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'Die Natur ist die stärkste Kraft. Im Einklang mit ihr geht man niemals verloren.' (Aus dem Vorwort von Jeanne Ruland) Zu allen Zeiten richteten Menschen ihr Leben an den Bewegungen der Sonne und des Mondes sowie den Geschehnissen im Tier- und Pflanzenreich aus. Dies bot ihnen nicht nur Orientierung im Lauf der Zeit, es band sie auch in die Rhythmen der Natur ein und brachte sie in Kontakt zu ihren Ahnen. Die acht wiederkehrenden Stationen gliedern das Jahr thematisch, energetisch und spirituell: die Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen sowie die traditionellen Mondfeste Brigid, Beltane, Lammas und Samhain. Brigitta de las Heras gibt uns ganz konkrete Vorschläge zur Gestaltung der Jahreskreisfeste an die Hand: Übungen, Rituale, Meditationen und Tänze. Nehmen wir die Natur ganz bewusst und achtsam wahr, und lernen wir uns selbst kennen!
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Seitenzahl: 403
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Brigitta de las Heras
Die Reise durch den Jahreskreis
Rituale, Fantasiereisen und Tänze zu den acht Jahreskreisfesten
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ISBN 978-3-8434-6243-3
Brigitta de las Heras:
Die Reise durch den Jahreskreis
Rituale, Fantasiereisen und Tänze zu den acht Jahreskreisfesten
© 2005, 2011, 2015 Schirner Verlag, Darmstadt
Umschlag: Murat Karaçay, Schirner
Redaktion: Kirsten Glück & Bastian Rittinghaus, Schirner
E-Book-Erstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt, Germany
www.schirner.com
1. E-Book-Auflage 2016
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten
Vorwort zur Neuausgabe von Jeanne Ruland
Einleitung
Dank
I. Teil Vorbereitung
Die Ebenen des Jahreskreises
1. Ebene: Der Jahreskreis als Symbol für die vier Himmelsrichtungen, die vier Elemente und die Mitte
2. Ebene: Der Jahreskreis als Abbild des Jahres mit den vier Jahreszeiten und den acht Jahreskreisfesten
3. Ebene: Der Jahreskreis als Symbol für einen Tag
4. Ebene: Der Jahreskreis als Symbol für die Lebensphasen des Menschen
5. Ebene: Der Jahreskreis als Heimat aller zwölf Tierkreiszeichen
6. Ebene: Analogien und Entsprechungen im Jahreskreis aus dem Mineral-, dem Pflanzen- und dem Tierreich
7. Ebene: Der Jahreskreis als Symbol für die Veränderungen der alltäglichen Lebensthemen
8. Ebene: Der Jahreskreis als Darstellung der unterschiedlichen Göttinnenaspekte
9. Ebene: Der Jahreskreis als Rahmen für Atem- und Bewegungsübungen, Tänze und Fantasiereisen
Aufbau der Kapitel zu den Jahreskreisfesten
Einen Jahreskreis sinnlich erfahren
Der Kreis
Einen Ort für die tägliche Meditation gestalten
Einen persönlichen Rückzugs- oder Meditationsplatz einrichten
Jeden Tag Zeit für mich selbst
Die Gestaltung Ihres Rückzugsortes
Mit Düften in andere Welten reisen
Stille und entspannende Klänge
Besondere Kleidung
Ein wiederkehrender Ablauf des Rückzugsrituals
Den Meditations- oder Rückzugskreis eröffnen
Den Meditations- oder Rückzugskreis schließen
Anregungen zur Gestaltung der acht Jahreskreisfeste
Vorbereitung I: Drei Tage sich selbst und die Umwelt bewusst wahrnehmen
Vorbereitung II: Ein Jahreskreisritual vorbereiten
Die Mitte
Ein Jahreskreisfest wird zum Ritual
Die Durchführung eines Jahreskreisrituals
Die Erfahrung der Frauen im Laufe des Jahres
II. Teil: Die Reise durch das Jahr
Die Zeit um Brigid – 2. Februar
Die Zeit um die Frühlingstagundnachtgleiche – 21. März
Die Zeit um Beltane – 1. Mai
Die Zeit um die Sommersonnenwende – 21. Juni
Die Zeit um Lammas – 2. August
Die Zeit um die Herbsttagundnachtgleiche – 21. September
Die Zeit um Samhain – 1. November
Die Zeit um die Wintersonnenwende – 21. Dezember
Anhang
Überblick über die acht Jahreskreisfeste
Göttinnen und Götter
Quellennachweis
Musikempfehlungen
Bildnachweis
»Respektiere die Kreise, in denen du dich bewegst.«
Jedes Fest war früher verbunden mit Himmel und Erde, den Bewegungen der Natur, der Pflanzen und Tiere, den Traditionen unserer Vorfahren und den feinstofflich wirkenden Kräften in der Natur und in uns. Zu allen Zeiten richteten sich die Menschen am Sonnen- und Mondstand aus, an den Sternen und der Bewegung unserer Erde sowie an den Geschehnissen in der Natur, die auch mit unserem Seelenleben verwoben sind. »Wie außen, so innen.« Auf diese Weise ist alles mit allem verbunden. Wenn wir in Einklang kommen mit dem Sonnenstand, der Erdbewegung, dem Mondzyklus und den Jahreszeiten, entsteht eine Art Flow, der uns durch das Jahr trägt und Sinnbild ist für die unterschiedlichsten Handlungen und Schwingungen zur rechten Zeit am rechten Ort. Jedes Jahreskreisfest gibt uns die Kraft, uns wieder auszurichten, zu besinnen und bewusst in einen weiteren Jahresabschnitt einzutreten.
Aufgrund der Technisierung und Globalisierung entfremden wir uns immer weiter von den Zyklen der Erde, die uns Kraft und Erneuerung schenken können und damit Gesundheit und Energie.
Das Buch von Brigitta de las Heras erlaubt uns einen tiefen Einblick in die 8 Feste des Jahres, zwischen denen jeweils 6 bis 7 Wochen liegen. Die Energie eines Festes ist schon davor spürbar und noch lange danach.
Durch das Feiern der Jahreskreisfeste bekommen wir ein gutes Gefühl für die Natur um uns herum, für unsere eigene Natur und für das Gesamtbild der Schöpfung, in die wir eingewoben sind. Wir verstärken unsere Wahrnehmung der Natur und unsere Intuition. Wir lernen, die Zeichen der Natur zu lesen und den unsichtbaren Pfaden der Seele zu folgen. Wir lernen, zu manifestieren, zu wandeln, Altes abzustreifen, uns mit dem Potenzial unserer Ahnen zu verbinden und das Licht des neuen Morgens zu empfangen.
Wir erfahren die auf- und abbauenden Kräfte der Natur und spüren deutlicher unseren eigenen Rhythmus, der uns durch das Leben trägt. Im Winter haben wir so z. B. kein Verlangen mehr nach Erdbeeren, sondern verstehen, dass es für alles die richtige Zeit gibt.
Im Einklang mit den 8 Festen im Jahreskreis verbinden wir uns mit dem Wissen unserer Ahnen. Wir spüren eine deutliche Führung und eine stärkere Verbindung mit uns selbst. Wir werden geradezu von einer Präsenz getragen, die uns den Raum schenkt, nach innen zu schauen, Zwiesprache zu halten und wahrzunehmen, wo wir stehen.
Ich feiere die Jahreskreisfeste mittlerweile seit über 20 Jahren. Mal mit anderen Menschen zusammen, mal für mich allein. Diese Feste sind für mich wie ein Kompass, der mir die Richtung für den nächsten Abschnitt vorgibt und mich so durch das Jahr trägt. Sie helfen mir, mich immer wieder neu auf die Einheit allen Seins und die schöpferischen Kräfte, die mich umgeben und in mir wirken, auszurichten, um wieder in meine Mitte zu kommen.
Ich kann jedem nur empfehlen, wenigstens ein Jahr lang im Kreis der Jahresfeste zu leben und die besonderen Qualitäten zu nutzen, sich von der Natur und der Einheit allen Seins berühren zu lassen, von ihr zu lernen und vom Fluss des Lebens getragen zu werden.
Dieses Buch ist wunderschön aufgebaut und gestaltet und gibt uns wunderbare Anregungen, mit denen wir die Feste und ihre Energien deutlicher wahrnehmen.
Meine Lehrerin sagte vor langer Zeit zu mir: »Richte dich an der Natur aus. Sie ist die stärkste Macht im Universum und geht weit über das Sichtbare hinaus. Alles andere ist vorübergehend.« Gerade in einer stark technisierten Welt, in der wir oft weder Tag noch Nacht, weder Wochenende noch Jahreszeiten bemerken, ist uns dies eine wichtige, wahre Aussage, die uns immer wieder hilft, den Blick auf das zu richten, was uns wirklich trägt und nährt. Die Natur ist und bleibt die stärkste Kraft. Im Einklang mit ihr geht man niemals verloren.
Viel Freude, neue Erkenntnisse und eigene Erfahrungen im Kreis der Jahresfeste
Jeanne Ruland, April 2015
Seit vielen Jahren begleite ich als Psychotherapeutin und Ausbilderin in Gestalttherapie Klienten und Ausbildungskandidaten auf ihrem persönlichen Weg der Weiterentwicklung und des Wachstums. Dabei beschäftigt mich seit Langem die Frage, welche Anregungen für den Alltag den in der Therapie oder Ausbildung intensivierten Entwicklungsprozess unterstützen könnten.
Ich weiß, dass es eine Vielzahl von Wegen gibt, die wir einschlagen können, um unser inneres Potenzial in Einklang mit der uns umgebenden Welt zu entfalten. So war bei meiner eigenen Suche die Entfaltung einer achtsamen und respektvollen Haltung mir selbst, meinen Mitmenschen und der Natur gegenüber, die im Alltag gelebt werden kann, ein wesentliches Anliegen. Vor allem aber ging es mir um die Erfahrung und Würdigung der weiblich-spirituellen Seite. Wie ich in vielen Übungsjahren erfahren habe, lässt diese sich durch eine meditative Haltung und einen achtsamen Zugang zu den Kräften der Natur, die sich stetig mit den Jahreszeiten wandelt, fördern. Wertvolle Unterstützung fand ich dabei in den Überlieferungen unserer Vormütter und Vorväter, in Göttinnenmythen und in lebendigen Ritualen.
Dabei wurde für mich im Laufe der Zeit die Einbindung des alltäglichen Lebens in die Jahreszeiten und die Natur zu einem heilsamen Weg zur persönlichen und spirituellen Entwicklung. Diesen lehrreichen Gang durch den Jahreskreis möchte ich in diesem Buch nun gern beschreiben und damit meinen Leserinnen und Lesern die Möglichkeit geben, selbst seine heilsame Kraft zu erleben.
Der Jahreskreis kann als ganzheitliches und anschauliches Modell sowohl für die unterschiedlichen Lebensfacetten als auch für die stetige Wandlung und Veränderung des Lebens dienen. Er zeigt unter anderem, …
… wie die Veränderungen in der Natur – Keimen, Wachsen, Blühen, Reifen und Vergehen – als Spiegelbilder innerer Wachstums- und Veränderungsprozesse gesehen werden können.
… wie durch eine achtsame Reise durch ein Jahr mithilfe von Meditationsübungen, Trancezuständen und Ritualen neue, heilsame und stärkende Erfahrungen gemacht werden können.
… wie das überlieferte Wissen unserer Ahninnen in Verbindung mit den Mythen der großen Göttinnen Impulse zur Entwicklung und Entfaltung eines neuen Selbstbewusstseins als Frau geben können.
In diesem Buch möchte ich Anregungen dazu geben, wie Sie den Jahreskreis und die Weisheit, die in ihm verborgen liegt, sinnlich erleben können. Es ist gedacht für Frauen und Männer, die auf ihrem Weg zu einem ganzheitlichen Wachstum ihrer Persönlichkeit vor allem ihr weiblich-intuitives Potenzial entwickeln wollen. Es ist außerdem für Menschen geeignet, die bereit sind, eine Reise durch ein Jahr mit allen Höhen und Tiefen anzutreten und dabei der Natur, dem Universum und sich selbst gegenüberzutreten – Menschen also, die auf diesem Weg mehr über sich und ihr Eingebundensein in die Rhythmen des Lebens erfahren wollen und die den Elementen, den Göttinnenmythen und den Überlieferungen unserer Ahnen auf eine neue Weise begegnen wollen.
Sie können diese Reise allein machen oder zusammen mit Freundinnen und Freunden. Ich selbst habe mich viele Jahre lang allein mit den Jahreszeiten und den Jahreskreisfesten beschäftigt. Danach habe ich etliche Jahreskreise zusammen mit Frauengruppen durchlebt. Beides hat mich auf seine Weise weitergebracht.
Seit Jahrzehnten beschäftige ich mich mit unterschiedlichen alternativen und ganzheitlichen Heilmethoden. Meine Lehrerinnen und Lehrer kamen aus östlichen und westlichen Traditionen.
Ich selbst und meine psychotherapeutische Arbeit wurden in erster Linie durch die Gestalttherapie geprägt, die einen lebendigen, ganzheitlichen und kreativen Ansatz vertritt. Diese Therapieform mit ihrer offenen und achtsamen Haltung, die den Kontakt und die Beziehungsfähigkeit fördert, ist für mich im Laufe der Jahre zur geistigen Heimat geworden. Darüber hinaus fühle ich mich bereichert durch die Erfahrungen mit Kräuter- und Steinheilkunde, diversen Meditationspraktiken, den therapeutischen Einsatz von Musik und kreativen Medien, Atem-, Entspannungs- und Bewegungsübungen, Fantasiereisen und Visualisierungen, Trancetechniken und -tänzen, Astrologie und Tarot.
Die schamanische Arbeit nach indianischen und sibirischen Traditionen eröffnete mir den Zugang zur »anderen Wirklichkeit«, der Welt hinter, neben oder unter unserer Alltagsrealität. Das uralte Wissen der Schamanen gab es in allen Kulturen und gibt es immer noch. Zentrale Themen sind dabei die Geheimnisse von Leben und Tod, die Schicksalswege der Seele und heilende Rituale. Wir alle tragen dieses Wissen als Ahnung noch in uns und können es neu beleben. Bei Workshops konnte ich erfahren, wie unterstützend dabei Aufenthalte, Übungen und Rituale im Freien sind.
Darüber hinaus beschäftigte ich mich jahrelang mit Mythen und Archetypen auf der Suche nach einem ganzheitlichen Frauenbild, das uns Frauen die patriarchalischen und monotheistischen Religionen nicht geben können. Denn um uns selbst in unserer Vielfältigkeit wertzuschätzen, ist es für uns Frauen wichtig, dass wir Weiblichkeit in einer göttlichen Form gespiegelt sehen und ein Vorbild in den unterschiedlichen Göttinnen finden können, nach deren Ebenbild wir geschaffen sind.
In den letzten Jahren habe ich zudem mit Familienaufstellungen wertvolle Erfahrungen sammeln können. Mir wurde klar, wie stark wir in das unsichtbar gewirkte Netz unserer Ahnen, unserer Vormütter und -väter, eingebunden sind und wie sehr sie unser Leben beeinflussen.
Dass Körper, Seele, Geist und Umwelt in einer ganzheitlichen Medizin und Psychotherapie berücksichtigt werden müssen, ist mittlerweile bekannt. Hinzu kam für mich die Erkenntnis, wie wichtig Spiritualität für den Heilungsprozess ist – die bewusst gelebte Erfahrung des Eingebundenseins in ein größeres Ganzes und die Verbindung mit allem, was existiert auf unserem Planeten. Vor allem für uns Frauen ist eine weibliche Spiritualität von unschätzbarem Wert, die sich in einem achtsamen, wertschätzenden und respektvollen Umgang mit uns selbst, mit anderen Frauen, mit den Überlieferungen unserer Ahnmütter und allem Lebendigen in der Natur äußert.
Die Spiritualität in diesem Sinne lässt sich, wie ich für mich erfahren habe, durch Rituale, Übungen, Meditationen und Trancen fördern, außerdem durch das Erleben von heilsamen Gruppenprozessen und durch die Erfahrung der Naturkräfte. Der Zugang zur Natur, die sich ständig mit den Jahreszeiten wandelt, hat mich dazu gebracht, die zyklischen Veränderungen im Inneren, im Bereich der Gefühle und Energien, und im Äußeren aufmerksamer wahrzunehmen. Manchmal habe ich mich von der Natur wie gerufen gefühlt, sie drängte mich, hinauszugehen und sie mit allen Sinnen wahrzunehmen, von ihr und ihrem ständigen Wandel zu lernen – und meine Erlebnisse mit alten Überlieferungen und Symbolen längst vergangener Kulturen zu vergleichen. Die Erfahrungen, die ich dabei machte, haben mich berührt und verändert, allmählich wurden mir weitere Zusammenhänge klar, die ich vorher so nicht gesehen hatte.
In unserer heutigen westlichen Kultur stellen wir uns das Jahr oder die Zeit als Linie vor, die von der Vergangenheit über die Gegenwart gradlinig in die Zukunft führt. In anderen Epochen oder in früheren Kulturen (z. B. bei den Kelten) wurden die Veränderungen der Zeit kreis- und spiralförmig wahrgenommen. Das Jahr wurde als Kreis angesehen, wobei das Ende eines Jahres gleichzeitig der Anfang des neuen Jahres war.
Der Jahreskreis beginnt nach einigen alten Überlieferungen mit der Wintersonnenwende im Dezember, der längsten Nacht und dem kürzesten Tag des Jahres. In unseren mitteleuropäischen Breiten nimmt ab diesem Zeitpunkt die Kraft der Sonne wie in einem aufsteigenden Bogen stetig zu. Tag für Tag wird es früher am Morgen hell und später am Abend dunkel – bis zum Höhepunkt oder Wendepunkt der Sonnenkraft, der Sommersonnenwende im Juni, dem längsten Tag und der kürzesten Nacht des Jahres. Zu diesem Zeitpunkt ändert sich die Richtung der Sonne wieder, täglich geht sie nun etwas später am Morgen auf und etwas früher am Abend wieder unter. Auch ihre Kraft nimmt stetig ab, bis sie wieder zu ihrem Wendepunkt bei der Wintersonnenwende zurückkehrt.
Die vergehenden Jahre können wir uns demnach vorstellen wie Kreise, die übereinanderliegen und sich zu einer Spirale fortentwickeln. In jedem Jahr gibt es einen Aufschwung des Lichts und der Sonnenkraft bis zur Sommersonnenwende, danach folgt der Abschwung des Lichts bis zur Wintersonnenwende. Doch nicht nur diese beiden wichtigen astronomischen Wendepunkte der Sonne, an denen heute noch der Winter- oder Sommerbeginn angesiedelt sind, wurden in früheren Zeiten beachtet. Auch die sogenannten Gleichgewichtspunkte, die Tagundnachtgleichen im Frühling und im Herbst, an denen der Tag und die Nacht gleich lang sind, wurden mit einem besonderen Fest bedacht. Hinzu kamen in den alten, vor allem den matriarchalischen Traditionen die vier Mondfeste, die den aufgehenden, den vollen, den abnehmenden und den dunklen Mond zu einer bestimmten Jahreszeit besonders ehrten. Denn der Mond wurde traditionellerweise dem weiblichen Prinzip zugeordnet.
Diese acht Stationen des Jahres, die im Abstand von ca. sechs Wochen liegen, sind die Jahreskreisfeste, die das Jahr wie Speichen ein Rad unterteilen. Sie werden in einem Kreis, dem Jahreskreis, abgebildet.
Zunächst habe ich mich, wie schon gesagt, viele Jahre lang allein praktisch und theoretisch mit dem stetigen Wandel der Jahreszeiten beschäftigt. Dazu gehören auch die Sonnen- und Mondstände, die Tierkreiszeichen und die besonderen Energien, die um die Jahreskreisfeste herum herrschen. Dann habe ich begonnen, meine Erfahrungen und mein Wissen mit anderen Frauen zu teilen. Das geschah in Form von Vorträgen und, indem ich die überlieferten Jahreskreisfeste mit interessierten Frauen in der Geborgenheit meines Gartens gefeiert habe, in dem viele alte und ehrwürdige Bäume stehen. Da viele von uns in Städten leben (auch ich lebe mitten im hektischen Getümmel des Rhein-Main-Gebiets) und von den zyklischen Veränderungen der Natur mehr oder weniger abgeschnitten sind, war dies ein guter Weg, uns der Natur und ihrer Energie wieder anzunähern.
Das Besondere an der Arbeit mit dem Jahreskreis ist, dass er nicht nur die ständigen, rhythmisch wiederkehrenden Veränderungen in der Natur erfahrbar macht, sondern uns auch erleben lässt, wie eng wir mit diesen Rhythmen verbunden sind, wie sehr unser Erleben und Fühlen, unser Wach- und Schlafrhythmus, unsere Energieressourcen und unsere Lebensfreude mit den Veränderungen in der Natur korrespondieren. Diese Zusammenhänge können wir erleben, wenn wir uns die Zeit gewähren, sie wahrzunehmen.
Darüber hinaus kann der Jahreskreis auch als ein Symbol oder eine Metapher für den Lebenszyklus des Menschen von der Geburt bis zum Tod angesehen werden. Weiterhin bildet der Jahreskreis, wie alle ganzheitlichen Weisheitslehren überall auf der Welt, die Himmelsrichtungen, die Elemente und das geistige Zentrum im Mittelpunkt ab. Er integriert zudem den astrologischen Tierkreis, der ein ausgefeiltes System von Analogien enthält, Projektionen der Planetenkräfte auf alle Ebenen des Lebens. So lassen sich die Planetenkräfte, die wiederum Projektionen der Urkräfte des Lebens sind, sowohl im Mineralreich als auch im Tier- und Pflanzenreich wiederfinden.
Im Jahreskreis lassen sich außerdem die unterschiedlichen Aspekte der Göttinnenkräfte – die Amazone, die Künstlerin und Wissenschaftlerin, die Liebende, die Mutter, die Königin, die Wächterin, die Magierin und die Alte Weise – zuordnen und abbilden.
Die Jahreskreisfeste, die acht Stationen im Kreis eines Jahres, können für uns Anlass sein, innezuhalten und uns auf die jeweilige Jahreszeit, die Energie in der Natur und in uns selbst zu besinnen. So hat die Arbeit mit dem Jahreskreis, mit seinen vielfältigen Facetten und Ebenen, mir und vielen anderen Frauen wertvolle Erfahrungen vermittelt:
Wenn wir die immer wiederkehrenden Veränderungen der Natur im Laufe eines Jahres oder mehrerer Jahre bewusst wahrnehmen und erleben, können wir eine vertrauensvolle Einstellung zu uns und unserem Leben entwickeln.
Das stetige Kreisen, das rhythmische Auf und Ab gibt uns die Möglichkeit, uns rechtzeitig auf die Veränderungen einzustellen und mit der Energie zu fließen. So fällt es uns mit der Zeit auch leichter, nicht mehr gegen unaufhaltsame Veränderungen anzukämpfen. Wir können lernen, mit uns, unseren Gefühlen und mit dem stetigen Wandel des Lebens besser umzugehen.
Das Einbeziehen der unterschiedlichen Aspekte der großen Göttinnen aus den verschiedenen Zeitepochen und Kulturen gibt uns zum einen ein größeres Verständnis dafür, dass alle Religionen ähnliche spirituelle Wurzeln haben, und zum anderen gibt es uns ein neues Selbstverständnis als Frau.
Wir werden angstfreier, toleranter und selbstsicherer, denn wir erleben unser Eingebundensein in etwas Größeres, in den ganzheitlichen, rhythmischen Tanz des Lebens.
Wir entwickeln eine achtsame und respektvolle Haltung zu allem, was auf unserem Planeten existiert, denn wir spüren unsere Zugehörigkeit zu und unsere Verbindung mit dem Universum
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Am Beispiel des Jahreskreises mit seinem stetigen Wandel, den unterschiedlichen Jahreszeiten, werden sowohl das Immerwiederkehrende, das Beständige, das Kreisende als auch die Veränderung, die wir uns spiralförmig vorstellen können, erfahrbar und verständlich.
In jedem Jahr wiederholen sich die Jahreszeiten, und dennoch ist jedes Jahr neu und einmalig. Nichts kann sich genau so wiederholen, wie es im vorangegangenen Jahr war. Ebenso ist es auch mit unserer Entwicklung, auch sie verläuft nicht gradlinig, sondern spiralförmig. Immer wieder begegnen wir Lebensthemen, Beziehungskonflikten oder Gefühlen, von denen wir dachten, dass sie schon längst abgehakt seien. Und oft sind wir darüber enttäuscht. Der Unterschied ist, dass wir jedes Mal besser damit umgehen können. Wie einer meiner Lehrer es einmal formulierte: Entwicklung besteht darin, dass wir immer früher merken, dass wir schon wieder in ein altes Muster geraten sind.
Der Jahreskreis und die Natur lehren uns somit eine ganzheitliche Sicht der Dinge: dass alles sich dreht, in ständiger Bewegung ist; dass in jedem Anfang schon ein Ende und in jedem Ende der Anfang von etwas Neuem liegt; dass Hell und Dunkel, Fülle und Leere, Sonne und Mond, Weiblich und Männlich zusammengehören – und dass das eine nicht ohne das andere existieren kann.
Die grundlegende Weisheit des Lebens können wir ganz real erfahren, wenn wir uns auf eine achtsame Reise durch ein Jahr begeben und mit allen Sinnen die Natur und die Welt um uns herum erleben. Damit können wir auch Zugang zu den spirituellen Energien finden, die uns immer und an jedem Ort umgeben.
Wir erfahren auch, dass die in unserer Zeit und Kultur vorherrschende Sicht- und Denkweise – dass alles im Leben immer nur besser, größer, schneller und mehr werden kann; dass wir heute viel klüger als alle Generationen vor uns sind; und dass die Vorherrschaft einer Religion oder Kultur berechtigt ist – nicht stimmt. Denn alle Facetten des Lebens gehören zusammen und bilden ein großes harmonisches Muster. Alle Lebensformen in unserem Universum – vom Wassertropfen über Steine, Pflanzen, Tiere, selbst unsere Erde und die Planeten – bestehen aus sich ständig wandelnden Energiemustern, die sich gestalten und wieder auflösen. Als Teil davon sind wir eingebettet in einen kosmischen Ozean von ständig durch Zeit und Raum fließenden und wirbelnden Energieströmungen. Die Welt um uns und in uns ist ein unendlicher Tanz der zwei gegensätzlichen und dennoch harmonischen Energien, der Kräfte von Yin und Yang. Dieses Wechselspiel und die Beziehung zwischen den verschiedenen Energiemustern unterliegen einer kosmischen Ordnung, die in einem unendlichen Tanz dieser Energien hergestellt und wieder aufgelöst wird.
Erfahren können wir weiterhin, wie intensiv und stärkend die Kräfte der Natur sein können, wenn wir uns achtsam für sie öffnen. Wir können spüren, wie sehr wir gestützt und getragen werden von den »Dingen hinter den Dingen«, den Schöpfungs- oder göttlichen Kräften, den Lebensenergien oder dem »Spirit«, den Geistwesen, Engeln oder den Elfen – egal, wie wir sie nennen wollen.
Und noch eine Erfahrung können wir machen: Indem wir uns zentrieren und bestimmte überlieferte Übungen, Rituale und Bewegungen ausführen, können wir tief hineinspüren in längst vergangene Zeiten und an die Erfahrung und das Wissen alter Kulturen anknüpfen – Kulturen, in denen das Weibliche, in all seinen Facetten, einen hohen Stellenwert hatte, geachtet und geschätzt wurde. Nichts geht wirklich verloren, das ist die tröstliche Botschaft, die durch die Jahrhunderte bis heute wirkt. Es ist, als ob die alten Göttinnen oder Ahninnen nur darauf gewartet hätten, die heutigen Frauen wieder Anteil am alten Wissen um Spiritualität und die Kraft des Frauseins nehmen zu lassen.
Schamanen aus unterschiedlichen Kulturen sprechen von der »Anderen Wirklichkeit«, von der Welt der Geistwesen, die in den Elementen, Tieren, Pflanzen und Steinen im Universum wohnen und die gern mit unserer alltäglichen Welt und mit uns in Berührung kommen. Sie suchen den Kontakt zu uns und begleiten uns bei unserer Suche nach tiefem, erfahrbarem Wissen und der Weisheit des Lebens. Zu ihnen, den Genien von Kraftorten, den Krafttieren oder den Wesen der Bäume, Blüten und anderen Pflanzen, können wir mithilfe von Achtsamkeit und leichten Trancezuständen Kontakt aufnehmen. Trancen sind anders, als wir oft denken, sie sind Bewusstseinszustände, in die wir uns relativ leicht versetzen können. Am bekanntesten dürfte uns die negative Trance sein, in die wir oft im Alltag hineingeraten, indem wir uns immer wieder einreden, wie schlecht wir uns fühlen oder wie schlecht es uns geht.
Die Fähigkeit, positive Trancezustände zu erleben, die uns wach und offen machen für ungewöhnliche Sichtweisen, Erfahrungen und neue Dimensionen, ist allen Menschen angeboren. Diese Trancen, die manchmal mit monotoner Trommel- oder Rasselmusik, durch Singen einfacher Tonfolgen oder Vokale, durch gleichförmige Bewegungen und rhythmische Tänze oder durch bewusst gestaltete Rituale hervorgerufen werden, helfen uns dabei, sowohl die Kräfte unserer Ahninnen wieder zu spüren als auch Kontakt mit den Mysterien längst vergangener Göttinnenkulturen aufzunehmen. Diese einfachen Trancen, die unsere gewohnte Wahrnehmung verändern, können uns bei unserer Suche nach einem neuen, ganzheitlichen Verständnis von Weiblichkeit unterstützen.
Wichtig dabei ist die Einstellung, die wir zu den Kräften und Wesen der anderen Wirklichkeit haben: Wir sollten ihnen möglichst achtsam und mit Respekt begegnen und uns an die egalitären Regeln der Anderswelt halten, die besagen, dass alle Existenzweisen im Kosmos die gleiche Wichtigkeit und Bedeutung haben, es also keine Hierarchien oder Herrschaft gibt.
Alles, was existiert, hat die Aufgabe, an der Harmonie und Schönheit der Schöpfung mitzuwirken, auch wir Menschen. Darum sollten wir uns in der anderen Wirklichkeit auch angemessen, also wie Gäste, verhalten und uns für die Geschenke, die wir auf Trancereisen bekommen, bedanken und auch von uns etwas schenken. Das können Gaben wie Milch, Maismehl, Süßspeisen, Tabak oder Blumen, aber auch ein Tanz, ein Bild oder ein Lied sein.
Die Ethnologin Dr.Felicitas D. Goodman hat mit ihren Forschungen gezeigt, dass alle Menschen die Fähigkeit und oft auch eine tiefe Seelensehnsucht danach haben, in andere Bewusstseinszustände überzuwechseln. Sie zeigt, wie wir durch bestimmte Körperhaltungen in Verbindung mit rhythmisch-akustischen Anregungen einen veränderten Bewusstseinszustand, eine sogenannte religiöse Trance, erfahren, der uns Zugang zu einer anderen, als heilig oder göttlich empfundenen Wirklichkeit gewährt.
Die Trancetanzarbeit von Kaye Hoffman hat mich dazu inspiriert, die von ihr beschriebenen Göttinnen- und Göttertänze in den Jahreskreis einzuflechten. Zusammen mit der Musik von Rolf Exler und Bewegung gelang es mir und den Teilnehmerinnen an den Ritualen, in tiefen Kontakt mit den Urmustern des Lebens zu kommen.
Durch die verfeinerte Beobachtung und Wahrnehmung von dem, was ist, können wir uns auch selbst besser kennen- und verstehen lernen. Denn wir können im Laufe eines Jahres auch in unsere inneren Weltenreisen: in jene oft versteckten Winkel unserer verdrängten Gefühle und Emotionen, zu unserer ungezähmten oder dunklen Schwester in uns, die uns aus dem Untergrund oft mehr bewegt und steuert, als uns lieb ist.
Eine Reise durch den Jahreskreis kann zu einer Reise ins Labyrinth unserer eigenen Seele werden. Dabei können wir unsere verletzten Gefühle heilen und alle Seiten, auch unsere destruktiven und ungeliebten, kennenlernen und integrieren, damit wir ganz und heil werden.
Da der Jahreskreis, wie schon erwähnt, auch ein Symbol für die Abfolge der Lebensphasen ist, können wir bestimmte Themen jedes Jahr neu anschauen und neu erleben: Geburt, Kindheit, Jugend, Erotik und Sinnlichkeit, Partnerschaft und Fruchtbarkeit, Mütterlichkeit und Reife, Bilanzziehen und Abschiednehmen, aber auch Verluste, Einsamkeit, Ängste, Loslassenmüssen und Sterben. Indem wir uns jedes Jahr aufs Neue diesen elementaren Lebensthemen stellen, die in den Veränderungen der Natur erlebbar sind, können wir eigene, nicht glücklich verlaufene Stationen und Übergänge mithilfe der gerade vorhandenen Energien in der Natur neu wahrnehmen, erfahren und gestalten.
Im Laufe des Jahres können wir lernen, mit kleinen Ritualen, die sich auf unseren Alltag beziehen, bewusst im Fluss der Energie der jeweiligen Jahreszeit zu sein. Hier können wir auch gut an die Traditionen unserer Mütter und Großmütter anknüpfen, die in früheren Zeiten noch viel intensiver mit dem Wandel der Natur verbunden waren. Sie stellten sich auf die Witterungsbedingungen, die veränderten Temperaturen und Sonnen- und Lichtverhältnisse im Verlauf des Jahres ein und richteten ihre Arbeiten in Haus und Garten danach aus. Auch ihre Essgewohnheiten waren eng mit der jeweiligen Jahreszeit verbunden, denn es wurden vor allem die Früchte der Saison und der Region verwendet. Dieser enge Kontakt mit den jahreszeitlichen Veränderungen gab ihnen Halt und Gewissheit sowie ein elementares Wissen um die ständigen Bewegungen des Lebens.
Die Anregungen zu alltäglichen Ritualen, die ich in diesem Buch beschreibe, setzen sich zusammen aus dem Wissen und der Erfahrung der Teilnehmerinnen an den von mir ausgerichteten Jahreskreisfesten und dem Wissen meiner Großmutter und meiner Mutter, die in den bäuerlichen Traditionen ihrer verlorenen Heimat, dem Sudetenland, verwurzelt waren. Sie vermittelten mir ihr Wissen über die Heilkraft der Pflanzen und Bäume sowie den achtsamen und sparsamen Umgang mit den Ressourcen der Natur.
Als Nachkriegskind und aufgezogen von meiner Großmutter, die ein respektvolles Verhältnis zur Natur hatte, kam ich schon früh in Kontakt mit der bäuerlichen Einstellung, dass alle Gaben der Natur, auch alle Reste, verwertet werden müssen. Meine Großmutter lehrte mich, das alltägliche Leben (Kochen, Backen, Waschen, Nähen, Einkochen) im Einklang mit den Jahreszeiten zu gestalten und einen Haushalt nach ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten zu führen. Meine Mutter, die Lehrerin war, lehrte mich kreative und handwerkliche Künste wie Sticken, Stricken, Weben oder Batiken. Aber sie brachte mir auch viele Pflanzennamen bei sowie die traditionelle Verwendung von Pflanzen, beispielsweise bei Unwohlsein bzw. Krankheiten jeder Art. Die Frauen aus den ländlichen Regionen mussten früher, da Ärzte oft weit weg wohnten, über ein großes Wissen über Hausmittel für Tier und Mensch verfügen, um im Notfall schnell Hilfe zu leisten. Bei jedem Spaziergang war es eine Freude für meine Mutter, all die Pflanzen, Bäume und Sträucher am Wegesrand benennen zu können und sich mit meiner Großmutter darüber auszutauschen, wofür dieses oder jenes Kraut früher verwendet wurde. Beide erzählten darüber hinaus liebend gern Märchen und Sagen.
Doch auch mein Vater, der aus Ungarn stammte, hat mich stark geprägt, insbesondere mit seiner Liebe zum Leben, zur Musik und zum Tanz sowie seiner Fähigkeit, zu träumen und immer wieder neu zu beginnen.
Neben den kleinen Alltagsritualen, wie ich sie bezeichnen würde, die in vielen Familien von Generation zu Generation weitergegeben werden, gibt es noch die großen Rituale.
Große Rituale bieten sich an bei großen Veränderungen und Übergängen im Leben. Dazu gehören der Eintritt in die Pubertät oder das Ende der fruchtbaren Zeit im Leben der Frau, der Beginn und das Ende der Schulzeit, der Arbeitsbeginn oder der Eintritt ins Rentenalter, die Hochzeit oder die Scheidung, die Geburt eines Kindes und sein Entlassen ins Leben, und natürlich auch Krisenzeiten, Umzüge, Verluste, schwere Krankheiten oder die Begleitung Sterbender auf ihrem letzten Weg.
In tief greifenden Veränderungsphasen, die oft starke Ängste und Verunsicherung auslösen, brauchen wir Halt und Zuversicht. Diese können wir durch ein Ritual gewinnen, in dem wir uns aufgehoben, getragen und geschützt fühlen.
Auch wenn die christlichen Kirchen in der heutigen Zeit an Bedeutung verloren haben – ihre großen Rituale (Hochzeit, Taufe, Kommunion, Konfirmation, Beerdigung) werden von vielen Menschen nicht von ungefähr immer noch in Anspruch genommen. Doch viele Menschen sind heute auf der Suche nach lebendigen Ritualen, die nicht von kirchlichem Denken durchwirkt sind. Und so gibt es viele Versuche, neue Rituale zu entwickeln oder an alten, vorchristlichen anzuknüpfen und sie mit Freunden und Freundinnen durchzuführen.
Rituale, die in einem bestimmten Raum, in einer festgelegten Zeit und mit einer verlässlichen Struktur ablaufen, helfen uns unter anderem dabei, uns aus der Welt des Alltäglichen in einen veränderten Bewusstseinszustand zu begeben, wo wir neue und bedeutsame Erfahrungen machen können. Diesen Raum vorzubereiten und Rituale als Rahmen für tief gehende Selbsterfahrungs- und ganzheitliche Heilungsprozesse zu erschaffen, ist eines meiner Anliegen in diesem Buch.
Doch es geht in diesem Buch vorwiegend um alltägliche Rituale, die sich im Laufe der Jahre immer wiederholen und uns in ihrer Beständigkeit und Vorhersehbarkeit Sicherheit und Vertrauen ins Leben schenken.
Alle Rituale haben die Eigenschaft, dass sie uns mit etwas Größerem verbinden, das über uns hinausgeht, womit wir Anteil nehmen können am Religiösen. Bei vielen Menschen dürstet die Seele nach einer konkret erfahrbaren Religiosität und Spiritualität, nach Sinn und Bedeutung, nach Gemeinschaft und intensivem Erleben. Lebendige Rituale, die wir selbst entwickeln, abwandeln und immer wieder neu erschaffen, die mehr oder weniger an überliefertes Wissen angelehnt sein können, schenken uns eine tiefe religiöse Erfahrung, die unsere Seele nährt.
Indem wir die Reise durch den Jahreskreis antreten, sich das Außen und Innen, die Realität und die Imagination, die Theorie und die Praxis miteinander verweben lassen, wir einen Sinn in uns und der uns umgebenden Natur spüren, können wir letztlich vertrauensvoll heimfinden in unser eigenes Zentrum, unsere Mitte oder unser Selbst. In dieser Mitte finden wir dann auch unseren innersten Wesenskern und die göttliche Kraft, die uns wiederum mit allen Formen und Erscheinungen des Lebens verbindet.
Je mehr wir durch die Übungen und durch unsere Erfahrungen unsere Sinne schärfen, wieder lernen, uns auf unsere eigenen Beobachtungen, unser Erleben und unsere Intuition zu verlassen, desto eigenständiger, selbstbewusster und selbstsicherer werden wir als Frau oder Mann. Spiritualität im Alltag, in dem hier beschriebenen Sinn, lässt uns verantwortlicher und bewusster sowohl mit uns selbst als auch mit den Problemen in der Welt umgehen.
Der Wunsch der Frauen, die an meinen Jahreskreisfesten teilnahmen, nach einem Zusammenfassen und Erinnern an die Erfahrungen, die wir dabei gemacht haben, haben mich dazu ermutigt, alles aufzuschreiben und weiterzugeben.
Mit diesem Buch möchte ich deshalb interessierte Frauen und Männer einladen, sich anregen und inspirieren zu lassen, entweder allein oder mit anderen zusammen im Alltag eine spirituelle Reise durch den Jahreskreis zu unternehmen und dabei den Mysterien des Lebens zu begegnen.
Sie können das Buch oder einzelne Kapitel einfach nur lesen oder darin nachschlagen, wenn Sie ein Jahreskreisfest, eine Heilpflanze oder eine Göttin interessiert. Mehr haben Sie allerdings davon, wenn Sie sich angewöhnen, sich täglich Zeit für sich selbst zu nehmen und eine der beschriebenen Übungen und Meditationen auszuprobieren. Dies ist manchmal mühevoll, doch der Gewinn, den sie daraus ziehen können, wird die Mühe aufwiegen.
Ich wünsche Ihnen viele wertvolle und heilsame Erfahrungen mit den Kräften und Energien der Göttinnen, mit den Jahreszeiten, Elementen, Bäumen, Steinen, Pflanzen und Tieren.
Brigitta de las Heras, August 2004
Ich danke den Frauen, die meine Vorträge zum Thema Rituale und Jahreskreisfeste besucht und mir im Gespräch viele Anregungen und wertvolle Hinweise gegeben haben.
Mein besonderer Dank gilt den Frauen, die bei den Jahreskreisfesten dabei waren und mitgeholfen haben, vor allem danke ich Jutta, die uns mit köstlichem Essen versorgte. Aber auch den anderen Frauen sei Dank für das Vertrauen und die Mitarbeit, aufgrund derer wir gemeinsam heilsame Erfahrungen machen konnten.
Weiterhin danke ich ganz besonders den Frauen und Männern, die sich in der heutigen Zeit aufrichtig um die Heilung der menschlichen Seele, um die Achtung der Erfahrung unserer Ahnen und um ein wertschätzendes Zusammenleben aller Lebewesen auf diesem Planeten bemühen. Ganz besonders danke ich meinen Lehrerinnen und Lehrern, die mir auf meinem bisherigen Lebensweg begegnet sind. Hervorheben möchte ich vor allem Dr.Victor Chu, Dr.Felicitas D. Goodman, Dr.Robert Langlotz und die Schamanin Noora Gröger.
Ich danke auch den Frauen und Männern, die vor uns da waren, die ihr Wissen überliefert haben, die mit ihren Büchern, Liedern, Tänzen und Kunstwerken daran mitgewirkt haben, dass wir heute uns selbst und das Leben vielfältiger verstehen und würdigen können.
Ich danke all den Göttinnen, den hilfreichen Geistwesen aus der anderen Wirklichkeit und den elementaren Energien, die wir ahnen und spüren können, wenn wir still werden, uns einlassen auf ihre Sprache, und die uns so reich beschenken, wenn wir ihnen mit Achtsamkeit und Respekt begegnen. Ich danke auch den Engeln, Baumwesen und Blumenelfen und den Tieren in meinem Garten, die immer bei uns waren.
Ein Jahreskreis aus Ziegelsteinen, mit den Himmelsrichtungen, den Elementen, den Jahreskreisfesten und den zwölf Tierkreiszeichen.
Der Jahreskreis mit seinen acht Eckpunkten, den Jahreskreisfesten, kann uns dabei helfen, unser eigenes Leben bewusster zu erleben und zu gestalten. Indem wir die natürlichen Veränderungen im Jahreszyklus erfahren und uns auf die Energie der Jahreszeiten einschwingen, haben wir die Möglichkeit, die Veränderungen in unserem Leben leichter wahrzunehmen und vertrauensvoller zu verarbeiten. Denn wir können sowohl die ständige Wiederholung der Jahreszeiten als auch die Abwechslung, das immer Neue, erfahren. Und dadurch, dass wir die unterschiedlichen Ebenen oder Facetten des Jahreskreismodells wahrnehmen, können wir uns selbst eingebettet in einen ganzheitlichen lebendigen Prozess erfahren.
Der Jahreskreis umfasst die vier Elemente Luft, Feuer, Wasser und Erde, weiterhin die vier Himmelsrichtungen Osten, Süden, Westen und Norden. Der Mittelpunkt des Kreises stellt die Quelle allen Seins, das Göttliche oder die Ganzheit dar.
Die Luft ist im Osten angesiedelt, das Feuer im Süden, das Wasser im Westen und die Erde im Norden.
In allen Weisheitslehren der Welt werden die Elemente den Himmelsrichtungen zugeordnet; wie dies erfolgt, ist nicht überall gleich. So wird in manchen Traditionen dem Norden die Luft oder dem Süden die Erde zugeordnet. Bei der hier vorgestellten Zuordnung beziehe ich mich auf die keltische Tradition.
Neben den vier Elementen können auch die vier Jahreszeiten den Himmelsrichtungen zugeordnet werden: der Winter dem Norden, der Frühling dem Osten, der Sommer dem Süden und der Herbst dem Westen.
Der Beginn der jeweiligen Jahreszeit wird durch ein Fest markiert: Wintersonnenwende, Frühlingstagundnachtgleiche (Frühlingsequinox), Sommersonnenwende, Herbsttagundnachtgleiche (Herbstequinox).
Der Frühlingsbeginn liegt, wenn wir einen Jahreskreis bildlich darstellen oder mit Steinen legen, im Osten, der Beginn des Sommers im Süden, der Herbstbeginn im Westen und der Winterbeginn im Norden. Diese vier Feste orientieren sich am Sonnenstand und sind daher Sonnenfeste.
Zwischen diesen vier Eckpunkten liegen die vier Mondfeste: im Nordosten der aufgehende Mond, im Südosten der volle Mond, im Südwesten der abnehmende Mond, im Nordwesten der dunkle, unsichtbare Mond (Neumond). Diese Feste haben, in Anlehnung an die Tradition der Kelten oder Druiden, die Bezeichnungen Brigid, Beltane, Lammas und Samhain.
2. Ebene: Der Jahreskreis als Abbild des Jahres mit den vier Jahreszeiten und den acht Jahreskreisfesten
Der Jahreskreis mit seinen acht Eckpunkten ist nicht zuletzt ein Abbild für jeden einzelnen Tag: Morgendämmerung, Sonnenaufgang, Vormittag, Mittag, Nachmittag, Sonnenuntergang, Abend, Mitternacht. Dabei sind die Morgendämmerung im Nordosten, der Sonnenaufgang im Osten, der Vormittag im Südosten, der Mittag im Süden, der Nachmittag im Südwesten, der Sonnenuntergang im Westen, der späte Abend im Nordwesten und die Mitternacht im Norden angesiedelt.
3. Ebene: Der Jahreskreis als Symbol für einen Tag
Der Jahreskreis kann weiterhin ein Abbild der Lebensphasen des Menschen sein: von der Geburt über das Wachsen und Reifen bis hin zum Tod. Hierbei liegen die Geburt im Norden, die Kindheit im Nordosten, das junge Erwachsensein im Osten, Paarbildung, Liebe und Fruchtbarkeit im Südosten, Mütterlichkeit, Selbstausdruck und Lebensmitte im Süden, Reife und Autorität im Südwesten, Übergang in den Ruhestand, Integration der Lebenserfahrung und neue Ordnung im Westen, Alter und Wissen um Verlust und Tod im Nordwesten, Weisheit, Spiritualität, Ende und Neuanfang im Norden.
In jedem Jahr können wir die besondere Energie der Jahreszeit, die symbolisch für eine Lebensphase steht, neu erleben und erfahren, egal, wie alt wir gerade sind: Beim Brigidfest können wir besonders leicht Zugang zum inneren Kind finden. Bei der Frühlingstagundnachtgleiche können wir die kreative, sprühende Energie der jungen Frau spüren. Beim Beltanefest sind wir der sinnlich-lebensfrohen und sexuellen Energie der jungen erwachsenen Frau ganz nahe. Bei der Sommersonnenwende können wir die Lebens- und Schöpfungskraft und die mütterlich nährende Kraft erfahren. Beim Lammasfest können wir uns mit Themen beschäftigen wie ernten, Grenzen setzen, Entscheidungen treffen und unsere eigene Autorität entwickeln. Bei der Herbsttagundnachtgleiche können wir in jedem Jahr Bilanz ziehen und das Erlebte integrieren. Beim Samhainfest haben wir Gelegenheit, uns mit dem Thema Übergang und Tod auseinanderzusetzen. Und bei der Wintersonnenwende bricht in der Stille der Nacht ein neuer Zyklus an.
Die hier vorgestellten Zeitangaben orientieren sich an der astrologischen Einteilung des Lebenskreises. Im Tierkreis, der aus 12 Feldern besteht, stellt jedes Feld einen Zeitraum von 7 Jahren dar (eine Veränderung der Lebensthemen im Siebenjahresrhythmus ist vielen Kulturen gemein). So besteht im astrologischen Denken ein Lebenszyklus aus durchschnittlich 84 Jahren. Wie wir noch sehen werden, liegen die Achsen Tod/Geburt und Lebensmitte mit 42 Jahren sowie junges Erwachsensein mit 21 Jahren und Neuordnungszeit mit 63 Jahren parallel zur Einteilung des Tierkreises, lassen sich also im Siebenjahresrhythmus abbilden. Die dazwischenliegenden Mondfeste liegen hingegen mitten in einem Tierkreisfeld (Wassermann, Stier, Löwe, Skorpion), deshalb gelten die Zeitangaben für 7 Jahre plus 3,5 Jahre.
Der Jahreskreis umfasst auch die Tierkreiszeichen der Astrologie. Die Astrologie ist eine alte ganzheitliche Lehre, die davon ausgeht, dass die Sonnen- und Mondenergien im Laufe eines Monats oder eines Jahres nicht nur zu- oder abnehmen, sondern dass sie durch das jeweilige Tierkreiszeichen, durch das die Himmelskörper sich gerade bewegen, eine veränderte Färbung annehmen.
Weiterhin hat die Astrologie eine Fülle von Zuordnungen und Analogien entwickelt, nach denen die symbolische Energie der Planeten und der Tierkreiszeichen sich auf allen Ebenen des Lebens wiederfinden lässt. Auf der Ebene der Mineralien, Pflanzen, Bäume, Tiere und Menschen sind überall die gleichen Prinzipien zu finden. So symbolisiert zum Beispiel Saturn das Prinzip von Hemmung, Verlangsamung und Strukturbildung. Diese Energie wird nach der astrologischen Lehre nun im Pflanzenreich durch das Zinnkraut oder die Tanne, im Tierreich durch den Steinbock, im Reich der Mineralien durch den Onyx dargestellt. Auf der menschlichen Ebene drückt sich dieses Prinzip im Knochengerüst und im Alter aus.
Einen ersten einfachen Zugang zur Astrologie können Sie gewinnen, wenn Sie sich vorstellen, dass in jedem Tierkreiszeichen die Energie entweder mehr nach innen und zu inneren Prozessen führt oder mehr nach außen in die Welt geht. Dies geschieht im Wechsel: Ein Zeichen geht nach außen, das nächste wieder nach innen. Die Lebensthemen, die durch den Tierkreis symbolisiert werden, entwickeln sich vom Ich zum Du über die Integration in die Gesellschaft bis hin zum Loslassen im Tod und dem Beginn eines neuen Zyklus.
Im Folgenden stelle ich Ihnen den Jahreskreis mit den Tierkreiszeichen und der astrologischen Einteilung in den Siebenjahresrhythmus des menschlichen Lebens sowie die Jahreskreisfeste kurz vor. Die Abbildung des Jahreskreises weicht dabei von der üblichen Darstellung in der Astrologie ab, die normalerweise den Süden oder die Himmelsmitte (Sommersonnenwende) oben auf dem Blatt darstellt. Demzufolge sind dann derOsten oder der Frühlingsbeginn auf der linken Seite, der Westen oder der Herbstbeginn auf der rechten und die Wintersonnenwende unten auf dem Kreis dargestellt. Inhaltlich ändert sich dadurch aber nichts, allein die Perspektive ist eine andere.
Sehen wir uns den Tierkreis unter diesem einfachen Aspekt an: Der Tierkreis beginnt, anders als der Jahreskreis, der bei der Wintersonnenwende beginnt, bei der Frühlingstagundnachtgleiche mit dem Zeichen Widder , einem Feuerzeichen. Die Energie des Widders geht nach außen, setzt sich ungestüm, eigenwillig und spontan durch. Danach kommt das Zeichen Stier , ein Erdzeichen, in dem die Energie nach innen geht, was sich darin ausdrückt, dass man Grenzen zieht und sich bemüht, das Leben mit allen Sinnen zu erfahren. Im Zeichen Zwillinge , einem Luftzeichen, geht die Energie wieder nach außen, und zwar in die Bereiche Wissen aufnehmen, weitergeben und kommunizieren.
Am Übergang zum Wasserzeichen Krebs ist die Sommersonnenwende angesiedelt. Im Krebs geht die Energie nach innen in den wechselvollen Gefühlsbereich und in die seelische Auseinandersetzung mit der äußeren Welt. Im nächsten Zeichen, Löwe , einem Feuerzeichen, wird die Energie nach außen gewendet, indem die Persönlichkeit sich kraftvoll und strahlend ausdrückt. Das folgende Zeichen ist das Erdzeichen Jungfrau , bei dem die Energie nach innen fließt, in Richtung Verarbeitung und Integration von allem bisher Aufgenommenen und Gelernten sowie Anpassung an die Umwelt.
Am Übergang zum Luftzeichen Waage liegt die Herbsttagundnachtgleiche. Die Waage bringt ihre Energie wieder nach außen, wobei es hier darum geht, den anderen zu verstehen, Beziehungen herzustellen, Harmonie und Ausgewogenheit zur Entfaltung zu bringen. Im Skorpion , einem Wasserzeichen, wendet sich die Energie nach innen, in die dunklen Tiefen der Gefühle und Leidenschaften, und ruft intensive Wandlungs- und Transformationsprozesse hervor, auch in der emotionalen Begegnung mit dem Partner. Im Zeichen Schütze , einem Feuerzeichen, geht die Energie nach außen, jetzt jedoch in den geistig-philosophischen und religiösen Bereich.
Am Übergang zum Steinbock , einem Erdzeichen, liegt die Wintersonnenwende. Im Steinbock geht die Energie nun wieder nach innen, ist strukturierend, normsetzend und orientiert sich am Wohl der Gemeinschaft. Die nun folgende Energie des Wassermanns , eines Luftzeichens, geht nach außen in die Befreiung von einschränkenden Normen und Traditionen, hier geht es um Toleranz und Menschlichkeit. Im Wasserzeichen Fische wendet sich die Energie nach innen, in die tiefen kollektiven und kosmischen Gefühle des Loslassens und des Einverstandenseins.
Hier endet der Tierkreis und beginnt aufs Neue mit dem Thema des Widders.
Auch die Sonne und der Mond durchlaufen diese Themen zyklisch und geben uns dadurch die Möglichkeit, uns immer wieder auf sie einzustellen, durch die Auseinandersetzung mit ihnen zu lernen und uns von ihnen inspirieren zu lassen.
Wie der Jahreskreis umfasst der Tierkreis alle Themen des Werdens und Vergehens, doch die beiden Kreise fallen nicht zusammen: Der Jahreskreis beginnt im Winter, der Tierkreis im Frühling. Es ist so, als ob beide Kreise über- oder untereinander lägen und sich durchwirkten, wobei mal der eine, mal der andere im Vordergrund steht.
Im Kreismodell des Jahreskreises lassen sich in Anlehnung an die astrologischen Lehren viele Verknüpfungen herstellen. So können bestimmte Farben und Mineralien, Tiere, Bäume und Pflanzen den Energien um die Jahreskreisfeste zugeordnet werden. Zum einen sind diese Verknüpfungen angelehnt an die Lehren der Astrologie, zum anderen beruhen sie auf meinen eigenen Erfahrungen sowie auf dem Wissen aus verschiedenen östlichen und westlichen Traditionen.
In dieser Übersicht sind einige wichtige Farben, Mineralien, Tiere, Bäume und Pflanzen dargestellt. In den jeweiligen Kapiteln zu den Jahreskreisfesten und in der Zusammenfassung finden Sie noch ausführlichere Informationen zu dieser Ebene.
6. Ebene: Analogien und Entsprechungen im Jahreskreis aus dem Mineral-, dem Pflanzen- und dem Tierreich
Der Jahreskreis gibt uns wichtige Anstöße, wie wir die jeweiligen Energien der Jahreszeiten bewusst erleben und umsetzen können. Viele der Anregungen für Alltagsrituale, für das, was wir in dieser Zeit tun können und wie wir die Energien sinnvoll umsetzen können, knüpfen an meine eigenen Erfahrungen und Ideen der Teilnehmerinnen meiner Jahreskreisfeste an.
Der Jahreskreis kann als Abfolge verschiedener Alltagsthemen angesehen werden. Hier mein Vorschlag:
Im Jahreskreis lassen sich die alten Mythen und Märchen von starken, weisen und kraftvollen Frauen, die in der jeweiligen Jahreszeit oder in einem bestimmten Lebensalter spürbar werden können, einordnen und abbilden. Die überlieferten Geschichten von klugen, mutigen und machtvollen Göttinnen, Feen oder Ahnfrauen wurden im Laufe der patriarchalischen Geschichte verfremdet und gerieten allmählich in den Hintergrund; heute haben sie kaum noch Bedeutung für uns.
Die christliche Religion bietet uns seit Jahrhunderten als Frauenbild – neben der jungfräulichen Mutter Maria (einem verdrehten Rudiment der einst weltweit verehrten Weltenmutter) – die besonders verdienstvollen und schließlich heiliggesprochenen Märtyrerinnen an, die für den christlichen Glauben gestorben sind oder sich geopfert haben. Frauen sind in diesem Umfeld vor allem in ihrer Leidensfähigkeit und ihrer Zweitrangigkeit präsent. Ihre Aufgabe ist es, keusch, asexuell und demütig zu sein, Kinder unter Schmerzen zu gebären und sich der männlichen Vorherrschaft, der Dreifaltigkeit von Gottvater, Sohn und Heiligem Geist, unterzuordnen.
In unserer heutigen westlichen Kultur wurde das Frausein lange Zeit entweder auf die junge, den gängigen Schönheitsidealen entsprechende Frau reduziert oder auf die treusorgende mütterliche Frau, die stets für andere da sein soll. Heute kommt noch die freizügige, sexuell unverkrampfte und erfolgreiche Karrierefrau als Leitbild hinzu. Doch Frausein hat sehr viel mehr Facetten und Dimensionen. Und unsere Seele braucht Mythen und Archetypen mit weiblicher Kraft, Bedeutung und Vielfalt, um sich entfalten zu können – ganzheitliche Mythen von Göttinnen, die alle Möglichkeiten und Emotionen leben und nach deren Bild wir geschaffen sind. Sie können uns Mut machen und unser Vertrauen in die weibliche Kraft fördern.
In der Literatur oder der frühen Kunst lassen sich die großen ganzheitlichen Göttinnen meist in drei Aspekte gegliedert wiederfinden: die junge, unabhängige Göttin in ihrem weißen Aspekt, die Amazone, die dem aufgehenden Mond zugeordnet wird; die sinnliche, fruchtbare und mütterliche Göttin in ihrem roten Aspekt, die dem vollen Mond zugeordnet wird; und die alte, weise Göttin des Todes und der Unterwelt in ihrem schwarzen Aspekt, die Alte, die dem dunklen Mond zugeordnet wird. Was bei dieser Einteilung häufig nicht beachtet wird, ist die abnehmende Mondsichel, die Göttin als Schnitterin, in ihrem schwarz-roten Aspekt, die zur rechten Zeit machtvoll, klar und entschieden die Ernte einholt. Sie symbolisiert die Zeit nach der Fruchtbarkeit der Frau, in der neue und wichtige gesellschaftliche und spirituelle Aufgaben von ihr übernommen werden.
»Die Symbolik der Göttin hat vor allem das Mysterium von Geburt, Tod und Erneuerung des Lebens zum Thema, nicht nur des menschlichen, sondern allen Lebens auf der Erde und im gesamten Kosmos … In der Kunst (der frühen Ackerbaukulturen in Europa) drückt sich das in den Zeichen dynamischer Bewegung aus: in Windungen und Krümmungen von Spiralen, Schlangen, in Kreisen, Mondsicheln, Widderhörnern, keimenden Saaten und Schösslingen. Die Schlange war ein Symbol der Lebenskraft.« (Vgl. M. Gimbutas: Die Sprache der Göttin)
In den überlieferten Mythen und Göttinnengeschichten wird Frausein vielfältig und lebendig dargestellt. Frauen haben darin unabhängig von einem Mann Macht, Würde und Autorität. Da gibt es die jungen, freien und intellektuellen, die kämpferischen Amazonen. Dann sind da die Frauen, die Frauen lieben, und die sinnlich-erotischen und lustvollen Frauen genauso wie die Frauen, denen die Beziehungen zu einem Mann und Mutterschaft wichtig sind. Und es gibt Bilder von älteren, reifen, eigenständigen, mächtigen und unerschrockenen Frauen, die mit ihrer Weisheit und Würde Autorität haben und Anerkennung und Respekt verdienen.
Die Grazien verkörpern zusammen Kunst, Tanz, Musik und Liebe
In den alten ganzheitlichen Mythen haben alle Emotionen einen Platz und dürfen sein, nicht nur die sogenannten positiven wie Liebe, Freundlichkeit und Friedfertigkeit, sondern auch die weniger angesehenen wie Wut, Neid und Zerstörungskraft. In diesen Mythen hat auch jedes Lebensalter der Menschen einen Platz und wird geachtet. Vor allem werden alle Altersstufen der Frau, die eingebunden sind in den rhythmischen und zyklischen Ablauf des Lebens, benannt und gewürdigt.