Geisterreiter im Neißetal - Hans-Peter Bauer - E-Book

Geisterreiter im Neißetal E-Book

Hans-Peter Bauer

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Beschreibung

Dieses Buch erzählt Mystery-Märchen und Legenden aus den Anfängen des mittelalterlichen Görlitz. Es versucht in einer Mischung aus fiktionaler und auch religiöser Empfindung, die starre und häufig ausschließende Doktrin zwischen den Religionen abzubauen. Denn der Glaube ist ein sehr persönlicher Ausdruck zu etwas, das größer und höher ist als wir selbst

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Seitenzahl: 288

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Was eigentlich vorher geschah

Eine unglaubliche Geschichte

Die Babitschka

Die Monsterspinne im Höllengrund.

Im Höllengrund

Burg Egerberk

Eine Botschaft aus dem Asenland.

Der Stein der Asen

Auf der Burg Egerberk

Der Zauberbaum von Kralowski haj

Die Geisterreiterin

Das Verlies in den Drachenfelsen

Die Burg Sternenlicht

Der Thronsaal

Auf der Turnierwiese vor der Burg

Am Orakel des Ýmir

Die Drachenreiterin

Die Vernichtung der Blaukreuzler

Die Hochflut

Die Vertreibung der Juden

Jahre später

Der Wolfshund von Görlitz

Der Geisterreiter im Neißetal

Die Hussiten kommen

Die Pestilenz

Die Hilfe kam aus dem Asenland

Die Rache des Schattens

Das Arkanum der Tempelritter

Der Schrein des Johannes

Die Heimkehr des Schreines

Verwendete Literartur

Danksagung

Was eigentlich vorher geschah ...

Es war ein warmer Sommerabend, als ich eine Recherche für das vorliegende Buch vor Ort prüfte.

Da, wo sich jetzt die Stadtbrücke über die Neiße spannt, führte früher eine wichtige Furt durch die Neiße. Heute zeigt nur der Name «Furtstrasse» an, dass es soetwas einmal gab. Irgendwo auf diesem Terrain musste sich das Dörfchen «Gerlois» befunden haben. Ich habe lange gesucht und doch nichts gefunden. Ich bin ja auch kein ausgebildeter Archäologe.

Vielleicht schaffen es die richtigen Ärchäologen später einmal, das alles zu dokumentieren.

Am Neißeufer vor der Hochschule spannte sich ein schmaler grasbewachsener Uferstreifen den Fluß entlang, der dazu einlud, sich einfach hinzusetzen und auszuruhen, der Tag war ja anstrengend genug. Eine begreifliche Müdigkeit überkam mich und ich schloss die Augen. Es war herrlich in der lauen Abendluft, fern vom Lärm des Alltags im frischen grünen Gras auszuruhen. Die Sonne versank im Westen und auf Morpheus Armen schwebte ich im leichten Halbschlaf dahin, wirklich leicht und unbeschwert.

Doch was war das?

Im Unterbewusstsein richtete eine angenehme, weibliche Stimme eine Frage an mich.

»Träumst du, Menschensohn?«

Ich riss die Augen auf, zumindest glaubte ich das zu tun.

Was war das denn? Eine Traumsicht? Wer nennt mich so?

Doch dann blieb mir die Luft weg.

Vor mir bewegte sich eine wunderschöne junge Frau auf mich zu, sie hatte ein herrliches weißes Pferd am Zügel.

Die Schönheit der jungen Frau verschlug mir die Sprache, ich konnte ihr nicht antworten. Das lange dunkelblonde Haar umschmeichelte ihr kindlich wirkendes Gesicht. Mit ihren unwahrscheinlich blauen Augen lächelte die junge Frau wissend, dass ihre Schönheit beindruckte und streichelte dabei ihr herrliches Pferd, dass die Zärtlichkeiten sichtlich genoss. Anscheinend war sie Sprachlosigkeiten ihrer Gegenüber gewöhnt. Wie aus der Ferne drang ihre liebliche Stimme tief in mein Bewusstsein.

»Ich bin Titania, die Königin des Asenlandes und ich komme gerade von einem Besuch meiner Schutzbefohlenen in der Obermühle. Das ist Kosta, mein Hengst und edler Vertrauter«.

Sie sah auf die neben mir liegenden Notizen und fragte mich.

»Du schreibst über deine Stadt, Menschensohn ...?«

Ich konnte nicht antworten, die Kehle war immer noch wie zugeschnürt und nickte nur bestätigend.

»Willst du mehr über die Geschichte deiner Stadt wissen?«

Ich konnte wieder nur nicken und noch immer kein Wort sprechen, obwohl ich es gern getan hätte.

Die Kehle war einfach immer noch wie zugeschnürt.

»Dann hör gut zu, Menschensohn!«, sagte sie, »es ist auch ein bischen etwas aus der Geschichte meines Volkes!«

Die Königin gab die Zügel ihres Hengstes frei und ließ sich neben mir nieder. Ihre Nähe und ihr Duft brachten mich vollkommen durcheinander. Eine Königin dicht neben mir im Gras, dazu dieser unglaubliche Blütenduft, der von ihr ausging, das ist so ungewöhnlich, das ist wie ein Märchen und da musste man nervös werden. Ihr Hengst tat sich inzwischen am saftigen Gras gütlich und die Königin begann eine Erzählung, die ich wie in einem Traumzustand, in einer Traumsicht erlebte, die so unglaublich spannend war – ich glaube, ich hab sie nicht ein einziges Mal unterbrochen, ich habe einfach nur ihre Nähe und ihre Stimme genossen und natürlich ihre Erzählung, die zu den Anfängen unserer wunderschönen Stadt Görlitz führte.

Eine unglaubliche Geschichte

Es war einmal vor vielen hundert Jahren, als es die Stadt Görlitz noch nicht gab, da lebten hier Menschen, die sich Milzener nannten. Nur ein kleines Dörflein, ein Fórbark, wie es bei den Milzener hieß, zeugte von einem zaghaft beginnenden Leben am Neißeübergang.

Bewohner des Fórbark waren in der Hauptsache Krieger des Fürsten Ziscibor, die mit ihren Familien in den ärmlichen Hütten am Neißeufer wohnten, aber sie gaben diesem Fórbark einen Namen, sie nannten ihn «Gerlois». Aber gerade dieses Dörflein «Gerlois» war bald bei Händlern und Kaufleuten in aller Munde, denn es lag an einem Handelsweg, den sie hochtrabend die «Hohe Straße» nannten. Es war aber zu dieser Zeit nur ein Handelsweg, auf dem die Waren aus dem Osten in den Westen gelangten und umgekehrt. Die Bezeichnung «Straße» aber verdiente dieser Karrenweg noch lange nicht. Der Name «Gerlois» bedeutete aber für die Kaufleute, eine sichere Passage durch die Neißefurt.

Ziscibor, der Fürst der Milzener, lebte mit einer größeren Anzahl seiner Krieger in einer Feste auf dem Berge Businc urbs, so hieß die Landeskrone in der Sprache der Milzener.

Überzählige Burgbewohner und Schutzsuchende siedelte Ziscibor aber immer wieder bewusst in «Gerlois» an. Langsam wuchs der kleine Ort an der Neiße und der Name wurde bei den Händlern wirklich zum Begriff einer sicheren Neißequerung. Zum Starši des Fórbark ernannte der Fürst seinen jüngeren Bruder Thomaš.

Die an der Neißefurt inmitten der dichtbewaldeten Natur lebenden Krieger des Ziscibor sorgten von nun an Tag und Nacht für die sichere Passage der Kaufleute, die mit ihren schweren Wagen durch diese Furt mussten, denn eine Brücke über die Neiße gab es zu dieser Zeit noch nicht. Aber Räuber, Raubritter und Strauchdiebe gab es in dieser Zeit in der Oberlausitz reichlich und die vergriffen sich gern an den Fuhrwerken der Händler.

Dabei machten sie immer reiche Beute.

Eine Furt war für einen Überfall immer ideal, waren doch die Kaufleute, wenn sie den Fluss querten, beinahe wehrlos.

Und das Raubzeug war brutal.

Nicht selten waren bei einem Überfall Tote zu beklagen, die oft auf grausame Art niedergemetzel wurden, um sie dann auszurauben. Von den Räubern und dem geraubten Gut fehlte oft jede Spur. Ganze Gespanne verschwanden und wurden nie wieder gesehen. Zurück blieben lediglich die toten und geschundenen Kaufleute.

Aber diese Furt «Gerlois» ist der einzige gesicherte Übergang im Umkreis von über fünf Längen. Das sprach sich unter den Kaufleuten herum. Und nicht nur das sprach sich unter den Handelsleuten herum, sondern auch die Hilsbereitschaft der Krieger, die gegen einen Obolus mitunter auch in die Speichen griffen, um die vollbeladenen Wagen schnell und sicher ans andere Ufer zu bringen.

Die Krieger des Fürsten Ziscibor schützten also die Furt vor dem Raubzeug und die Handelsleute waren sehr froh darüber.

Der Obolus, den die Kaufleute dafür freiwillig entrichteten, fiel daher auch niemals kleinlich aus.

Aber es gab auch über andere Dinge aus dem kleinen Dörflein zu berichten. Unter anderem eine Geschichte über das Schicksal der Prinzessin Mechthild von Böhmen.

Die Geschichte einer Königstochter in so einem unbedeuteten kleinen Dorf?

Die Frage schien angesichts des ärmlichen Dorfes angebracht. Wieso war gerade dieses so ärmliche Dorf mit dem Schicksal der Prinzessin von Böhmen verbunden?

Die Erzähler zerissen sich die Mäuler um diese Geschichte.

Jeder fügte vielleicht auch noch eine kleine, unbedeutende Begebenheit hinzu. Wahrlich, das machte die Darstellung des Dörfleins an der Neiße erst richtig interessant und Handelsleute waren ja dafür bekannt, neue Nachrichten und Geschichten aus aller Welt zu verbreiten und das taten sie auch ausgiebig. Überall in den Herbergen entlang der «Hohen Straße» und an den Lagerfeuern der Kutscher, wo sich die Menschen aus aller Herren Länder trafen, erzählt man sich diese Geschichten und trug sie weiter.

Die Babitschka

Der Starši des Fórbark «Gerlois», Thomaš, der mit seiner Frau und den beiden Töchtern in einer der Hütten wohnte, führte nicht nur die Krieger, die zur Sicherheit der Furt eingeteilt waren, er war auch der Ortsälteste und regelte das Leben in «Gerlois». Er sorgte für Sauberkeit und Ordnung, schlichtete Streitigkeiten, die es manchmal auch zwischen den Dorfleuten gab. Er war eben der Starši, also der Älteste, das Dorfoberhaupt, aber zugleich auch der Kommandant der Furt.

In der erbärmlichsten aller Katen aber wohnte eine alte Frau, von der keiner wusste, wie alt sie eigentlich war.

Die Dorfbewohmer nannten sie nur Baba oder Babitschka, also Großmutter oder Großmütterchen.

Sie ist von den Bewohnern des Fórbark geduldet, weil ihre Kinder die Alte liebten, denn sie kannte viele Märchen und wie kein anderer vermochte sie auch gruslige Geschichten zu erzählen. Und außerdem war sie eine gute Heilerin, die etwas von Heilkräutern verstand. Die Dorfleute brachten ihr Essen und Trinken und so mancherlei Sachen, die sie zum Leben brauchte. Die Erwachsenen sahen es allerdings gar nicht gerne, wenn die Babitschka ihren Kindern gruslige Geschichten zur Nacht erzählte, vor allen Dingen den Kleinen, die danach immer schlecht träumten.

Heute waren die beiden Töchter des Starši, Rosalia und Alexandra bei der Baba. Die Dorfbewohner riefen die beiden Mädchen aber nur Rosa und Sascha.

Erwartungsvoll saßen sie auf der breiten Bank vor der Kate der alten Babitschka und harrten einer versprochenen Erzählung, die ihnen die Alte beim Pilzesuchen versprochen hatte.

Die Monsterspinne vom Höllengrund

Es war vor langer, langer Zeit, als die Menschen noch mit ihren älteren Geschwistern, den Elfen, redeten, da lebte, unweit von hier im Höllengrund, eine riesige Spinne mit Namen Mechthild. Sie war gutmütig und tat keinem Menschen etwas zuleide. Trotzdem hatten die Menschen Furcht, in die Schlucht zu gehen, weil der Aberglaube ihnen mächtig zusetzte. Unheimliche Geschichten über das Monster waren unter den Milzenern im Umlauf, von denen aber nicht eine der Wahrheit entsprach. Von irgendwelchen Menschen wurden sie einmal erfunden und unter die Leute gebracht und sie blieben im Gedächtnis der Dorfbewohner haften. Viele dieser Monstergeschichten kannten auch die Kinder des Starši.

Nun aber hörten sie aber eine ganz andere Geschichte von der Babitschka, die sich von den anderen Erzählungen deutlich unterschied. Sie staunten nicht schlecht als die Baba ihnen folgendes erzählte.

»Mechthild ist von königlichem Geblüt, denn das Monster ist eigentlich eine verwunschene Prinzessin«, sagte ihnen die Babitschka mit und die Kinder rissen vor Erstaunen die Augen auf.

»Eine Prinzessin?«, fragte Sascha, die ältere und klügere der beiden Mädchen und schaute erwartungsvoll auf die Babitschka.

»Eine richtige Prinzessin?«, staunte auch die jüngste Tochter Rosa und ihre Hand kroch in die Hand der älteren Schwester.

Sie erwarteten eine Antwort, aber stattdessen sah die Babitschka die beiden Mädchen strafend an.

»Unterbrecht nicht dauernd, sondern hört einfach zu!«, forderte die Babitschka und erzählte weiter.

»Eine böse Hexe hat sie verzaubert und nur deshalb, weil sie der Hexe nicht gehorchte«, nickte die Alte und sie ahmte die Stimme der Hexe nach.

»Für deinen Ungehorsam verwandele ich dich in eine häßliche große Spinne und kein Mensch wird dich je aus diesem Zauber erlösen können! Du wirst mein Ebenbild sein!«, krächzte sie.

Die beiden Mädchen rückten näher zusammen, zu gruselig war das. Die Babitschka wischte sich über die Augen, holte tief Luft und erzählte weiter.

»Dann nahm die Hexe ihren Zauberstab, murmelte einen Zauberspruch und vor ihren Augen verwandelte sich die schöne Prinzessin langsam in eine häßliche Riesenspinne«.

So sehr sich die Prinzessin auch dagegen wehrte, gegen diesen kraftvollen Zauber der schwarzen Magie war sie machtlos. Mit einer Handbewegung zauberte die Hexe noch einen großen roten Fleck auf den Rücken der Spinne.

»Daran wird man dich immer erkennen falls du gedenkst auszureißen. Wohnen sollst du im Höllengrund, wo niemand dich bis ans Ende deiner Tage finden wird!«, krächzte sie und zauberte die Spinne hinein in den tiefen Wald des Höllengrundes an der Neiße. Über die Schlucht aber wob sie ein schier undurchdringliches Netz aus Kraftlinien der schwarzen Magie, die vom blauen Basalt des Oberlausitzer Untergrundes noch verstärkt wurden. Kein magiebehaftes Wesen konnte dieses Kraftfeld in irgendeiner Weise überwinden, ohne selbst Schaden zu nehmen.

Die Prinzessin war von nun an verschwunden und für die Menschen in der «Alten Welt» unerreichbar.

Die arme Prinzessin weinte und haderte mit ihrem Schicksal, welches sie nun nicht mehr ändern konnte. Sie hatte die Mutter verloren und sie dachte dabei an ihren Vater, den sie so sehr liebte. Er war doch das Einzige, was ihr geblieben war.

Der König suchte lange nach seiner Tochter. Im ganzen Land ließ er sie suchen. Erfolglos. Von einem Tag zum anderen verfiel der König dem Wahnsinn, denn er hatte einen Elfenschwur gebrochen, seine Tochter gegen jede Unbill, gegen jede Gefahr zu schützen. Sein Wahnsinn ist der Preis für den Bruch des Elfenschwures«.

Die beiden Mädchen wurden unruhig.

Sie wollten eine Erklärung für das, was die Alte ihnen erzählte und begannen zu fragen.

»Aber wieso war die Prinzessin ungehorsam? Was hatte sie mit der Hexe ... Was ist ein Elfenschwur, Baba?«

Die Babitschka unterbrach die ältere Schwester Sascha mit einer Handbewegung und sagte an die beiden Mädchen gewandt,

»Hört weiter zu, dann werdet ihr es vielleicht verstehen! Es ist noch eine lange Geschichte!«

Die Kinder machten es sich auf der breiten Bank bequem und die Baba ging noch einmal in ihre Hütte und brachte jeder von ihnen einen Becher Himbeersaft und noch eine Schale voller süßer Kringel zum Naschen.

Dann setzte sie sich wieder zu ihnen und begann zu erzählen.

»Die Hexe wusste allerdings nicht, dass Mechthild die Tochter einer Elfe von hohem Rang aus dem Asenland war.

Kennt ihr das Asenland? Nein?«

Die beiden Mädchen schüttelten den Kopf.

»Das Asenland ist die wohlgeordnete Heimat der Elfen, der Kobolde, der Zwerge und vieler anderer mystischer Wesen.

Es befindet sich jenseits der Welt, die wir kennen und es ist nur getrennt durch eine gefährliche «Zwischenwelt!». Das ist die kalte und unwirtliche Welt der Seelenfresser und der Wesenlosen«.

Rosa kuschelte sich an ihre Schwester, ihr gruselte es und beide hörten gespannt zu, was die Baba ihnen berichtete.

»Mechthild ist die Tochter der Elfenfürstin Evilea und die Ururenkelin der Elfenkönigin Titania! Die Fürstin Evilea war außerdem eine angesehene Hohemagierin der weißen Magie am Hofe der Königin Titania. Hohemagiere so nennt man die Zauberer der Elfen im Asenland«, erzählte die Baba und fuhr mit der Geschichte fort.

»Evilea hatte sich in einen Menschensohn verliebt, in Siegurd, den Königssohn des Böhmerlandes und der Königssohn hatte sie, mit Zustimmung der Elfenkönigin, zu seiner Gefährtin erwählt. Zu jener Zeit waren solche Vereinigungen zwischen Elfen und Menschen nichts Ungewöhnliches. Es gab einige Verbindungen zwischen Elfen und Menschen, die in die «Alte Welt» zogen, also in unsere Welt und dort fortbestanden aber auch einige, die im Königreich der Elfen verblieben und Dienst im Auftrage der Königin versahen.

Ihre Nachkommen nannte man im Asenland «Elflinge» und später auch so in der «Alten Welt».

»Baba, da haben Evilea und der Königssohn wohl geheiratet?«, fragte Rosa die Babitschka und kuschelte sich dabei an ihre große Schwester.

»Ja, Rosa, bei uns hier sagt man wohl «Heirat» zu so einer Verbindung, antwortete die Babitschka auf Rosas Frage und erzählte gleich weiter.

»Nach einem Jahr wurde Mechthild geboren und so lebten Evilea, Siegurd und Mechthild gemeinsam noch eine Zeitlang glücklich und zufrieden im Asenland.

Doch ihr Glück wurde jäh unterbrochen und auf eine harte Probe gestellt, als den Königssohn die Nachricht erreichte, dass der Vater verstorben ist. Siegurd musste zurück in die «Alte Welt». Er hatte die Pflicht, jetzt an die Stelle des Königs zu treten, um das Böhmerland zu regieren«.

»Baba, ist die Elfenfürstin denn nicht mit dem Königssohn in die «Alte Welt» gegangen?», fragte Sascha, die ältere Schwester.

»Doch, doch, Sascha! Sie wollte mit ihm und der Tochter gemeinsam in die «Alte Welt» gehen, aber das Schicksal meinte es wohl anders mit ihr!«, antwortete traurig die Babitschka auf ihre Frage.

Baba schneuzte sich in ein großes Tuch und verstaute es umständlich unter ihrer Schürze. Das sah so aus, als wollte sie weinen. Die Geschwister sahen sich etwas verwundert an, so gefühlsvoll hatte die Alte noch nie erzählt. Doch, bevor sie fragen konnten, erzählte die Babitschka schon weiter.

»Der junge Königssohn hatte, was er selbst nicht ahnte, in seinem Land auch Neider und Feinde unter den Adligen, die verhindern wollten, dass er den Thron als Nachfolger seines Vaters bestieg. Sie haben sich mit einer bösen Zauberin verbündet, die sich der schwarzen Magie bediente.

Aber da war ja auch noch die Mutter des Königssohns, die alte Königin, die jetzt hilflos und allein den Feinden der Krone gegenüberstand. und diese hatten die Königinmutter gewaltsam auf die «Burg Egerberk» verbannt und dort wurde sie scharf bewacht«.

Die Babitschka stand auf und lief ruhelos vor den beiden Mädchen hin und her.

Plötzlich blieb sie ruckartig vor ihnen stehen. Ihre Stimme wurde plötzlich hart und ihr Blick dabei war hasserfüllt.

Die beiden Mädchen sahen sich erneut fragend an. Auch so kannten sie die Baba nicht.

»Der Einzige, der wusste, wo der Königssohn sich wirklich aufhielt, war der Vertraute und der geheime Rat des Königs, der Adlige Anton von Lobkowitz.

Doch Lobkowitz wurde nach dem Tode des Königs zum Verräter und schickte im Auftrage der anderen Adligen einen Mörder ins Asenland mit dem Auftrag, den Königssohn zu töten«.

Die Babitschka erregte sich zusehens als sie fortfuhr.

»Die Zauberin gab dem Mörder einen verzauberten magischen Speer mit auf den Weg. Das war ein Speer, der ein Ziel nie verfehlte, wenn er denn geworfen wurde«, beschrieb die Babitschka die Magie des Speeres.

»Es war eine mörderische Waffe!«, sagte sie und setzte sich wieder zu ihnen. Sie schwiegen eine Weile.

»Woher weißt du das alles, Baba?«, fragte Rosa noch eindringlicher, doch sie bekam von ihr wieder keine Antwort auf ihre Frage, nur ein vorwurfsvoller Blick traf sie, der ihr verhieß, den Mund zu halten.

Dann erzählte die Babitschka weiter.

Sie wischte sich mit dem großen Tuch über die Augen.

»Ihr müsst wissen, damals konnte man noch gefahrlos das Asenland erreichen. Die Übergänge aus der «Alten Welt» in das Asenland nannten die Elfen «Asensterne» und es gab einst viele davon in der «Alten Welt».

Wer so einen Übergang kannte, brauchte nur das magische Öffnungswort auszusprechen und gelangte über den Stern sicher in das Asenland, ohne in der gefährlichen Zwischenwelt verweilen zu müssen.

Der verräterische Ratgeber des Königs kannte das magische Öffnungswort für den böhmischen «Asenstern».

Der König hatte es ihm in gutem Glauben anvertraut, weil sein Sohn auf Einladung der Elfenkönigin Titania, in geheimer Mission, im Asenland weilte. Siegurd sollte und wollte dort die Kriegskunst der Elfen studieren, denn er würde einmal der Heerführer der Böhmen werden.

Inzwischen aber vertrat der Königssohn Siegurd erfolgreich das Fürstenhaus der Přemysliden im Asenland, das sich hauptsächlich auf Fürsten stützte, deren Burgen das Machtzentrum des Böhmerlandes darstellten. Die Elfenkönigin unterstützte das wohlwollend, garantierte das Vorhaben doch den Wohlstand und den Frieden in Böhmen.

Der König tat alles, seinem Sohn diesen Weg zum Heerführer zu ebenen und die Königin Titania sorgte für seine Ausbildung.

Die besten Schwertmeister des Asenlandes bildeten den Königssohn aus. Er lernte alles, was ein guter Heerführer wissen musste, um ein großes Heer führen zu können.

Nun wurde alles anders, der Königssohn musste zurück in die «Alte Welt».

Die Babitschka schneuzte sich erneut in das große Tuch, das sie unter ihrer Schürze trug und erzählte weiter ohne sich um die Frage Rosas zu kümmern.

»Die kleine Familie ritt, in Begleitung einer Verwandten Evileas, zur Burg «Sternenlicht», dem Sitz der Elfenkönigin, um sich von ihr zu verabschieden. Es würde bestimmt eine lange Zeit vergehen, bis sich Königin Titania und Fürstin Evilea wiedersehen konnten. Aus diesem Grunde wollte die Königin noch so vieles mit ihnen besprechen, auch Dinge, die das Land Böhmen betrafen. Das Schicksal des Böhmerlandes und der Frieden lagen ihr sehr am Herzen. Doch daraus wurde nichts.

Unterwegs auf ihrem Ritt zum Königspalast trafen sie auf einen Reiter, der wie ein Krieger aussah und der ihre Aufmerksamkeit erregte. Er schien aus der «Alten Welt» zu kommen und er war wie ein Böhme gekleidet.

Sie saßen ab, im guten Glauben in dem Menschensohn einen Freund im Asenland zu begrüßen, aber die Elfenfürstin bemerkte augenblicklich die Energie der schwarzen Magie, die der Speer des Kriegers aussandte.

Sie spürte es, eine Gefahr war zum Greifen nah!

Schnell schickte sie Mechthild zu den Pferden, die mit ihrer Verwandten in sicherer Entfernung warteten.

Als der Krieger urplötzlich den Speer aus der Halteschlinge löste, fand Evilea gerade noch so viel Zeit, sich schützend vor den Königsohn zu stellen. Der Zauberspeer traf sie mit voller Wucht in den Rücken.

Tödlich getroffen sank sie in Siegurds Arme.

Doch ... Evilea war noch bei Bewußtsein.

Außersich vor Wut riss der Königssohn sein Elfenschwert aus der Scheide und schleuderte es wie ein Speer dem Mörder entgegen. Das schmale Schwert durchbohrte dessen Brustpanzer und traf ihn tödlich.

»Wer hat dich geschickt!«, fauchte er den Sterbenden an.

Aber der Königssohn erhielt keine Antwort mehr, der Meuchelmörder war tot!«.

Die Babitschka weinte und sie gab sich keine Mühe mehr, die Tränen vor den Kindern zu verbergen.

»Siegurd eilte zurück zur Elfenfürstin und rief Mechthild und die sie begleitende Elfe zu sich«, schluchzte die Baba. Alle Bemühungen der mitreisenden Elfe, mit dem großen Heilzauber der Elfen das Leben Evileas zu retten, waren vergeblich. Zu tief war der Speer in den Körper der Fürstin gedrungen und hatte dabei ihr Herz verletzt.

»Noch im Sterben bat die Elfenfürstin den Königsohn eindringlich, dass er für die Tochter Sorge tragen sollte.

«Schwöre es, Siegurd, schwöre es, dass du unsere Tochter gegen das Böse beschützt!», seufzte sie mit letzter Kraft.

Siegurd leistete ihr den Elfenschwur.

Dann zog sie mit letzter Kraft die Elfe an sich heran.

«Du hilfst ihm dabei, schwöre es!», nahm sie die helfende Elfe beim Wort und drückte ihre Hand. Auch die Elfe leistete den Schwur.

Das waren die letzten Worte der Fürstin dann starb sie in den Armen ihres Liebsten!«.

Die Babitschka weinte jetzt hemmungslos.

Die Schwestern schwiegen bedrückt und waren erstaunt, dass die Baba so viel Anteilnahme zeigte und weinte.

Das war doch nur ein Märchen, oder?

Nach einer Weile wischte sie sich die Tränen ab und erzählte traurig weiter.

»Der Königsohn hielt seinen Schwur. Mechthild wurde am Königshof in Böhmen erzogen und das Mädchen wuchs zu einer Schönheit heran, dass sich im ganzen Böhmerland herumsprach, sehr zum Ärger der schönen Frau aus dem Umfeld des geheimen Rates.

Nach dem fehlgeschlagenen Mord am Königssohn warb sie erfolglos um die Gunst des jungen Königs. Erfolglos deshalb, weil der König sie immer wieder abwies. Auch die Heiratspläne des geheimen Rates wiesen die Mutter und der junge König vehement ab.

Das verdroß diese Frau, unter deren Einfluss auch der geheime Rat stand, sie wollte unbedingt die Macht über den König und dessen Tochter erlangen. Sie wollte die unumstrittene Königin des Böhmerlandes sein«.

Die Babitschka war erschöpft, aber sie beantwortete endlich die im Raum stehenden Fragen der jüngsten Tochter des Starši.

»Nun zu deinen Fragen, Rosa!«

Die Babitschka stand auf und schaute zum Himmel, als bekäme sie von dort Hilfe und Unterstützung.

»Ich war die Kinderfrau von Mechthild und dann, als sie älter wurde, ihre Vertraute, denn ich bin diese Elfe aus dem Gefolge der Fürstin Evilea. Ich bin eine Anverwandte der Fürstin! Mein Elfenname ist Nura«, sagte sie leise zu den beiden Mädchen.

»Von der Königin hatte ich schon lange vorher die Aufgabe erhalten, Mechthild zu schützen und dafür zu sorgen, dass ihr niemand etwas zuleide tut. Das war schon im Asenland so und sollte auch in der «Alten Welt» gelten.

Aber hier habe ich viel zu spät erkannt, dass diese schöne Frau, die um die Gunst des Königs buhlte, eine Hexe war.

Eine Magierin der schwarzen Zunft, eine wahrliches Biest.

Gekonnt hatte sie mit Zauberei ihre wahren Absichten verborgen, aber insgeheim ... «

Die Babitschka seufte tief auf und vergaß, weiterzureden.

Die beiden Mädchen räusperten sich leise.

Aus ihrem tiefen Nachdenken gerissen, fuhr sie mit der Schilderung der Ereignisse am Hof des Königs fort.

»Die Mutter des Königs war die ärgste Widersacherin der Zauberin, denn sie hatte die Hexe durchschaut, war aber in ihrem Handeln allein auf sich gestellt und sie war machtlos gegenüber der schwarzen Magie.

Nachdem die Hexe Mechthild verzaubert hatte, verwies mich die Hexe des Hofstaates. Sie verbannte mich an die Ufer der Neiße, wo ich heute noch bin. Mechthild zu schützen, das habe ich nicht erfüllt und wurde deshalb von der Königin Titania bestraft und in die zerbrochene Welt verbannt, aus der es keine Wiederkehr gibt!

Aber die Königin des Asenlandes ließ Gnade walten.

»Bis Mechthild gefunden wird, sollst du verschont sein«, legte sie fest, »dann wird über dein Schicksal weiter entschieden«, waren ihre letzten Worte.

Die Babitschka setzte sich nieder und stützte ihren Kopf in die Hände. Die beiden Mädchen schwiegen betroffen und warteten, was weiter geschehen würde.

Die Babitschka richtete sich auf.

»Vor einigen Tagen war doch die Sommersonnenwende.

In der kurzen Nacht zog um Mitternacht ein breiter grüner Lichtschweif über den nächtlichen Himmel. Das ist bei uns in der Gegend nicht so oft üblich. Das Elfenlicht sieht man sonst nur hoch oben im Norden. Aber als ich das sah, wusste ich sofort, es ist entweder eine Elfenjagd unterwegs oder es ist die Königin mit Gefolge. Sie suchen immer noch nach Mechthild und ich bin hier in der «Alten Welt» die Einzige, die ihre wahre Geschichte kennt«.

Sascha stand auf und setzte sich neben der Babitschka nieder und legte ihr den Arm um die Schulter.

»Dann ist das also kein Märchen, Baba?«, fragte sie leise und die Alte nickte bestätigend mit dem Kopf.

»Gestern Nacht war sie bei mir!«, flüsterte die Babitschka immer noch ergriffen von dem, was sie erlebte.

»Die Königin hat den Weg gefunden, Mechthild aus dem Zauber der schwarzen Magie zu befreien!

Ava, so heißt die große Zauberin der schwarzen Magie im «Alten Land». Sie ist für den Zauber an Mechthild verantwortlich aber Ava selbst ist ein Geschöpf des Schattens.

Er hat sie mit Hilfe der schwarzen Magie erschaffen und mit allen Durchtriebenheiten einer bösen Zauberin ausgestattet.

Die silberne Wahrheitsschale im Asenland, zu der nur die Königin Zugang hat, wies ihr einen Weg, die Macht der Zauberin Ava zu brechen und ihren Zauber über Mechthild aufzuheben!«, flüsterte die Alte ergriffen und nestelte an ihrem Rock. »Sie hat mir das hier gegeben!«, sagte sie und holte einen kleinen Beutel aus den Rockfalten und legte ihn auf die flache Hand.

»Das ist ein winziger Splitter aus dem großen Asenstein, den die Asen bei ihrem Auszug aus dem Asenland zerstörten.

Dieser große magische Asenstein sollte niemals in falsche Hände gelangen.

Sein Splitter aber trägt einen Teil der unheimlichen magischen Macht des großen Asensteins in sich und er kann, in den richtigen Händen, das Böse zerstören!«

Die Babitschka lehnte sich zurück und betrachtete die beiden Mädchen als wolle sie feststellen, ob sie würdig sind, die weitere Geschichte zu hören. Die beiden Mädchen schwiegen und warteten gespannt darauf, das Ende der Geschichte zu erfahren.

»Wie schon gesagt, die Schale wies der Königin den Weg, die Macht der schwarzen Magie über Mechthild zu brechen.

Sie sagte mir, dass das aber nur ein Menschenkind kann, welches rein im Herzen und frei von jeglicher Magie ist!

Ihre Wahl ist auf dich gefallen, Sascha!«, sagte die Babitschka.

»Du bist jetzt fünfzehn Jahre und im gleichen Alter wie Mechthild als ihr das angetan wurde!«

Die beiden Mädchen erstarrten vor Ehrfurcht und fanden keine Worte der Erwiderung, weder Zustimmung noch Ablehnung konnten sie äußern, so sehr hatten sie die Worte der Babitschka beeindruckt.

»Von deinem Handeln ist das weitere Schicksal Mechthilds abhängig ... und so wie es aussieht, wahrscheinlich auch mein Schicksal! Bist du dazu bereit, Sascha?«

Rosa klammerte sich an ihre Schwester.

»Du musst das tun, Sascha!«, flüsterte sie und Sascha nickte zustimmend, doch die Kehle war ihr wie zugeschnürt.

Die Babitschka hielt ihr das Artefakt in der ausgestreckten Hand entgegen.

»Nimm es an dich und verwahre es gut!«, sagte die Babitschka und nach einer Weile fügte sie hinzu,

»Morgen in der Früh wird dich die Königin zum Höllengrund geleiten und dir alles genau beschreiben, was du tun musst, den Zauber, der auf Mechthild liegt, zu brechen.

Ich weiß es nämlich nicht!« Sascha nahm das Beutelchen aus der Hand der Babitschka und sie spürte erstaunt, wie plötzlich eine unheimliche Kraft aus dem Asensteinsplitter in ihren Arm strömte. Die Babitschka lächelte. Sie hatte das erwartet. »Nun bist du stark, Sascha, du bist bestens für die Aufgabe gerüstet, den Rest wird dir die Königin erzählen. Doch eins musst du dir merken. Du kannst sie immer mithilfe des Splitters rufen.

«Ljósálfar», das bedeutet in der Menschensprache «Lichtelfe», das ist das Zauberwort, damit wirst du die Kraft des Asensteinsplitters erwecken. Alles andere wird sie dir selbst übermitteln!«

Als der Morgen graute und das Licht der aufgehenden Sonne im Osten sich langsam, wie ein Feuerball hinter den Bäumen des Uferwaldes in den Himmel schob, stand die Elfenkönigin vor der Kate der Babitschka wartete auf Sascha.

Im gebührlichen Abstand etwas weiter im Wald warteten drei Elfenritter mit den Pferden auf ihre Herrin. Die Babitschka kniete vor der Königin und wollte ihr die zustehende Ehre erweisen.

»Lass das, Nura! Du musst nicht vor mir knien«, sagte die Königin und hob die Baba auf die Füsse. »Wenn unsere Auserwählte es schafft, meine Ururenkelin aus den Fängen der Ava zu befreien, ist deine Verbannung aufgehoben und du darfst zurückkehren. Das haben der Kronrat und der Ältestenrat des Asenlandes beschlossen!« Diese letzten Worte der Königin hatte Sascha vernommen als sie vor der Kate der Baba anlangte. Sie war erstaunt eine schöne junge Frau vor sich zu sehen, die eigentlich, nach Erzählung der Baba, uralt sein müsste.

Die Königin, die sich außerdem noch als Ururgroßmutter der Mechthild benannte, war einfach wunderschön. Darauf hatte sie die Babitschka nicht vorbereitet. Sascha war plötzlich verunsichert und schritt zaghaft und staunend auf die Königin zu. Die Königin bemerkte das wohl und lächelte versonnen.

»Komm nur näher mein Kind!«, sagte sie mit weicher Stimme.

»Wir lassen das Zeremoniell der Ehrenbezeigung einfach sausen und widmen uns der Aufgabe. Komm zu mir Sascha!

Nura wird dir eines Tages alles erzählen, Sascha. Und dann wirst du auch alles verstehen«

Im Höllengrund

Drei Elfenritter, die Königin, Nura und Sascha ritten zum Höllengrund. Die Königin hatte Sascha vor sich im Sattel. Die Elfenpferde glitten lautlos über den ausgedörrten Waldboden. Unterwegs machte die Königin Sascha mit der Magie des Asensteinsplitters vertraut. Die Elfenritter hielten gebührenden Abstand zu ihrer Herrin und sicherten sie von allen Seiten gegen unbefugte Augen.

»Sascha, ich zerstöre jetzt mit der mir innenwohnenden Magie und mithilfe meines Artefaktes das Netz der schwarzen Magie über der Schlucht. Dann gehst du hinab und rufst nach Mechthild. Es wird eine Weile dauern, bis sie sich zeigt.

Erschrick nicht, Sascha und zeige keine Angst. Ava hat meine Ururenkelin in ein Monster verwandelt, aber nur äußerlich. Auf ihre Seele hatte sie keinen Zugriff. Die Seele Mechthilds ist zur Hälfte eine Elfenseele und die konnte sie nicht verzaubern.

Die Seelen der Elflinge, wie wir sie nennen, sind unantastbar für die schwarze Magie.

Ava weiß bis heute nichts davon. Siegurd, ihr Vater hat das Geheimnis zu Mechthilds Herkunft nie preisgegeben«.

Die Königin gab ihrem Hengst sie Sporen und galoppierte zum Eingang der Schlucht. Sie sprang aus dem Sattel und holte ihr Artefakt aus dem Ausschnitt ihres Kleides, hielt ihn in Richtung Schlucht und murmelte Worte der Macht. Ein Bündel bunter Strahlen verließ das Artefakt und traf auf die grauen Kraftlinien der schwarzen Magie. Kleine blaue Blitze zuckten aus dem Strahlenbündel über dem Kraftfeld. Plötzlich erhellte ein orangfarbener Schein die Schlucht in ihrer ganzen Länge und ein fernes Donnergrollen ertönte.

Es sah aus, als stände die Schlucht in Flammen, es war aber nur der Schirm aus Kraftlinien der schwarzen Magie, der sich mit einem gewaltigen Ernergieschub über der Schlucht entlud.

Das Ereignis war nur von kurzer Dauer.

Die Königin drehte sich um und winkte Sascha zu sich.

»Du kannst jetzt zu ihr – denk daran, Mechthild ist gutmütig, beantworte alle ihre Fragen und dann handele. Die Rückverwandlung wird in deinen Augen grausam aussehen, ist sie aber nicht. Wir warten in angemessener Entfernung auf euch!«

Klopfenden Herzens ging Sascha in die Schlucht. Ihre Hand umschloss krampfhaft den Asensteinsplitter. Mehrmals stolperte sie über Wurzeln, die aus dem Boden ragten.

Dann erreichte sie eine kleine Lichtung, auf der mehrere umgestürzte Bäume lagen. Im Dämmerzustand der Schlucht erkannte sie zwischen den Stämmen der Birken eine Riesenspinne die langsam auf sie zukam.

Sascha war nicht wohl, nicht dass sie Angst hatte, aber ein ungutes Gefühl bemächtigte sich ihrer dennoch. Indes kam die Spinne immer näher. Es war ein häßliches Monster mit rotglühenden Augen und einem mächtigen Maul, das sich ständig öffnete und wieder schloss.

Sie entschloss sich, zu rufen.

»Mechthild! Mechthild!«, rief sie »Mechthild!«, rief Sascha noch einmal und die Spinne verharrte auf der Stelle. »Wer ruft nach mir!«, grollte es aus ihrem weitgeöffnetem Maul.

»Ich bin es, Sascha. Mich schickt Nura zu dir!«

Das Monster machte einige Bewegungen nach vorn und stand vor Sascha.

»Wer ist Sascha und wie kommst du in den Höllengrund?«, dröhnte die Stimme des Monsters durch die Schlucht.

»Ich bin Sascha! Die Königin hat den Schirm der schwarzen Magie über deiner Schlucht beseitigt und mir damit den Weg zu dir geöffnet!«, antwortete Sascha.

»Welche Königin? Es gibt nur eine Königin, die das kann und die ist nicht hier!«, grunzte das Monster ungläubig.

»Und wo ist Nura?«

»Doch, doch! Sie sind beide hier!«, antwortete Sascha.

»Die Königin und Nura warten vor der Schlucht, um dir nicht zu schaden!«

»Und was willst du hier?«, fragte das Monster.

»Ich will dich befreien Mechthild, befreien vom bösen Zauber der Ava und von dem, was sie dir angetan hat und ich kann das! Bist du bereit?«

Das Monster schloss die roten Augen, die mächtigen Spinnenbeine begannen zu zitterten und knickten ein.

Plötzlich weinte das Monster.

»Ich habe nicht mehr daran geglaubt!«, schluchzte es wie ein Mensch.

Sascha holte den Asensteinsplitter aus dem Beutelchen und richtete ihn auf das Monster.

»Ljósálfar«, schrie sie voller Inbrunst. Der Asensteinsplitter erwachte und bebte in ihrer Hand. Er belebte sich plötzlich.

Ein Bündel bunter magischer Energiestrahlen schoss aus ihm heraus in denen das blau überwog.

Das Strahlenbündel traf den Kopf der Spinne.

Eine riesige gelb schimmernde Nebelwolke bildete sich über dem Monster. Kleine lautlose blaue Blitze entwichen dem Nebel. Es roch streng nach Schwefel und faulen Eiern.

Sascha hatte Mühe, alles richtig zu verfolgen.

»Ljósálfar«, schrie sie noch einmal und richtete den Splitter unentwegt auf den Körper der Monsterspinne.

Der gelbe Nebel über dem Kopf verflüchtigte sich langsam und gab den Blick auf das Monster frei.

Aber neuer Nebel stieg aus dem Körper auf und verdeckte teilweise wieder die Sicht auf den Körper des Monsters.

Das dauerte eine Weile.

Langsam lichtete sich der Nebel und vor den Augen Saschas begann die Umwandlung.