Die Regulierung der Sportwette unter dem GlüStV 2021 - Carsten Bringmann - E-Book

Die Regulierung der Sportwette unter dem GlüStV 2021 E-Book

Carsten Bringmann

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Beschreibung

Das vorliegende Werk untersucht die Regulierung der Sportwette unter dem am 1.7.2021 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag 2021. Nach einer historischen Darstellung der Sportwettregulierung setzt sich das Werk insbesondere mit den aus dem Unionsrecht und dem Verfassungsrecht folgenden und in der Rechtsprechung des EuGH und des BVerfG näher ausgestalteten Vorgaben an die Regelung der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags 2021 auseinander. Besonders in den Blick genommen werden von dem Verfasser dabei die sich aus der Rechtsprechung des EuGH und des BVerfG ergebenden Anforderungen an die unionsrechtliche Kohärenz bzw. verfassungsrechtliche Konsistenz der Sportwettregulierung. Ein weiterer Schwerpunkt der Darstellung liegt auf der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bündelung von Kompetenzen für die Erlaubniserteilung und die Aufsicht über die Veranstalter und Vermittler von Sportwetten bei der als Anstalt des öffentlichen Rechts organisierten Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL). Im Rahmen seiner Untersuchung gibt der Verfasser immer wieder praxisbezogene Hinweise zur rechtskonformen Ausgestaltung der Sportwettregulierung und der Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags 2021 durch den Rechtsanwender.

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Seitenzahl: 370

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Die Regulierung der Sportwette unter dem GlüStV 2021

Eine unions- und verfassungsrechtliche Untersuchung

Carsten Bringmann

  

Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

ISBN: 978-3-8005-1896-8

© 2024 Deutscher Fachverlag GmbH, Fachmedien Recht und Wirtschaft, Mainzer Landstr. 251, 60326 Frankfurt am Main, [email protected] www.ruw.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Druck: Beltz Grafische Betriebe GmbH, 99947 Bad Langensalza

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im August 2024 von der EBS Universität für Wirtschaft und Recht als rechtswissenschaftliche Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt zunächst bei Hogan Lovells International LLP und später bei der Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB. Rechtsprechung und Literatur sind bis einschließlich September 2021 berücksichtigt.

Bedanken möchte ich mich bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Markus Ogorek, der dieses Promotionsvorhaben auch nach seinem Ruf an die Universität zu Köln betreut hat. Danken möchte ich auch Prof. Dr. Jan F. Orth, der sich zur Zweitkorrektur der Arbeit bereit erklärt hat.

Meinen Eltern Sigrid und Thomas Bringmann möchte ich dafür danken, dass sie mir so viel ermöglicht haben, ohne es jemals an Bedingungen zu knüpfen. Mein Vater hat das Promotionsvorhaben von Beginn an mit wertvollen Anregungen unterstützt und stand mir bis zuletzt als Ratgeber und Diskussionspartner zur Seite. Er hat damit wesentlich zum erfolgreichen Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Ihm ist diese Arbeit gewidmet.

Düsseldorf, im September 2024

Carsten Bringmann

Abkürzungsverzeichnis

2. GlüÄndStV

Zweiter Glücksspieländerungsstaatsvertrag

3. GlüÄndStV

Dritter Glücksspieländerungsstaatsvertrag

A.A.

Andere Ansicht

Abs.

Absatz

AfP

Zeitschrift für das gesamte Medienrecht

Anm.

Anmerkung

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

BayVbl.

Bayerische Verwaltungsblätter

BayVerfGH

Bayerischer Verfassungsgerichtshof

Beschl.

Beschluss

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH

Bundesgerichtshof

BT-Drs.

Bundestagsdrucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BZgA

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

BzGw

Beiträge zum Glücksspielwesen

bzw.

beziehungsweise

ders.

derselbe

Dienstleistungs-

Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im

richtlinie

Binnenmarkt

DJT

Deutscher Juristentag

DLTB

Deutscher Lotto- und Totoblock

DÖV

Die öffentliche Verwaltung

DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt

EL

Ergänzungslieferung

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuR

Zeitschrift Europarecht

EUV

Vertrag über die Europäische Union

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWS

Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht

f.

folgend

ff.

auf den nächsten Seiten

GewArch

Gewerbearchiv

GG

Grundgesetz

Glücksspielgesetz

Gesetz zur Neuordnung des Glücksspiels in Schles-

S-H

wig-Holstein

GlüStV 2008

Erster Glücksspielstaatsvertrag

GlüStV 2012

Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag

GlüStV 2021

Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens

GRCh

Grundrechtecharta der Europäischen Union

GRUR-Prax

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

HGlüG

Hessisches Glücksspielgesetz

Hrsg.

Herausgeber

Informations-

Richtlinie 2015/1535/EU über ein Informationsver-

verfahrensrichtlinie

fahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften über Dienste der Informationsgesellschaft

i.V.m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter

JMStV

Jugendmedienschutzstaatsvertrag

JURA

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristenzeitung

KJM

Kommission für Jugendmedienschutz

Konzessionsvergabe-

Richtlinie 2014/23/EU über die Konzessionsvergabe

richtlinie

K&R

Kommunikation und Recht

LMG NRW

Landesmediengesetz Nordrhein-Westfalen

Lotteriestaatsvertrag

Staatsvertrag zum Lotteriewesen

LT-Drs.

Landtagsdrucksache

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenzeitschrift

Nr.

Nummer

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NWVBl.

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter

OVG

Oberverwaltungsgericht

Rn.

Randnummer

RWLG

Rennwett- und Lotteriegesetz

S.

Seite

Sog.

sogenannt

StGB

Strafgesetzbuch

Tz.

Teilziffer

u.a.

und andere

Urt.

Urteil

VergabeR

Vergaberecht

VG

Verwaltungsgericht

VGH

Verwaltungsgerichtshof

Vgl.

Vergleiche

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

VwVGlüStV

Verwaltungsvereinbarung Glücksspielstaatsvertrag

WiVerw

Wirtschaft und Verwaltung

WRP

Wettbewerb in Recht und Praxis

z.B.

zum Beispiel

ZfWG

Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht

ZUR

Zeitschrift für Umweltrecht

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

I. Einleitung

II. Historie der staatlichen Regulierung von Sportwetten

1. Anfänge der deutschen Glücksspielregulierung

2. Regulierung auf staatsvertraglicher Ebene

3. Der GlüStV 2008

4. Der GlüStV 2012

5. Der Sonderweg Schleswig-Holsteins

6. Das Scheitern der Sportwettregulierung des GlüStV 2012

7. Die Neuerungen des GlüStV 2020

8. Novellierung des Glücksspielmarktes durch den GlüStV 2021 und endgültige Liberalisierung der Sportwette

III. Die Sportwettregulierung des GlüStV 2021

1. Wesentliche Neuerungen des GlüStV 2021

2. Der Sportwettbegriff des GlüStV 2021

3. Ländereinheitliches Erlaubnisverfahren für Sportwetten

4. Staatsvertragliche Regulierung von Wettvermittlungsstellen

IV. Unionsrechtliche Bewertung der Sportwettregulierung des GlüStV 2021

1. Unionsrechtlicher Rechtsrahmen

1.1 Nichtanwendbarkeit der Konzessionsvergaberichtlinie

1.2 Rechtsfolgen der fehlenden unionsrechtlichen Harmonisierung

1.3 Die Grundfreiheiten als wesentlicher Maßstab für die Überprüfung der Vereinbarkeit der Glücksspielregulierung mit dem Unionsrecht

1.4 Bedeutung der Unionsgrundrechte für die Glücksspielregulierung

2. Anforderungen der Grundfreiheiten an die Sportwettregulierung

2.1 Anforderungen der Dienstleistungsfreiheit

(a) Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit

(b) Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit

(c) Rechtfertigung von Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit

(aa) Einschränkbarkeit der Dienstleistungsfreiheit durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses

(bb) Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

(cc) Das Kohärenzgebot

Vertikale Kohärenz

Horizontale Kohärenz

Territoriale Kohärenz

2.2 Anforderungen der Niederlassungsfreiheit

(a) Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit

(b) Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit

(c) Rechtfertigung von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit

3. Vereinbarkeit der Sportwettregulierung des GlüStV 2021 mit dem Kohärenzgebot

3.1 Vertikale Kohärenz der Sportwettregulierung des GlüStV 2021

3.2 Horizontale Kohärenz der Sportwettregulierung des GlüStV 2021

(a) Das terrestrische Trennungsgebot für Sportwetten un Automatenspiel, § 21 Abs. 2 GlüStV 2021

(b) Einführung eines Erlaubnismodells für Sportwetten bei gleichzeitiger Beibehaltung eines Staatsvorbehalts für die Veranstaltung von Klassenlotterien und „großen“ Zahlenlotterien

(aa) Bekämpfung von Suchtgefahren

(bb) Bekämpfung von Manipulationsgefahren

(cc) Sonstige Begründungsansätze zur Rechtfertigung des Staatsvorbehalts für die Veranstaltung von Klassenlotterien und „großen“ Zahlenlotterien

3.3 Territoriale Kohärenz der Sportwettregulierung des GlüStV 2021

V. Verfassungsrechtliche Bewertung der Sportwettregulierung des GlüStV 2021

1. Formelle Verfassungsgemäßheit der Sportwettregulierung des GlüStV 2021

1.1 Die Grundlagen der Gesetzgebungskompetenzverteilung

1.2 Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Glücksspielrechts

1.3 Die Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Sportwetten

2. Materielle Verfassungsgemäßheit der Sportwettregulierung des GlüStV 2021

2.1 Anforderungen der Grundrechte an die Sportwettregulierung

(a) Die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)

(aa) Schutzbereich der Berufsfreiheit

(bb) Eingriffe in den Schutzbereich

(cc) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Eingriffen in die Berufsfreiheit

(1) Die Drei-Stufen-Theorie

(2) Sonderdogmatik des BVerfG für den Bereich des Glücksspielrechts

(3) Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

(4) Das verfassungsrechtliche Konsistenzgebot

(b) Die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG)

(aa) Schutzbereich der Eigentumsgarantie

(bb) Eingriff in den Schutzbereich

(c) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)

(aa) Anforderungen an eine gleichheitskonforme Regulierung der einzelnen Glücksspielformen

(bb) Derivative Leistungs- und Teilhaberechte

2.2 Vereinbarkeit der Sportwettregulierung des GlüStV 2021 mit den Grundrechten

(a) Vereinbarkeit des zahlenmäßig unbegrenzten Erlaubnismodells für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten mit der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG

(b) Vereinbarkeit mit dem verfassungsrechtlichen Konsistenzgebot

(aa) Vertikale Konsistenz der Sportwettregulierung des GlüStV 2021

(bb) Horizontale Konsistenz der Sportwettregulierung des GlüStV 2021

(c) Vereinbarkeit sonstiger Beschränkungen der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im GlüStV 2021 mit der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG

2.3 Vereinbarkeit der Behördenzuständigkeit im ländereinheitlichen Verfahren mit dem Verfassungsrecht

(a) Die Historie des ländereinheitlichen Verfahrens und die Rolle des Glücksspielkollegiums

(b) Verfassungsrechtliche Bewertung der im GlüStV 2021 vorgesehenen Kompetenzzuweisung an eine im ländereinheitlichen Verfahren zentral zuständige Behörde

(aa) Übergangsregime bis zum 31. Dezember 2022

(1) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines ländereinheitlichen Verfahrens

(2) Unvereinbarkeit der Zuweisung von Letztentscheidungs- befugnissen an das Glücksspielkollegium mit dem Bundesstaatsprinzip

(3) Unvereinbarkeit der Zuweisung von Letztentscheidungs- befugnissen an das Glücksspielkollegium mit dem Demokratieprinzip

(4) Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit des Glücksspielkollegiums

(bb) Reguläre Zuständigkeit der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder ab dem 1. Januar 2023

(1) Die gesetzlichen Grundlagen für den Betrieb der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder

(2) Vereinbarkeit der Schaffung einer Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder mit dem Bundesstaatsprinzip

(3) Vereinbarkeit der Schaffung einer Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder mit dem Demokratieprinzip

VI. Zusammenfassung der Ergebnisse

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Kaum ein Rechtsgebiet ist so schnelllebig, aber auch derart ideologisch geprägt wie das Glücksspielrecht. Hier werden nicht nur regelmäßig einzelne Problemstellungen in Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutiert, sondern immer wieder wird auch die generelle Ausrichtung des deutschen Glücksspielrechts in Frage gestellt.1 Der Grund liegt auf der Hand: Das Glücksspiel ist kein „normales“ Wirtschaftsgut wie jedes andere. Aufgrund der mit ihm verbundenen Suchtgefahren sowie der einhergehenden Begleitkriminalität bedarf das Glücksspiel staatlicher Regulierung.2 In diesem Punkt ist sich das glücksspielrechtliche Schrifttum einig. Bei der Frage, wie die Regulierung auszusehen hat, gehen die Meinungen jedoch auseinander. Dies zeigen nicht zuletzt die im Rahmen der Verbändeanhörung zu dem Entwurf des GlüStV 2021 eingegangenen, zum Teil sehr kontroversen 79 Stellungnahmen. Während insbesondere von privaten Glücksspielanbietern eine weitgehende Liberalisierung und Privatisierung des Glücksspiels verlangt wird,3 fordern andere eine restriktive Regulierung des Glücksspiels in Gestalt von Totalverboten4 oder Angebotsbündelungen im Rahmen eines staatlichen Monopols.5

Der Gesetzgeber – sei es auf Bundes- oder auf Landesebene – befindet sich stets in dem Interessenkonflikt, einerseits die Gefahren des Glücksspiels durch restriktive Regelungen zu bekämpfen, andererseits aber auch die in der Bevölkerung unzweifelhaft vorhandene Nachfrage nach Glücksspiel6 zu befriedigen und den Staat an den signifikanten Umsätzen des Glücksspielmarktes7 finanziell zu beteiligen.

Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH, der die deutsche Glücksspielregulierung im Jahr 2010 in einer Reihe von Entscheidungen für unvereinbar mit dem Unionsrecht erklärte,8 haben die Länder mit dem zum 1. Juli 2012 in Kraft getretenen GlüStV 2012 einen ersten Schritt hin zur Liberalisierung des deutschen Glücksspielmarktes gemacht. Während sich die Rechtslage in anderen Bereichen des Glücksspiels, etwa bei den Lotterien oder den Pferdewetten, seit Inkrafttreten des GlüStV 2012 allenfalls punktuell verändert hat, ist das Recht der Sportwetten, gerade auch wegen einer Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen,9 in den letzten Jahren besonders in Bewegung geraten. Diese Entwicklungen erfahren mit dem Inkrafttreten des GlüStV 2021 und der damit einhergehenden weitgehenden Liberalisierung der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten ihren vorläufigen Höhepunkt.

Vor diesem Hintergrund soll der Fokus dieser Untersuchung auf der – raschen Wechseln unterworfenen – Regulierung der Sportwette liegen. Dabei soll zunächst auf die aktuelle Entwicklung der Sportwettregulierung in Deutschland eingegangen und der Status quo der staatlichen Regulierung von Sportwetten kritisch überprüft werden. Im Unionsrecht ist die Rechtfertigung der Einschränkung von Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit zu thematisieren, insbesondere ob die Sportwettregulierung unter dem GlüStV 2021 dem unionsrechtlichen Kohärenzgebot genügt. Aus verfassungsrechtlicher Sicht stellt sich die Frage, ob die nach dem GlüStV 2021 vorgesehene Erteilung von Erlaubnissen für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten in einem ländereinheitlichen Verfahren mit den Vorgaben des Bundesstaats- und des Demokratieprinzips vereinbar ist. Ein Schwerpunkt der diesbezüglichen Untersuchung liegt auf der Rolle der durch den GlüStV 2021 neu geschaffenen Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder, die zum 1. Januar 2023 ihre Arbeit als oberste Glücksspielaufsichtsbehörde aufgenommen hat.10

1

Makswit

, Auswirkungen des Föderalismus im Glücksspielrecht, S. 21.

2

Vgl.

Fiedler

, in: Fiedler/Steinmetz/Ante/von Meduna (Hrsg.), Regulierungsoptionen für den deutschen Onlineglücksspielmarkt, Endbericht (Stand: 16.09.2019), S. 35 (Glücksspiel als demeritorisches Gut); Fachbeirat Glücksspielsucht, Stellungnahme zum Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland, S. 1f.

3

Vgl. nur die Stellungnahmen des Deutschen Online Casinoverbandes e.V. (DOCV), des Deutschen Sportwettenverbandes (DSWV), des Deutschen Verbandes für Telekommunikation und Medien (DVTM) und der European Gaming & Betting Association (EGBA) in der Verbändeanhörung zu dem Entwurf des GlüStV 2021, jeweils abrufbar unter: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-3090.pdf.

4

Vgl. Fachbeirat Glücksspielsucht, Stellungnahme zum Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland und die Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. (FAGS) in der Verbändeanhörung zu dem Entwurf des GlüStV 2021, abrufbar unter: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-3090.pdf.

5

Vgl.

Ruttig

, Kurzgutachten zur Kohärenz des Lotterieveranstaltungsmonopols und der Bestimmungen zum gewerblichen Automatenspiel in Spielhallen (§§ 24–26 GlüStV) bei Zulassung von Online-Casino- und Online-Automatenspielen.

6

Trotz des weitgehenden Internetverbots im GlüStV 2012 hat sich ein Schwarzmarkt im Internet gebildet, auf dem virtuelle Automatenspiele, Online-Poker und Online-Casinospiele angeboten und von Spielern nachgefragt werden, vgl. Erläuterungen zum GlüStV 2021 (Stand: 23.09.2020), S. 1. Der Bruttospielertrag für Online-Casinospiele und virtuelle Automatenspiele lag in den Jahren 2016 bis 2018 bei 1,29 Mrd. Euro (2016), 1,76 Mrd. Euro (2017) und 1,002 Mrd. Euro (2018), vgl. Jahresreporte 2016, 2017 und 2018 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder.

7

In den Jahren 2018 und 2019 beliefen sich die Umsätze auf dem deutschen Glücksspielmarkt auf insgesamt 15,41 Mrd. Euro (2018) bzw. 16,26 Mrd. Euro (2019), vgl. Goldmedia, Glücksspielmarkt Deutschland 2020, S. 7.

8

Vgl. EuGH, Urt. v. 8. September 2010, C-46/08 (Carmen Media); Urt. v. 8. September 2010, C-316/07 (Markus Stoß u.a.); Im Einzelnen siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel III.

9

Vgl. hierzu unter Gliederungspunkt II.

10

Vgl. die weitreichenden Übergangsregelungen in § 27p Abs. 1 bis 4 GlüStV 2021, wonach die Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder die zentralen Aufgaben und Befugnisse der Gemeinsamen Glücksspielaufsichtsbehörde übergangsweise bis zum 31. Dezember 2022 wahrnehmen.

II. Historie der staatlichen Regulierung von Sportwetten

1. Anfänge der deutschen Glücksspielregulierung

Die Historie der Sportwetten reicht bis in die Antike zurück. Bereits damals schlossen Zuschauer Wetten auf die Ausgänge von Sportwettkämpfen ab.11 In Deutschland werden Sportwetten hingegen erst seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Einführung der Sportwette Fußballtoto veranstaltet.12 Die – vom DLTB als staatlich lizenziertem Anbieter veranstaltete – Oddset-Sportwette, die Wette mit fester Gewinnquote, wurde im Jahr 1999 eingeführt. Daneben wurden seit der Jahrtausendwende auch vermehrt private, nicht lizenzierte Sportwettanbieter auf dem deutschen Markt aktiv.

11

Thaysen

, Sportwetten in Deutschland, S. 13.

12

Vgl.

Makswit

, Auswirkungen des Föderalismus im Glücksspielrecht, S. 29.

2. Regulierung auf staatsvertraglicher Ebene

In Anbetracht der bis dato bestehenden Vielzahl bundes- und landesrechtlicher Regelungen zum Glücksspielrecht beschlossen die Länder im Jahr 2001, ihre Glücksspielgesetzgebung zukünftig wieder13 durch einen Staatsvertrag zu koordinieren und so einen einheitlichen Rechtsrahmen für das Glücksspielwesen zu schaffen.14 Der Lotteriestaatsvertrag sah ebenso wie die teilweise fortgeltenden Sportwettgesetze der Länder15 vor, dass nur die Länder selbst, durch juristische Personen des öffentlichen Rechts oder durch privatrechtliche Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, Sportwetten veranstalten dürfen.16Unter dem Lotteriestaatsvertrag bestand somit ein Staatsvorbehalt für die Veranstaltung von Sportwetten, dessen verfassungsrechtliche Zulässigkeit später Gegenstand der sog. „Sportwetten“-Entscheidung des BVerfG vom 28. März 2006 war. In dieser Entscheidung kam das BVerfG zu dem Ergebnis, dass die Regelungen des verfahrensgegenständlichen Bayerischen Staatslotteriegesetzes vom 29. April 1999 in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht genügten, um ein staatliches Monopol zu legitimieren und daher nicht mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) vereinbar seien.17 Anstatt die geltende Rechtslage gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG für nichtig zu erklären, entschied sich das BVerfG, dem Gesetzgeber eine Frist zur verfassungskonformen Neuregelung der Sportwette bis zum 31. Dezember 2007 zuzubilligen. Dabei standen dem Gesetzgeber grundsätzlich zwei Regulierungsoptionen offen: In Betracht kam nach Auffassung des BVerfG entweder die gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung privater Sportwettanbieter oder aber die Beibehaltung des staatlichen Sportwettmonopols, allerdings unter konsequenter Ausrichtung am Ziel der Bekämpfung der Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft.18 Die Länder erwogen zunächst die Einführung eines Lizenzsystems für etwa vier bis fünf private Sportwettanbieter,19 entschieden sich jedoch letztlich gegen eine Liberalisierung des Sportwettmarktes und hielten stattdessen an dem staatlichen Sportwettmonopol fest. Die rechtlichen Rahmenbedingungen hierfür wurden mit dem am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen GlüStV 2008 geschaffen.20

13

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts koordinierten die Bundesländer ihre Glücksspielgesetzgebung durch Staatsverträge, vgl.

Makswit

, Auswirkungen des Föderalismus im Glücksspielrecht, S. 29.

14

Vgl.

Thaysen

, Sportwetten in Deutschland, S. 13.

15

Vgl. hierzu die umfangreichen Ausführungen bei

Thaysen

, Sportwetten in Deutschland, S. 17, dort unter Fn. 12.

16

§ 5 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 des Lotteriestaatsvertrages.

17

Wegen der Einzelheiten der Ausführungen des BVerfG in seinem „Sportwetten“-Urteil, vgl. die ausführliche Darstellung in Kapitel V. 2.1 (a).

18

Vgl. zum Vorstehenden BVerfG, Urt. v. 28. März 2006, 1 BvR 1054/01, Orientierungssatz 4a sowie Tz. 146ff. nach juris.

19

Makswit

, Auswirkungen des Föderalismus im Glücksspielrecht, S. 71 mit Verweis auf

Stein/v. Buttlar

, Europarechtliche Konsequenzen eines begrenzten Lizenzierungsmodells für die (private) Veranstaltung von Sportwetten, in: Ennuschat (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Rechts der Glücksspiele, S. 81 Rn. 1.

20

Bis zum Inkrafttreten des GlüStV 2008 war lange Zeit umstritten, ob es sich bei Sportwetten überhaupt um Glücksspiele handelt, vgl.

Wormit

, Kohärenz als unionsrechtliche Determinante der mitgliedstaatlichen Glücksspielregulierung, S. 176 zum Meinungsstand. Teilweise wurde – und wird vereinzelt auch heute noch – vertreten, dass die Sportwette ein Geschicklichkeitsspiel sei. Vor dem Hintergrund dieser Diskussionen sah der GlüStV 2008 in § 3 Abs. 1 Satz 3 ausdrücklich vor, dass auch Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines ungewissen Ereignisses, demzufolge auch Sportwetten, Glücksspiele sind. Endgültig klargestellt wurde dies jedenfalls durch die Aufnahme einer Legaldefinition der Sportwette in den GlüStV 2012. Dort hieß es in § 3 Abs. 1 Satz 4 GlüStV 2012, dass Sportwetten Wetten zu festen Quoten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten von Sportereignissen sind. § 3 Abs. 1 Satz 4 GlüStV 2021 hat die Legaldefinition der Sportwette dahingehend präzisiert, dass Sportwetten nicht nur Westen zu festen Quoten auf das Ergebnis eines Sportereignisses und von Abschnitten eines Sportereignisses, sondern auch Wetten zu festen Quoten auf einen zukünftigen Vorgang während eines Sportereignisses sind. Wetten zu variablen Quoten fallen hingegen auch nach dem GlüStV 2021 nicht unter den Sportwettbegriff, vgl. Erläuterungen zum GlüStV 2021 (Stand: 23.09.2020), S. 33.

3. Der GlüStV 2008

Gemäß § 10 Abs. 5 GlüStV 2008 war anderen als den in § 10 Abs. 2 GlüStV 2008 genannten Ländern, juristischen Personen des öffentlichen Rechs oder privatrechtlichen Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, nur die Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts des GlüStV 2008 erlaubt. Die Veranstaltung der im Fünften Abschnitt des GlüStV 2008, dort in § 21, geregelten Sportwetten war hiervon nicht umfasst und daher weiterhin den in § 10 Abs. 2 GlüStV 2008 genannten staatlichen bzw. staatlich kontrollierten Anbietern vorbehalten. Lediglich die Vermittlung von staatlich veranstalteten Sportwetten konnte auch Privaten gestattet werden.21

Obwohl der EuGH in seinen Urteilen vom 8. September 2010 zum deutschen Monopol auf Sportwetten und Lotterien in den Rechtssachen „Markus Stoß“22 und „Carmen Media“23 die unionsrechtliche Zulässigkeit staatlicher Glücksspielmonopole im Grundsatz bestätigt hatte,24 entschieden sich die Länder im Jahr 2011 für eine Novellierung des GlüStV 2008. Hintergrund war der Befund defizitärer Vollzugsstrukturen bei der praktischen Durchsetzung des staatlichen Sportwettmonopols25 in Verbindung mit einem stark wachsenden Schwarzmarkt.26 So verlor der staatliche Sportwettanbieter Oddset kontinuierlich Marktanteile an in Deutschland nicht lizenzierte private Anbieter von Online-Sportwetten.27 Der Schwarzmarktanteil der nicht in Deutschland zugelassenen Sportwettanbieter wurde auf bis zu 94 % geschätzt. Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, entschlossen sich die Länder nach einer Evaluierung der bisherigen Regelungen zu einer Teilliberalisierung des Sportwettmarktes. Mit Wirkung zum 1. Juli 2012 wurde der GlüStV 2008 durch den GlüStV 2012 abgelöst.

21

Vgl. hierzu

Papier/Krönke

, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 16f.

22

EuGH, Urt. v. 8. September 2010, C-316/07.

23

EuGH, Urt. v. 8. September 2010, C-46/08.

24

Vgl. nur EuGH, Urt. v. 8. September 2010, C-316/07, Leitsatz 1 b), wonach der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein staatliches Monopol auf Sportwetten und Lotterien einem Erlaubnissystem vorzieht, nach dem privaten Veranstaltern die Ausübung ihrer Tätigkeiten im Rahmen einer Regelung ohne Ausschließlichkeitscharakter gestattet würde, dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit genügen kann. Dies setzt unter dem Aspekt des Ziels eines hohen Verbraucherschutzniveaus voraus, dass die Errichtung des Monopols mit der Einführung eines normativen Rahmens einhergeht, der dafür sorgt, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, ein solches Ziel mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieses Ziels quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen.

25

Vgl.

Wormit

, DVBl 2020, 1057.

26

Zum Hintergrund der Neuregelung durch den GlüStV 2012, vgl.

Makswit

, Auswirkungen des Föderalismus im Glücksspielrecht, S. 71 mit Verweis auf die Erläuterungen zum GlüStV 2012, Bayerischer Landtag Drs. 16/11995, S. 18.

27

Eine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der von den verschiedenen Mitgliedstaaten erteilten Erlaubnisse hat der EuGH in zahlreichen Entscheidungen abgelehnt, vgl. nur EuGH, Urt. v. 8. September 2010, C-316/07, Tz. 112 nach juris; Urt. v. 3. Juni 2010, C-203/08 und C-258/08; Urt. v. 8. September 2009, C-42/07.

4. Der GlüStV 2012

Wesentliche Neuerung des GlüStV 2012 war die Einführung einer zunächst auf sieben Jahre ab Inkrafttreten des GlüStV 2012 befristeten Experimentierklausel für die Zulassung privater Sportwettanbieter (§ 10a Abs. 1 GlüStV 2012), durch die das im Grundsatz weiterhin vorgesehene staatliche Sportwettmonopol28 vorübergehend suspendiert wurde. Ziel der Experimentierklausel war es,

„zunächst in einer befristeten Erprobung Erfahrungen zu sammeln und die Ergebnisse der probeweisen Öffnung systematisch zu beobachten und auszuwerten, um auf dieser Grundlage dauerhafte normative Entscheidungen treffen zu können“.29

§ 10a Abs. 3 GlüStV 2012 sah zunächst eine Begrenzung auf 20 Konzessionen für private Sportwettanbieter vor. Die Konzessionen sollten im Rahmen eines europaweiten Ausschreibungsverfahrens nach § 4b Abs. 5 GlüStV 2012 an die am besten geeigneten Anbieter vergeben werden. Durch diese Neuregelung wurde – zumindest auf dem Papier – ein Oligopol für die Veranstaltung von Sportwetten geschaffen. Der GlüStV 2012 erwies sich insoweit als ein Kompromiss zwischen den Befürwortern der Beibehaltung eines staatlichen Sportwettmonopols und den Befürwortern einer weitgehenderen Liberalisierung des Sportwettmarktes.

28

Vgl. § 10 Abs. 6 i.V.m. § 10 Abs. 2 GlüStV 2012.

29

Erläuterungen zum GlüStV 2012, Bayerischer Landtag, Drs. 16/11995, S. 19.

5. Der Sonderweg Schleswig-Holsteins

Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle der Sonderweg Schleswig-Holsteins. Das Land erließ im September 2011 ein eigenes Glücksspielgesetz S-H,30 welches am 1. Januar 2012 in Kraft trat. Mit dem Glücksspielgesetz S-H löste sich Schleswig-Holstein – zumindest vorübergehend – von dem Konzept einer länderübergreifend koordinierten Regulierung und entwickelte ein eigenes, liberaleres Regulierungsmodell.31 Auf Grundlage des Glücksspielgesetzes S-H wurden zahlreiche, auf das Hoheitsgebiet Schleswig-Holsteins beschränkte Konzessionen an private Glücksspielanbieter, darunter auch Konzessionen zur Veranstaltung von Sportwetten, erteilt,32 die zum Teil sogar nach Inkrafttreten des GlüStV 2021 Geltung beanspruchen.33 Nach einem Regierungswechsel in Kiel entschloss man sich allerdings zu einer Rückkehr in die Regulierungsgemeinschaft der übrigen Bundesländer. Mit Wirkung zum 8. Februar 2013 trat Schleswig-Holstein als 16. Bundesland dem GlüStV 2012 bei.

30

Vgl. SH-LT-Drs. 17/1100 (Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und FDP vom 03.12.2010) sowie SH-LT-Drs. 17/1640 (Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP vom 27.06.2011).

31

Dietlein

, in: Dietlein/Hecker/Ruttig (Hrsg.), Glücksspielrecht, Einf Rn. 7.

32

Zum Eigentumsschutz der nach dem Glücksspielgesetz Schleswig-Holstein erteilten Genehmigungen für die Veranstaltung von Sportwetten, vgl. Kapitel V. 2. b).

33

Vgl. § 29 Abs. 7 Satz 1 GlüStV 2021, wonach die bis zum Inkrafttreten des GlüStV 2021 durch das Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein erteilten und am 30. Juni 2021 wirksamen Erlaubnisse für die Veranstaltung und den Vertrieb von Online-Casinospielen für eine Übergangsregelung bis zur Erteilung einer Erlaubnis nach dem GlüStV 2021, längstens bis zum 31. Dezember 2024, als Erlaubnis mit der Maßgabe fortgelten, dass die in der Genehmigung sowie in den ergänzenden Nebenbestimmungen enthaltenen Regelungen Anwendungen finden. Gemäß § 29 Abs. 7 Satz 2 GlüStV 2021 gelten die Erlaubnisse nur für das Hoheitsgebiet von Schleswig-Holstein.

6. Das Scheitern der Sportwettregulierung des GlüStV 2012

Ausgehend von der Teilliberalisierung durch den GlüStV 2012 hat das Recht der Sportwetten in den vergangenen Jahren eine enorme Dynamik erfahren. Die zumindest normativ mit Inkrafttreten des GlüStV 2012 angebrochene Experimentierphase im Bereich der Sportwetten konnte nicht in die Praxis umgesetzt werden. Die missglückte Ausgestaltung des Sportwettkonzessionsvergabeverfahrens im GlüStV 2012 führte zu einem Stillstand, der eine staatsvertragliche Neuregelung des Sportwettrechts erforderlich machte.

Nachdem das Hessische Ministerium des Innern und für Sport als oberste Glücksspielaufsichtsbehörde des für die Sportwettkonzessionsvergabe im ländereinheitlichen Verfahren zuständigen Landes Hessen34 Ende 2013 festgestellt hatte, dass keiner der insgesamt rund 80 Bewerber – auch nicht die von acht Landeslotteriegesellschaften getragene ODS Oddset Sportwetten GmbH – die Mindestanforderungen für den Erhalt einer Sportwettkonzession erfüllte, wurde das Konzessionsvergabeverfahren abgebrochen und zurückversetzt. Daraufhin erhielten insgesamt 41 Bewerber die Möglichkeit, ihre Antragsunterlagen im Hinblick auf den überarbeiteten Anforderungskatalog zu ergänzen. Die verbliebenen Bewerber wurden anschließend zu einer Präsentation ihrer Bewerbungen eingeladen. Am 2. September 2014 veröffentlichte das Hessische Ministerium des Innern und für Sport schließlich eine Vorabankündigung, wonach beabsichtigt war, Sportwettkonzessionen an 20 dort namentlich benannte Bewerber zu erteilen. Tatsächlich hatten auf der ersten Stufe des Konzessionsvergabeverfahrens 35 Anbieter die Mindestanforderungen erfüllt. Wirtschaftlich führende Anbieter, wie z.B. Tipico, sollten nach der Vorabankündigung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport leer ausgehen und klagten vor der hessischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, um die drohende Konzessionsvergabe an die in der Vorabankündigung genannten 20 Wettbewerber zu verhindern. Auf den einstweiligen Rechtsschutzantrag eines österreichischen Anbieters, der im Ranking des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport Platz 21 belegt hatte,35 gab das Verwaltungsgericht Wiesbaden dem Land Hessen mit Beschluss vom 5. Mai 2015 auf, vorläufig von einer Vergabe der Konzessionen an die ausgewählten Bewerber abzusehen.36 Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden wies das Konzessionsvergabeverfahren verschiedene Rechtsverstöße und Ausführungsmängel auf, die die Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV und den Anspruch auf ein diskriminierungsfreies und transparentes Auswahlverfahren (§ 4b Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2012, Art. 3 Abs. 1 GG) verletzten.37 Die Beschwerde des Landes Hessen gegen diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden wies der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 16. Oktober 201538 zurück. Das im GlüStV 2012 vorgesehene Konzessionsvergabeverfahren sei, so der Hessische Verwaltungsgerichtshof, bereits aufgrund der Übertragung der verbindlichen Entscheidung über die Vergabe der Konzessionen auf ein Glücksspielkollegium verfassungswidrig.39 Die Entscheidungs- und Zuständigkeitsverteilung im GlüStV 2012 widerspreche der bundesstaatlichen Ordnung.40 Darüber hinaus sei das Glücksspielkollegium in der ihm nach § 9a GlüStV 2012 zugedachten Funktion auch nicht hinreichend demokratisch legitimiert.41

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof spricht hier erstmalig einen der grundlegenden Konzeptionsfehler des GlüStV 2012 an, der, wie die weiteren Ausführungen zeigen werden, der Erteilung von Sportwettkonzessionen auch in den darauffolgenden Jahren immer wieder im Weg stand.42 Zunächst hatte seine Entscheidung vom 16. Oktober 2015 aber die praktische Konsequenz, dass private Sportwettanbieter in Deutschland nicht legal tätig werden konnten. § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 sah – ebenso wie es heute § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 vorsieht – ein strafrechtlich bewehrtes43 Verbot von unerlaubtem Glücksspiel, d.h. Glücksspiel ohne die nach § 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4a Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2012 erforderliche Konzession, vor. Demgegenüber durften die staatlichen Anbieter, die im Besitz einer nach dem GlüStV 2008 oder den Ausführungsgesetzen der Länder erteilten Erlaubnis für die Veranstaltung oder die Vermittlung von Sportwetten waren, nach der Übergangsregelung des § 29 Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2012 solche Tätigkeiten während eines Jahres nach Erteilung der ersten Sportwettkonzession weiterhin ausüben, ohne selbst über eine Konzession zu verfügen.44 Auf diese Weise wurde das staatliche Sportwettmonopol faktisch perpetuiert,45 was den EuGH in seinem auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Sonthofen nach Art. 267 AEUV ergangenen Urteil vom 4. Februar 2016 in der Rechtssache „Ince“ zu der Feststellung veranlasste, dass die Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV einen Mitgliedstaat daran hindere, die ohne Erlaubnis erfolgte Vermittlung von Sportwetten in seinem Hoheitsgebiet an einen Wirtschaftsteilnehmer, der in einem anderen Mitgliedstaat eine Lizenz für die Veranstaltung von Sportwetten innehat, zu ahnden, solange und soweit ein von den nationalen Gerichten für unionsrechtswidrig befundenes staatliches Sportwettmonopol aufgrund der gescheiterten Konzessionsvergabe an private Sportwettanbieter faktisch fortbesteht.46

Spätestens ab diesem Zeitpunkt duldeten die Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder das Tätigwerden privater Sportwettanbieter auf dem deutschen Markt.47 Grund hierfür war neben der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Ince“ sicherlich auch die Befürchtung der Glücksspielaufsichtsbehörden, sich im Falle einer höchstrichterlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit des Konzessionsvergabeverfahrens erheblichen Schadensersatzforderungen privater Sportwettanbieter ausgesetzt zu sehen. Um in den Genuss der glücksspielaufsichtsbehördlichen Duldung zu kommen, mussten die privaten Sportwettanbieter – zumindest auf dem Papier – diejenigen materiellen Anforderungen des GlüStV 2012 an die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten einhalten, die nicht an das Vorhandensein einer Konzession anknüpften.48

Die beschriebene Entwicklung war Anlass für die Ministerpräsidenten sich auf ihrer Konferenz vom 26. bis 28. Oktober 2016 auf eine erneute Änderung des Glücksspielstaatsvertrages in Gestalt des 2. GlüÄndStV zu verständigen. Der 2. GlüÄndStV sah im Wesentlichen eine befristete Aufhebung der zahlenmäßigen Begrenzung auf 20 Sportwettkonzessionen vor. Ab dem 1. Januar 2018 sollte grundsätzlich jeder geeignete Sportwettanbieter, der die in § 4a Abs. 4 GlüStV 2012 enthaltenen Mindestanforderungen erfüllt, eine Konzessionen für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten erhalten.49 Diejenigen Anbieter, die in der ersten Runde des vom Land Hessen durchgeführten Konzessionsvergabeverfahrens die Mindestanforderungen erfüllt hatten, sollten eine bis zum 31. Dezember 2018 befristete vorläufige Erlaubnis erhalten, die in ihren Rechtswirkungen der endgültigen Konzession gleichgestellt werden sollte. Zudem sollte die Experimentierklausel für den Sportwettbereich bis zum 30. Juni 2021 verlängert werden. Dem lag die nachvollziehbare Erwägung zugrunde, dass der mit der Einführung der Experimentierklausel verfolgte Zweck, die Entwicklung eines (teil-)liberalisierten Sportwettmarktes zu beobachten, nur dann sinnvoll verfolgt werden kann, wenn private Anbieter überhaupt legal, d.h. auf Grundlage von Konzessionen, tätig werden können.50

34

Vgl. § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GlüStV 2012, wonach die Glücksspielaufsichtsbehörde des Landes Hessen die Sportwettkonzession nach § 4a GlüStV 2012 für alle Länder erteilt.

35

Vgl. hierzu VG Wiesbaden, Beschl. v. 5. Mai 2015, 5 L 1453/14, Tz. 27 nach juris.

36

VG Wiesbaden, Beschl. v. 5. Mai 2015, 5 L 1453/14.

37

Vgl. VG Wiesbaden, Beschl. v. 5. Mai 2015, 5 L 1453/14, Tz. 55 nach juris.

38

VGH Kassel, Beschl. v. 16. Oktober 2015, 8 B 1028/15, zitiert nach juris.

39

Vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 16. Oktober 2015, 8 B 1028/15, Tz. 33ff. nach juris.

40

Vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 16. Oktober 2015, 8 B 1028/15, Tz. 35 bis 40 nach juris.

41

Vgl. hierzu VGH Kassel, Beschl. v. 16. Oktober 2015, 8 B 1028/15, Tz. 41 bis 47 nach juris.

42

Vgl. hierzu Kapitel V. 2.3 (a).

43

Vgl. § 284 Abs. 1 StGB.

44

Vgl. EuGH, Urt. v. 4. Februar 2016, C-336/14, Tz. 90 nach juris.

45

Vgl. EuGH, Urt. v. 4. Februar 2016, C-336/14, Tz. 91 nach juris. So auch

Hilf/Umbach

, ZfWG 2016, 198;

Wormit

, DVBl 2020, 1057.

46

Vgl. EuGH, Urt. v. 4. Februar 2016, C-336/14, Tz. 95 nach juris.

47

Vgl.

Wormit

, DVBl 2020, 1057;

Albers/Rebeggiani

, in: Gebhardt/Korte (Hrsg.), Glücksspiel, 61, 68;

Hilf/Umbach

, ZfWG 2017, 234, 237;

Lüder

, NVwZ 2020, 190, 192.

48

Vgl. Leitlinien zum Vollzug im Bereich Sportwetten während des laufenden Konzessionsverfahrens. Zusammenfassend hierzu auch Erläuterungen zum GlüStV 2021 (Stand: 23.09.2020), S. 26.

49

Das in Kapitel V. 1. näher dargestellte Konzessionsvergabeverfahren läuft wie bislang auch. Die diesbezüglichen Verfahrensregelungen bleiben durch den 2. GlüÄndStV unangetastet.

50

So im Übrigen auch die Begründung der Länder zur Verlängerung der Experimentierklausel, vgl. Entwurf zum 2. GlüÄndStV, S. 6: „Damit (Anm.: mit der Verlängerung der Experimentierhase zunächst bis 30. Juni 2021) wird auf die Dauer der bisherigen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren in Hessen reagiert, die bereits mehr als die Hälfte der vorgesehenen Experimentierphase in Anspruch genommen haben.“

7. Die Neuerungen des GlüStV 2020

Nachdem der 2. GlüÄndStV im Jahr 2017 insbesondere an den Vorbehalten bzw. der nicht erfolgten Ratifizierung Schleswig-Holsteins, wo es zwischenzeitlich einen erneuten Regierungswechsel gegeben hatte,51 scheiterte,52 einigten sich die Länder 2019 auf den 3. GlüÄndStV bzw. den GlüStV 2020. Der 3. GlüÄndStV trat nach erfolgreicher Ratifizierung durch alle 16 Bundesländer am 1. Januar 2020 in Kraft und setzte mit zweijähriger Verspätung die bereits im 2. GlüÄndStV vorgesehenen Änderungen der Sportwettregulierung des GlüStV 2012 um. Hierzu zählen die Aufhebung der zahlenmäßigen Begrenzung auf 20 Sportwettkonzessionen53 und des in § 4b Abs. 5 GlüStV 2012 angelegten Verfahrens zur „Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern“.54 Zudem wurde die Experimentierphase zunächst bis Außerkrafttreten des GlüStV 2012 am 30. Juni 2021 verlängert.55

Die Zuständigkeit für das Sportwettkonzessionsverfahren lag unter dem 3. GlüÄndStV weiterhin beim Land Hessen, das gemäß § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GlüStV 2020 die Sportwettkonzessionen nach § 4a GlüStV 2020 mit Wirkung für alle Länder im ländereinheitlichen Verfahren erteilen sollte. Während das erste Sportwettkonzessionsverfahren noch von dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport als oberster Glücksspielaufsichtsbehörde des Landes Hessen durchgeführt wurde, entschied man sich in Hessen, die Zuständigkeit nun auf das Regierungspräsidium Darmstadt zu übertragen.56 Das Regierungspräsidium Darmstadt hatte nach Inkrafttreten des 2. GlüÄndStV bereits erfolgreich Erlaubnisse für die Veranstaltung und Vermittlung von Pferdewetten im Internet erteilt.

Trotz der vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof an der Entscheidungs- und Zuständigkeitsverteilung des GlüStV 2012 geäußerten Kritik blieb die verbindliche Entscheidung über die Konzessionserteilung auch unter dem 3. GlüÄndStV dem Glücksspielkollegium vorbehalten. Zwar wurde die Regelung in § 9a Abs. 5 Satz 2 GlüStV 2012, wonach das Glücksspielkollegium den nach § 9a Abs. 1 bis 3 zuständigen Behörden als Organ bei der Erfüllung ihrer Aufgaben diente, in § 9a Abs. 5 Satz 2 GlüStV 2020 wie folgt angepasst:

„Hierbei dient das Glücksspielkollegium den Ländern zur Umsetzung einer gemeinschaftlich auszuübenden Aufsicht der jeweiligen obersten Glücksspielaufsichtsbehörden.“

§ 9a Abs. 8 Satz 4 GlüStV 2020 sah jedoch weiterhin vor, dass die Beschlüsse des Glücksspielkollegiums für die nach § 9a Abs. 1 bis 3 GlüStV 2020 zuständigen Behörden bindend und von diesen innerhalb der von dem Glücksspielkollegium gesetzten Frist zu vollziehen sind.

Nachdem das Regierungspräsidium Darmstadt am 13. August 2019 und damit noch vor Inkrafttreten des 3. GlüÄndStV eine Informationsveranstaltung zu dem neuen Sportwettkonzessionsverfahren durchgeführt hatte, informierte es mit einem offenen, an „Anbieter von Sportwetten“ adressierten Brief vom 15. November 2019 erneut über die Durchführung des Konzessionsverfahrens. Erlaubnisanträge von Sportwettanbietern wurden bereits zu diesem Zeitpunkt entgegengenommen, jedoch erst seit dem 2. Januar 2020 bearbeitet.

51

Der neu gewählten schwarz-gelben Landesregierung gingen die Regelungen des 2. GlüÄndStV seinerzeit nicht weit genug. Man wollte den Glücksspielmarkt nahezu vollständig liberalisieren.

52

Vgl. hierzu

Becker

, ZfWG 2017, 446ff.

53

Vgl. Art. 1 Nr. 5 lit. b) 3. GlüÄndStV.

54

Vgl. Art. 1 Nr. 2 lit. d) 3. GlüÄndStV.

55

Vgl. Art. 1 Nr. 5 lit. a) aa) 3. GlüÄndStV. Im Falle einer Fortgeltung des GlüStV 2012 nach § 35 Abs. 2 sollte sich die Experimentierphase sogar bis zum 30. Juni 2024 verlängern.

56

Vgl. § 16 Abs. 3 HGlüG, wonach zuständige Behörde für die Erteilung einer Konzession zur Veranstaltung von Sportwetten nach § 4a Abs. 1 Satz 1 des Glücksspielstaatsvertrages das Regierungspräsidium Darmstadt ist.

8. Novellierung des Glücksspielmarktes durch den GlüStV 2021 und endgültige Liberalisierung der Sportwette

Während das Regierungspräsidium Darmstadt noch mit der Prüfung der Erlaubnisanträge befasst war, beschlossen die Länder auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 12. März 2020 eine weitere Novellierung des Glücksspielrechts in Gestalt des GlüStV 2021. Der am 1. Juli 2021 in Kraft getretene GlüStV 2021 lässt erstmalig die vorher gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 GlüStV 2020 verbotene Veranstaltung und den Eigenvertrieb von virtuellen Automatenspielen, Online-Poker und Online-Casinospielen zu. Für den Bereich der Sportwette sieht der GlüStV 2021 hingegen nur punktuelle Änderungen vor, wie etwa die Aufhebung der ursprünglich bis zum 30. Juni 2021 befristeten Experimentierklausel.57 Erlaubnisse für die Veranstaltung von Sportwetten sollen zukünftig zentral für alle Länder im Rahmen eines zahlenmäßig unbegrenzten Erlaubnisverfahrens erteilt werden.58 Die Zuständigkeit hierfür übernimmt ab dem 1. Januar 2023 die neu errichtete Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder vom Regierungspräsidium Darmstadt.59

Nur wenige Wochen nach der Ministerpräsidentenkonferenz am 12. März 2020 setzte das Verwaltungsgericht Darmstadt das Sportwettkonzessionsverfahren des Regierungspräsidiums Darmstadt auf den einstweiligen Rechtsschutzantrag eines österreichischen Sportwettanbieters hin vorläufig aus und stoppte die Erteilung von Sportwettkonzessionen damit bis auf weiteres.60 Diese am 1. April 2020 zunächst als sog. Tenorbeschluss ergangene und am 3. April 2020 um die Gründe ergänzte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Darmstadt kam für die meisten Beobachter des Sportwettkonzessionsverfahrens – zumindest zu diesem Zeitpunkt – überraschend.61 Die vom Gericht angenommene besondere Eilbedürftigkeit62 resultierte daraus, dass die ersten Sportwettkonzessionen dem Vernehmen nach bereits ausgefertigt bei dem Glücksspielkollegium lagen.

Bei näherer Analyse der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Darmstadt reiht sich diese in die Reihe der bisherigen Entscheidungen der hessischen Verwaltungsgerichte zum Sportwettkonzessionsverfahren ein. So kam auch das Verwaltungsgericht Darmstadt zu dem Befund, dass das im Januar 2020 gestartete Sportwettkonzessionsverfahren des Regierungspräsidiums Darmstadt nicht transparent und diskriminierungsfrei sei und somit gegen die in § 4b Abs. 1 GlüStV 2020 niedergelegten Vorgaben verstoße.63 Die Intransparenz und den diskriminierenden Charakter des Verfahrens machte das Gericht an vier zentralen Kritikpunkten fest.

Zum einen bemängelten die Richter die frühzeitige Information seitens des Regierungspräsidiums Darmstadt, die bereits im August 2019 und somit vor Inkrafttreten des 3. GlüÄndStV und dem Start des neuen Sportwettkonzessionsverfahrens am 1. Januar 2020 stattfand.

Mit der am 13. August 2019 vom Regierungspräsidium Darmstadt durchgeführten Informationsveranstaltung seien nur diejenigen Sportwettanbieter erreicht worden, die schon am deutschen Markt tätig waren.64 Es sei nicht sichergestellt gewesen, dass auch bislang nicht auf dem deutschen Markt aktive Sportwettanbieter hinreichend über das Verfahren informiert werden. Die bereits am Markt tätigen Anbieter erhielten so einen Vorteil, weil sie sich auf das neue Verfahren früher einstellen konnten und sogar schon Anträge entgegengenommen worden wären, wohingegen für die übrigen Interessenten gar nicht ersichtlich gewesen sei, wo und wie sie sich über das Verfahren informieren sollten.

Problematisch war zudem, dass das Regierungspräsidium Darmstadt im laufenden Verfahren auf Anfrage mehrerer Bewerber darauf hingewiesen hatte, dass sie einen Antrag auf Verringerung der – gemäß § 4c Abs. 3 Satz 2 GlüStV 2020 auf 5 Millionen Euro festgesetzten – Sicherheitsleistung stellen könnten, über den dann zu entschieden sei. Eine solche Verringerung der Sicherheitsleistung sei, so das Verwaltungsgericht Darmstadt, nicht mit § 4c Abs. 3 Satz 2 GlüStV 2020 vereinbar und widerspreche zudem dem Transparenzgebot, da mit einer solchen Verringerung entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung kein Wirtschaftsteilnehmer rechnen könne.65

Den diskriminierenden Charakter des Verfahrens machte das Verwaltungsgericht Darmstadt auch an dem Umstand fest, dass kein einheitlicher Zeitpunkt für den gemeinsamen Markteintritt der Konzessionsinhaber festgelegt worden sei.66 Vielmehr sei man von einem Markteintritt je nach Zeitpunkt der Genehmigungserteilung ausgegangen. Da ein Bewerber den Zeitpunkt der Konzessionserteilung und damit auch den Zeitpunkt seines Markteintritts kaum selbst beeinflussen könne, verhindere die bisherige Vorgehensweise gleiche Wettbewerbschancen für alle Bewerber. Für die ersten Bewerber nach der jetzt neu praktizierten Variante des Konzessionsverfahrens müsste es deshalb einen klaren Zeitpunkt geben, bis zu dem die Bewerbung vollständig vorzuliegen habe. Dies würde dann auch eine gemeinsame Bearbeitung und gleichzeitige Konzessionserteilung ermöglichen.

Schließlich bewertete das Verwaltungsgericht Darmstadt das Verfahren auch deshalb als intransparent, weil immer noch das Glücksspielkollegium gemäß § 9a Abs. 5 bis 8 GlüStV 2020 in nicht nachvollziehbarer Art und Weise in die Entscheidungen des Regierungspräsidiums Darmstadt im ländereinheitlichen Verfahren eingebunden sei.67 Die Rolle des Glücksspielkollegiums sei in § 9a Abs. 5 GlüStV 2020 nicht hinreichend transparent und nachvollziehbar umschrieben. So bleibe zum Beispiel offen, wie die Beschlüsse des Glücksspielkollegiums zustande kommen. Es herrsche eine unklare Aufgabenverteilung und es entziehe sich jeglicher Kontrolle, ob das Votum innerhalb des Organs willkürfrei und gemäß gesetzlicher Voraussetzungen zustande komme.

Aus regulierungspolitischer Sicht war die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Darmstadt ein herber Rückschlag. Nach dem Scheitern des ersten Sportwettkonzessionsverfahrens wurde die Erteilung von Sportwettkonzessionen wenige Jahre später ein zweites Mal – zumindest vorläufig – gestoppt. Um ein endgültiges Scheitern des Sportwettkonzessionsverfahrens abzuwenden, erhob das Land Hessen Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof. Währenddessen wurde die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten weiterhin geduldet.68

Am 9. Oktober 2020 hob der Hessische Verwaltungsgerichtshof überraschend den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 1. April 2020 auf.69 Noch am selben Tag wurden vom Regierungspräsidium Darmstadt 15 Sportwettkonzessionen an private Sportwettanbieter erteilt.70 Vorausgegangen war eine Vereinbarung der Antragstellerin in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt und ihren Verfahrensbevollmächtigten, die sich gegen eine Ausgleichszahlung bereit erklärten, den einstweiligen Rechtsschutzantrag zurückzunehmen, woraufhin der Hessische Verwaltungsgerichtshof den, der Konzessionserteilung entgegenstehenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 1. April 2020 umgehend aufhob.71

Die Konzessionserteilung stellt eine Zäsur in der wechselhaften Historie der staatlichen Sportwettregulierung dar, die mit dem Inkrafttreten des GlüStV 2021 am 1. Juli 2021 ihren vorläufigen Abschluss erreicht hat. Zukünftig können zahlenmäßig unbegrenzt Erlaubnisse72 für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten erteilt werden. Die Einzelheiten der Sportwettregulierung des GlüStV 2021 sollen im nachfolgenden Kapitel III dargestellt werden.

57

Wegen der Einzelheiten der Sportwettregulierung des GlüStV 2021, vgl. Kapitel III.

58

Vgl. Erläuterungen zum GlüStV 2021 (Stand: 23. September 2020), S. 26.

59

Vgl. § 27f Abs. 1 i.V.m. § 27p Abs. 1 Nr. 3 GlüStV 2021.

60

Vgl. VG Darmstadt, Beschl. v. 1. April 2020, 3 L 446/20.DA, zitiert nach juris. Siehe auch

Bringmann

, ZfWG 3/4/2020, 286ff.;

Stulz-Herrnstadt/Engelmann

, GRUR-Prax 2020, 246.

61

Vgl. hierzu

Bringmann

, ZfWG 3/4/2020, 286ff.

62

Vgl. hierzu VG Darmstadt, Beschl. v. 1. April 2020, 3 L 446/20.DA, Tz. 21 nach juris, wonach die Erteilung der ersten Konzessionen unmittelbar bevorstand.

63

Vgl. VG Darmstadt, Beschl. v. 1. April 2020, 3 L 446/20.DA, Tz. 30ff. nach juris.

64

Vgl. VG Darmstadt, Beschl. v. 1. April 2020, 3 L 446/20.DA, Tz. 34f. nach juris.

65

Vgl. VG Darmstadt, Beschl. v. 1. April 2020, 3 L 446/20.DA, Tz. 36 nach juris.

66

Vgl. VG Darmstadt, Beschl. v. 1. April 2020, 3 L 446/20.DA, Tz. 37ff. nach juris.

67

Vgl. VG Darmstadt, Beschl. v. 1. April 2020, 3 L 446/20.DA, Tz. 41ff. nach juris.

68

Vgl. hierzu die Veröffentlichung auf der Internetseite des Regierungspräsidiums Darmstadt, https://rp-darmstadt.hessen.de/sicherheit/gl%C3%BCcksspiel/sportwetten (zuletzt abgerufen am 5. September 2021).

69

Vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 9. Oktober 2020, 8 B 1111/20.

70

Vgl. https://dswv.de/erste-bundesweite-sportwettenerlaubnisse-erteilt/ (zuletzt abgerufen am 5. September 2021).

71

Zu den Hintergründen, vgl. https://www.redeker.de/de/presse/rsd-gelingt-coupzur-sportwettregulierung (zuletzt abgerufen am 5. September 2021).

72

Während der GlüStV 2012 und der 3. GlüÄndStV im Zusammenhang mit Sportwetten den Begriff der „Konzession“ verwendeten, spricht der GlüStV 2021 nun für sämtliche Glücksspielformen einheitlich von „Erlaubnis“.

III. Die Sportwettregulierung des GlüStV 2021

Nachdem in dem vorangegangenen Kapitel die Historie der staatlichen Regulierung von Sportwetten in Deutschland aufgearbeitet wurde, soll nachfolgend die derzeit geltende Sportwettregulierung unter dem GlüStV 2021 überblicksartig dargestellt werden. Neben einer einleitenden Erläuterung der wesentlichen Neuerungen des GlüStV 2021 (hierzu Ziffer 1) und einer Auseinandersetzung mit dem Sportwettbegriff des GlüStV 2021 (hierzu Ziffer 2) soll insbesondere das ländereinheitliche Erlaubnisverfahren für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten (hierzu Ziffer 3) Gegenstand der Betrachtung sein. Abschließend wird ein Blick auf die staatsvertragliche Regulierung von Wettvermittlungsstellen geworfen (hierzu Ziffer 4).

1. Wesentliche Neuerungen des GlüStV 2021

Mit dem am 1. Juli 2021 in Kraft getretenen und auf unbestimmte Zeit geschlossenen73 GlüStV 2021 haben die Länder einen weiteren Schritt in Richtung Liberalisierung des deutschen Glücksspielmarktes gemacht. Zentrale Neuregelung des GlüStV 2021 ist die weitgehende Lockerung des in § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 vorgesehenen Verbots der Veranstaltung und Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen im Internet. Neben Lotterien, Sportwetten und Pferdewetten dürfen zukünftig auch virtuelle Automatenspiele, Online-Poker und Online-Casinospiele im Internet veranstaltet und eigenvertrieben werden (vgl. § 4 Abs. 4 Satz 1 GlüStV 2021). Begründet wird die Legalisierung dieser Glücksspielformen von den Ländern damit, dass sich in diesen Bereichen trotz des bestehenden und höchstrichterlich bestätigten74 Internetverbots ein Schwarzmarkt im Internet gebildet habe,75 dessen Bekämpfung sich in den vergangenen Jahren als schwierig erwies.76

Der GlüStV 2021 soll nun erstmalig ein legales Angebot von virtuellen Automatenspielen, Online-Poker und Online-Casinospielen ermöglichen, um spielwilligen Personen eine weniger gefährliche Alternative zum bisherigen Schwarzmarkt zu bieten, in der Schutzmaßnahmen gegen Spielsucht, gegen Manipulationen und andere betrügerische Aktivitäten vorgeschrieben sind und tatsächlich durchgeführt werden (sog. Kanalisierung).77 Während das terrestrische Trennungsgebot für Sportwetten und Automatenspiel in § 21 Abs. 2 GlüStV 2021 beibehalten wird,78 dürfen gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 1 GlüStV 2021 unterschiedliche Glücksspielformen zukünftig sogar über dieselbe Internetdomain angeboten werden.79

Regulierungstechnisch sieht der GlüStV 2021 für virtuelle Automatenspiele und Online-Poker – analog zu der Regulierung der Sportwette – ein zahlenmäßig unbegrenztes Erlaubnismodell vor.80