Die Salonièren und die Salons in Wien - Helga Peham - E-Book

Die Salonièren und die Salons in Wien E-Book

Helga Peham

4,8

Beschreibung

Während der Aufklärung erreicht die Salonkultur endlich auch Wien. Für die Damen der Gesellschaft, für Dichter und andere Künstler wird der Salon zum Brennpunkt der Diskussion. Hier werden neue Theorien erprobt, Kunstwerke präsentiert, hier wird leidenschaftlich diskutiert. Charlotte und Hofrat von Greiner – sie Maria Theresias Privatsekretärin, er bald ein hoher Beamter der mariatheresianisch-josephinisch-leopoldinischen Epoche – gründen den ersten Wiener Salon. Ihre Tochter, die Schriftstellerin Karoline Pichler, eröffnet später ihren eigenen Salon. Tonangebend um die Zeit des Wiener Kongresses ist neben Pichlers Salon jener der Fanny von Arnstein. In der Zeit des Biedermeier bekommen manche Salons eine betont musikalische Note – Musik ist weniger riskant als Worte. Im Zuge des aufkeimenden Liberalismus entstehen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahlreiche berühmte Salons, die um 1900 zur Hochblüte gedeihen – auch ein Zentrum für den Austausch mit anderen Städten wie Berlin und Paris. Vertreibung und Zweiter Weltkrieg beenden das Salonleben.

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HELGA PEHAM

Die Salonièren

und die Salons

in Wien

200 JAHRE GESCHICHTE EINER BESONDEREN INSTITUTION

Alma Mahler-Werfel im Jahre 1909. Foto von Madame d’Ora.

INHALTSVERZEICHNIS

Cover

Titel

Salons entstehen und Salonièren entwickeln sich

Charlotte von Greiner

Fanny von Arnstein

Karoline Pichler

Henriette Pereira, die Häuser Eskeles, Weckbecker, Rothschild und Metternich

Josephine von Wertheimstein

Rosa von Gerold

Berta Zuckerkandl

Alma Mahler-Werfel und Anna Mahler

Marie Lang, Lina Loos, Gina Kaus, Grete Wiesenthal

Eugenie Schwarzwald

Fußnoten

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Danksagung

Impressum

SALONS ENTSTEHEN UND SALONIÈREN ENTWICKELN SICH

Ein Salon bildet sich um eine gebildete, geistreiche Frau, die Salonière. Die Besucher treffen einander mehr oder minder regelmäßig, die Geselligkeitsform ist das Gespräch mit dem Ziel, neues Wissen aufzunehmen, weiterzuentwickeln und weiterzugeben.

Der ursprüngliche Salon beginnt Anfang des 17.Jahrhunderts in der Pariser Aristokratie. Die Kultivierung der feinen Lebensart, der Sitten und der Sprache, und der Kontakt mit Künstlern und Wissenschaftern bleiben jedoch innerhalb dieser Elite und erzielen keine Wirkung nach außen.

In Wien setzt das Salonleben in den 70er-Jahren des 18.Jahrhunderts ein. Der erste Kreis bildet sich um das Ehepaar Charlotte und Franz Greiner. Im Salon Fanny von Arnsteins treffen Adelige, Geschäftsleute, Gelehrte, Künstler und Damen der Gesellschaft aufeinander. Karoline Pichler umgibt sich mit angesehenen Beamten und deren Familien, Kavalieren, Gelehrten und Künstlern. Um 1800 und zur Zeit des Wiener Kongresses 1814/​15 erlebt der Wiener Salon eine erste Hochblüte, er dauert bis zur Mitte des 20.Jahrhunderts.

Der Begriff „Salon“ entstammt der repräsentativen Architektur, er wird in die bürgerliche Wohnkultur übernommen, als die bürgerliche Repräsentation die aristokratische ablöst. Ohne das Salonleben wären die prachtvollen Ringstraßenbauten nicht entstanden. Ab der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts findet man Salons als Geselligkeitsformen im Bereich zwischen privater und öffentlicher Sphäre, das ist das Emanzipatorische daran. Der Hochadel grenzt sich zu dieser Zeit noch streng vom niederen Adel und den bürgerlichen Schichten ab. Durch das starre Festhalten an Althergebrachtem und das Abgrenzen gegenüber neuen Einflüssen, bleibt die Hocharistokratie meist unberührt von gesellschaftlichen Entwicklungen. Merkmal für die Zugehörigkeit zur Hocharistokratie sei die Zahl der adeligen Vorfahren, berichtet 1796 ein Reisender, der von Riga aus nach Wien fährt. Niemand könne die Salons der Hocharistokratie betreten, „den nicht Rang und Geburt dazu berechtigen, und die Häuser sind immer noch selten genug, die hierin bey verdienstvollen Gelehrten und Künstlern eine Ausnahme machen“.1

Zusehends öffnen sich die Gesellschaften des niederen Adels, der sich ständig durch Nobilitierungen erweitert, dem aufstrebenden Bürgertum, und es bildet sich die Zweite Gesellschaft heraus. Man blickt auf den Hochadel und kopiert ihn, ist jedoch gesellschaftlich weit geöffnet. Aufgeklärte Wien-Reisende werden rasch in die Geselligkeit integriert und von Salon zu Salon herumgereicht, sobald sie eingeführt sind. Bankiers, Wissenschafter, höhere Beamte, Künstler und Offiziere kommunizieren miteinander. Im 18.Jahrhundert, das vom Geist der Aufklärung stark geprägt ist, distanziert man sich zunehmend vom Hof und bespricht politische Themen. Der politische Salontyp entsteht. Es bilden sich Interessengemeinschaften, und gebildete Bürger nehmen gleichberechtigt an den Salongesprächen teil.

Ideen und Ideale, „cognitiv“ akzentuierte Geselligkeiten bilden den Kern von Salons mit dem Ziel, gewisse Kunstrichtungen oder politische Ideen philosophischer Schulen zu diskutieren. Die Salonière bringt intellektuelle Fähigkeiten mit und verfügt, meist durch den Ehemann, über die materiellen Voraussetzungen, ein entsprechendes Ambiente, Räumlichkeiten sowie über das notwendige Personal, um eine solche Gesellschaft zu geben, in der und durch die sie anerkannt ist. Zu den hervorstechenden Eigenschaften einer Salonière gehören organisatorisches Geschick, Kontaktfreudigkeit, ein großes Interesse an Menschen und die Fähigkeit, einen intellektuellen Diskurs zu führen. Dem Ehemann ist eine untergeordnete Rolle im Salon zugeteilt, obwohl er als Geldgeber fungiert, „Salonunternehmerin“ ist die Salonière. Oft übernimmt ein Habitué den männlichen Part im Salon, oder es steht der Dame des Hauses eine herausragende Persönlichkeit zur Seite – ein großer Schriftsteller, ein tonangebender Philosoph–, die dem Gespräch eine Richtung gibt. Die regelmäßigen Zusammenkünfte ermöglichen es, dass ein Thema vertieft, der Gesprächsfaden wieder aufgenommen wird. Ist zunächst die kommunikative Begegnung der primäre Zweck, so ändert sich die Dynamik mit dem Beginn der Aufklärung und man will den Gesprächspartner überzeugen. Die Argumentation gewinnt an Raum. Die Salondame bezieht Position.

Universalität ist wichtig, die Themenpalette erstreckt sich von Literatur über Philosophie, Musik, Kunst hin zu politischen Ereignissen und kleinen Skandalen. Mit Beginn der Aufklärung entwickelt sich der Salon zu einer Plattform für Künstler und Publikum und zum Ort, der Einfluss auf das Schaffen eines Schriftstellers oder Musikers ausübt. Philosophische, wissenschaftliche und religiöse Fragen werden im Sinne der Aufklärung zu Themen. Der neue Stil ist geistreich, witzig, elegant.

Die Zweite Gesellschaft ist eine lernende Gesellschaft, ihre Salons sind die Akademien, in denen Wissen aufgenommen und weitergegeben wird. Gebildete Frauen sind bildungshungrig, ihnen ist es aber in Österreich verwehrt, an der Universität zu studieren. So holen sie sich kulturelle und wissenschaftliche Weiterbildung ins Haus und sammeln einen Kreis von Persönlichkeiten aller Schichten und Sparten um sich. Wissenschafter, führende Persönlichkeiten, Künstler verschiedenster Richtungen leisten ihren Beitrag zur Weiterbildung im Gespräch, im Vortrag, zur Ausbildung und Verfeinerung der Sinne.

Der Salon bildet „einen Freiraum von materiellen oder ideologischen Interessen. Die alleinige Motivation der Gäste ist es, einander zu respektieren, zu fördern und zu bilden.“2 Ein ästhetisches Element kann hinzukommen: Gedichte und Schriften aller Art werden vorgetragen, Theaterstücke aufgeführt, Musikabende gestaltet.

Statt rückwärts zu schauen, wie es vielfach in den hochadeligen Kreisen der Ersten Gesellschaft Usus ist, trachtet man in den Salons des aufstrebenden Bürgertums nach Erweiterung des Geistes, unabhängig vom Stand, in den man hineingeboren ist.

Die Salonière hat einen großen Anteil an diesem Bildungsangebot, denn sie stellt die Besucherliste aus Habitués und Besuchern zusammen, die zur geistigen Bereicherung aktiv beitragen. Die meist heterogene Zusammensetzung der Gäste zwingt sie, ein „auf situative Harmonie“ bedachtes Verhalten zu beherrschen. Dadurch gelingt im Salon eine Art von Gleichberechtigung, die anderswo nicht zu finden ist: Das bürgerliche Rollenmodell steht gleichberechtigt neben dem aristokratischen und das weibliche neben dem männlichen. Die erotische Komponente in der Begegnung zieht sich wie ein roter Faden durch die europäische Salonkultur.

Führte in Wien den ersten bürgerlichen Salon: Charlotte von Greiner. Anonyme Bleistiftzeichnung nach einer Miniatur.

CHARLOTTE VON GREINER (1739–1815)

Charlotte von Greiner, geborene Hieronymus, führt den ersten bürgerlichen Salon in Wien.3 In der eleganten Wohnung steht ihr berühmtes Kanapee, von dem aus sie abends Gäste empfängt und geistvolle Diskussionen anregt. Charlotte ist von Jugend an Maria Theresias Vorleserin und Kammerfrau. Der Hof ist ihr Zuhause, wo sie unter der Obhut der Kaiserin, von deren Obersthofmeisterin, der Gräfin Fuchs, und in der Gesellschaft von Erzherzoginnen und Erzherzogen aufwächst. Vor diesem Hintergrund ist es zu verstehen, dass sie den ersten Salon Wiens entwickelt und zur Blüte bringt.

Charlotte ist die Tochter des aus Hannover stammenden protestantischen Leutnants Augustus Siegfridus und seiner Frau Anna Elisabetha Hieronymus, sie wird am 14.April 1739 in Brod in Slawonien (heute Slavonski Brod, Kroatien) geboren. Der Vater hat das Privileg, Frau und Kind an seinen Dienstort mitzunehmen und durch das Regiment verpflegen zu lassen. Eine solche Eheschließung der „ersten Art“ ist eher selten, nur wenigen wird dieses Recht erteilt. Bei allen anderen Eheschließungen von Militärangehörigen darf die Familie nicht mitkommen.

Zwei Tage nach ihrer Geburt wird Charlotte getauft. Es heißt, dass ihre Mutter in Ödenburg (heute Sopron, Ungarn) gestorben sei, bei der Geburt oder kurz danach. Im April 1744 kommt sie mit dem Regiment ihres Vaters aus Ungarn nach Wien, wo dieser kurz darauf an Lungenbrand, einer damals tödlich verlaufenden Krankheit, stirbt. Er lässt ein unmündiges Kind zurück. „Der Vater hatte das kleine, kaum fünfjährige Mädchen bei sich, zog mit ihm und dem Regimente – mühsam genug, wie man [sich] denken kann – auf ungarischen Dörfern umher, und kam zuletzt… nach Wien. Hier erkrankte er schwer und starb nach kurzer Zeit, das unmündige Kind unter lauter fremden Menschen, fremden Glaubens (denn mein Großvater war protestantisch), im fremden Lande zurücklassend. ‚Du armes Kind, was wird aus dir werden!’ waren seine letzten schmerzlichen Worte zu der kleinen Charlotte (so hieß meine Mutter) gewesen, die sich ihrem kindischen Gedächtnis unauslöschlich eingeprägt hatten.“4 So berichtet Karoline Pichler, die Tochter Charlottes, in ihren Memoiren.

Maria Theresias Mutter Elisabeth Christine entstammt der Familie Braunschweig-Wolfenbüttel. Charlottes Vater hat dem Regiment Wolfenbüttel angehört. Das mag das Mitgefühl der Kaiserin erweckt haben, als sie die Geschichte der kleinen Waisen von ihrer Kammerfrau erfährt. Nach einigen Tagen findet man das Mädchen, nimmt es auf und erzieht es im katholischen Glauben. Religiöse Erziehung ist Maria Theresia besonders wichtig.

Charlotte spielt oft mit den Kindern der Kaiserin und nimmt gelegentlich an deren Unterricht teil. Sie erhalten eine strenge, dennoch ausgesprochen moderne Erziehung, Naturereignisse wie Gewitter werden ihnen wissenschaftlich erklärt.

Charlotte lernt lesen, schreiben, rechnen. Bald kann sie Druck- und Handschriften gut entziffern. Schließlich beherrscht sie die ungarische Geschäftssprache Latein, Französisch, die Sprache der Gebildeten und der Diplomatie sowie der belgischen Provinzen, und Italienisch, die Sprache, die im Großherzogtum Toskana und in Mailand gesprochen wird.

Obersthofmeisterin Karolina Reichsgräfin von Fuchs kümmert sich um Charlotte und erzieht sie zur Vorleserin der Kaiserin, für die sie als Lieblingskammerdienerin und persönliche Sekretärin immer unentbehrlicher wird. Am kaiserlichen Hof lernt sie die vornehme Lebensart kennen. Sie ist schön und klug, ihre Interessen sind breit gestreut.

Am 22.Februar 1782 schreibt Charlotte an den Theologen, Philosophen und Schriftsteller Johann Caspar Lavater über ihr Leben am Hof: „Ich war bei Hof erzogen, oder besser zu sagen mir selbst überlassen. Von meinen zwölften Jahr an brauchte mich die Kayserin zum Vorlesen und dann zu allen Geschäften die nur immer bei einer Selbstregierenden Frau vorfallen können… Die vielen Kränkungen die ich in denen Jahren die bei anderen Mädchen die angenehmsten sind, erlitten, haben in Ermanglung einer vernünftigen Erziehung das meiste zu meiner Bildung beigetragen, ich lernte früh mir selbst alles zu sein.“ Aus dieser Briefstelle klingen Einsamkeit und Bitterkeit. Charlotte erlebt die Realität des Lebens am Hof. Sie fühlt sich als Zuschauerin hinter der Bühne, lernt dabei früh, auf sich achtzugeben, und entwickelt ein starkes Selbstbewusstsein. „Und da ich auf diesen grossen Schauplaz keine Rolle spielen wolte, so stand ich hinter der Courtine, und sah alle die Räder, Federn und Seile, die die Machine in Bewegung brachten, sah alle die Schminke all das Flittergold, mit denen man den Zuschauer täuschte.“ Später schreibt ihre Tochter Karoline: „Meiner Mutter ungewöhnlich lebhafter und durchdringender Geist fühlte bald die Schranken, welche die Beschränktheit ihrer Umgebungen demselben anlegte. Sie dürstete nach Kenntnissen, nach gründlichen Erklärungen der Dinge oder Begebenheiten, die sie um sich sah, und sie benutzte die Besuche einiger älterer, gebildeter Männer, welche in das Haus ihrer Erzieherin kamen, um von ihnen Antwort auf die Fragen zu erhalten, welche sich ihr während der Zeit aufgedrängt, und die sie sich deshalb aufzuschreiben pflegte. So strebte ihr Geist weit über ihre Lage, über ihre Gefährtinnen hinaus, und bildete sich meist aus sich selbst.“

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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