Die Schlüpferakademie - Susan Zeun - E-Book

Die Schlüpferakademie E-Book

Susan Zeun

0,0
14,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Infektionen in der Intimzone treffen fast jede Frau, trotzdem werden sie stark tabuisiert. Blasenentzündungen und Scheidenjucken sind keine Themen, die fröhlich in der Öffentlichkeit diskutiert werden – das soll sich mit der ›Schlüpferakademie‹ ändern. In ihrer Praxis erlebt Dr. med. Susan Zeun täglich, womit sich ihre Patientinnen herumschlagen, und weiß, was wirklich hilft. Locker und anschaulich vermittelt die Fachärztin für klinische Pharmakologie und Expertin für Phytotherapie in der Frauenheilkunde wertvolles Wissen rund um Harnwegs-, Vulva- und Vaginalinfekte, schaut Mutter Natur in die Karten und unseren Vorfahrinnen unter den Rock. Dabei hinterfragt sie, inwieweit auch unsere Lebensweise frauenspezifische Beschwerden begünstigt, und liefert zahlreiche Tipps, mit welchen einfachen pflanzlichen Mitteln diese effektiv und nachhaltig gelindert oder bestenfalls ganz verhindert werden können. Ein Buch, auf das viele Frauen gewartet haben! - Frauentypische Beschwerden verstehen, vorbeugen und verhindern - Alles über Intimgesundheit und den gezielten Einsatz von Heilpflanzen – mit Rezepturen und Erste-Hilfe-Tipps - Dr. med. Susan Zeun spricht offen und unverkrampft über schambehaftete Themen rund um Vulva und Vagina

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 235

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



„Nach manchen Wochenenden – vor allem im Frühjahr oder Sommer, an denen es häufiger zu Intimkontakten kommt – steht mein Praxistelefon nicht still. Die Anfragen ähneln sich: Es geht um Blasenentzündungen, Pilz- oder Herpesinfektionen. Viele Frauen hadern mit sich und ihrem Körper, denn in der Regel treten die Beschwerden immer wieder auf. Konventionelle Therapien wie Antibiotika haben sie häufig schon mehrfach hinter sich.

Aus meiner Sicht bestand daher ein dringender Bedarf, das Thema Intimgesundheit umfassend zu bearbeiten, mit Mythen aufzuräumen und den Ursachen – angefangen bei der Wahl des Slips über falsche Ernährung bis hin zu übertriebenen Hygienemaßnahmen – genauer nachzugehen. Nach der Lektüre der Schlüpferakademie werden Betroffene ein breiteres Verständnis der Beschwerden haben, Hilfsmittel wie den ‚Steam to go‘ und zahlreiche Pflanzen kennen, die sinnvoll vorbeugend helfen oder im Rahmen einer Selbstbehandlung eingesetzt werden können.“

Dr. med. Susan Zeun ist Fachärztin für Klinische Pharmakologie mit Spezialisierung auf Phytotherapie. Sie ist seit über zwanzig Jahren in der Entwicklung von Medikamenten in der Frauenheilkunde tätig und betreibt nebenberuflich eine Privatpraxis, in der sie bundesweit individuelle Beratung zur Pflanzentherapie sowie Kurse und Webinare für Frauen anbietet. 2021 erschien ihr erstes Buch Phytotherapie in der Frauenheilkunde.

www.susanzeun.com

www.schluepferakademie.com

DR. MED. SUSAN ZEUN

DIE SCHLÜPFERAKADEMIE

Alles über Infektionen in der Intimzone – von Blasenentzündung bis Vaginalpilz

Mit Illustrationen von Katja Spitzer

Die Angaben und Empfehlungen in diesem Buch wurden von Autorin und Verlag sorgfältig geprüft. Sie können jedoch keine Beratung durch medizinisches Fachpersonal ersetzen. Alle Angaben erfolgen daher ohne Gewähr und Garantie für deren Richtigkeit.

Die Begriffe „Frau“ und „weiblich“ beziehen sich in diesem Buch auf Personen, denen bei Geburt das Geschlecht „weiblich“ zugeordnet wurde. Sie schließen Transgeschlechtlichkeit gleichermaßen mit ein und sind unabhängig vom sozialen Geschlecht zu verstehen.

E-Book 2024

© 2024 DuMont Buchverlag, Köln

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Susanne Philippi

Illustrationen: © Katja Spitzer

Umschlaggestaltung: Lübbeke Naumann Thoben, Köln

Layout: Silke Rieks, Satz: Andrea Lehmann

E-Book-Konvertierung: CPI books GmbH, Leck

ISBN E-Book 978-3-7558-1017-9

www.dumont-buchverlag.de

FÜR SOPHIA UND LUDWIG

WILLKOMMEN IN DER SCHLÜPFERAKADEMIE!

In diesem Buch geht es unter die Gürtellinie. Buchstäblich.

Infektionen in der Intimzone treffen fast jede Frau. Nicht selten juckt oder brennt es untenrum, aber sprechen möchten wir darüber nicht. Blasenentzündungen und Juckreiz in der Intimzone sind keine Themen, die fröhlich in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Die Beschwerden finden im Verborgenen statt – in Einzelhaft auf den Toiletten dieses Landes. Das soll sich ändern.

DieSchlüpferakademie ist ein Versuch, diesem schambelasteten Thema zu Leibe zu rücken und grundlegendes Wissen zu vermitteln. Sie schaut Mutter Natur in die Karten und unseren Vorfahrinnen unter den Rock. Sie räumt auf mit falsch gelernten Glaubenssätzen und Mythen und bringt uns zum Nachdenken, wie unsere Lebensweise diese Beschwerden begünstigt. Und natürlich gibt es Tipps und Tricks von Erster Hilfe bis Vorbeugung: Nach Abschluss der Schlüpferakademie kennst du nicht nur Rezepturen für Teemischungen und Vaginalkügelchen, sondern auch den „Steam to go“, der bei Infektionen und Entzündungen eine große Hilfe sein kann.

Mein Buch kombiniert das Wissen unserer Vorfahrinnen mit den Erkenntnissen der modernen Medizin und ist dabei immer kurzweilig und niemals dogmatisch. Ich wünsche dir viele Aha-Momente bei dem Besuch der Schlüpferakademie.

Herzlich,

Susan Zeun

Vorwort

Ein wunderschönes Altweiberwochenende geht zu Ende, der späte September hat noch einmal alles gegeben – im Herbst ist alles aus Gold, heißt es in einem Gedicht. Es ist Sonntagabend und hiermit verabschiedet sich nicht nur eine der letzten sommerlichen Auszeiten, sondern auch meine Ruhe.

Es piept und brummt. Das ist mein Praxistelefon. Mein Partner zieht die Augenbrauen hoch: Ich habe mal wieder vergessen, den Lautlos-Modus für Benachrichtigungen einzustellen. Die eingehenden Nachrichten brauche ich im Grunde nicht zu lesen. Mir reichen Zeitpunkt, die äußeren Umstände und meine Erfahrung, um mir die Anfragen vorzustellen. Resigniert schließe ich die Augen und sehe lebhaft vor mir, wie die letzten Tage der Anrufer:innen ausgesehen haben:

Donnerstag

Der Wetterbericht sagt das letzte schöne Wochenende voraus, bevor es endgültig Herbst werden wird. Also noch mal raus aus dem Alltag mit dem Lieblingsmenschen und die letzten warmen Tage ausnutzen. „Quality time“ heißt das, manchmal ganz pragmatisch auch F*date. Zur Vorbereitung gibt es eine Shoppingtour: neue Schuhe gerade nicht, lieber in die Dessous-Abteilung. Und da hängt das heiße Teil: ein neuer Tangaslip, in dem Frau sich richtig sexy fühlt.

Shopping erschöpft, zur Entspannung geht es zu Hause erst mal in die Wanne. Ein wundervolles Schaumbad und die Intimfrisur muss auch nachgerichtet werden. Mist, vergessen, einen neuen Rasierer einzukaufen! Kein Problem, da ist noch einer, leider ein wenig stumpf.

Freitagmorgen (… ist ein langes Wochenende)

Abfahrt ins Liebesnest, das Ziel des Ausflugs variiert, je nach persönlichen Vorlieben: eine tolle Hotelsuite am Meer oder eine einsame Hütte in den Bergen. Nach der mehrstündigen Anfahrt folgt gleich der erste Liebesakt, vielleicht auch der zweite. Frisch machen und hinaus in die einzigartige Umgebung. Wandern in der Natur, öfter mal ein verträumtes Päuschen mit Picknick auf dem Waldboden, alternativ in den Wellen planschen oder im Whirlpool rekeln.

Freitagabend

Zimmerservice. Gemütliches Kuscheln und wieder übereinander herfallen, noch mal übereinander herfallen … (Frequenz beliebig einfügen) und danach selig einschlafen.

Samstagabend

Der Verlauf des Tages kann nach Lust und Fantasie gefüllt werden. Abends geht es zum Candle-Light-Dinner. Die Protagonistin verspürt bereits ein leichtes Brennen in der Intimzone und schielt beim Betreten des Restaurants nach dem Toilettenschild. Der/Die Sexualpartner:in beginnt, sich ein wenig zu wundern, da zwischen jedem Gang eine Pinkelpause eingelegt wird. Aber nun gut. Zunehmend rutscht die Protagonistin auf dem Stuhl umher, spätestens das Dessert nimmt sie verkrampft auf der Stuhlkante ein.

Sonntagmorgen

Die Nacht war nicht von seligem Schlummer geprägt. Je nach Preisklasse der Unterkunft brachte der Zimmerservice häufig ein Tässchen Tee, oder der Wasserkocher machte Überstunden. Die Badewanne, sofern vorhanden, dampft noch von der nächtlichen Benutzung. Der geplante Bummel über den Flohmarkt, die Altstadttour oder was auch immer wird nun zur Schnitzeljagd für öffentliche Toiletten. Auf der Rückreise lernen die Verliebten wahrscheinlich die Vielfalt der Autobahnraststätten kennen; die Pinkelbons stapeln sich im Handschuhfach.

Sonntagabend

Endlich die eigene Toilette! Es brennt beim Pinkeln, die Blase fühlt sich so voll an, dass ein Verlassen der Kloschüssel gar nicht lohnt. Jammernd sitzt sie auf der Toilette und fragt sich, was denn bei ihr immer schiefläuft. Sie verflucht ihren Körper und begibt sich im Internet auf die Suche nach Hilfe und Tipps. (Oder fragt bei mir nach einem Termin.)

Montagmorgen

Konsultation beim Fachpersonal des Vertrauens. Die Diagnose lautet sehr wahrscheinlich: Honeymoon-Zystitis.

THE END

Kommt dir das geschilderte Drehbuch eventuell bekannt vor? Hast du dir auch schon mal die Frage gestellt, was bei dir untenrum falsch läuft? (Spoiler: nichts! Aber es gibt einige Tricks, um derartige Erlebnisse zu vermeiden.) Die Form der beschriebenen Blasenentzündung tritt so häufig auf, dass sie einen eigenen Namen hat: Honeymoon-Zystitis. Ein wenig hat sogar Mutter Natur ihre Finger im Spiel, denn die Unannehmlichkeiten haben durchaus einen tieferen Sinn, dazu später mehr. Der Hauptdarstellerin des Drehbuches sind einige vermeidbare Fehler unterlaufen (Dessous-Wahl, Schaumbad etc.), ohne die das Wochenende vielleicht keine unangenehmen Nachwirkungen gehabt hätte: Eine ausführliche Analyse dazu findest du im Nachwort. Leider treffen Infektionen nicht nur die Blase. Auch in Vulva und Vagina tummeln sich Gäste, die rasch sehr unangenehm werden können, Frust mit der Lust bescheren und lästig sind. Um diese geht es ebenfalls in der Schlüpferakademie.

Aber vielleicht stelle ich mich erst einmal vor: Meine Berufsbezeichnung ist Fachärztin für klinische Pharmakologie, und wenn ich nicht gerade Bücher schreibe oder in meiner kleinen Praxis für Phytotherapie Patient:innen betreue, arbeite ich in diesem Bereich bei einem großen Pharmakonzern. Falls du jetzt überhaupt keine Vorstellung davon hast, was das für eine Spezialisierung sein soll – Fachärztin für klinische Pharmakologie –, macht nichts, viele meiner Kolleg:innen auch nicht.

Kurz zusammengefasst: Wenn du im Fernsehen eine Werbung für Medikamente siehst, wird gleichzeitig der Spruch „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in der Apotheke“ hinterhergeschoben. Es kommt manchmal vor, dass dann weder Ärzt:innen noch Apotheker:innen die Risiken und Nebenwirkungen genau kennen – ich muss es aber dann wissen; zumindest muss ich wissen, wo sie stehen. Wenn sie nirgendwo vermerkt sind, ist es mein Job, herauszufinden, welche Risiken und Nebenwirkungen auftreten können.

Fachärzt:innen für klinische Pharmakologie arbeiten oft an der Entwicklung neuer Medikamente, so wie ich seit fast 25 Jahren für die Frauengesundheit. Die Pflanzenheilkunde für Frauen war und ist mein Hobby. Gerade mit meinem Background ist es spannend, sich mit den alten Behandlungsmethoden zu beschäftigen, und ich erlebte schon so manchen Aha-Effekt. Einige davon möchte ich in diesem Buch teilen. Aus dem Hobby ist eine Profession geworden, eine, die viel zu selten ist, damit altes Wissen erhalten bleiben und neu bewertet werden kann.

Wobei kann dieses Buch nun helfen?

Infektionen der Intimzone, egal ob Blase, Vulva oder Vagina, sind keine biblischen Heimsuchungen, aber unangenehm und üblicherweise kein Thema für die nächste Party, oft noch nicht mal für einen Mädelsabend.

Dabei hat so gut wie jede Frau bereits Erfahrungen damit gemacht, die Statistiken sprechen eine eindeutige Sprache. Doch es wird ein Mantel des Schweigens darübergelegt. Über Menstruationsbeschwerden, Intimtrockenheit und Hitzewallungen wird inzwischen ungehemmter geplaudert – der Vaginalpilz jedoch vermehrt sich unbesprochen in den Unterhosen dieses Landes.

Um die Wissenshäppchen ein wenig zu strukturieren, geht’s mit der Schlüpferakademie zurück auf die Schulbank und hinein in einen spannenden Lehrstoff, den ich in Unterrichtsfächer gegliedert habe. Keine Sorge, es ist kein trockenes Theoriebüffeln angesagt. Ich habe versucht, die Themen gut verständlich und entspannt zu beschreiben.

Die Schlüpferakademie unterteilt sich in die Grundkurse Mathematik, Geografie, Gesellschaftskunde, Biologie, Kunst, Geschichte, Chemie und Religion. Die Einteilung ist nicht ganz ernst gemeint, sie dient vielmehr der Strukturierung. Die Teilnahme ist natürlich freiwillig!

Nach den Grundlagen folgt der Leistungskurs Pflanzenheilkunde. Hier geht es darum, wie Pflanzen wirken, wie diese angewendet werden und was es bei pflanzlicher Heilkunde zu beachten gilt.

Im Praktikum gibt es dann sehr konkrete Vorschläge, wie du Beschwerden lindern kannst und wie diesen vorgebeugt werden kann. Du bekommst wertvolle Tipps, aber beachte bitte, dass dieses Buch keinen Besuch beim Fachpersonal deines Vertrauens ersetzen kann und will.

Im Buch finden sich außerdem drei zusätzliche Informationskategorien: Wenn du dein Wissen erweitern möchtest, bist du bei den Ausflügen genau richtig. Hier erfährst du mehr über Hintergründe oder die Geschichte eines bestimmten Themas. Expert:innenwissen ist ebenso vorhanden und gekennzeichnet für die, die es genauer wissen wollen. Keine Zeit? Dann ist das Wichtigste eines jeden Kapitels in Kurz und knapp zusammengefasst.

Eines noch vorweg: Dies ist kein klassischer Ratgeber! Selbstverständlich steht dir die Schlüpferakademie mit Rat und Tat zur Seite, und die Daten sind hieb- und stichfest, aber es ist der Ton, der die Musik macht: Natürlich würde ich meine Patient:innen nicht duzen, meine Leserschaft schon. Außerdem folgt der Ratgeber dem wichtigsten Prinzip überhaupt: Lachen ist gesund, und ein wenig Humor hat noch niemandem geschadet.

TEIL 1

GRUNDKURSE

MATHEMATIK

HÄUFIGKEITEN

Stell dir vor, es ist Montagmorgen in deiner Schulzeit, Mathe ist gleich in der Ersten. Aber wir wollen uns nicht beklagen, denn die Mathematik ist eine ganz wunderbare Wissenschaft. In der Regel hilft sie, Probleme ganz nüchtern zusammenzufassen – es sind ja nur Zahlen. Zahlen kennen keine Scham und sind ein hervorragendes Mittel, sich sensiblen Themen zu nähern.

„Abstrahieren statt Lamentieren“ ist das Motto der Mathematik in der Schlüpferakademie, und wir beschäftigen uns zunächst mit Statistik.

Blaseninfektionen

Die Tabelle zeigt die Häufigkeiten von Blaseninfektionen beim Menschen. Die Resultate sind eindeutig – es wird noch nicht mal ein Tortendiagramm benötigt: Blaseninfekte sind bei Frauen wesentlich häufiger als bei männlichen Vertretern unserer Spezies. Lediglich bei Neugeborenen liegt die Inzidenz (die Häufigkeit) bei Jungen höher als bei Mädchen.

Altersstufe

Häufigkeit in Prozent

Verhältnis männlich:weiblich

Neugeborene

1

1,5:1

Vorschule

2–3

1:10

Schule

1–2

1:30

Erwachsene

2,5

1:50

ältere Menschen (> 60 Jahre)

20–30

1:2 bis 1:10

Jüngere Mädchen haben dann ungefähr zehnmal häufiger Blaseninfektionen als Jungen im gleichen Alter, das steigt bis zur Adoleszenz (junge Erwachsene bis 18 Jahre) auf einen Faktor von 1:30.

In den folgenden Jahren – der reproduktiven Phase – haben fünfzigmal mehr Frauen Blaseninfektionen als Männer. Das Fünfzigfache – das klingt nicht nur viel, das ist es auch.

Mit über sechzig Jahren fällt dieses Verhältnis wieder ab, wird zwischen zwei- bis zehnmal häufiger als bei Männern angegeben. Allerdings treten Blaseninfekte nun insgesamt wesentlich öfter auf als in den früheren Lebensjahren.1

Infektionen der Vulva und Vagina

Bakterielle Infekte

Die wissenschaftliche Literatur gibt eine Häufigkeit von 50 % an, dass Frauen wenigstens einmal in ihrem Leben an einer bakteriellen Infektion der Intimzone erkranken – das ist jede Zweite!

Bei 10–20 % der Frauen treten starke Symptome wie Juckreiz, Brennen und starker vaginaler Ausfluss auf. Die Häufigkeit der Infektionen ist wiederum in den Lebensphasen unterschiedlich. In der Pubertät und in der Perimenopause ist sie am höchsten. Die Umstellungsprozesse auf hormoneller Ebene werden hierfür verantwortlich gemacht.2 Warum und wieso hormonelle Schwankungen zu Infektionen führen, dazu gibt’s in den anderen Grundkursen noch mehr Informationen (ab S. 35). Bakterielle Entzündungen werden im Fachjargon auch als bakterielle Vaginose oder Vulvovaginose bezeichnet – zumindest dann, wenn der Keim nicht eindeutig bestimmt ist.

Hat sich „der Keim“ einen ausdrücklichen Namen innerhalb der sexuell übertragbaren Erkrankungen gemacht, wird die Infektion nach dem Erreger benannt. Ein Tripper ist und bleibt ein Tripper (fachlich richtig: Gonorrhö), obwohl es auch eine bakterielle Vaginose ist. Es ist wichtig zu verstehen, dass bakterielle Infektionen auch ohne Sexualverkehr auftreten können und dass diese nicht gleichzusetzen sind mit mangelnder Hygiene.

Die bakterielle Vaginose ist häufig wiederkehrend. Wiederkehrend meint, dass mehr als drei Episoden innerhalb von zwei Jahren auftreten.

Pilzinfektionen

Candida-Spezies gehören zur normalen Besiedelung der Vulva und Vagina. Normalerweise ist das auch nicht problematisch, allerdings erkranken etwa 80 % aller Menschen weiblichen Geschlechts in Deutschland einmal in ihrem Leben an einem Genitalpilz, bei 3–4 % treten die sogenannten Vaginalmykosen rezidivierend (wiederholt) auf. Erkrankungsspitzen liegen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Häufig wird ein Zusammenhang mit dem hormonellen Zyklus und der Sexualität gesehen.

Virale Infektionen

Herpesviren können schmerzhaften und unangenehmen Genitalherpes auslösen. Allerdings ist es eine Mär, dass Genitalherpes durch Oralverkehr mit einer Person, die Lippenherpes hat, übertragen wird. Das gilt auch für die umgekehrte Variante. Diese Herpesviren gehören zwar der gleichen Familie an, sind aber unterschiedliche Verwandte. Ist man einmal infiziert, verbleiben die Viren im Körper und werden durch Trigger wie schlechte Immunabwehr oder Stress reaktiviert. Rund 5 % aller Frauen sind wenigstens einmal im Leben von Genitalherpes betroffen.

>>> KURZ UND KNAPP <<<

Die Chance, ohne eine Infektion der Blase, Vulva oder Vagina durchs Leben zu gehen, ist sehr gering. Die genaue Berechnung ist allerdings schon höhere Mathematik und von zahllosen, sich gegenseitig bedingenden Faktoren abhängig. Die Darstellung der Häufigkeiten sollte dir einen Punkt vor Augen geführt haben: Du bist nicht allein mit möglichen Beschwerden.

GEOGRAFIE

DIE MENSCHLICHE LANDKARTE

Der menschliche Körper ist absolut faszinierend. Auf allen Ebenen. Kommen wir also zur Geografie und hier im Speziellen zur Topografie, zu der „Geländebeschreibung“.

Im medizinischen Bereich ist die Geländebeschreibung die Anatomie des Menschen. Die Schlüpferakademie wird allerdings nur einen Teil der menschlichen Landkarte näher betrachten. Bei den weiblichen Genitalien herrscht interessanterweise nämlich einiger Nachholbedarf, was die Grundlagen angeht. Erst 2022 wurden die Schullehrbücher umfassend überarbeitet und die Darstellungen korrigiert.3

Topografie

Die Gesamtheit der äußeren weiblichen Geschlechtsteile wird Vulva genannt, dazu gehören der Venushügel (gelegentlich immer noch als Schamhügel bezeichnet), die großen und kleinen Schamlippen, die Klitoris und das Vestibulum vaginae. Letzteres wird oft mit Scheideneingang übersetzt, wobei die wörtliche Übersetzung Vorhof oder Vorhalle der Vagina bedeutet – das klingt wesentlich poetischer. In der Vulva drängt sich noch der Harnröhrenausgang anatomisch ziemlich dazwischen. Die Vagina ist die Verbindung von der Vulva, den äußeren Geschlechtsorganen, zum Uterus, der Gebärmutter.

Die Intimzone ist noch immer für manche Frauen eine nahezu unbekannte Zone – oder wie oft siehst du dich im Monat von unten? Solltest du kein Schlangenmensch sein, ist das nämlich gar nicht so einfach, außer, du benutzt einen Spiegel oder nimmst das Smartphone zwischen die Beine und machst ein Foto.

Von außen betrachtet stellt sich das ungefähr so dar:

Von innen ungefähr so:

Für die verschiedensten Funktionen, die dein Unterboden zu erfüllen hat, ist das ganz schön eng: Es gibt die Harnröhre und den Anus für die Ausscheidung von Urin und Stuhl und dazwischen die Fortpflanzungsorgane.

Interessanterweise hast du in diesem Bereich zahlreiche kleine Mitbewohner (siehe „Gesellschaftskunde“, S. 29). Diese erfüllen in den unterschiedlichen Arealen zahlreiche Aufgaben für dich; das nennt man eine Symbiose: Dein Körper liefert den Lebensraum für diese Kleinstlebewesen, du profitierst von deren Anwesenheit. Die Gesamtheit dieser Mitbewohner einer Region heißt Mikrobiom.

Damit jedoch nicht genug: Darm, Blase, Vulva und Vagina haben sehr unterschiedliche Mikrobiome, die bei Vermischung ein ziemliches Kuddelmuddel ergeben – und das sind nicht immer ganz stressfreie Nachbarschaften.

Um größeren Schwierigkeiten zwischen den Mikrobiomen aus dem Weg zu gehen, schlichtet dein Immunsystem ziemlich viele Streitigkeiten, meistens geht es dabei um unerlaubtes Betreten fremder Territorien. Dein Immunsystem ist dabei so was wie die Blauhelmtruppe der UN und verhindert kämpferische Auseinandersetzungen, die zu Entzündungen führen.

In der Vulva liegen der Eingang zur Vagina und die Harnröhre. Die Vagina hat zahlreiche Bewohner, und über ein Frauenleben gesehen werden sogar sehr unterschiedliche beherbergt. Die Harnblase mag es lieber steril, das heißt keimfrei. Damit ist dein Immunsystem ganz schön beschäftigt.

Anatomisch gesehen ist die kurze Harnröhre der Frau ein kleiner Konstruktionsfehler oder anders ausgedrückt eine willkommene Einladung an allerlei Keime, die es sich nach einem kurzen Weg aufwärts in der Blase bequem machen können. Da die Harnblase normalerweise nicht oder nur sehr gering besiedelt ist, ist sie für Neuankömmlinge eine echt coole Location: Ohne Konkurrenz können sie sich problemlos breitmachen, unter Umständen spielen die Mikroorganismen auch gern Verstecken in den oberen Schichten des Gewebes oder zwischen den Zellen der Blasenwand. Im Durchschnitt ist der Weg durch die Harnröhre zur Harnblase nur 2,5–4 cm weit, während es bei Männern 20–25 cm sind.

Auch wenn bei den meisten Säugetieren die Harnröhre bei den weiblichen Tieren kürzer ist, so ist keines dieser Wesen bisher auf die Idee gekommen, aufrecht zu gehen. Durch den aufrechten Gang haben die Mikrobiome eine ziemlich gute Möglichkeit, sich auszutauschen.

Bei unseren männlichen Artgenossen sorgt das für weniger Schwierigkeiten: Die Geschlechtsteile sind nach außen verlagert, während Vagina, Gebärmutter und Eierstöcke bekanntermaßen innen liegen.

Klimazonen

Klimatische Bedingungen beeinflussen die Flora und Fauna auf der Erde in den großen Klimazonen und im Kleinen ebenso. Nur heißen diese nicht Klimazone, sondern Mikrobiotop. In diesem Kapitel sind einige dieser Einflüsse der Mikrobiotope auf die Mikrobiome der Intimzone zusammengefasst.

Die Arktis

Die Körpertemperatur des Menschen liegt normalerweise bei etwa 37 °C, und es kostet unseren Körper sehr viel Energie, dieses fragile System stabil zu halten. Dabei versucht er nach Möglichkeit, so viel wie möglich davon einzusparen – das funktioniert mit sehr sensiblen Sensoren extrem effizient.

Kommt von außen, vorzugsweise von den Extremitäten und insbesondere von den Füßen, ein Kältereiz, setzen sofort Energiesparmaßnahmen ein. Die kalten Füße sind ein Signal an den Körper, ähnlich wie ein Blaulicht oder die letzte Gasrechnung. Die Nachricht lautet: Alarm! Energie sparen! Das macht der Organismus dann auch umgehend. Um Energie zu sparen, dreht er die Heizung runter; er reduziert die Durchblutung, indem er die Kapillaren (kleinste Blutgefäße) eng stellt. Alles, was nicht zwingend auf 37 °C gehalten werden muss, bekommt weniger Wärme ab – so auch die Intimzone. Eng gestellte Kapillaren führen dazu, dass die Gewebe weniger gut durchblutet werden. Mit dem Blut wird aber nicht nur Wärme verteilt, auch Immunzellen, Antikörper und Fresszellen werden in Umlauf gebracht.

Das ist für die Intimzone besonders fatal. Während die Körperpolizei (Immunzellen) die Bakterien der Intimzone noch gut in Schach halten kann, warten manche der kleinen Mitbewohner nur darauf, sich auszubreiten, sobald die Situation günstig für sie ist.

Dreht die Zentrale nun den „Saft“ ab, weil Kältealarm ausgerufen wurde, kommt die Köperpolizei mit den Immunzellen nicht mehr so gut zum Einsatzgebiet: Dann herrscht alsbald Anarchie, und die Party von ungeladenen Gästen in der Intimzone kann beginnen.

Die Kältereize sind manchmal unbemerkt, wer denkt bei trauter Runde auf dem Waldboden oder am Strand mit nassen Badesachen schon über die Stresssituation untenrum nach. Einfach mal schnell ohne Schuhe über kalten Steinboden wandern, schon kann das Urteil „Einzelhaft auf der Toilette“ lauten.

Die Tropen

Nach den lästigen Erfahrungen aus so mancher Kindheit und Jugend werden die Schmerzen der Blase hauptsächlich mit Kälte in Zusammenhang gebracht. Die Lernkurve ist hoch: Nasse Klamotten sofort ausziehen, den Körper warm halten, vor allem die Füße.

Aber es folgt eine weitere bittere Erkenntnis: Es ist wundervoll, in warmen Gefilden zu wandeln – Wärme und Sonne sind wohltuend fürs Gemüt, der Vitamin-D-Spiegel steigt. Vor allem im Urlaub bevorzugen viele die südlichen Gefilde. Auf zu viel Wärme reagiert der Körper jedoch mit Schweißbildung. Und dadurch wird Verdunstungskälte erzeugt.

Die Schweißbildung betrifft alle Körperteile, in denen Schweißdrüsen vorhanden sind, und die Intimzone hat reichlich davon. Entsprechend schwitzen wir auch zwischen den Beinen. Das ist prinzipiell kein Problem, aber oft saugt das Kleidungsstück, welches dem Buch den Namen gab, den Schweiß auf, und der Schlüpfer wird feucht. Die entstandene Nässe sorgt für Kühlung. Auch dieser Kältereiz kann zum gleichen Problem führen, wie es im Abschnitt der Arktis erklärt wurde.

Zu allem Überfluss geraten durch die Feuchtigkeit die Biotope durcheinander, und die Darmbewohner surfen gen Vulva: ideale Partybedingungen im Schlüpfer – nur nicht für die Besitzerin derselben. Schmerzen, Toilettenschnitzeljagd und ziemlich miese Laune sind die Folge. Juckreiz ist ebenfalls ein störendes Phänomen, denn gerade Pilze (Mykosen) finden bei feuchter Wärme ideale Wachstumsbedingungen vor.

Die Wüste

Neben den feuchten Tropen sorgt auch ausgeprägte Trockenheit für Schwierigkeiten. Intimtrockenheit sollte sich als unvorteilhafte Nebenwirkung des Klimakteriums (lateinisch für „Wechseljahre“) bereits herumgesprochen haben, aber auch Medikamente und Erkrankungen sorgen gelegentlich für klimatische Veränderungen in der Intimzone.

Dass es auch bei zu trockener Intimzone zu Problemen kommen kann, hat physikalische Gründe: Die Reibung wird zu hoch. Reibung entsteht durch Bewegung, beispielsweise beim Gehen und Wandern, aber auch beim Radfahren. Ohne „Schmierstoff“ bzw. Befeuchtung kommt es zu winzigen Verletzungen und Rissen im zarten Gewebe der Intimzone. Diese kleinen Verletzungen sind willkommene Verstecke für unliebsame Mikromitbewohner, die diese nur zu gern besiedeln.

>>> KURZ UND KNAPP <<<

Kälte, Wärme, Feuchtigkeit und Trockenheit können Infektionen der Intimzone begünstigen. Durch Kälte wird die Blutzirkulation gedrosselt, weniger Immunzellen helfen, die Intimflora zu regulieren. Wärme und Feuchtigkeit können förderliche Wachstumsbedingungen für Pilzinfektionen sein. Durch Trockenheit und Reibung können kleinste Verletzungen des Gewebes Infektionen fördern.

GESELLSCHAFTSKUNDE

DIE MIKROBIOME

Du bist nicht nur nicht allein in deinem Körper, sondern ein ganzes Universum für zahllose Kleinstlebewesen, die dich bevölkern. Im Fach Gesellschaftskunde der Schlüpferakademie geht es um die zahlreichen Völker von Kleinstlebewesen in und auf deinem Körper, die sogenannten Mikrobiome. An unterschiedlichen Stellen deines Körpers finden sich sehr unterschiedliche Besiedlungen. Damit nicht genug – diese beeinflussen sich auch noch gegenseitig.

Der Darm

Der Darmausgang liegt anatomisch sehr nah an deiner Intimzone und führt ein reges Austauschprogramm mit dieser durch. Außerdem beherbergt der Darm das größte Mikrobiom deines Körpers.

Wenn du jetzt eine Aufstellung des gesunden Mikrobioms des Darmes erwartet hast, muss ich dich leider enttäuschen: Mittlerweile sind krank machende Keime sehr gut untersucht. Wie eine „normale“, gesunde Flora des Darmes zusammengesetzt ist, wird derzeit noch intensiv entschlüsselt. Gesicherte Erkenntnis ist, dass es ungefähr 1000 verschiedene Mikroorganismen gibt, mit denen du zusammenwohnst, wobei der einzelne Mensch etwa 150 verschiedene Mikroorganismen – es handelt sich mehrheitlich um Bakterien – in seinem Darm beherbergt. Die meisten benötigen keinen Sauerstoff, um zu überleben, und werden Anaerobier genannt.

Bei der Mikrobiom-Forschung gibt es einen der größten Gender-Gaps. Von einem Gender-Gap in der Forschung wird gesprochen, wenn Untersuchungen mehrheitlich nur an einem biologischen Geschlecht durchgeführt wurden. So ist es bei der Mikrobiom-Forschung. Zwar wurden intensiv die weiblichen Biotope der Vulva und Vagina untersucht und kategorisiert, bei der Untersuchung des Mikrobioms im Darm wurde jedoch hauptsächlich an Proben von jungen, gesunden Männern geforscht. Daher ist es eine relativ neue Erkenntnis, dass die weiblichen Hormone auch einen sehr starken Einfluss auf die Artenvielfalt der Mikroorganismen des Darmes haben.

Dass die Darmflora bisher nicht im Detail aufgeklärt ist, hat verschiedene Gründe. Die Darmflora ist so vielfältig, dass sie mittlerweile als zweites Genom des Menschen bezeichnet wird. Würde man beispielsweise all die Billionen Mikromitbewohner aneinanderreihen, ergäben sie mehrfach den Erdumfang und brächten ein Gewicht von rund 2 kg auf die Waage – heißt es. Der Wahrheitsgehalt dieser Fakten muss noch überprüft werden, denn bisher hat noch niemand das Mikrobiom des Darmes auf eine Waage gelegt.4 Andere Theorien gehen davon aus, dass es wesentlich weniger sein könnte, nämlich etwa 500 g, was ich immer noch erstaunlich viel finde.

Das Darmmikrobiom oder die Darmflora besteht nicht nur aus Mikroorganismen, sondern auch aus deren Gensequenzen, die von den Bewohnern quasi hinterlegt wurden und von den körpereigenen Darmzotten (das sind Ausstülpungen der Darmwand) wie in einer Bibliothek aufbewahrt werden. Von dem Konzept, dass dieses Mikrobiom nur an den Verdauungsprozessen beteiligt ist, verabschiedet man sich langsam, obwohl die Vergärung von Nahrungsmitteln durch Hefepilze, die Aufspaltung von Eiweißen und von Zucker einen Hauptteil der Aufgaben der Mikroorganismen des Darmes darstellt.

Populärwissenschaftlich wird oft zwischen guten und bösen Mikroorganismen unterschieden. Das sind jedoch Kategorien, die die Natur nicht kennt, schon gar nicht ein Einzeller. Generell wollen alle nur eines: sich vermehren. Dieses Konzept ist gültig vom Einzeller bis zum Säugetier. Üblicherweise und unter Kontrolle des Immunsystems findet die Vermehrung der Untermieter des Darmes in einer einigermaßen friedlichen Koexistenz statt. Es sei denn, es werden „böse“ Keime aufgenommen, die für Durchfälle und andere Unannehmlichkeiten sorgen. Auch hier versucht die Darmpolizei via Immunzellen, das Gleichgewicht schnell wiederherzustellen.

Das friedliche Miteinander im Darm kann auch durch veränderte Wachstumsbedingungen gestört sein: Fehlernährung, wie zu viel Zucker oder Eiweiß, aber auch Erkrankungen, Diabetes und andere Stoffwechselerkrankungen sowie immunologische Fehlregulationen bringen Turbulenzen in das eingespielte Gleichgewicht.

Mit Blick auf das Mikrobiom des Darmes haben wir es noch mit zahlreichen Unbekannten zu tun. Du bist, was du isst, und „Entscheidungen aus dem Bauch heraus“ haben wahrscheinlich noch sehr viel mehr Wahres in sich, als wir bisher ahnen. Unser „zweites Gehirn“ spielt nicht nur aufgrund der Nähe eine entscheidende Rolle bei der Gesundheit in der Intimzone.

Vulva und Vagina

Das Mikrobiom der Vulva und der Vagina wird in den meisten Fällen als eine Einheit beschrieben. Es bleibt zu hoffen, dass hier zukünftig etwas genauer hingeschaut wird, und das nicht nur, weil die Vagina aus einem anderen Zellgewebe besteht. Betrachten wir den derzeitigen Wissensstand des vulvo-vaginalen Mikrobioms etwas genauer. Wir leuchten quasi mit der Lupe in die Intimzone hinein.

Das vulvo-vaginale Mikrobiom unterscheidet sich in der Zusammensetzung sehr stark vom nahe gelegenen Darmausgang. Die vulvo-vaginale Flora ist individuell wie ein Fingerabdruck und dabei über den Lebenszeitraum einer Frau sehr unterschiedlich; sogar innerhalb eines Fruchtbarkeitszyklus* ändert sich die Zusammensetzung.

In der fertilen (fruchtbaren) Lebensphase einer Frau ist das Mikrobiom entscheidend von Milchsäurebakterien, den sogenannten Lactobazillen, geprägt. Diese können aus Zucker Milchsäure herstellen.

Wenn du dich fragst, wo denn in der Intimzone Zucker herkommt: Dieser heißt Glykogen und kommt aus Zellen, die abgestorben und abgeschrubbt (abgeschilfert) und durch neue Zellen ersetzt werden. Ein wenig Glykogen wird auch von den Zellen produziert und in die Vagina abgegeben. Das durch die Lactobazillen produzierte saure Milieu ist für viele Mikroben ziemlich abtörnend und lebensfeindlich. In der Evolution hat sich das als Vorteil erwiesen.

EXPERT:INNENWISSEN

Chemiefabrik Milchsäurebakterien

Die verschiedenen Arten an Milchsäurebakterien haben viele faszinierende Eigenschaften: Sie benötigen keinen Sauerstoff, um ihren Stoffwechsel aufrechtzuerhalten. Bekommen sie aber Sauerstoff geliefert, machen sie hieraus Wasserstoffperoxid. Genau, das ist das Zeug, das beim Haarefärben benutzt wird – es wirkt nicht nur bleichend, sondern auch desinfizierend. Auch direkte Giftstoffe gegen andere Bakterien in Form von kleinsten Proteinen, sogenannte Bakteriozine, produzieren die Lactobazillen.

Damit noch immer nicht genug: Ein weiterer biologischer Kampfstoff, den Lactobazillen herstellen, sind Biotenside. Tenside sind häufig in Waschmitteln enthalten, um Flecken besser entfernen zu können. Nun geht es im vaginalen Mikrobiom nicht um Fleckenbeseitigung, aber die Lactobazillen machen sich den gleichen Effekt zunutze. Dank der Tenside können sich Öle und andere Stoffe nicht an Oberflächen binden, und das ist eben dann sehr hilfreich, wenn es darum geht, einen Biofilm zu vermeiden, in dem sich unliebsame Mitbewohner verstecken können.

Die Wissenschaft mag es üblicherweise strukturiert, von daher gibt es eine weltweit anerkannte Einteilung unterschiedlicher Mikrobiom-Typen, bei denen unterschiedliche Arten von Lactobazillen eine zentrale Rolle spielen. „Community State Types“, kurz CST, sind nicht irgendwelche Regierungsbezirke in den USA, sondern der offizielle Name der Einteilung von vulvo-vaginalen Mikrobiomen von Frauen in der fruchtbaren Lebensphase.5

CST

CST I

CST II