gewohnheit, die Dinge von ihrer besten Seite zu sehen, ist tausend Pfund im Jahr wert«) [10] und Dr. Seuss, dem Erfinder des Grinch (»And when things start to happen, don’t worry, don’t stew. Just go right along, you’ll start happening too«). [11] In den USA betrachtet man die Dinge besonders gerne durch die rosarote Brille: »Pessimismus hat noch keine Schlacht gewonnen«, hat Präsident Dwight D. Eisenhower einmal gesagt. Aber auch der Brite Charlie Chaplin propagierte das positive Denken, als er sagte: »Man findet keinen Regenbogen, wenn man immer nur nach unten schaut.« [12]

Der Glaube an die Macht des Optimismus beruht auf einer ganz einfachen Annahme: Indem wir in die Zukunft schauen, stärken wir unser Durchhalte- und Leistungsvermögen in der Gegenwart. Und wenn wir schon nach vorne schauen, dann doch wohl am besten mit einer positiven Einstellung. Was sollten wir denn sonst tun? Uns mit Gedanken an unser eigenes Unglück und Elend belasten? Wie soll man sich denn damit motivieren? Ein weit verbreiteter Internetspruch, den man inzwischen auch als Aufdruck auf T-Shirts finden kann, lautet: »Dream it. Wish it. Do it.«

Angesichts der Vorherrschaft des Optimismus erscheint es geradezu riskant, negative Gesichtspunkte auch nur mit vorsichtigen Worten anzusprechen, vor allem in Institutionen und Organisationen. Wer am Arbeitsplatz eine realistische Haltung vertritt, gilt oft als Spielverderber oder Miesmacher. Viele Filmemacher und Fernsehproduzenten meiden Drehbücher mit tragischen Geschichten und einem traurigen Ende, weil sie fürchten, zu düster rüberzukommen und Zuschauer abzuschrecken. Und es gibt kaum einen Politiker, der die Verdienste einer optimistischen Haltung in Frage stellen oder nicht das traditionelle »Wir schaffen das«-Gefühl propagieren würde.

Ich war nicht mehr ganz jung, als ich aus Deutschland in die USA kam. Am Anfang war ich fasziniert, wie viel mehr Wertschätzung im Vergleich zu Europa dem positiven Denken dort entgegengebracht wurde. Wenn man in Deutschland damals jemanden fragte, wie es ihm gehe, bekam man in der Regel eine ehrliche Antwort, z.B. »Letzte Nacht habe ich gar nicht gut geschlafen« oder »Mein Hund ist krank, ich mache mir große Sorgen«. In Amerika sagten die Leute unweigerlich »I’m fine«, selbst wenn ihnen etwas fehlte oder Kummer bereitete. Und mehr noch: Sie empfanden es als störend, wenn man gegen das ungeschriebene Gesetz der positiven Antworten verstieß. 1986, als ich nach meiner Promotion in Philadelphia arbeitete, erzählte mir eine Professorin von einem Fakultätstreffen, bei dem sie über einige akute Schwierigkeiten in ihrem Leben gesprochen hatte. Daraufhin war sie von ihren Kollegen für ihre »negative Haltung in einem professionellen Kontext« kritisiert worden. Die Kollegen rieten ihr, sie müsse lernen, ihre negativen Gedanken für sich zu behalten, damit andere Leute damit nicht belastet würden.

Optimismus, genauer hinterfragt

So wenig vertraut mir dieser weit verbreitete Optimismus auch war: Ich war dankbar dafür und empfand ihn als Erleichterung. So wie ich die Dinge sah, nahmen die Menschen in den USA Rücksicht aufeinander und belasteten andere nicht mit ihren Problemen. Sie schätzten gute Stimmung und sorgten dafür, dass andere ebenfalls davon profitierten.

Als ich Mitte der Achtzigerjahre anfing, über das Thema Optimismus zu arbeiten, differenzierte sich meine Sicht. Zunächst ging es mir um Beobachtungen in der DDR während des Kalten Krieges. Ich betrachtete die kulturellen Unterschiede in Bezug auf depressives Verhalten und verglich pessimistische Sichtweisen bei Personen, die im »real existierenden Sozialismus« der DDR lebten, mit denen von Menschen in der offeneren demokratischen Gesellschaft der Bundesrepublik. [13] Zu Forschungszwecken besuchte ich Gaststätten in Ost- und Westberlin, um zu beobachten, inwieweit es bei den Kneipengästen Anzeichen von Depression gab. [14]

Zu dieser Zeit wurde in Westdeutschland und auch in anderen Ländern durchaus diskutiert, ob das kommunistische System für das Wohlergehen und Sicherheitsgefühl von Menschen von Vorteil sein könnte. Man beobachtete eine Gesellschaft, in der alle gleich sein sollten und vom Staat mit Arbeitsplatz- und Wohnraumgarantie versorgt wurden. Trotzdem konnte ich in den Ostberliner Kneipen mehr deutliche Zeichen von Depression – zusammengesunkene Haltung, trauriger Gesichtsausdruck – beobachten als im Westen der Stadt. Und ich fand es faszinierend, wie viele Leute, mit denen ich in Ostberlin sprach, gleichzeitig einen blinden Optimismus an den Tag legten und sich an frei erfundenen Bildern einer besseren Zukunft festhielten, nur um irgendwie zurechtzukommen.

Einmal sprach ein Ostberliner Maler mit mir darüber, wie sehr er sich in der DDR eingesperrt fühlte. Er hatte keine Leinwand, keine Farben und auch keine anderen Mittel zur Verfügung, um künstlerisch tätig zu sein, und aus ideologischen Gründen wurde er von staatlichen Stellen regelrecht daran gehindert, das zu tun, was er am liebsten tat. Gleichzeitig erzählte mir dieser Künstler, der kleine, anrührende Figuren im Stil von Miró und Klee zeichnete, wie sehr er davon träumte, ins Ausland zu reisen und dort zu malen. »Eines Tages komme ich nach Paris«, sagte er leise lächelnd. Dann drehte er sich um, schaute aus dem Fenster und seufzte. Es war ein ergreifender Moment, der mir zeigte, wie sehr Menschen sich in aussichtslosen Situationen an positiven Phantasien festhalten können.

Solche Gespräche führten zu einer stärkeren Differenzierung meiner Vorstellungen von Optimismus. Martin E. P. Seligman, Gründer der positiven Psychologie und mein Mentor an der University of Pennsylvania in Philadelphia, verstand Optimismus als die Summe von Annahmen und Erwartungen in Bezug auf die Zukunft auf der Basis früherer Erfolgserlebnisse. [15] Seligman ging davon aus, dass wir dann besonders optimistisch sind, wenn wir die bisher erlebte Realität betrachten und logisch schließen, dass die Zukunft sich etwa in den gleichen Bahnen entwickeln wird wie die Vergangenheit. Wenn ein Fußballspieler in den letzten drei Monaten sieben Tore geschossen hat, wird sein Trainer ihn bei einem wichtigen Spiel eher in die Startmannschaft aufnehmen als einen Spieler, der in der gleichen Zeit nur Fehlpässe zustande gebracht hat. Aus der bisherigen Erfahrung wird der Trainer schließen, dass der erfolgreichere Spieler auch im kommenden Spiel erfolgreich sein wird. Er hat eine »positive Erfolgserwartung«.

In Ostberlin begegneten mir aber Menschen, die die Hoffnung nicht sinken ließen, obwohl sie davon ausgehen mussten, dass ihre Zukunftswünsche höchstwahrscheinlich nicht wahr würden. Der Maler, von dem ich schon erzählte, war nie in Paris gewesen und hatte aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen auch wenig Anlass zu der Annahme, er würde irgendwann dort leben. Tatsächlich ließen seine bisherigen Erfahrungen eigentlich nur den einen Schluss zu, dass er die DDR nie verlassen würde. Und trotzdem stellte er sich vor, wie es wäre, wenn er die Freiheit hätte, als Künstler zu arbeiten – malen zu können, wann immer ihm danach zumute wäre. Seine Hoffnung hielt er ausschließlich mit seinen positiven Phantasien aufrecht – freie Gedanken und Bilder von einer Zukunft, die ihn nach und durch Paris führen würde. Seine Hoffnung kam der träumerischen Vorwegnahme des Überraschtseins gleich, wo er doch die Vergangenheit und seine düstere Zukunft kannte.

Angesichts solcher Beobachtungen schien Seligmans Definition hilfreich, aber nicht ausreichend, um das Gesamtphänomen des Optimismus zu erfassen. Und tatsächlich schienen viele Wissenschaftler, die sich im Wesentlichen auf ihn beriefen, das Phänomen Optimismus in seiner Vielschichtigkeit und Tiefe nicht zu erkennen. Empirisch oder quantitativ orientierte Psychologen schrieben oder arbeiteten kaum über positive Phantasien oder Träume. Sie konzentrierten sich auf die rationalen, erfahrungsbasierten Urteile, die Menschen über Wahrscheinlichkeiten in der Zukunft fällen. Solche Erwartungsurteile waren leicht zu messen und zu erforschen – Phantasien schienen vage und wenig greifbar und deshalb für eine objektive Analyse kaum geeignet. Außerdem erinnerten sie an Freud, [16] der damals wie heute in dem Ruf stand, seine Ideen empirisch nicht abgestützt zu haben.

Ich hatte aber den Eindruck, dass positive Phantasien ein wichtiger Teil des menschlichen Erlebens seien, und wollte ausloten, wie sie funktionieren und unser Verhalten beeinflussen. Auf der Suche nach Inspiration ging ich zurück zu den Ursprüngen der modernen Psychologie, vor allem zu William James, einem Denker aus dem späten 19. Jahrhundert. Im Kapitel »The Perception of Reality« – Die Wahrnehmung der Wirklichkeit – im zweiten Band seines bahnbrechenden Werks The Principles of Psychology bemerkte James: »Jeder kennt den Unterschied zwischen der bloßen Vorstellung von einer Sache und dem Glauben an ihre Existenz, den Unterschied zwischen einer Prämisse und einer ruhigen Gewissheit.« [17] William James bezieht sich in diesem Zitat auf Vergangenheit und Gegenwart, aber seine Unterscheidung zwischen der »bloßen Vorstellung von einer Sache und dem Glauben an ihre Existenz« schien auch für die Zukunft zu gelten. Ich schloss daraus, dass es tatsächlich zwei unterschiedliche Arten von Optimismus gibt, die zu untersuchen es sich lohnt: zum einen positive Erwartungen, die sich auf gemachte Erfahrungen gründen, zum anderen die eher schwebenden Gedanken und Bilder, die ihre Wurzeln in Wünschen und Sehnsüchten haben.

Vor allem fragte ich mich, ob positive Träume ohne Verbindung zu gemachten Erfahrungen die Bereitschaft von Menschen beeinflussen, sich anzustrengen. Wissenschaftler wie Albert Bandura [18] und Martin E. P. Seligman [19] hatten die Verbindung zwischen positiven Erwartungen und guter Leistung untersucht und festgestellt, dass Erwartungen die Anstrengung und damit auch die Leistung fördern. Ihre Studien haben gezeigt: Je positiver Menschen aufgrund früherer Erfahrungen ihre Erfolgschancen einschätzten, desto mehr strengten sie sich an und desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Ziele erreichten. Konnten positive Phantasien die Erfolgschancen in ähnlicher Weise verbessern? Konnten Wünsche oder Träume, unabhängig von tatsächlich gemachten Erfahrungen, Menschen mit der nötigen Energie versorgen, die sie brauchen, um zu handeln und ihre Träume wahr zu machen?

Genau das vermutete ich. Es gab zunächst keinen Grund zu der Annahme, dass Träume auf Anstrengung und Erfolg anders wirken als Erwartungen; alle Formen des positiven Denkens schienen ihrem Wesen nach hilfreich. Um das weiter zu untersuchen, führte ich eine Studie mit fünfundzwanzig übergewichtigen Frauen durch, die sich bei einem Diätprogramm angemeldet hatten. [20] Vor Beginn des Programms fragte ich die Teilnehmerinnen, wie viel sie abnehmen wollten und wie hoch sie ihre Erfolgschancen einschätzten. Dann bat ich jede Teilnehmerin, verschiedene Szenarien gedanklich zu vervollständigen. In einigen dieser Szenarien ging es darum, sich vorzustellen, dass sie das Diätprogramm erfolgreich durchlaufen hätten; in anderen ging es um Situationen, in denen sie in Versuchung kämen zu sündigen.

»Sie haben soeben das Diätprogramm beendet«, begann eines dieser Szenarien. »Heute Abend wollen Sie mit einer Freundin ausgehen, die Sie seit einem Jahr nicht gesehen haben. Während Sie auf sie warten, stellen Sie sich vor …« In einem anderen Szenario sollten die Teilnehmerinnen sich vorstellen, sie fänden im Besprechungsraum ihres Büros unverhofft einen Teller mit Gebäck vor. Was würden sie denken, fühlen, tun? Ich forderte die Teilnehmerinnen auf, ihre freien Phantasien zu Papier zu bringen und danach als positiv oder negativ zu bewerten. Es ging darum, herauszufinden, ob sie davon träumten, viel Gewicht zu verlieren und dass ihnen das Abnehmen ganz leichtfallen würde. Dabei interessierte mich die Eigenwahrnehmung der Teilnehmerinnen: Empfanden sie ihre Träume selbst als positiv oder negativ? Es ging nicht um meine Einschätzung. [21]

Die Ergebnisse dieser ersten Studie waren erstaunlich. Die Frauen mit einer hohen Erfolgserwartung hatten nach einem Jahr 13 Kilo mehr abgenommen als diejenigen, die nicht an einen Erfolg geglaubt hatten. Das wirklich Interessante aber war: Die Frauen mit besonders positiven Erfolgsphantasien – diejenigen also, die sich am deutlichsten vorgestellt hatten, wie schlank und attraktiv sie sein würden, wenn sie mit ihrer Freundin ausgegangen und in ihrer Phantasie ohne mit der Wimper zu zucken an dem Teller mit Gebäck vorbeigegangen waren – hatten 12 Kilo weniger abgenommen als die, die nicht so positiv von sich geträumt hatten. Offenbar halfen die Träume vom Erreichen eines Ziels nicht dabei, dieses Ziel Wirklichkeit werden zu lassen. Die naiven Träumerinnen hatten weniger Energie, sich zielführend zu verhalten.

Ich veröffentlichte diese Studie im Jahr 1991, und natürlich bewirkte sie nicht, dass die Fachwissenschaft oder die breitere Öffentlichkeit das Thema Optimismus differenzierter sah. Überhaupt bewirkte sie nicht viel; der vorherrschende Glaube an die Macht des Optimismus war einfach zu stark. Fast jeder akzeptierte zu dieser Zeit die Prämisse, positive Zukunftsbilder würden die Erfolgschancen erhöhen. Und so drängten mich einige Kollegen zu einem Richtungswechsel. »Sie sollten sich enger an die etablierten Konzepte halten«, sagten sie mir. »Es ist zu riskant, sich mit Träumen zu beschäftigen. Sie geraten damit in die Nähe zu Pseudowissenschaft und Spekulation. Wenn Sie ernstgenommen werden wollen, halten Sie sich an die Erforschung positiver Erwartungen.« Aber ich hatte das Gefühl, dass die Erforschung von Träumen und Phantasien wichtig war und dass meine Arbeit für das Leben von Menschen etwas bewirken konnte.

Obwohl meine erste Studie vor ihrer Veröffentlichung von unabhängigen Fachwissenschaftlern für gut befunden worden war, wurde die Publikation meines zweiten Aufsatzes zu dem Thema von verschiedenen Stellen abgelehnt: Nach Ansicht der Gutachter waren meine Ergebnisse und Argumente zu weit hergeholt. Einige sagten sogar, sie hätten gar keine Lust, den Aufsatz zu Ende zu lesen, weil meine Botschaft einfach lächerlich sei. Ich war bestürzt und enttäuscht, aber ich glaubte an meine Ideen und wollte sie weiter verfolgen.

Forschungsergebnisse müssen wiederholbar sein und repliziert werden, damit die wissenschaftliche Community – einschließlich meiner Person als Autorin – sie akzeptiert. Man darf sich nicht einfach auf die Ergebnisse einiger weniger Studien verlassen. Idiosynkrasien des Datenmaterials und der Analyse können für bestimmte Ergebnisse verantwortlich sein. Um meine besonders skeptischen Kollegen und mich selbst zu überzeugen und eine breitere Öffentlichkeit für meine Arbeit zu interessieren, wollte ich mehrere gut konzipierte Studien auf einer umfangreicheren Datenbasis durchführen. Ich wusste, dass ich mich nicht auf Vorarbeiten anderer verlassen konnte; es war allein meine Aufgabe, die Argumentation gewissenhaft aufzubauen und eine Studie nach der anderen in das Mauerwerk einzufügen, bis das Gesamtergebnis wirklich abgestützt war.

Also machte ich mich an die Arbeit und verbrachte zwanzig Jahre damit, Menschen aus unterschiedlichen Altersgruppen, in unterschiedlichen Lebensumständen, in Deutschland und in den USA zu befragen und zu beobachten. Ich variierte meine Forschungsmethoden, um alle nur erdenklichen Gegenargumente von vornherein zu widerlegen. Wenn diese Studien mit ihren vielen Variationen immer wieder das gleiche Ergebnismuster zeitigten, dann konnte ich darauf vertrauen, dass ich es mit einem psychologischen Phänomen zu tun hatte.

Und genau das passierte. Immer wieder – am Anfang war ich selbst überrascht – kamen meine Untersuchungen zu den gleichen Ergebnissen: Positive Phantasien, Wünsche und Träume, die wenig Verbindung zu früheren Erfahrungen aufwiesen, motivierten nicht zu einem Handeln, das seinerseits zu einem Leben mit mehr Energie oder Engagement führte. Das Gegenteil war der Fall.

Erinnern Sie sich noch an Ben, der von seiner geheimnisvollen Frau träumte, sich aber nie lange genug vom Schreibtisch losriss, um ein Mal mit ihr auszugehen? Ich untersuchte, warum positive Phantasien bei Menschen in seiner Situation eher verhindern, dass sie etwas unternehmen. Dazu suchte ich mir einhundertdrei College-Studenten, die angaben, in einen Menschen des anderen Geschlechts verliebt zu sein, die aber nie ein Date mit dieser Person hatten. [22] Zunächst bat ich sie, auf einer Skala von 0 bis 100 die Wahrscheinlichkeit einzuschätzen, ob sie jemals eine Beziehung zu dieser Person aufnehmen würden (hier ging es also um Erwartungen aufgrund früherer Erfahrungen). Dann forderte ich sie auf, eine Reihe hypothetischer Szenarien zu potenziellen Treffen mit der jeweiligen Person zu vervollständigen. »Während Sie mit ihm/ihr sprechen, betritt jemand den Raum, von dem Sie annehmen, sie/er könnte ihm/ihr gefallen. Sie/er kommt auf Sie beide zu. Sie stellen sich vor …« Jedes Szenario ließ ich von den Teilnehmern auf einer Skala von 1 (sehr negativ) bis 7 (sehr positiv) bewerten.

Eine Teilnehmerin entwickelte positive Träume aus den Szenarien. »Wir verlassen zusammen die Party, alle schauen uns nach, vor allem die andere. Wir gehen nach draußen, setzen uns auf eine Bank, es ist niemand in der Nähe, er nimmt mich in den Arm …« Bei einer anderen ergaben sich eher negative Träume. »Er und sie sprechen über ein Thema, von dem ich nichts verstehe. Sie fühlen sich viel wohler miteinander als er und ich, und sie geben sich auch keine besondere Mühe, mich in ihr Gespräch einzubeziehen.«

Fünf Monate später befragte ich die Teilnehmer darüber, ob sie mit der Person zusammengekommen seien, in die sie verliebt waren. Die Ergebnisse waren ähnlich wie in der vorhergehenden Studie zur Gewichtsabnahme. Je höher die Erwartungen aufgrund früherer Erfahrungen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Teilnehmer tatsächlich eine Beziehung aufnahmen. Aber je mehr sie sich, ähnlich wie Ben, in positiven Phantasien ergingen, desto niedriger war die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich zu einer Beziehung kam. Nun ist aber der Beginn einer Beziehung eine klassische Herausforderung, die Motivation und mutiges Handeln verlangt. Ähnliches gilt auch für Bewerbungen um einen Job. Konnten also Jobsuchende ihre Chancen erhöhen, indem sie sich bildhaft vorstellten, wie sie im Einstellungsgespräch brillierten, wie sie in einem tollen neuen Büro saßen oder ihre schicken neuen Visitenkarten verteilten? Im Jahr 1988 hatte ich mir für eine solche Studie achtunddreißig männliche Absolventen einer deutschen Universität gesucht, die meisten etwa Mitte zwanzig. Ich fragte sie, wie wahrscheinlich es sei, dass sie eine angemessene Arbeit fänden, und wie viel es ihnen bedeute, eingestellt zu werden. Dann forderte ich sie auf, positive Phantasien zu entwickeln und aufzuschreiben, in denen es darum ging, so eine Anstellung zu finden. Auf einer Skala von 1 (sehr selten) bis 10 (sehr oft) sollten sie einschätzen, wie häufig ihnen diese Phantasien durch den Kopf gingen. Dann habe ich zwei Jahre gewartet und die Teilnehmer noch einmal befragt. Je häufiger sie positive Phantasien gehabt hatten, desto geringer war ihr Erfolg. Sie berichteten von weniger Bewerbungen und auch von weniger Stellenangeboten als diejenigen, die auch negative Gedanken zugelassen hatten. Am Ende verdienten sie sogar weniger als jene. Die Erfolgsträume hatten ihnen also eher geschadet als genützt.

Einige der bisher erwähnten Studien – so auch die der verliebten College-Studenten und die der Stellensucher – basierten auf den Angaben der Teilnehmer. Ich verließ mich also auf ihr subjektives Empfinden und zog daraus meine Schlüsse. Aber was, wenn es Missverständnisse gab? Was, wenn die positiven Phantasien dazu führten, dass die Teilnehmer ihre Erfolge über- oder untertrieben? Das würde die Einzelergebnisse verfälschen und das Gesamtergebnis in Frage stellen.

Ich beschloss also, das Phänomen positiver Phantasien objektiver zu untersuchen, indem ich die Rolle des Optimismus im Bereich von Schul- und Studienleistungen betrachtete. In einem Einführungskurs im Fach Psychologie wurden einhundertsiebzehn College-Studenten gefragt, welche Zensur sie bei der Zwischenprüfung Mitte des Semesters, die zwei Tage später stattfinden sollte, erreichen wollten und wie hoch sie die Wahrscheinlichkeit einschätzten, dass sie diese Zensur tatsächlich bekamen. Dann untersuchte ich ihre Zukunftsphantasien auf die übliche Weise und forderte sie auf, hypothetische Szenarien zu vervollständigen. »Sie haben Ihre Prüfung hinter sich, und heute werden die Noten verkündet«, lautete ein solches Szenario. »Sie gehen durch das Gebäude, wo die Noten am Schwarzen Brett ausgehängt werden, und stellen sich vor …« Ein Student formulierte die folgende negative Phantasie: »Was, wenn ich die Prüfung verbockt habe? Ich hätte wohl mehr lernen sollen. Wo steht denn meine Note? Mist, eine Drei! Wie soll ich das denn je wieder aufholen?« Andere waren positiver gestimmt. Wie bei den vorherigen Studien bat ich die Teilnehmer, ihre Phantasien zu bewerten und einzuschätzen, wie positiv oder negativ diese waren.

Nach sechs Wochen überprüfte ich die Noten, die die Teilnehmer bei der Zwischenprüfung und am Ende des Semesters erreicht hatten. Ich verließ mich also nicht auf ihre eigenen Angaben. Und wie ich schon erwartet hatte: Je positiver die Phantasien der Studenten über ihre Noten, desto schlechter waren die tatsächlichen Ergebnisse und desto weniger hatten sie sich angestrengt, um gute Noten zu bekommen.