Die schwarze Spinne und das Heilige Bijou - Hans-Peter Bauer - E-Book

Die schwarze Spinne und das Heilige Bijou E-Book

Hans-Peter Bauer

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Beschreibung

Und am Anfang war der Wolf ... Das Heilige Grab in Görlitz ist geweiht. Eine Genugtuung für die Fingerin, jene legendäre Frau, die mit ihrer abenteuerlichen Pilgerreise dazu beigetragen hat, das Heilige Grab nach Görlitz zu holen. Der Bruder Abbé ist ein rätselhafter Mönch aus Jerusalem, der ihre Begleiter mit einer schier unlösbaren Aufgabe betraut, die wertvolle Reliquie des Täufers, die sich in Görlitz befindet, vor dem Zugriff der Inquisition zu schützen. Der Stab des schwarzen Generals weist nach Osten und die Inquisition setzt die Kompanie Jesu in Marsch, welche das Geheimnis um das legendäre Bijou lüften soll. Die schwarze Spinne webt ihr Netz. Dieses Bijou ist einer der drei Schlüssel zum Arkanum der Christenheit, das die heilige Mutter Kirche gern in ihren Schoß holen würde. Das Arkanum aber wird von der "Bruderschaft vom Berge Zion" geschützt, die sich wiederum der Hilfe des mysteriösen Bruders Abbé versichert. Bijou und Reliquie wiederum sind untrennbar mit der Geschichte um das große Adelsgeschlecht derer von Gersdorff verbunden.

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Seitenzahl: 701

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1: Karawanserei El Mahmud

Kapitel 2: Auf dem Weg nach Jaffa

Kapitel 3: An Bord der Karavelle Genoveva

Kapitel 4: In Candia

Kapitel 4: Der schwarze Korsar

Kapitel 5: Omar Ibn Halef Ilderim

Kapitel 6: In der Lagune von Venedig

Kapitel 7: Marie-Luisa

Kapitel 6: Auf dem Wege nach Hause

Kapitel 9: Die unheimliche Begegnung mit Bonifazius

Kapitel 10: Wieder zu Hause

Kapitel 11: Die Reliquie des Täufers

Kapitel 12: Eine schwierige Entscheidung

Kapitel 13: Großvaters Gabriel

Kapitel 14: Jesuiten, die Soldaten des Heiligen Stuhls

Kapitel 15: Der beschwerliche Weg nach Wien

Kapitel 16: In Wien

Kapitel 17: In der Mine am Kärntnertor

Kapitel 18: Die Süleymanbresche

Kapitel 19: Magdalena

Kapitel 20: Verabschiedung aus Wien

Kapitel 21: Nach Hause

Kapitel 22: Die Vergeltung der Enkel

Kapitel 23: Bruder Abbé und das Heilige Grab

Kapitel 24: Zurück nach Wien

Kapitel 25: Wieder in Wien

Prolog

Der alte Mönch fand den vor Schmerzen winselnden Wolfshund blutend unweit des Waldes am Neiße-Ufer. Als er nähertrat, sah er, dass ihm die rechte Vorderpfote fehlte. Ein blutiger Stumpf reckte sich dem Alten entgegen. Unabsichtlich legte der Alte die Hand auf den mächtigen Schädel des Hundes und zuckte erstaunt zurück, als er im Kopf eine Stimme vernahm.

Ungläubig schaute er auf das große Tier. In seinem Kopf war klar die Stimme des Wolfshundes zu hören. «Hilf mir Bruder!»

Erschrocken zog er die Hand zurück.

Tatsächlich! Der Wolfshund redete mit ihm er nannte ihn Bruder! Solange der Alte die Hand auf dem Kopf des Wolfshundes hielt, konnte er ihn laut und deutlich verstehen.

«Die Gedankensprache», fuhr es dem alten Franziskaner durch den Kopf. Er kannte diese längst vergessene Eigenschaft, die es zwischen auserwählten Menschen gab, aber von Tier zu Mensch ... das war doch etwas Mystisches ... selbst für ihn, der doch mystisches gewohnt ist, war das ungewöhnlich.

Der Alte hatte schon viel erlebt in seinem Erdendasein, doch das ein Wolf sich mit ihm in der Gedankensprache verständigen konnte, kam einem Wunder gleich.

Das schmerzgepeinigte Tier musste über einen ungeheueren, fast menschlichen Intellekt verfügen. Der alte Mönch war verunsichert.

«Bei allen Heiligen! War das Gotteswerk oder hatte hier Belial seine Hände im Spiel?», fragte er sich und schlug ein Kreuz vor der Brust.

Doch dann obsiegte der Wissensdrang in ihm. Erneut legte er die Hand auf den mächtigen Schädel des Wolfshundes und erfuhr von ihm, dass sich sein Unglück am Frauentor zugetragen hatte. Der Wolf nannte ihm seinen Namen und den seines Herren.

«Brom ... Bruder Abbé ... Jerusalem, das klang nach Glauben, nach Kirche aber ...», fuhr es erneut durch den Kopf des alten Franziskaners und doch verunsicherte es ihn erneut.

«Was ist aber? Was soll ich tun? Ich muss doch helfen, denn auch das Tier ist ein Geschöpf Gottes!»

Und das tat er dann auch.

Aus seinem Beutel zog er ein Stück sauberes Leinen.

Notdürftig verband er damit den lädierten Vorderlauf und stoppte so den Blutfluss. Dann nahm der Alte das schwere Tier hoch und trug es wie ein Kind auf seinen Armen in die Hütte am Fluss, die ihm zeitweise als Unterkunft diente, wenn er im Neißetal auf Kräutersuche war. Dort angekommen versetzte er den Wolfshund mithilfe einer starken Kräuteressenz in einen tiefen Heilschlaf.

Als Brom schlief, machte sich der alte Mönch daran, die Wunde zu säubern. Brom hatte viel Blut verloren.

Vorsichtig entfernte er die Knochensplitter aus dem Stumpf, zog die Haut darüber und vernähte sie. Als er das geschafft hatte, bestrich er alles mit einem heilenden Pech, das aus verschiedenen Baumharzen und Heilkräutern bestand, die nur der alte Mann kannte.

Brom würde es überleben, aber laufen? Laufen wird er von nun an nur noch auf drei Beinen können. Und es würde wohl eine geraume Zeit dauern, bis er das erlernen würde. Vorerst aber brauchte Brom eine sichere Obhut.

Der Alte überlegte:

«Ein sicherer Ort für Brom wären doch die Obermühlberge. Dort lebte seit grauer Vorzeit der Thundorm. Der kleine Mann hatte fulminante Kenntnisse in der Heilkunde. Er würde sich sicherlich um die Genesung des Wolfshundes bemühen, dessen bin ich mir sicher!» Der alte Mann hatte keine Berührungsängste mit dem außergewöhnlichen kleinen Mann. Oft hatte er bei seiner Kräutersuche Begegnungen mit Zwergen und Kobolden, die im Neißetal lebten und die sich immer hilfreich und korrekt zu den Menschen verhielten, solange man sich ihnen gegenüber auch korrekt verhielt.

«Außerdem ... die Obermühlberge sind ein Ort, an dem Brom sicher ist und an dem er sich mithilfe Thundorms von seiner Blessur erholen konnte», stellte er rigoros fest.

Er machte sich auf den Weg.

Solange Brom schlief, brachte ihn der Alte in die Berge zu Thundorm. Es war ein mühsamer Aufstieg, den der Alte mit der Last des Wolfshundes zu bewältigen hatte. Aus dem Neißetal heraus bis zur Höhle des Thundorm war es doch eine gewaltige Anstrengung für ihn. Während des Aufstiegs plagten den alten Mönch die Gedanken an die nächste Beichte beim Abt, der ja sein Beichtvater war.

Wie würde der Abt reagieren? Würde er ihm die Absolution erteilen, wenn er ihm von Brom erzählte? Vielleicht würde er das als «Teufelswerk» verdammen und ihn zu einigen Hundert Rosenkränzen verdonnern!

Der Alte fasste den Entschluss, zu schweigen!

Ob seiner Last konnte er sich nicht bekreuzigen aber das würde er bei nächster Gelegenheit nachholen.

Endlich hatte er die Höhle des Thundorm erreicht.

Er hatte Glück. Thundorm war allein zu Hause in seiner Höhle und experimentierte gerade mit Krautern. Er übergab dem Kobold seinen Patienten mit der Maßgabe, ihn gesund zu pflegen. Er erzählte ihm auch von dem «Wunder», dass ein Wolf die Gedankensprache beherrschte. Für Thundorm war das aber nichts Außergewöhnliches, er war mit dem Mystischen vertraut. Der Kobold versprach dem Alten, sich um den Wolf zu kümmern, wusste er doch, wer dieser alte Mann war. Den Pater Clemens aus dem Franziskanerkloster der Stadt kannten die Menschen in der Stadt nur zu gut. Seine helfenden Hände hatten schon so manchen Görlitzer von den Leiden einer Krankheit befreit. Thundorm lieferte dem Kloster heimlich, aber mit Kenntnis des Abtes, seine Heilkräuter und teilweise auch bestimmte Ingredienzien, aus denen die Fratres verschiedene Medizinen herstellten.

Die Fratres nannten den kleinen Mann hinter seinem Rücken «Böckelbart», seines Spitzbartes wegen. Und sie taten es bewusst heimlich, um Thundorm nicht als Lieferer seines vorzüglichen Kräuterbrandes zu vergrämen, den er in den Obermühlbergen herstellte. Thundorm war da sehr empfindlich und das wussten die Fratres. Auf den vorzüglichen Kräuterbrand mochten sie nicht verzichten, deshalb nannten sie ihn auch immer bei seinem richtigen Namen, wenn sie ihn im Neißetal begegneten ... das war selten genug. Als Brom aus dem Heilschlaf erwachte, erzählte er den beiden aufgeregt in der Gedankensprache, wie es zu diesem Unglück am Frauentor kam, dass ihm die Pfote kostete.

Thundorm beruhigte den Wolfshund. Als Brom mit seinem Bericht zu Ende war, versprach ihm der alte Mönch, seinen Herrn von seinem Unglück zu berichten, wenn er ihn denn fände. Brom gab ihnen noch den entscheidenden Hinweis, wo er denn den Bruder Abbe vermutete.

«Ich muss in die Stadt», überlegte Pater Clemens auf dem Rückweg aus den Obermühlbergen.

«Ich muss den Bruder Abbé finden, um ihm vom Zustand seines außergewöhnlichen Wolfes zu berichten!»

Also ging der alte Mönch am nächsten Tag in die Stadt. Allerdings ging er nicht durch die kleine Pforte in die Stadt hinein, sondern durch das große Stadttor. Da er die Kutte eines Franziskanermönches trug, ließ ihn die Stadtwache ohne Weiteres passieren. Schließlich kannten sie den Pater Clemens und sie grüßten ihn ehrerbietig.

Freundlich segnete der Pater die Wache und erwiderte deren die Grüße. Von hier an nahm er genau denselben Weg, den sonst der Wolfshund genommen hätte. Er hoffte, in der Stadt auf den Bruder Abbé zu treffen von dem ihm Brom erzählt hat.

Vom Frauentor ging er durch die Steingasse, über den Neuen Markt, in die Breitegasse und die Langengasse, bis hin zur Büttnergasse, dessen Ende ein Arkanum der Templer barg, wie er von Brom wusste.

Vor dem Brunnen an der «Hellen Gasse», die in die «Büttnergasse» mündete, saß gedankenverloren ein sehr alter, weißhaariger Mann auf der Brunnenbank. In den Händen hielt er einen seltsam gekrümmten Stab und bekleidet war er mit einer härenen grauen Kutte, deren Kapuze er zurückgeschlagen hatte.

Wortlos ließ sich der alte Mönch neben den Weißhaarigen nieder.

Sie musterten sich gegenseitig aus den Augenwinkeln. Der alte Mönch war sich recht bald sicher, den gesuchten Bruder Abbé vor sich zu haben. Nach geraumer Zeit ergriff der alte Mönch vorsichtig das Wort und berichtete seinem Gegenüber vom Unglück seines Wolfshundes.

Ergriffen sah er, dass der Weißhaarige weinte, einige Tränen liefen über sein von Runzeln gezeichnetes Gesicht. Er weinte um das Schicksal seines Gefährten. Anders konnte man das Verhältnis des Wolfshundes zum Bruder Abbé nicht beschreiben.

Pater Clemens legte verstehend seine Hand auf den Arm vom Bruder Abbé. Der erwiderte dankbar die Geste mit einem Händedruck. Pater Clemens verspürte bei diesem Händedruck plötzlich eine gewaltige Energie, die von dem Weißhaarigen ausging und die sich auf ihn übertrug.

Beide standen auf und machten sich auf den Weg zu Thundorms Höhle in den Obermühlbergen.

Neben sich hatte der kleine Mann sein großes Buch liegen, in welches er die Geschichten des Wolfes Wort für Wort gewissenhaft niederschrieb. Und es war eine lange Geschichte ...

Thundorm wollte all die Geschichten, die dieses dicke Buch enthielt, der Nachwelt erhalten und es waren schon viele, die er in den Jahrhunderten gesammelt hatte.

Und so hörten sich die Geschichten des Wolfshundes Brom an ...

Kapitel 1

Karawanserei El Mahmud

Die Sonne brannte Mitte Oktober des Jahres 1476 noch unerbittlich vom wolkenlosen Himmel Palästinas auf den Sahn der zweigeschossigen Karawanserei. Diese Karawanserei war ein sicherer Hort für Pilger und sie war einigermaßen gepflegt. Unweit von Ramalah, an der Karawanenstraße nach Jaffa gelegen, wurde sie Rastziel vieler Pilgergruppen, die sich auf dem Weg von und nach Jerusalem befanden.

Im Schatten der Gewölbe des Sahn, des Innenhofes der Karawanserei, hatte sich eine größere Schar Pilger, aus Jerusalem kommend, niedergelassen und diese Schar genoss die angenehme Kühle, die das dicke Gemäuer der Gebäude ausstrahlte. Es gab nur ein einziges Tor als Zugang zu dieser Herberge. Dieses bestand aus dickem, sehr hartem Zedernholz, das bei einem eventuellen Überfall auf die Karawanserei, schnell geschlossen und leicht zu verteidigen war.

In der Mitte des Innenhofes fiel ein großer Brunnen ins Auge, ein Bir, der wie jeder Brunnen in der arabischen Welt, einen Namen hatte. Dieser hier hieß Bir El Mahmud, also Brunnen des Mahmud. Der Legende nach hieß der Brunnenbauer Mahmud, der in dieser Gegend einst Wasser fand und den Brunnen teufte.

Um diesen Brunnen herum baute man später die Karawanserei. So bekam dann auch die Karawanserei ihren Namen nach dem Brunnen. Gutes Wasser war lebensnotwendig für Mensch und Tier und dieser Brunnen hatte es im Überfluss.

Zu dieser Zeit waren Überfälle auf waffenlose, christliche Pilgergruppen an der Tagesordnung. Viele zwielichtige Gestalten wurden durch die Pilger angelockt, die ja größten Teils nicht unvermögend ihre Pilgerreise ins Heilige Land antraten. Diese Pilgergruppen wurden dann zur leichten Beute für Räuber und Sklavenhändler.

Der Handschi jedenfalls, so nannte man den Herbergswirt einer Karawanserei, gab sich alle Mühe, seine Gäste zufriedenzustellen und sorgte auch für deren Sicherheit während ihres Aufenthaltes in seiner Herberge.

Die meisten Pilgergruppen fanden sich vor ihrer Ankunft im Heiligen Land zusammen. In Jaffa leisteten sie sich gemeinsam einen Chabir, einen Reiseführer, der sie sicher nach Jerusalem brachte, der vielleicht, wenn sie Glück hatten, sogar ihre Heimatsprache verstand und der wenig kostete, und … der sie vor allen Dingen wieder sicher zurückbringen konnte.

Und fast jeder Chabir kannte diese Karawanserei und macht hier Station mit Pilgergruppen von und nach Jerusalem.

Der Chabir, der an der Balustrade der Terrasse lehnte, gehörte offensichtlich zu einer größeren Pilgergruppe, die sich in der Obhut der Karawanserei befand.

Der hochgewachsene Chabir betätigte sich nicht nur als Reiseführer, sondern auch als Dolmetscher. Selim ist ein Sarazene, ein Steppenreiter und er ist stolz, wenn man ihn so nannte.

So einen Chabir konnte sich nicht jede Pilgergruppe leisten. Der Sarazene ist sich offensichtlich seines Wertes bewusst, seine Haltung drückte das aus - zumindest gegenüber seinen Landsleuten ließ er durchblicken, dass er ein guter Chabir sei.

Übrigens - die Gäste der Karawanserei sind allesamt Pilger, die aus dem Heiligen Land kommend, die Heimreise antreten wollen.

Und als Pilger sind sie weithin durch ihre Pilgerkutten kenntlich.

Nur wenige arabische Karawanen machten hier Station. Meist kamen sie nur, um frisches Wasser aufzunehmen und ihre Tiere zu tränken, um dann weiter zu ziehen. Karawanen die Handelsgüter transportierten, blieben auch nur kurze Zeit hier. Sie hatten es eilig, auf die Märkte zu kommen. Das wurde dann kein gutes Geschäft für den Handschi. Normalerweise sind die Dienstleistungen einer Karawanserei kostenfrei, nur für Essen und Trinken mussten die Pilger einen relativ kleinen Preis entrichten.

Das Haupt der deutschen Pilger, Herzog Albrecht von Sachsen, hatte dem Wirt aber einen größeren Betrag in die Hand drücken lassen, mehr als dieser üblicherweise gefordert hätte.

Dafür erhielt die Gruppe die besten Gästekammern im ersten Geschoss der Karawanserei.

Die Pferde der Pilger wurden vorzüglich versorgt und in den unteren Ställen eingestellt, sodass sie der brennenden Sonne nicht ausgesetzt wurden.

Es waren edle Tiere und ihrer Herkunft nach, deutlich arabischen Ursprungs. Das verrieten die innwendig rötlich gefärbten Nüstern und die feinen, dichten Stirnlocken, die von den kleinen zierlichen Ohren begrenzt wurden. Die schwarzen Schweife waren lang und dicht. Die rotbraunen, edlen Tiere erregten Aufsehen, auch bei den anderen Gästen der Herberge.

Normalerweise sind Pilger Fußgänger, aber angesichts der späten Rückreise, gestattete sich der Herzog Albrecht von Sachsen den Luxus, etwas schneller zu reisen, weil er den harten Winter des Gebirges nicht unbedingt erleiden wollte. Immerhin mussten sie, nach der noch bevorstehenden Seereise, die Alpen überqueren.

Bevor sie dort ankamen, konnte es schon November und in den Bergen empfindlich kalt werden.

Der Herbergsbesitzer, der Handschi, nahm den Chabir der Pilgergruppe beiseite und fragte ihn etwas unüberlegt - und vor allen Dingen sehr laut:

„Maschallah, Selim, wie kommen die Giaurs zu solch edlen Tieren? Die sind doch ein Vermögen wert!“

Da er ihn laut beim Namen nannte, wurde deutlich, dass er den Sarazenen kannte, weil dieser schon oft Pilgergruppen nach Jaffa führte und immer hier seine Rast einlegte.

„Allah schlage dein Maul mit der Pest!“, antwortete ebenfalls laut der mit Selim angesprochene Sarazene.

Er drehte sich um und schaute erschrocken zu der Pilgergruppe, und raunzte den Handschi an:

„An der Spitze der Pilger steht ein Herzog, bei uns etwa mit einem Emir zu vergleichen. Also überlege dir gut, welche Worte dein ungewaschenes Maul verlassen!“

Leise fügte er hinzu: „Außerdem verstehen einige von ihnen unsere Sprache, du Dummkopf!“

Der Gescholtene zog sich, nach dieser schroffen Zurechtweisung, betroffen in die offene Küche zurück und begann den üblichen Mokka zuzubereiten, den er den Gästen, gemeinsam mit seinen Sufragis, auf dem Dach der Herberge servierte.

Kleine, glühende Kohlebecken, auf denen in zierlichen Kupferkasserollen der Mokka zubereitet wird, standen an jedem Tisch, sodass das Getränk immer heiß und frisch in die kleinen Schalen kam.

Die offenen und flachen Dächer, von einer zierlichen Balustrade begrenzt, dienten der Karawanserei als Terrasse. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick über die steppenartige Region bis weit zu den Bergen, die die Sicht aufs Heilige Jerusalem versperrten. Hier saß nun ein Herzog mit einer Gruppe von Pilgern. Und genau diesen Herzog, nämlich Herzog Albrecht von Sachsen und seine Pilgergruppe, die aus sieben Grafen und etwa fünfzig Edelleuten, sowie deren Bediensteten bestand, hatte der Handschi als Giaurs, als Ungläubige bezeichnet.

Nicht auszudenken, wenn sie die Beleidigung und das Gespräch mit dem Chabir verstanden hätten. Der Handschi sah aufmerksam zur Pilgergruppe hin. Aber niemand sagte etwas, sie redeten miteinander in ihrer Muttersprache, die er sowieso nicht verstand.

Aber jedes Mal, wenn der Handschi am Chabir vorüber musste, grinste dieser ihn anzüglich an.

Irgendwie war das Verhalten des Chabir heute merkwürdig, das spürte auch Hamid der Handschi. So hatte sich dieser Selim noch nie benommen. Er ist schon des Öfteren mit Pilgergruppen zu Gast in der Karawanserei gewesen und eigentlich war immer alles in Ordnung. Dieses Mal jedoch … irgendetwas hatte den Chabir in seinem Benehmen verändert … irgendetwas, das dem Handschi missfiel und dass dessen Unbehagen hervorrief.

Die Pferde, über die der Handschi mit dem Chabir sprach, hatte der Herzog in einem Gestüt in der Nähe von Ramalah gesehen und ausgeliehen. Der Scheikh Hassan Ben Gur, der Besitzer des Gestüts, verlangte, nach langem Feilschen, ein nicht geringes Entgelt für die Leihgabe. Die Pferde nahmen seine Stammesleute in Jaffa wieder zurück. Besagter Herzog, selbst erst dreiunddreißig Jahre alt, stand an der Balustrade, abgesondert von seinen Bediensteten.

Neben ihm lehnte eine schöne junge Frau, vielleicht Ende der Zwanzig oder Anfang der Dreißig - schwer zu schätzen. Sie war ebenfalls mit einer Pilgerkutte bekleidet und sie ließen den Blick in Richtung Jerusalem schweifen.

Selbst die einfache graue Pilgerkutte konnte die Schönheit der Frau nicht verbergen. Sie erregte allgemeine Bewunderung, vor allem der Chabir machte keinen Hehl daraus und starrte sie, bei jeder passenden Gelegenheit, herausfordernd und lüstern an.

Die junge Frau hieß Agnete Finger. Sie hatte sich mit ihrem Begleiter, einem jungen Adligen, der Pilgergruppe des Herzogs Albrecht von Sachsen angeschlossen. Sie genoss natürlich die Annehmlichkeiten und die Vorteile einer solchen Pilgerreise, die eine solch hochgestellte Persönlichkeit mit sich brachte.

Über ihrer Schulter hing eine schwere lederne Rolle an einem Riemen. Eine Dokumentenrolle, so wie sie im Orient zum Transport von Schriftstücken üblich ist.

Sie unterhielt sich lebhaft mit dem Herzog. Die intensive Unterhaltung schien sich auf die Lederrolle zu beziehen, die die Frau über der Schulter hängen hatte - und sie hatte im Herzog einen aufmerksamen Zuhörer gefunden. Ihre Unterhaltung bezog sich auf die Pilgerfahrt und auf das Heilige Grab von Jerusalem.

Unweit von ihnen lehnte der Chabir an der Balustrade und schaute gelangweilt in die Ferne – so schien es zu mindest.

In Wirklichkeit war er bemüht, jedes Wort zu erfassen, das zwischen der jungen Frau und dem Herzog gewechselt wurde. Dabei kamen ihm seine wirklich guten Kenntnisse der deutschen Sprache zugute, die er als bereits als Kind in der deutschen Gemeinde von Jerusalem erlernt hatte. Selims Vater war dort vor längerer Zeit Hausdiener bei einer christlichen deutschen Familie und zwangsläufig hatte auch Selim dadurch Kontakt zu anderen Mitgliedern dieser Gemeinde, die ihm ihre Sprache beibrachten.

Als sein Vater starb, kehrte Selim der deutschen Gemeinde den Rücken und wandte sich wieder seiner Familie zu, die in Ramalah lebte. Hier geriet er unter den Einfluss seines Onkels. Der Onkel, ein Imam in der Moschee von Ramalah, lehrte ihm die Schriften des Korans, er lehrte ihm aber auch den Hass gegen die Andersgläubigen, was Selim aber nicht hinderte, für sie als Chabir, als Führer tätig zu sein. Diesen Haß hatte ihm der Onkel eingepflanzt, in dessen Familie er fortan lebte. Die Folge des Einflusses seines Onkels war, dass Selim alle Christen regelrecht hasste.

La ilaha ill’ Allah! Es gibt keinen Gott außer Allah! … und Selim lebte danach, zu mindest tat er so.

Das Gespräch der Fingerin mit dem Herzog war für ihn von besonderem Interesse. Wenn er nur näher herangekonnt hätte, ohne Misstrauen zu erwecken. Er verstand immer nur Bruchstückenhaft Worte der Unterhaltung, die sich seiner Meinung nach um einen Schatz drehte. Schon diese wenigen Worte erweckten die Gier in ihm, mehr Einzelheiten in Erfahrung zu bringen. Aber die Unterhaltung der beiden Pilger wurde sehr leise und gedämpft geführt. Näher konnte Selim nicht heran, ohne in Verdacht zu geraten, dass er sie belauschen könnte.

Vielleicht hätte er von seinem frevelhaften Vorhaben abgelassen und sich mit der fürstlichen Entlohnung zufriedengegeben, wenn er den wahren Inhalt der Unterhaltung gekannt hätte.

„Durchlaucht“, sagte die Fingerin an den Herzog gewandt, „das hier ist mein größter Schatz. Hier drinnen befinden sich die Kopien der Baurisse des heiligen Grabes von Jerusalem!“

Sie klopfte bestätigend auf die Lederrolle.

„Der künftige Bürgermeister von Görlitz, Emmerich, war bereits vor elf Jahren in Jerusalem. Seit dieser ist Zeit ist er auch Ritter des Heiligen Grabes. Von ihm stammt eigentlich die Idee, die Bauabrisse aus Jerusalem nach Görlitz zu holen! Er braucht sie, um eine Kopie des Heiligen Grabes in Görlitz zu errichten. Das sind wohl noch Teile der Sühne mit seiner Stadt und ein Ergebnis seiner Pilgerreise ins Heilige Land! Aber so genau weiß ich das nicht, ich vermute es nur!“ Der Herzog zog die Nase kraus.

„Frau Agnete, ist das der Georg Emmerich“, warf er dazwischen, „der die Tochter und somit die Familie des Kaufmanns Horschel entehrt hat?“ Als Agnete bejahend nickte, stellte er bestimmend fest: „Aber, der ist doch gar kein Bürgermeister, er ist doch Kämmerer! Meinem Wissen nach ist doch der Frauenburg der Bürgermeister von Görlitz! Wie mir zu Ohren gekommen ist, soll ja dieser Georg Emmerich ein tüchtiger Windhund und Intrigant sein! Meine Leute haben mir damals berichtet, dass er zu dem blutigen Femegericht, das der Frauenburg damals in Görlitz abhielt, die Fäden im Hintergrund gesponnen hat, um damit auch seinen persönlichen Zwist zu bereinigen. Damit hat er schon vor seiner Pilgerreise begonnen – ein geschickter Zug von ihm!

Immerhin! der Herzog senkte seine Stimme. Er hat sich damit seine persönlichen Widersacher, vor allen Dingen den Nickel Horschel, vom Halse geschaffen. Soviel mir bekannt ist - Nickel Horschel war ein rechtschaffener Mann und … aber, das ist nur meine Vermutung und ich kann sie auch nicht beweisen, aber es ist wohl so geschehen!“ Dann brach er den Satz mit der Feststellung ab: „In Dresden hat man schon aufmerksam nach Görlitz geschaut, was sich dort in dieser Zeit der sogenannten „Pulververschwörung“ abspielte!“

Der Herzog machte eine kleine Pause und fuhr dann, mit einem Seitenblick auf die Frau fort: „Ihr seid nicht nur schön, sondern auch klug, Frau Agnete, der Herrgott hat bei euch mit seinen Gaben nicht gespart, aber ich hoffe sehr, ihr macht von den Interna unserer Unterhaltung keinen unzulässigen Gebrauch, wenn ihr wieder in Görlitz seid!“

Über dieses Kompliment errötete die Fingerin und wurde verlegen.

„Danke Durchlaucht, danke für das Kompliment“, sagte sie, um gleich darauf weiter zu reden, „aber warum urteilt ihr so hart über Georg Emmerich? Ich finde, es sind immer zwei Seiten, die man bei der Beurteilung von Menschen in Erwägung ziehen sollte!“

Sie beschwichtigte den Herzog mit einer Handbewegung, als dieser antworten wollte, und redete weiter:

„Als diese Ereignisse in Görlitz stattfanden, war ich noch ein junges Ding und mit anderen Sachen beschäftigt, um das zu begreifen, was da vor sich ging. In diese Zeit fiel auch der Tod meines Mannes, den ich zu verkraften hatte.

Mit Politik habe ich mich in dieser Zeit kaum beschäftigt.

Aber in unserer Familie sprachen wir schon darüber.

Ich kann mich nur erinnern, dass vor allem mein Vater als Tuchmachermeister, sehr betroffen reagierte über die Grausamkeit und die Gewalt, mit der Frauenburg die Sache niederschlug!“

Sie machte eine kleine Pause.

„Aber das ist lange her! Und ihr braucht wirklich keine Bedenken zu haben, dass ich in Görlitz von unserer Unterhaltung Gebrauch mache. Aber zurück zu eurer anfänglichen Bemerkung, Durchlaucht!

Georg Emmerich wird bei den Geschlechtern der Stadt schon lange als der künftige Bürgermeister gehandelt, er ist doch mit Frauenburg dick befreundet. Und … nach seiner Pilgerreise hat man ihm seine Vergehen nachgesehen, er hat Absolution erhalten.

Vor immerhin sechs Jahren hat ihn Frauenburg als Nachfolger seines Vaters Urban in den Rat geholt und seither ist er dort ohne Unterbrechung tätig. Seit dem Tode des Böhmerkönigs macht ihm keiner das Amt mehr streitig - und Frauenburg … der ist schon längere Zeit krank, ist euch das nicht bekannt?“

Der Herzog sah sie merkwürdig an, als sie den Tod des Königs erwähnte, nickte dann aber zustimmend und winkte ab. Erneut stellte er eine Frage an die schöne Frau.

„Euer Vater, war das der Tuchmachermeister Jakob Lange?“, fragte er. Als die Fingerin das erstaunt bejahte, fuhr er fort: „Lassen wir das Unerquickliche ruhen, Frau Agnete! Die Görlitzer Politik und die Zugehörigkeit der Stadt, zu wem auch immer, ist schon allezeit ein Kapitel für sich gewesen! Wechseln wir das Thema!“

Er drehte sich um und sah ihr voll ins Gesicht.

„Interessanter für mich ist, wie seid ihr an diese Bauunterlagen herangekommen und, verzeiht diese Frage, welche Rolle spielt dieser Georg Emmerich in eurem Leben, Frau Agnete?“

Der Herzog bemerkte wohl den unwilligen Schatten in ihrem Gesicht, den seine Frage bei ihr auslöste.

„Meines Wissens sind diese unzugänglich für die Allgemeinheit aufbewahrt! Eigentlich hätte die doch euer Emmerich schon mitbringen können, wenn er schon Ritter des Heiligen Grabes ist!“

Das klang etwas spöttisch, vor allem das «euer Emmerich» stach ihr gewaltig in die Nase, aber Agnete überhörte absichtlich diesen stichelnden Unterton in der Frage.

Für sie war es überhaupt schon ein Wunder, das ein Herzog mit einer Patrizierin aus dem Handwerkerstand, Konversation betrieb. Sie wollte die Harmonie dieses Gespräches nicht mit einer forschen Gegenrede zerstören. Deshalb redete sie weiter.

„Dass ihr meinen Vater kennt, ist schon verwunderlich, Durchlaucht. Er hat sich eigentlich nie an der Politik der Stadt beteiligt, zumindest ist es mir nicht bekannt“. Der Herzog schmunzelte.

„Ich kenne ihn nicht persönlich Frau Agnete. Mein Vater hat mir erzählt, euer Vater hat vor dreißig Jahren ziemlich viel Staub aufgewirbelt in einem Streit mit dem Nürnberger Handelsmann Reuthener. Dieser hatte das Freirecht von Westfalen angerufen, um zu seinem Recht zu kommen. Der Görlitzer Rat hat das aber klug beigelegt, in dem er auf das Privileg verwies, dass Görlitz kein fremdes Gericht zur Rechtsprechung über seine Bürger duldet.

Nur dadurch kenne ich den Namen Jakob Lange.

Wisst ihr überhaupt, was das ist? Das Freirecht von Westfalen?“

Agnete schüttelte den Kopf und sah den Herzog fragend an.

„Soll ich euch das wirklich erzählen?“

Agnete nickte zustimmend.

„Aber ja Durchlaucht. Schließlich betrifft es ja meinen Vater“.

„Nun gut Frau Agnete“, antwortete der Herzog.

„Eigentlich ist das kein erquickendes Thema. Aber der Streit eures Vaters mit dem Nürnberger hat tatsächlich viel Staub aufgewirbelt - über die Landesgrenze hinaus, genauer gesagt. Das Freigericht von Westfalen wurde durch die Feme – so nannte man das Gericht – zum Land der „roten Erde“. Dies wegen der geheimen Blutgerichte, die hier stattfanden. Die Feme entstammt einem uralten sächsischen Freigericht und Karl der Große hat das ausdrücklich bestätigt. Die Feme erhielt dadurch den Königsbann, seine Befugnisse über ganz Deutschland auszubreiten. Damit sind die Richtersprüche der Feme nachwievor geltendes Recht. Euer Vater hatte unsägliches Glück, das er Görlitzer Bürger war. Ich will es Euch verdeutlichen, Frau Agnete, wie es dabei zu geht!“

Der Herzog räusperte sich und trank einen Schluck von dem Wasser, welches auf der Terrasse bereitstand und fuhr fort.

„Der anklagende Wissende trägt die Klage vor. Vor ihm auf dem Tisch liegen immer Schwert, Strick und Weidenrute. Nach kurzer Beratung fällt man ein Urteil und das vollzieht man auch sofort.

Normalerweise endet die Klage vor der Feme immer mit einem Schuldspruch und der lautet fast immer „Hängen“ oder „Halsgericht“. Selten, dass ein Freispruch erwirkt wurde. Wenn der Schuldige aber nicht vor Gericht erscheint, macht es das Gericht im Lande bekannt. Wisst ihr nun, woher ich den Namen Eures Vaters kenne?“

Agnete sah den Herzog betroffen an.

„Das war mir nicht bekannt, Durchlaucht. Ich erinnere mich nur, dass er damals oft nach Nürnberg gefahren ist, um über Waid zu verhandeln. Das ist ja schrecklich. Ist das nun aus der Welt geschaffen oder muss ich dafür büßen?“

Der Herzog sah sie sehr ernst an.

„Ihr habt Glück, dass euer Vater nicht mehr lebt. Ansonsten hätte ihn die Feme für vogelfrei erklärt. Außerhalb von Görlitz hätte jeder mit ihm tun können, was ihm beliebte. Die Femeacht ist gefürchtet“.

Eine geraume Zeit herrschte Schweigen zwischen den Beiden.

Agnete musste das erst verdauen, was der Herzog ihr über ihren Vater berichtete.

»Vogelfrei, recht- und ehrlos«, ging es ihr durch den Kopf.

»Wer hätte das vom eignen Vater gedacht«.

Der Herzog betrachtete sie von der Seite und begann erneut das Gespräch, indem er ihr die Hand auf die Schultern legte.

„Ihr müsst keine Furcht haben. Die Buße, die ihr mit der Pilgerreise auf euch genommen habt, erteilt euch in Personae die Absolution.

Ihr seid schuldfrei von dem, was man eurem Vater anlastete. Auch das ist geltendes Recht“.

Agnete sah den Herzog an. Die Erleichterung drückte sich auf ihrem Gesicht deutlich aus. Damit musste sie sich befassen, wenn sie wieder in Görlitz war – unbedingt.

„Ich werde das ergründen, wenn ich wieder zu Hause bin, Durchlaucht. Ich brauche Gewissheit, dass das alles sauber geklärt ist“, sagte sie resolut.

Eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen, bis Agnete, wie aus einer Lethargie erwachte und den Herzog ansprach.

„Zurück zu eurer Frage, Durchlaucht.

Mein junger Begleiter, der Gabriel von Gersdorff, den euer Landrentmeister irrtümlich für meinen Ehemann hielt, hat Verbindungen zu den Tempelherren von Jerusalem … die hatte Emmerich nicht!“

Der Herzog zog erstaunt die Augenbrauen in die Höhe und bemerkte fast spöttisch: „Die Tempelherren, Frau Agnete? Meint ihr wirklich den Templerorden?“

Als er sah, dass Agnete dazu nur nickte, fuhr er entschieden fort:

„Aber, aber, Frau Agnete! Der Orden ist doch offiziell schon seit 1312 vom Konzil in Vienne aufgelöst und alle Großmeister des Ordens sind exemplarisch bestraft! Das sind … Moment mal, einhundertvierundsechzig Jahre, wenn ich richtig gerechnet habe.

Wieso dann Tempelherren? Ihr nehmt mich auf den Arm!“

„Das würde mir nie einfallen, Durchlaucht!“, lachte sie, „außerdem seid ihr mir viel zu schwer!“

Sie lachten beide.

Der Herzog sah sie gespannt an, als sie weitererzählte:

„Anfangs ging es mir genauso! Aber im Verborgenen gibt es sie doch noch, hier im Heiligen Land! Sie sind damals allesamt im Orden der Ritter Christi aufgegangen. Sie zeigen sich selten in der Allgemeinheit, aber sie sind da! Einige Vorfahren, aus einem weitläufigen Zweig derer von Gersdorff gehörten in dieser Zeit, die ihr anführtet, dem Orden der Templer an, daher stammen auch seine Verbindungen. Und diese sind von Generation zu Generation derer von Gersdorff weitergereicht. Anfangs war ich auch sehr skeptisch, dass überhaupt eine Begegnung mit ihnen zustande kommt. Und siehe da! Es hat in Jerusalem funktioniert.

Es war gar nicht so einfach, die Templer zu überzeugen, dass wir die Abrisse kopieren wollten. Dass dies einem guten Zweck dient, den Glauben zu festigen, wenn man bei uns in Görlitz ein Abbild des Heiligen Grabes aufbaut, überzeugte sie dann doch und sie halfen bei der Erstellung der Kopien sogar mit“.

Herzog Albrecht lachte.

„Die Überzeugung dürfte euch ja nicht schwergefallen sein!“

Er ließ erneut einen bewunderten Blick über die junge Frau gleiten.

Agnete überhörte erneut die Bemerkung des Herzogs und redete unverdrossen weiter:

„Der ehemalige Kaplan der Komturei von Jerusalem war rein zufällig in der Stadt“, sie machte dabei mit den Händen die Anführungszeichen oben und unten, „er wollte wohl alle noch vorhandenen Unterlagen des Ordens, die immer noch in Jerusalem lagerten, in die Burg Arun verbringen lassen. Darunter zählten auch die Bauabrisse des Heiligen Grabes, für dessen Schutz der Templerorden einst zuständig war. Ich glaube zwar nicht an einen Zufall, aber was soll’s, ich habe jedenfalls die kopierten Bauunterlagen hier“. Und sie klopfte zur Bestätigung auf die lederne Rolle an ihrer Seite.

Wieder herrschte eine Weile Ruhe zwischen ihnen.

„Ihr habt den anderen Teil meiner Frage übergangen, Frau Agnete! Was für eine Rolle spielt Emmerich in euerem Leben!“

Die Fingerin errötete und wandte sich ab.

„Wenn ihr nicht antworten wollt, dann müsst ihr es nicht!“, bemerkte ernsthaft der Herzog. Sie drehte sich um und sah ihm voll ins Gesicht: „Es ist mir unangenehm, auf solche Fragen überhaupt eine Antwort zu geben, Durchlaucht! Seit ich meinen Mann verlor, stellte mir auch Emmerich nach. Ich weiß mich gewiss zu wehren gegen solche Nachstellungen und Emmerich weiß das auch … schmerzlich denke ich, wird er sich daran erinnern. Wenn auch der Schein trügt, aber ich habe nichts mit dem Emmerich. Eigentlich ist er mit Mitte fünfzig schon ein alter Mann. Bei dieser Feststellung wollen wir es belassen … bitte!“, sagte sie mit harter Stimme.

„Entschuldigt! Ich wollte euch keinesfalls zu nahetreten!“, erwiderte Herzog Albrecht, „aber die Frage bezog sich mehr auf die Kopien, die ihr bei euch tragt, nicht auf eure persönlichen Verbindungen zu ihm. Die Frage die mich beschäftigt ist doch, warum hat er sie nicht selbst mitgebracht, wenn er schon die Reise ins Heilige Land unternommen hatte. Das ist das, was ich als unnormal empfinde! Außerdem ist das mehr als nur eine Vertrauenssache, deshalb wundert euch nicht, dass ich so direkte Fragen stelle!“

Die Fingerin zuckte nur mit den Schultern.

„Darauf kann ich euch wirklich keine Antwort geben, Durchlaucht.

Er hat mich nur gebeten, ihm zu diesen Abrissen zu verhelfen. Das habe ich auch im Interesse meiner Stadt und meines christlichen Glaubens getan!“

Sie schwiegen eine Weile und jeder hing seinen Gedanken nach. Die Fingerin brach das Schweigen und lenkte von diesem, für sie unerquicklichen Thema ab:

„Kennt ihr Arun, Durchlaucht?“

Der Herzog schüttelte den Kopf und Agnete fuhr fort, über die Burg zu berichten. „Arun, das ist die letzte Burg des Templerordens, die sich dem Zugriff der Kurie entzogen hat, jetzt ist sie Zuflucht der Rittern Christi. Diese wehrhafte Burg hat noch keiner besiegt.

Gabriel von Gersdorff hat mir das alles erzählt, ich hätte es sonst auch nicht gewusst. Und wisst ihr, wo sie liegt, Durchlaucht?“

Noch immer schweigend schüttelte der Herzog wieder den Kopf.

„Sie liegt hier im Heiligen Land, ostwärts auf einer kleinen Insel vor der Hafenstadt Haifa an der Küste, unweit von Akkor und in unmittelbarer Nähe der Handelsstraße via Maris!“

„Und wer hat die Kopien gefertigt?“, fragte der Herzog nach einer Weile. Ihn ließ die vorangehende Antwort der Fingerin nicht los.

„Gabriel von Gersdorff hat dann, mithilfe einiger, den Templerbrüdern nahestehenden Malern, weil nun auch noch die Zeit drängte, in einer Nacht- und Nebelaktion die Kopien der Abrisse des heiligen Grabes gefertigt. Das war schon eine Meisterleistung!“

Sie konnte sich nicht verkneifen, auf die anfängliche Feststellung des Herzogs zurückzukommen.

„Übrigens, Durchlaucht, an den Kopien habe ich keinen Anteil, wie ihr seht! Das ist allein Gabriel von Gersdorffs Verdienst, er hat den Kaplan überzeugt, nicht ich! Ich hoffe nur, dass ich sie unbeschadet nach Hause bekomme! Ich bitte nur, dass ihr das alles, was wir beredet haben, für euch behaltet, Durchlaucht!“

Der Herzog schmunzelte und nickte zur Bestätigung.

„Ich glaube, ich habe begriffen, dass die Ritter Christi eigentlich nur die Nachlassverwalter des Templerordens sind. Aber warum nennt ihr sie weiterhin Templer?“

Die Fingerin zuckte mit den Schultern und schwieg.

Noch während er redete, schirmte der Herzog mit der Hand seine Augen und schaute in die östliche Richtung, aus der eine Staubwolke zwei Reiter ankündigte, die sich auf die Karawanserei zubewegten. Nach einer Weile war das Trommeln der Hufen auf dem ausgetrockneten Boden deutlich zu hören.

„Wir bekommen noch Besuch!“, meinte der Herzog und deutete auf die Reiter, die sich inzwischen der Karawanserei näherten.

„Die haben ihre Tiere ganz schön gehetzt!“, warf der Herzog ein und beugte sich über die Balustrade um die beiden Reiter zu betrachten als sie das Tor passierten.

Noch vor dem Tor sprangen die Reiter von den völlig erschöpften Pferden und übergaben sie den Stallsufragis, die sie in die Ställe führten und versorgten. Mit langen Schritten überquerten sie eilig den Sahn und begaben sich zum Handschi.

Einen Augenblick später kamen sie, vom Handschi geführt, auf das Dach der Karawanserei. Der Handschi verwies auf den Herzog und die Fingerin, verbeugte sich kurz und verschwand wieder.

Die beiden Reiter näherten sich den beiden Pilgern, die an der Balustrade lehnten und ihnen erwartungsvoll entgegensahen.

Die Ankömmlinge sorgten, übrigens auch bei den anderen Pilgern, für Aufmerksamkeit. Der erste Reiter war groß und breit in den Schultern, hatte langes blondes Haar, das ihm bis auf die Schultern herabfiel und blaue Augen. Sein Alter ließ sich schwer schätzen, vielleicht auf fünfunddreißig Jahre - wie gesagt, man konnte das Alter des Mannes schwer bestimmen.

Der weiße Burnus, den er trug, reichte fast bis zum Boden. Das sonnenverbrannte Gesicht, klar geschnitten und ausgesprochen männlich, es erweckte sofort Sympathien bei den Anwesenden.

Der zweite Reiter war ein wenig kleiner, hatte aber auch eine kräftige Statur und ein offenes Gesicht, man konnte es fast hübsch nennen. Er war dunkelhäutig, nicht so dunkel, eher etwas heller und etwa gleichaltrig. Auch er trug einen weißen Burnus. Ein Marameh zierte seinen Kopf und ein fein gearbeiteter Yatagan, eine augenfällige Damaszenerklinge, hing an seiner Seite. Die Klinge des Yatagans schimmerte blausilbern.

Der Marameh war aber anders gebunden, wie hier sonst üblich und ersetzte ihm den Turban, den gläubige Muslime sonst trugen.

Während sich der Kleinere höflich zurückhielt, trat der Blonde an die beiden Pilger heran, verbeugte sich kurz und wandte sich an die Frau: „Seid ihr Agnete Fingerin aus Görlitz?“

Etwas unwillig über die Unhöflichkeit des Fremden, blitzte sie ihn an und bejahte dessen Frage. Im gleichen Atemzug machte sie ihn mit ihrem Nachbarn bekannt: „Das ist, mit Verlaub, der Herzog Albrecht von Sachsen, den ihr so großzügig übersehen habt, Fremder!“ Das hatte wie eine Maulschelle gesessen.

Der Fremde wurde über und über Rot – er verhaspelte sich mehrmals, bis er dann endlich eine Entschuldigung zustande brachte. „Verzeiht Durchlaucht, in einer Mönchskutte kann man nur schwer erkennen, wer sich darunter verbirgt!“

Der Herzog lachte laut auf und wies auf die junge Frau.

„Bei ihr ward ihr aber schon sehr sicher, dass sie eine Frau ist!“, sagte er, aber er gab dem Fremden Recht und dieser stellte sich jetzt formvollendet vor.

„Mein Name ist Diethardt von Borsow und mein Begleiter heißt Omar Ibn Halef!“

Als er unbeabsichtigt den weißen Burnus zurückschlug, fiel der Blick des Herzogs auf die linke Schulter des darunter getragenen Hemdes, das ein kleines, unscheinbares Tatzenkreuz, ähnlich wie das des Templerordens zeigte, welches allerdings eine schwarze statt der üblichen roten Farbe aufwies.

Der Herzog als auch Agnete Fingerin taten so, als hätten sie den Fauxpas nicht bemerkt, zumal der Betroffene hastig, als er die Blicke bemerkte, den Burnus schloss. Etwas irritiert schaute er seinem Gegenüber in die Augen, aber der ließ sich nichts anmerken.

Angesichts des außergewöhnlichen Aussehens seines Begleiters beeilte sich Diethardt von Borsow, diesen Umstand aufzuklären.

„Omar Ibn Halef ist zwar gebürtiger Araber, aber er ist Christ und er spricht unsere Sprache genauso wie ihr und ich und ihr könnt ihm Vertrauen schenken, Durchlaucht!“, mit diesen Worten winkte er den Araber zu sich.

Omar trat näher und verneigte sich vor dem Herzog und der Dame.

In fehlerlosem Deutsch formulierte er seine Begrüßung und trat dann rücksichtsvoll und höflich einen Schritt zurück, um seinem Begleiter die Wortführung zu überlassen.

„Bruder Abbé hat mich beauftragt, euch zu suchen und mit euch über ein Anliegen des Kaplans zu reden. Gabriel von Gersdorff ist eigentlich eingeweiht. Hat er nicht mit euch darüber gesprochen? Wo ist er überhaupt?“

Agnete Fingerin zuckte mit den Schultern und verneinte die Frage.

„Ich weiß nicht, wo er steckt! Und gesprochen hat er mit uns auch nicht!“, sagte sie und dabei musterte sie interessiert und unverhohlen den großen Mann.

Sie schaute in den Hof der Karawanserei, auf dem sich ein neuer Pilgerzug eingefunden hatte, dessen Leute sich um den Bir El Mahmud drängten, den Brunnen der Karawanserei, um ihren Durst zu löschen.

Diethardt von Borsow nahm das Gespräch wieder auf.

„Wenn ihr erlaubt, Durchlaucht!

Die letzte Komturei im Heiligen Land hat man vor kurzem aufgelöst - unwiederbringlich. Unsere Aufgaben im Heiligen Land, das heißt die Aufgaben der Tempelritter, sind damit als erfüllt zu betrachten!“ Der Herzog unterbrach die Rede des Hünen:

„Ihr redet immer vom Templerorden, Borsow! Wer ist dieser Bruder Abbé?“, fragte er. Dieser nickte und räusperte sich vernehmlich:

„Entschuldigt, Durchlaucht, der Staub hat mich völlig ausgedörrt und der Sand knirscht zwischen den Zähnen!“

Agnete füllte ihm einen Becher Wasser ein, das in einem Tonkrug auf dem Tisch stand und den er mit einem Zuge leerte.

„Danke!“, sagte er, gab den Becher zurück und setzte er seine Rede fort: „Ich muss wahrscheinlich doch etwas weiter ausholen, Durchlaucht, um es euch verständlicher zu machen!

Vor einhundertvierundsechzig Jahren hat der Papst Clemens V. unseren Orden aufgelöst, aber wie ihr seht, es gibt uns noch immer … und nicht nur hier im Heiligen Land.

Aber hier in Jerusalem werden wir nicht mehr durch die Inquisition verfolgt und können noch offen als Templer auftreten, hier in Jerusalem hat die «Schwarze Spinne» keine Macht! Trotzdem versucht sie immer wieder!“

Eine kleine Pause trat ein, bevor er seine Rede fortsetzte.

„Es ist nicht nur vermessen von mir, sondern auch sehr gefährlich, wenn ich mich euch zu erkennen gebe – als Templer, meine ich, ohne zu wissen, wie ihr zu uns - ich meine, zu unserem Orden steht, den es ja offiziell nicht mehr geben sollte.

Aber unser Bruder Abbé, der letzte Kaplan der Komturei, hat - gerade wegen Gabriel von Gersdorff - Vertrauen in euch gesetzt und mich nachgesandt, euch das zu sagen!“

Der Herzog staunte und machte ein und ungläubiges Gesicht, als er diese Rede vernahm. Auch Agnete zeigte ein erstauntes Gesicht.

„Der Kaplan kennt mich doch überhaupt nicht! Ich dachte – und hörte schon von meiner Begleiterin, dass der Templerorden längst aufgehört hat, zu existieren und nur noch die Legenden von ihm im Umlauf sind und nun steht ihr vor mir als leibhaftiger Bruder des Templerordens und redet von einem Kaplan des Ordens, den es auch gar nicht mehr geben dürfte – das ist unglaublich!“, erwiderte der Herzog. Die Fingerin sah den Herzog an und lächelte verhalten.

»Er hatte sich nicht verplaudert und das Gespräch mit mir für sich behalten – alle Achtung!«

Diethardt von Borsow lächelte gequält und machte mit der Hand eine nichtssagende Geste.

„Erlaubt Durchlaucht! Der Kaplan kennt euch wohl, nur ihr kennt ihn nicht als Kaplan der Tempelherren – er war der Guardian des Heiligen Grabes, der euch in der Grabeskirche zum Ritter des Heiligen Grabes schlug!“

Der Herzog Albrecht machte nun ein verdutztes Gesicht.

„Ja, ja, es ist der Bruder Abbé!“, lächelte Diethardt von Borsow, als er das erstaunte Gesicht des Herzogs sah.

„Zuvor lasst mich einiges erklären, Durchlaucht!“, fuhr er fort.

„Als sie im März 1314 unsere Großmeister in Paris auf den Scheiterhaufen verbrannten, verfluchte der Letzte von ihnen, Jacques de Molays, den König und den Papst.

Sie starben, gemäß seinem Fluche, binnen eines Jahres – Beide! Genauso, wie er es vorausgesagt hatte, erfüllte sich sein Fluch.

Deus lo vult!

Es war wie ein Gottesurteil, das für die Unschuld der Großmeister sprach - ein besseres Zeichen für ihre Unschuld konnte Gott nicht geben! Dieses Gottesurteil hat die Reste des Ordens noch einmal fest zusammengefügt. Wir, das heißt die kleine Zahl der Brüder des Ordens in Jerusalem, brauchten viel Zeit, um das immens gewachsene Vermögen der Templer, das nach den verfluchten Wirrnissen noch übrigblieb, in sichere Obhut zu verbringen. Das Vermögen war ja weit verstreut in der Welt. Über Generationen hinweg mühen sich immer neue Brüder des Ordens, diese Aufgabe zu meistern. Einige Auserwählte aus dem Domkapitel des Patriarchen von Jerusalem, zu denen auch Bruder Abbé gehört, haben damals die fast auswegslose Lage genutzt, wenigstens die heiligen Reliquien des Ordens vor den Schergen der Inquisition in Sicherheit zu bringen. Sie wurden schonungslos verfolgt, und wenn man ihrer habhaft wurde, hat die Inquisition sie gequält und anschließend getötet! Nicht einer von ihnen wurde zum Verräter am Orden – auch nicht unter der hochnotpeinlichen Befragung sind sie schwach geworden!“

Diethardt von Borsow fuhr mit leiser Stimme fort:

„Einige, bis heute ungeklärte Umstände führten zum Tode dieser auserwählten Brüder, die mit diesen Aufgaben des Ordens betraut waren. Wir wissen bis heute nicht, ob sie Verrätern zum Opfer fielen oder unglückliche Umstände ihr Geheimnis offenbarten.

Es gibt auch keinerlei Hinweise auf ihren Verbleib. Wir sind auf der Suche nach ihren Geheimnissen, die sie uns nicht mehr mitteilen konnten. Die fehlenden Reliquien müssen zurück in den Schoß des Ordens der Ritterschaft Jesu Christi - das sind die einzigen und rechtmäßigen Erben des Templerordens! Übrigens, mit päpstlicher Bestätigung, Durchlaucht!“

„Moment einmal Borsow, wenn ich euren Ausführungen trauen kann, dann ist der Bruder Abbé so alt wie Methusalem. Ich kann das einfach nicht so hinnehmen, wie ihr das schildert. Kein Mensch wird so alt, wie ihr uns das erzählt!“

Sie wurden unterbrochen.

Der Handschi der Karawanserei servierte ihnen den fälligen Mokka auf der Terrasse und zog sich danach diskret zurück, nicht ohne den Sarazenen, der am Rande das Geschehen sehr aufmerksam verfolgte, nach unten zu winken.

Unwillig folgte der Chabir der Aufforderung.

Das Verhalten des Sarazenen wurde immer beunruhigender.

»So benimmt sich kein Chabir«, dachte der Handschi. Er schob den Sarazenen vor sich her, dem Aufgang zu.

Als sie sich sicher waren, dass sie allein auf der Terrasse saßen, fuhr der Templer fort: „Durchlaucht! Bruder Abbé bittet euch, Omar und mir eine sichere Passage in euerem Pilgerzug nach Europa zu gewähren. Wir fallen euch nicht zur Last, denn Bruder Abbé hat uns für die Reise reichlich ausgestattet. Er hat ausdrücklich auf euch verwiesen, Durchlaucht und auf euch, Frau Agnete, weil ihr Görlitzerin seid und weil Gabriel von Gersdorff entfernte Verwandte in eurer Nähe hat. Viele derer von Gersdorffs sind schon seit Langem unsere Verbindung ins Abendland, denn von ihren Vorfahren waren einige auch bedeutende Tempelritter und damit ist, glaube ich, alles gesagt! Obwohl wir jetzt alle dem Orden der Ritter Christi angehören, haben wir eine große Aufgabe, das Vermächtnis der Templer zu erfüllen! Was das Alter des Kaplans betrifft, ich wollte es auch nicht glauben, aber Bruder Abbé ist ein Methusalem, ein Begnadeter des Herrn, Durchlaucht!“

Diethardt von Borsow lächelte, als er sagte:

„Wenn ihr uns Templer nennte, so ist das nicht falsch. Wir tragen den Namen nach wie vor mit Stolz, Durchlaucht. Die Ritter Christi, als Nachfolger der Templer, leben genauso wie die Templer nach den Ordensregeln des heiligen Benedikts, die auch in den neuen Regeln des Calatrava enthalten sind!“

Er machte eine Pause zwischen den Sätzen und sah den Herzog an, bevor er bedeutungsvoll fortfuhr.

„Ritter des Heiligen Grabes genießen das Vertrauen des Bruders Abbé. Über ihnen wacht die Hand des Herrn, Durchlaucht.

Gabriel von Gersdorff hat Bruder Abbé gebeten, euch zu vertrauen, was ich euch hiermit - auch in seinem Namen – ausdrücklich kundtue. Ermöglicht uns die Passage nach Europa, Durchlaucht – natürlich unerkannt, und ohne dass daraus Nachteile für euch erwachsen!“

Stille trat ein.

Ein nachdenklicher Herzog ging an der Balustrade auf und ab und der Fingerin wurde die Rolle auf ihrer Schulter unbequem – zumindest zeigte sich das an ihrer zunehmenden Nervosität, weil sie immer an den Trageriemen spielte. Ihre Blicke blieben nachdenklich auf dem Tempelritter gerichtet und auch er sah sie oft an. Immerhin wurde sie, gewollt oder ungewollt, Mitwisserin eines Geheimnisses, das vielleicht nicht für ihre Ohren bestimmt war. Der Herzog war noch unschlüssig, das sah man ihm an.

Als von Borsow zur Seite ging um mit Omar zu reden wandte sich der Herzog zur Fingerin.

„Ich kann das einfach nicht glauben Frau Agnete. Es ist übernatürlich, was uns der Borsow berichtet. Überlegt einmal, der Bruder wäre wirklich so alt wie Methusalem. Kaum zu glauben!“, sagte er zu ihr.

Erleichtert waren alle, als die eingetretene Stille abermals gestört wurde. Der Sarazene kam zurück.

Er bat sie in den Speiseraum der Karawanserei. Hamid, der Handschi der Herberge, hatte die Pilger zu Tisch gebeten. Auf niedrigen runden Tischen standen Schüsseln mit köstlich duftendem, dampfendem Pilaw, der mit allerliebst aussehenden Lammspieschen gespickt waren. Ein Sufragi stellte Becher mit kühlem Kefir und Wasser für die Gäste auf die Tische.

Der nächste Sufragi hielt Tücher und Schüsseln mit Wasser zum Händewaschen bereit. Große Sitzkissen waren rings um die Tische postiert, sodass jeder der Gäste bequemen und ausreichenden Platz hatte.

„Wir reden nach dem Essen weiter!“, raunte Herzog Albrecht leise Diethardt von Borsow zu, als sie die Terrasse verließen.

Die Pilgergruppe des Herzogs von Sachsen nahm im großen Speiseraum der Karawanserei das Mittagsmahl ein.

Selim, der Sarazene, lehnte unter dem Kreuzbogen, in der Nähe vom Tische des Herzogs, an einem Pfeiler und beobachte, scheinbar unbeteiligt, die Pilger der deutschen Gruppe. Er war offensichtlich bemüht, alles zu hören, was am Tisch des Herzogs gesprochen wurde.

„Herr schaut nicht zu mir her“, flüsterte Omar, den Kopf nicht bewegend, dem Herzog zu. „Der Sarazene belauscht uns!“

Diethardt von Borsow reagierte sofort, denn er wusste, dass er sich auf die Beobachtungsgabe seines Gefährten blind verlassen konnte.

Omar handelte nie leichtfertig. Irgendetwas hatte Omar aufgeschreckt. Es musste jetzt nur noch gelingen, den Sarazenen vom Bogen wegzulocken, um die anderen Gäste am Tisch zu warnen, ohne dass es der Sarazene bemerkte.

Die Gelegenheit bot sich schnell.

Der Wirt rief Selim in die Küche. Verärgert verließ der Sarazene seinen Platz und begab sich in die Küche zum Handschi.

Hatte er genug gehört? Der Sarazene war sich dessen nicht sicher!

Aber er würde sicherlich noch ausreichend Gelegenheit haben, die weiteren Gespräche zu belauschen.

Als er hinausging, stieß er fast mit Gabriel von Gersdorff zusammen, der sich zum Tisch des Herzogs begab.

Der Herzog indes warnte seine Tischgenossen und gebot ihnen, nichts mehr über die bevorstehende Reise vernehmen zu lassen.

Irgendetwas stimmte mit dem Chabir nicht. Der Sarazene benahm sich tatsächlich merkwürdig und eines Chabirs unwürdig.

Gabriel von Gersdorff und Diethardt von Borsow begrüßten sich lächelnd mit einem Kopfnicken.

Omar verließ inzwischen die Runde und begab sich zu den Pferden, um etwas aus den Satteltaschen zu holen. Im Vorbeigehen sah er Selim in der offenen Küche mit dem Handschi gestikulieren und dieser redete wütend auf ihn ein.

Er schlich sich, im Schlagschatten eines Pfeilers, näher an die offene Küche heran und wurde ungewollt Zeuge einer Auseinandersetzung, zwischen Hamid dem Handschi und dem Sarazenen. Hamid schrie entrüstet, wahrscheinlich auf ein Ansinnen Selims hin, den Sarazenen an: „Oh Allah, was bist du doch für ein niederträchtiger Hund, Selim! Das sind harmlose Pilger aus Alemanja, die du belauscht und an die Gum verraten willst!“ entfuhr es dem Handschi.

Selim redete wütend auf den Hadschi ein: „Hamid, wenn du schon nicht mitmachen willst, aber du kennst den Koran genauso gut wie ich. La ilaha ill’ Allah, Hamid!”, schrie der Sarazene zurück.

„Das sind Ungläubige, sie sind Giaurs. Wie mit denen zu verfahren ist, hast du wohl vergessen? Du hast vorhin selbst so geredet und von Giaurs gesprochen! Die beiden Neuankömmlinge sind Templer, das sind die Schlimmsten der Giaurs, sie vertreten die Positionen der Kreuzritter und die haben wohl unser Volk ausgeplündert und vergewaltigt. Ich habe es mit eigenen Ohren gehört, als sie sich dem Alemanja-Herzog anvertrauten! Alles schon vergessen Hamid? El Kadr wird sich freuen, ihre Köpfe vor Allah in den Staub zu werfen!“ Der Handschi drehte sich zu Selim und machte mit der Hand eine bezeichnende Bewegung vor dem Gesicht: „Dir hat Allah den Geist verwirrt, Selim. Die Tempelritter gibt es seit mehr als hundert Jahren nicht mehr! Und der zweite Gast ist ein Araber und kein Templer. Was soll also dein irres Gerede! Dich hat Allah mit Blindheit geschlagen, Sarazene!“

Der Sarazene wurde noch wütender:

„Ich werde jetzt zu El Kadr reiten und ihm Bescheid geben, wann und wo seine Gum die Pilger erwarten soll. Der Alemanja-Emir hat außerdem genügend Goldstücke bei sich, dass es für alle reicht! Die Pferde allein sind schon ein Vermögen. Und das Weib … die hole ich mir! Und du … wage es nicht, mich zu verraten, sonst holt dich der Schejtan!“, drohte der Chabir. „Du bist wie El Büdsch, wie der Geier, Selim! Deine Habgier ist es, Selim, deine Habgier! Du willst mit Macht reich werden und schiebst den Koran vor! Du wirst einmal schlimm enden!“, schrie der Handschi den Sarazenen an.

„Ich werde nicht zum Verräter an Unschuldigen, Sarazene!

Verschwinde aus meinen Augen und lass dich hier nie wieder blicken!“

Omar hatte gerade noch Zeit, sich hinter den Pfeiler zu begeben, um vom Sarazenen nicht gesehen zu werden.

Denn nach diesen Worten des Handschis verließ Selim wütend und alle Vorsicht vergessend die offene Küche und begab sich zu den Pferdeställen. Er musste jetzt weg, jetzt wird die Situation in der Karawanserei für ihn gefährlich. Wer weiß, wie der Handschi noch reagiert!

Kurz darauf verließ er die Karawanserei und ritt in scharfem Galopp in östlicher Richtung, in die Berge.

Ein nachdenklicher Omar verließ seinen Beobachtungsplatz und ging, unbemerkt vom Handschi, zurück in den Speiseraum.

Unauffällig setzte er sich zu Diethardt von Borsow, der mit dem Herzog und Gabriel von Gersdorff im Gespräch war. Die Fingerin beteiligte sich rege an der Unterhaltung der drei Herren.

Vorsichtig um sich schauend, begann Omar, leise um Aufmerksamkeit bittend, seine Beobachtung mitzuteilen, die er aus dem Gespräch des Sarazenen mit dem Handschi der Karawanserei belauscht hatte.

Herzog Albrecht wurde blass.

Die Fingerin drückte ängstlich die Lederrolle an sich und schaute auf Diethardt von Borsow, als erwarte sie von ihm eine Antwort. Doch Diethardt von Borsow richtete seinen Blick auf den Boden und schwieg. Er wollte Omar nicht vorgreifen.

Sie wandte sich an den Araber: „Omar! Könnt ihr mir erklären: Was bedeutet „Gum“ und wer ist „El Kadr?“, fragte sie leise.

Omar sah sich vorsichtig um, immer darauf bedacht, dass die anderen Pilger des herzoglichen Gefolges nicht beunruhigt wurden:

„Gum ist der Name einer Raubkarawane, dessen Führer der berüchtigte Ibrahim El Kadr ist. Selim ist wahrscheinlich zu ihm geritten und teilt ihm Zeit und Ort mit, wo er uns überfallen könnte!“ Minutenlange beklemmende Stille am Tisch des Herzogs.

Die Antwort Omars mussten erstmal alle verdauen.

Diethardt von Borsow wandte sich an den Herzog: „Durchlaucht! Die Pilger eurer Gruppe sind das alle Bedienstete von euch?“

Herzog Albrecht antwortete: „Nicht alle sind Bedienstete von mir. Es sind zum Teil wehrhafte Edelleute, die mich auf der Reise begleiten.

Aber was nützen sie uns! Sie sind als Pilger, gemäß dem Bujuruldu der Mameluken von Jaffa, unbewaffnet und damit keine große Hilfe in einer solchen Situation. Ihre Waffen sind auf dem Schiff, das uns in Jaffa erwartet!“

Omar stand auf. „Ich glaube, ich weiß Rat. Ich bin gleich zurück!“ Mit diesen Worten verließ er den Speiseraum und begab sich in die offene Küche zum Handschi.

Dieser war gerade dabei, mit seinen beiden Sufragis, das verschmutzte Geschirr einzusammeln und zu reinigen.

Omar nahm ihn am Arm und trat einige Schritte beiseite, sodass die Sufragis nicht zuhören konnten.

„Hamid mein Freund, ich habe ungewollt deinen Streit mit dem Chabir des Herzogs belauscht und bin nun in großer Sorge, dass dieser Selim eine große Dummheit begeht! Willst du uns nicht helfen, das zu verhindern?“ Der Handschi wurde kreideweiß bis zu den Haarwurzeln. Kalter Schweiß perlte ihm von der Stirn.

„Bei Allah, ich habe damit nichts zu tun, das musst du mir glauben.

Ich wollte ihn sogar von seinem Vorhaben abbringen!“

„Ich habe es gehört, Hamid und glaube dir!“, erwiderte Omar.

„Stimmt es, was Selim behauptet, du bist ein Christ, ein Giaur?“

Omar sah den Handschi böse von der Seite her an:

„Es ist wahr, Hamid! Ich bin Christ … aber kein Ungläubiger!

Aber was ändert mein Glaube am Verrat eines Moslems an unschuldigen Menschen? Diese Pilger hier sind die Menschen, die ihren Glauben im Heiligen Land gestärkt haben. Sie sind in gutem Glauben um ihre Sicherheit in deiner Obhut, Hamid! Sie sind keine Kreuzritter, sondern Pilger! Die Moslempilger stärken ihren Glauben in Mekka. Sie denken genauso und wiegen sich auf dem Hadsch in Sicherheit, wenn sie in einer Karawanserei oder in einem Han Schutz suchen. Warum sollen diese christlichen Pilger jetzt ausgeraubt und getötet werden … und das Wissen über die Pilger kommt aus deiner Karawanserei, Hamid!“

Omar kehrte die Handflächen nach außen. „Das ist Sünde!“

Omar sah den Handschi eindringlich an und fuhr fort.

„Das sagt der Koran und das sagt auch die Bibel der Christen!

Ach, was rede ich – du weißt das genauso wie ich!“

Der nachdenklich gewordene Handschi nickte zustimmend und entschuldigte sich bei Omar für das Wort Giaur, das im Arabischen ja als Schimpfwort für Christen gilt.

Omar winkte ab. „Es ist gut Hamid! Ich nehme deine Entschuldigung an. Die Karawanserei hat doch einen Basar, stimmts?“, fragte Omar.

Der Handschi nickte.

„Wer ist der Händler?“

„Abu Hammed – ein Tuareg!“

„Befindet er sich jetzt dort?“

„Ich glaube ja, gewöhnlich ist er mit seinem Gehilfen Mustafa immer

um diese Zeit dort zu finden!“

Omar nickte befriedigt:

„Wir haben nie miteinander gesprochen Hamid, ich will nicht, dass du in die Sache hineingezogen wirst. Du bist ein guter Handschi und das soll so bleiben. El Kadr würde dir das nie verzeihen, dass du uns hilfst. Glaub mir, ich kenne ihn – ich kenne ihn zu gut! Sollte Selim zurückkehren, kein Wort zu ihm – dein Schweigen ist deine künftige Sicherheit … auch gegenüber der Gum! Hamid hast du das verstanden?“

Der Handschi nickte und atmete erleichtert auf.

Omar wandte sich dem Ausgang zu und drehte sich noch einmal um:

„Eine letzte Frage noch: Führt Abu Hammed Waffen in seinem Basar?“ Jetzt war es an dem Handschi zu grinsen: „Abu Hammed ist ein Tuareg! Ein Tuareg ohne Waffen … das ist wie der Bir ohne Wasser!“

Omar nickte befriedigt klopfte dem Handschi auf die Schulter und ging zurück in den Speiseraum.

Erwartungsvoll sahen ihm seine Tischgenossen entgegen.

Omar berichtete ihnen von seinem Gespräch und sagte:

„Seitens des Handschis haben wir nichts zu befürchten, er wird uns nicht verraten. Auf der anderen Seite des Sahn befindet sich ein Basar. Gehen wir jetzt hin und sehen einmal, was der Händler uns an Waffen zu bieten hat!“ Bei der Nennung des Namens Abu Hammed horchte Diethardt von Borsow auf, ließ sich aber nichts anmerken.

Der Basar war eine recht geräumige Einrichtung, in der es alles gab, was ein Reisender benötigte. Kamel- und Pferdesättel, Decken, Seile, Lederriemen, Gefäße, Wasserschläuche verschiedener Größen, Reisemäntel und Bekleidungsstücke wechselten sich mit Gewürzen und Nahrungsmitteln aller Art ab.

Im dämmrigen Licht des Basars erkannten sie einen älteren Mann, der in landesüblicher Kleidung der Tuareg, hinter einer Art Verkaufstheke Waren sortierte.

„Salam!“, grüßte Omar und begab sich zum Tisch. Der Alte schaute auf. „Salam! Was ist dein Wunsch Fremder, womit kann ich dir dienen?“

Hinter Omar hatten sich der Herzog von Sachsen, Gabriel von Gersdorff und Diethardt von Borsow postiert, sie warteten gespannt auf das Ergebnis der Verhandlungen Omars mit dem alten Tuareg.

Omar übersetzte die Antworten des Händlers für den Herzog und Gabriel von Gersdorff - Diethardt von Borsow beherrschte die Landessprache, er brauchte keinen Übersetzer.

„Wir suchen Waffen, hast du welche im Angebot?“, fragte Omar den Alten. „So, so, Waffen sucht ihr“, sagte der Alte mit einem merkwürdigen Blick auf den kostbaren Yatagan Omars und danach auf die Europäer. „An was habt ihr denn gedacht?“, fragte er zögernd.

Hinter ihnen räusperte sich plötzlich Diethardt von Borsow und legte Omar die Hand auf die Schulter und schob ihn beiseite.

Omar schaute sich etwas irritiert nach seinem Begleiter um, als dieser an ihm vorbei an den Tisch trat und auf den Alten zuging.

„Ich grüße dich, Abu Hammed!“

Erstaunt schaute der Alte auf den blonden Hünen, der auch noch seine Sprache sprach und diese ohne Akzent, den die meisten Fremden, die das Arabische mühsam erlernten, nicht verbergen konnten. „Woher kennst du meinen Namen?“

Diethardt von Borsow lächelte und ging um den Warentisch herum, sodass das Licht aus dem Fenster auf sein Gesicht fiel.

„Schau mich ruhig richtig an Abu Hammed, an wen erinnere ich dich?“ Der Tuareg schaute ihn an und plötzlich wurden seine Augen groß und ein Funke des Erkennens leuchtete in ihnen auf.

„Ihr seid … du bist Diethardt, der Sohn von Joachim von Borsow!“

Der Alte ging auf den Hünen zu und reckte sich auf die Zehenspitzen um ihn in die Arme zu schließen.

In den Augen des alten Tuareg glitzerte es verdächtig.

Mustafa, sein Gehilfe staunte nicht schlecht, als er diese Szene sah. Die anderen Pilger waren ebenso sprachlos.

Der Alte drehte sich um und schnauzte seinen jungen Gehilfen an:

„Was stehst du hier herum, zeige ihnen alles, was sie wollen – hörst du Mustafa, alles! Auch das Arsenal in der kleinen Kammer! Dann lege ihnen alles heraus was sie ausgesucht haben, hier auf den Tisch!“

Dann nahm er Diethardt von Borsow am Arm und verschwand mit ihm in ein kleines Nebengelass des Basars.

Diethardt machte noch eine hilflose Bewegung mit der Hand zu den Zurückgebliebenen, bevor er hinter den Vorhang gezogen wurde.

Es dauerte eine ganze Zeit, bis die beiden Männer wieder im vorderen Teil des Basars erschienen.