Die Seele des Bösen - Besessenheit - Dania Dicken - E-Book

Die Seele des Bösen - Besessenheit E-Book

Dania Dicken

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Beschreibung

In ihrem neuen Fall leistet FBI-Profilerin Sadie Amtshilfe für einen Kollegen von der Polizei: Detective Nathan Morris vom LAPD bittet sie, ihn ins Gefängnis zu dem bereits verurteilten Serienmörder Carter Manning zu begleiten. Der Polizist benötigt psychologische Unterstützung bei der Zuordnung zweier neuer Leichenfunde in Mannings Mordserie. Während Sadie und Morris noch versuchen, das Rätsel um Manning zu knacken, überrascht ihr Mann Matt Sadie mit einer unangenehmen Offenbarung: Er hat eine unbekannte Verehrerin, die ihm nachstellt. Als sie sich bedroht fühlen, bitten die beiden Morris um Hilfe. Keine Sekunde zu früh, denn Matt gerät in große Gefahr …

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Veröffentlichungsjahr: 2017

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Dania Dicken

 

Die Seele des Bösen

Besessenheit

 

Sadie Scott 10

 

 

Psychothriller

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was aus Liebe getan wird,

geschieht immer jenseits von Gut und Böse.

Friedrich Nietzsche

 

 

 

 

 

 

Sonntag

 

Über den San Gabriel Mountains türmten sich die Gewitterwolken kilometerhoch. Die untergehende Sonne leuchtete dem bedrohlich schwarzen Wolkenberg entgegen, dann flammte ein Blitz auf und schlug irgendwo in den Bergen ein. Schweigend blickte Sadie in die Richtung des nahenden Sturms. Nicht mehr lang und die Welt würde untergehen. Sekunden später donnerte es und Figaro sträubte unwillig sein Fell. Er stand mit Buckel auf dem Sofa, war sichtlich unruhig. Sadie setzte sich neben ihn und hob ihn auf ihren Schoß. Als sie ihm über den Rücken strich, entspannte der Kater sich langsam und rollte sich auf ihrem Schoß zusammen.

Matt schloss die Spülmaschine und ging hinüber zu seiner Frau und dem Kater. Erneut zuckte ein Blitz durch die Wolken und beschwor den nächsten grollenden Donner herauf.

„Er ist aber auch ein Sensibelchen“, kommentierte Matt die missgelaunte Stimmung des Katers.

„Ist er“, stimmte Sadie zu, während Matt sich neben sie setzte. Er legte einen Arm um Sadie und kraulte Figaro mit der anderen Hand am Kopf.

„Ihn hattest du zuerst, oder?“, fragte Matt.

Sadie nickte, während sie Figaro am Rücken streichelte. „Er ist mir zugelaufen. Dann habe ich Mittens aus dem Tierheim geholt, damit er Gesellschaft hat.“

„Er wusste schon damals, dass er es gut bei dir haben würde“, sagte Matt.

„Das hoffe ich doch.“ Sadie lächelte, als Figaro zu schnurren begann. Bei ihr fühlte er sich sicher. Das war von Anfang an so gewesen. Inzwischen war Figaro etwa sechs bis acht Jahre alt, Mittens war etwas jünger. Suchend schaute Sadie sich um, aber sie konnte ihre Katze nirgends entdecken.

Matt griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Es war an der Zeit für die Abendnachrichten. Die schaute er sich immer an, wenn er die Gelegenheit dazu hatte. Gedankenversunken starrte Sadie auf den Bildschirm, ohne die Nachrichten wirklich zu verfolgen. Insgeheim war sie noch nicht aus dem Yellowstone zurückgekehrt. Zwar waren sie schon seit einer Woche wieder aus ihrem Urlaub zurück, aber wenn sie ehrlich war, wünschte sie sich zurück in die Abgeschiedenheit der Natur. Sie war froh, dass Matt ihr nun die Schönheit und Vielseitigkeit ihrer Heimat zeigte. Früher wäre sie allein nie auf die Idee gekommen, an diese Orte zu reisen, aber das erweiterte den Horizont ungemein. Draußen in der Natur hatte sie sich richtig wohl gefühlt – besser als in Los Angeles, aber das war jetzt nun mal ihre Heimat.

Der Wind frischte auf, es wurde immer dunkler. Der Sturm rückte näher. Sadie machte das keine Angst, sie hatte Gewitter schon als Kind aufregend gefunden. Als sie ein verräterisches Knacken aus der Küche hörte, drehte sie sich um und entdeckte Mittens am Napf.

Sadie verfolgte die Berichterstattung in den Nachrichten mit halbem Ohr, sie lauschte mehr auf das Schnurren ihres Katers. Figaro war ein liebes, anhängliches Tier.

„Wie die Polizei heute bekanntgab, wurden am Wochenende im Angeles National Forest die sterblichen Überreste eines noch nicht identifizierten Mannes von Wanderern gefunden. Laut Angaben der Polizei handelt es sich um bereits mumifizierte Leichenteile, die in einem Gebiet entdeckt wurden, in dem vor etwa zehn Jahren der bereits verurteilte Serienmörder Carter Manning zahlreiche seiner Opfer hinterlassen hat. Ob es sich bei dem gerade entdeckten Toten um ein weiteres von Mannings Opfern handelt, wird zur Stunde untersucht.“ Es wurden Aufnahmen eines abgesperrten Areals in den Bergen gezeigt, in dem Polizisten unterwegs waren.

„Die Polizei durchsucht weite Teile der abgelegenen Region, um eventuell weitere Opfer zu finden. Der heute vierunddreißigjährige Manning hat zwischen 2004 und 2008 mindestens elf Männer ermordet und zerstückelt. Der zu elf lebenslänglichen Haftstrafen ohne Aussicht auf Bewährung verurteilte Serienmörder sitzt seit 2011 im Los Angeles County State Prison ein und soll nun zu der Sache vernommen werden.“

Das Bild im Nachrichtenstudio wechselte und der Sprecher berichtete von einer Schießerei in South Central, doch wieder einmal hörte Sadie nicht zu. Sie spürte Matts Seitenblick auf sich, während sie im Geiste das Foto von Carter Manning vor sich sah, das gerade noch auf dem Bildschirm eingeblendet gewesen war.

„Sagt der Name dir was?“, fragte Matt prompt.

Sadie nickte gleich. „Den Fall kenne ich noch von der Academy. Manning ist ein sadistischer, nekrophiler Homosexueller.“

Matts Blick war mit angewidert am besten zu beschreiben. „Klingt ja verlockend.“

„Ja, war nicht schön. Als man ihn damals erwischt hat, wurde er mit John Wayne Gacy und Jeffrey Dahmer verglichen.“

„Ach so? Kleiner hatten wir es nicht?“, spottete Matt.

Sadie schüttelte den Kopf. „Manning kommt nicht auf so viele Opfer, aber davon abgesehen waren die Parallelen zu den berühmten Größen kaum zu übersehen.“

Matt zog die Augenbrauen hoch und kräuselte die Lippen. „Und das ist jetzt wieder einer der Momente, in denen ich nicht weiß, ob ich bewundern soll, welchen Job du da machst, oder ob mir das alles nicht doch lieber höchst suspekt ist ...“

Grinsend erwiderte Sadie seinen Blick. „Du wusstest, worauf du dich einlässt.“

Er lachte. „Ja, da gebe ich dir Recht. Ich bewundere es auch die meiste Zeit. Aber manchmal staune ich dann doch darüber, in welcher Seelenruhe du dich mit solchen Fällen beschäftigst. Ich meine ... ein nekrophiler Serienmörder?“

„Weißt du, wie man ihn erwischt hat?“, erwiderte Sadie. Matt schüttelte den Kopf.

„Er hatte einem seiner letzten Opfer die Haut vom Gesicht gezogen und konserviert. Dieses Behältnis hat jemand gefunden und so ist man ihm auf die Schliche gekommen.“

Angewidert verzog Matt das Gesicht. „Was, wie in Face/Off?“

„So ähnlich“, sagte Sadie. „Manning hat wirklich eklige Dinge getan.“

„Lecker“, murmelte Matt sarkastisch.

„Bin gespannt, ob mich deshalb jemand anruft.“

„Oh bitte ...“ Melodramatisch stöhnend lehnte Matt sich am Sofa zurück und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. „Davon will ich gar nichts hören.“

„Was heiratest du auch eine Profilerin?“

„Ja, wirklich ...“ Grinsend drückte Matt ihr einen Kuss auf die Wange und blickte auf, als ein lauter Donnerknall die Luft zerriss. Inzwischen war es stockfinster draußen und Augenblicke später setzte der Regen ein. Sadie entging nicht, wie angespannt Figaro auf ihrem Schoß war. Er hatte Gewitter noch nie gemocht.

Als die Nachrichten vorbei waren, schaltete Matt um zur nächsten Folge der Stephen King-Serienverfilmung 11/22/63. Sadie war ganz vernarrt in die Serie – nicht nur, weil sie als Jugendliche Stephen King-Romane verschlungen hatte, sondern auch, weil eine junge Frau eine tragende Rolle in der Serie spielte, die genauso hieß wie sie. Dabei spielte es auch keine Rolle für sie, dass Sadie nicht ihr richtiger Name war. Sie hieß nun schon länger Sadie, als sie Kim geheißen hatte und sie identifizierte sich mit diesem Namen auch weitaus mehr.

Während sie die spannende Episode verfolgte, hatte draußen der Weltuntergang begonnen. Es stürmte, regnete und donnerte ohne Unterlass, aber keine halbe Stunde später war der Spuk vorbei und das Wetter beruhigte sich wieder. Inzwischen war es Mitte September und Sadie dachte daran, dass sie nun schon seit über zwei Jahren mit Matt zusammen war. In diesen zwei Jahren war wahnsinnig viel passiert und sie hatte sich dadurch sehr verändert, das wurde ihr immer wieder bewusst.

Aber trotz allem war sie jetzt glücklich. Sie hatte nicht damit gerechnet, das jemals behaupten zu können. Für viele lange Jahre war es nur ein Traum für sie gewesen, irgendwann einen Mann zu finden, dem sie vorbehaltlos vertrauen konnte. Aber es war passiert. Er saß neben ihr auf dem Sofa und wirkte ebenfalls glücklich.

„Hättest du vor zwei Jahren gedacht, dass wir irgendwann zusammen in L.A. beim FBI sind?“, fragte Sadie, während Matt nach dem Ende der Episode durch die Kanäle zappte.

Nachdenklich ließ er die Fernbedienung sinken und schüttelte den Kopf. „Vor zwei Jahren habe ich den Chief des Dale City PD in die Hölle gewünscht, daran kann ich mich erinnern. Da habe ich mich nicht mal beim FBI gesehen, geschweige denn hier.“

Sadie lächelte. „Stimmt, damals hast du einen Rauswurf riskiert, nur um zu mir in die Wüste zu kommen.“

„Den Rauswurf habe ich nicht nur riskiert, sondern auch bekommen.“

„Dass das schon so lang her ist.“

„Ja, verrückt“, stimmte Matt zu und zog ihr T-Shirt ein wenig zur Seite, so dass die Narbe an ihrer linken Schulter zum Vorschein kam. „Seitdem ist viel passiert.“

„Den Narbenwettstreit gewinnst du“, erwiderte Sadie trocken.

„Stimmt“, sagte er grinsend. „Aber ich bereue nichts. Wenn ich mir vorstelle, ich säße jetzt immer noch in Modesto, um dort Einbrecher zu jagen ... na, danke.“

„Ich glaube, dein Leben hat sich seitdem genauso verändert wie meins.“

„Das denke ich auch.“ Anstatt noch etwas zu sagen, nahm Matt ihren Kopf in beide Hände und küsste sie zärtlich. Sadie ließ sich bereitwillig darauf ein und erwiderte den Kuss nur zu gern. Ungeachtet des Katers auf ihrem Schoß legte Matt einen Arm um sie und zog sie näher an sich heran. Als sie seine andere Hand auf ihrer Brust spürte, zögerte sie kurz und hielt seine Hand dann fest. Matt zog sie sofort zurück.

„Ich bin müde“, sagte sie und meinte es auch so.

„Kein Ding“, sagte er achselzuckend und lächelte. Er wusste, dass sie ihn in solchen Dingen nicht anlog. Das hatte sie nie gemusst.

Wenig später schaltete er den Fernseher aus und die beiden gingen nach oben. Matt stellte sich noch unter die Dusche, bevor er Sadie ins Bett folgte. Sie lag bereits dort und las alles, was sie im Internet über den Toten aus dem Angeles National Forest fand. Details verrieten die Medien nicht, aber sie überlegte, sich bei der Polizei schlau zu machen und ihre Hilfe anzubieten, falls man nicht ohnehin darum bat. Im Gegensatz zu Cassandra hatte sie nämlich im Augenblick nicht viel zu tun, sie hatte ihre Fälle vor dem Urlaub zum Abschluss gebracht und in der letzten Woche war nicht viel passiert, aber sie wusste schon, das konnte sich jederzeit ändern.

Wenig später betrat Matt das Schlafzimmer, nur mit einer Shorts bekleidet. Sadie lächelte bei diesem Anblick. Die lange Narbe auf seiner Brust verblasste langsam, aber sie entstellte ihn auch nicht wirklich. Sie liebte ihn, wie er war und beobachtete schweigend, wie er sich zu ihr ins Bett legte.

„Du hast wieder diesen Blick“, stellte er folgerichtig fest.

„Welchen Blick?“

„Manchmal hast du eine Art, mich anzusehen, an die ich mich immer noch gewöhnen muss. Das ist ein Blick, der mir sagt, dass du mich einfach liebst und das auch immer tun wirst.“

Sadie errötete. „Ja ... und dass ich froh bin, dich zu haben.“

„Ich weiß. Ich bin auch froh, dich zu haben, Sadie Whitman.“

Sie lächelte, als er das sagte. Das Bewusstsein, jetzt seinen Namen zu tragen, tat ihr gut. Inzwischen merkte sie ihm auch nur noch selten die Traurigkeit über den Verlust ihres Kindes an. Er steckte es weg, so wie er schon viele Dinge weggesteckt hatte. Und Sadie hatte es so gemeint, als sie gesagt hatte, dass sie irgendwann doch Kinder mit ihm wollte. Dabei war es nicht ganz unbedeutend für sie, dass Matt immerhin acht Jahre älter war, aber im Augenblick war sie glücklich damit, ihn zu haben. Während er mit seinem Handy herumspielte, schmiegte Sadie sich seitlich an ihn, bettete ihren Kopf auf seine Brust und legte einen Arm um ihn. Sie wusste, wie sehr er es liebte, wenn sie das machte.

Sie hatte nie einen anderen Mann gehabt, aber das fehlte ihr auch nicht. Als sie schließlich das Licht ausschalteten, blieb Sadie weiter auf Matts Brust liegen und lauschte auf seine Atemzüge.

 

 

Montag

 

„Um was wetten wir, dass dich jemand anruft?“

Sadie drehte sich um und grinste in Cassandras Richtung. Ihre Kollegin ließ ihre Tasche neben dem Stuhl auf den Boden gleiten und setzte sich.

„Du meinst wegen des Toten im Angeles National Forest?“, fragte Sadie.

Cassandra nickte. „Genau den meine ich. Die werden kommen, da bin ich sicher.“

„Mal sehen. Vielleicht können sie den Toten selbst mit Manning in Verbindung bringen.“

„Die rufen dich an. Bestimmt.“ Mit diesen Worten schaltete Cassandra ihren Computer ein. „Nettes Gewitter gestern, was?“

„Figaro war völlig unleidlich“, sagte Sadie.

„Ach, ich liebe deine Katzen. Ich hätte selbst gern welche.“

„Und warum legst du dir keine zu?“

„Weil Jason Allergiker ist.“

„Soso“, erwiderte Sadie mit hochgezogener Augenbraue. „Höre ich da etwa ernste Absichten?“

„Ach, komm“, sagte Cassandra und errötete leicht. „Als ob dich das überraschen würde.“

„Nicht wirklich“, gab Sadie zu. „Aber ich finde es toll, Cassie. Ich wusste, dass er dein Typ ist.“

„Ist er ... aber du weißt ja, wo das Problem lag.“

„Solange es keins mehr ist.“

Cassandra schüttelte den Kopf. „Er ist toll, wirklich. Und er ist großartig mit der Situation umgegangen.“

„Es ist ja auch bald vorbei“, sagte Sadie und meinte den Prozess um Lucas Whittaker – den Mann, der Cassandra vor einigen Monaten mit Hilfe seines Komplizen Ross Nolan entführt und vergewaltigt hatte. Cassandra hatte sehr unter der Tat gelitten und bei ihrer Aussage gegen Whittaker im Gerichtssaal Höllenqualen gelitten, aber Sadie ging davon aus, dass sich die Mühe gelohnt hatte. In wenigen Tagen wurde das Urteil gegen Whittaker gesprochen und sie rechnete mit einer langen Freiheitsstrafe, was sie nur gerecht fand.

Aber natürlich hatte das Cassandras beginnende Beziehung zu Matts Kollegen Jason Wheeler anfangs überschattet. Inzwischen wusste Jason, was Cassandra erlebt hatte und er ging gelassen damit um. Inzwischen hatte Cassandra auch keine Angst mehr davor, Jason an sich heranzulassen; das hatte sie Sadie glücklich und erleichtert erzählt. Sadie fühlte sich geehrt, inzwischen für Cassandra nicht mehr nur eine Kollegin, sondern auch eine gute Freundin zu sein. Sie freute sich für Cassandra, dass sie sich Jason langsam angenähert hatte und nun eine glückliche Beziehung mit ihm führte.

„Ich bin schon ziemlich gespannt auf das Urteil“, sagte Cassandra ins Schweigen hinein.

„Ich auch, obwohl es ihn ja weniger hart treffen wird als Nolan und Cook.“

„Was nur gerecht ist.“

Sadie nickte. „Ich bin froh, dass du Jason vertrauen kannst.“

„Ja ... hätte nicht gedacht, dass ich mich so schnell wieder auf einen Mann einlassen kann. Aber Matt sagte ja, er ist in Ordnung. Er hatte recht. Wenn er das sagt, kann ich das einschätzen.“

„Wie meinst du das?“, fragte Sadie.

Cassandra gestikulierte erst und suchte nach Worten, bevor sie sagte: „Ich bin einfach davon ausgegangen, dass er einschätzen kann, ob Jason mit mir umgehen kann oder nicht. Da hatte ich ihm Erfahrung unterstellt. Ich meine ... du hast es so gut mit Matt.“

Sadie nickte stumm. Das wusste sie und sie vergaß es auch nie.

„Habt ihr überlegt, zusammenzuziehen?“, fragte sie.

„Ja, schon“, erwiderte Cassandra. „Das würde eigentlich Sinn ergeben, meist schläft ja doch einer beim anderen.“

„Das hatte ich nicht sehr lang mit Matt.“

„Nein, ihr seid ja gleich nach Quantico gekommen. Ich freue mich übrigens schon auf Freitag.“

„Ich mich auch“, sagte Sadie. Jason und Cassandra würden vorbeikommen, um mit Matt und Sadie zu kochen. Das hatten sie schon länger geplant.

Schweigend öffnete sie ihr Essay über ihren Vater. Daran arbeitete sie immer noch, aber inzwischen lag sie in den letzten Zügen. Sie überlegte, Nick offiziell an Bord zu holen. Er hatte gute Kontakte zu Fachzeitschriften und würde auch beurteilen können, was sie geschrieben hatte. Seine Meinung lag Sadie am Herzen. Dieses Essay würde ihn persönlich interessieren und vielleicht auch für die Ausbildung an der Academy von Nutzen sein.

„Ah“, machte Cassandra, als sie auf Sadies Bildschirm spähte und sah, woran Sadie arbeitete. Inzwischen wusste auch sie Bescheid.

„Solange mich niemand anruft, kann ich das ja machen“, sagte Sadie.

„Stimmt. Dass du wirklich die Nerven hast, über deinen Vater zu schreiben.“

Achselzuckend erwiderte Sadie: „Er ist jetzt schon fast zwei Jahre tot, Cassie. Inzwischen tut mir das nicht mehr weh.“

Was leider nicht auf all ihre Familienbeziehungen zutraf, aber den Gedanken schob sie schnell beiseite und stürzte sich in die Arbeit. Cassandra blieb nicht lang neben ihr sitzen, sondern fuhr wieder zur Polizei in Beverly Hills, wo sie im Augenblick Amtshilfe leistete. So hatte Sadie lang die nötige Ruhe, um zu schreiben, bis etwa eine Stunde vor der Mittagspause ihr Telefon klingelte. Es war eine Nummer aus der Stadt.

„Special Agent Sadie Whitman“, meldete sie sich.

„Gut, dass ich Sie erreiche, Agent Whitman. Mein Name ist Nathaniel Morris, ich bin Detective beim LAPD und könnte die Hilfe eines Profilers gebrauchen. Deshalb hat man mir Ihren Namen genannt.“

„Da sind Sie richtig bei mir“, sagte Sadie. „Worum geht es?“

„Es geht um den Toten aus dem Angeles National Forest. Haben Sie schon davon gehört?“

Sadie grinste wissend. „Ja, es geht um Carter Manning, nicht wahr?“

„Richtig. Es geht nicht so sehr darum, dass wir ein Profil bräuchten; eigentlich sind wir uns ziemlich sicher, dass der Tote auf Mannings Konto geht. Gestern war ich schon im L.A. County State Prison und habe mit Manning gesprochen, aber der weiß von nichts. Sagt er zumindest. Ich war schon fast versucht, ihm zu glauben, aber ich habe schon damals an den Ermittlungen in seinem Fall mitgearbeitet und ich bin mir todsicher, dass Manning auch für das neue Opfer verantwortlich ist.“

„Okay“, sagte Sadie. „Und wie kann ich Ihnen da helfen?“

„Ich wollte zuerst Hilfe von Ihren Kollegen aus Quantico anfordern, aber da sagte man mir, dass Sie hier für solche Fälle zuständig sind.“

„Sie haben mit Agent Cooper gesprochen?“, fragte Sadie, die gleich an Alexandra dachte.

„Richtig. Ich würde einfach gern einen Profi hinzuziehen, der die Fakten prüft und selbst mal mit Manning spricht. Im Augenblick sind meine Kollegen noch draußen in den Bergen und suchen nach weiteren Leichen, denn ich werde den Verdacht nicht los, dass es noch weitere Tote gibt. Aber Manning ... der gab sich völlig unbeteiligt.“

„Ich komme gern vorbei und sehe mir das an. Wo finde ich Sie?“

„Im Police Headquarters in Downtown.“

„In Ordnung, bin unterwegs“, sagte Sadie und legte auf. Sie meldete sich ab, holte sich den Schlüssel für einen Dienstwagen und legte auf dem Weg zum Parkplatz noch einen kurzen Halt in der Kantine ein, um sich ein Sandwich zu kaufen. Verhungern wollte sie unterwegs nämlich nicht.

Sie folgte der Interstate 10 bis nach Downtown. Das Verkehrsaufkommen nahm unterwegs zu, aber sie war trotzdem schnell unterwegs und schaffte es noch, ihr Sandwich zu essen, bevor sie sich im Police Department auf die Suche nach Morris machte. Er erwartete sie bereits am Aufzug und begutachtete sie staunend von Kopf bis Fuß, während er ihr die Hand schüttelte.

„Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie wunderschöne Haare haben?“, sagte er und lachte. „Entschuldigen Sie, das ist eigentlich nicht meine Art, aber ich hatte irgendwie mit einem Bücherwurm mit Brille gerechnet und ...“ Er brach ab, wollte sich nicht um Kopf und Kragen reden.

„Das ist schon okay“, sagte Sadie und lächelte. „Meine Haarfarbe fängt sich gelegentlich den einen oder anderen Kommentar ein.“

„Kommen Sie“, sagte Morris und ging voran. Sadie folgte ihm belustigt. Er war ein attraktiver Mittvierziger, dessen Kleidung professionell und trotzdem leger wirkte. Sein dunkles Haar war gepflegt, an seiner Hand fiel Sadie ein Ehering auf, der sie nicht wirklich überraschte.

Morris ging zu seinem Schreibtisch in der Ecke eines Großraumbüros, wo er bereits einen zweiten Stuhl bereitgestellt hatte. Er bot Sadie auch etwas zu trinken an, was sie dankend annahm, und setzte sich dann vor seinen Computer.

„Toll, dass Sie so schnell kommen konnten, Agent Whitman“, sagte er und nickte ihr wohlwollend zu. „Damit hatte ich nicht gerechnet, ich hatte befürchtet, Sie müssten mich vertrösten.“

„Nein, ich habe hier in der Stadt zwar nur eine Profiler-Kollegin, aber meist sind wir ja beratend tätig und das klappt eigentlich ganz gut“, sagte sie.

„Gut zu hören. Ich bin froh, dass wir jemanden wie Sie hier in der Stadt haben. Seit wann ist das so?“

„Seit dem letzten Jahr.“

„Und worin haben Sie schon ermittelt?“

„Ich war unter anderem an den Ermittlungen gegen Juan Filhos und Joey Baker beteiligt“, sagte Sadie. „Und auch die Anschläge im Sommer fielen in meine Zuständigkeit.“

„Ja, natürlich. Das war schlimm. Nun, Agent Whitman ...“

„Sadie“, unterbrach sie ihn rasch und lächelte.

„Nathan“, erwiderte er, ebenfalls mit einem Lächeln, und fuhr fort. „Als es damals darum ging, Manning zu schnappen, war ich erst seit kurzem Detective und bin da eigentlich nur so reingerutscht. Anfangs wussten wir ja noch nicht, womit wir es da zu tun hatten. Ich kann dir sagen ... das war hart. Teilweise eklig. Bist du mit dem Fall vertraut?“

Sadie nickte. „Ich habe ihn an der FBI Academy studiert.“

„Okay, dann weißt du ja, worum es hier geht.“ Morris griff nach seiner Maus und öffnete eine Bilddatei. Sadie erkannte erst auf den zweiten Blick, worum es sich dabei handelte. Es war eine mumifizierte Leiche, in deren Kieferhöhle etwas steckte. Um den Hals bemerkte Sadie dünnen Draht.

„Vielleicht erinnerst du dich an die Gemeinsamkeiten bei seinen Opfern. Er hat sie alle mit einer selbstgebauten Garotte stranguliert, die er auch nie entfernt hat, und er hat ihnen allen Stoff in den Mund gesteckt.“

Sadie nickte sofort. „Das ist wie bei John Wayne Gacy. Er hat das getan, um zu verhindern ...“ Sie suchte nach den passenden Worten. „Dass Leichenflüssigkeiten austreten, wo sie es nicht sollen.“

„Ich weiß“, sagte Nathan und nickte. „Manning hat das wohl eher als Knebel benutzt, zumindest hat er das gesagt. Ihm war die Ähnlichkeit zu Gacy und Dahmer aber damals schon bewusst. Wobei, das ist falsch formuliert ... er ist ja bestens über andere homosexuelle Serienkiller informiert. Er hat ein morbides Interesse an Gleichgesinnten. Und wenn du mal hier schaust ...“ Er öffnete das nächste Bild. „Das hier ist nur der Torso. Uns fehlt immer noch das rechte Bein, den ganzen Rest haben wir inzwischen gefunden. Aber es sieht so sehr nach Manning aus, dass ich da kaum einen Zweifel hege. Eine zerlegte Leiche, an der noch die Garotte hängt und ... ja. Das ist doch Mannings Handschrift!“

„Sieht ganz danach aus“, stimmte Sadie ihm zu. Morris wollte etwas erwidern, als sein Telefon klingelte und er sich entschuldigte, bevor er ranging. „Ja?“

Er hörte nur kurz zu, bedankte sich dann und legte wieder auf. „Sie haben einen weiteren Torso gefunden, keine halbe Meile entfernt. Wollen wir hinfahren?“

„Sicher, gute Idee“, erwiderte Sadie und stand auf. Sie folgte ihm zum Aufzug und blickte zu Boden, während sie neben ihm stand und wartete.

„Entschuldige meinen Spruch von vorhin“, sagte Nathan, um das Schweigen zu brechen. „Das sollte ein Kompliment werden, aber ich glaube, das ist ziemlich verunglückt ...“

„Ach, gar nicht“, sagte Sadie entspannt. „Um ehrlich zu sein, habe ich mein Aussehen schon öfter eingesetzt, um in Verhören bestimmte Reaktionen zu erzwingen. Das klappt erstaunlich gut.“

„Das glaube ich“, sagte Morris, während er Sadie den Vortritt in den Aufzug ließ. „Du bist hübsch, das zieht immer ... und ich könnte mir vorstellen, dass deine Haarfarbe den einen oder anderen Täter schon provoziert hat.“

„Hat sie tatsächlich. Das ist nicht unpraktisch, wie du dir denken kannst.“

Ihr entging nicht, wie Morris sie erneut von Kopf bis Fuß ansah. Sie trug ihr Haar offen, so wie meist, und sie hatte sich daran gewöhnt, dass es die Blicke auf sich zog.

„Wie lang bist du schon beim FBI?“, erkundigte Morris sich.

„Seit zwei Jahren.“

Er nickte wissend. „Davor ziehe ich meinen Hut. Ich habe mich mal mit dem Rekrutierungsverfahren auseinandergesetzt, weil ich mit dem Gedanken gespielt hatte, mich zu bewerben, aber mir war schnell klar, dass ich das nicht packe.“

„Das kann man nicht wissen“, sagte Sadie und folgte ihm aus dem Aufzug. „Mein Mann hatte auch Zweifel und dann haben sie ihn trotzdem genommen.“

„Geht das gut, wenn der Partner auch bei der Behörde ist?“, fragte Morris interessiert.

„Erstaunlich gut, ja. Wir arbeiten öfter zusammen. Was macht deine Frau?“

Morris lachte. „Den Ring hast du also auch schon gesehen. Sie ist Buchhalterin.“

Sadie lächelte belustigt. „Es ist mein Job, auf die Details zu achten.“

„Das kann ich mir vorstellen. Warum wird man Profiler?“

„Warum wird man Polizist?“, erwiderte Sadie grinsend.

„Ja, verstehe. So sehr unterscheidet die Motivation sich wohl nicht ... aber ich könnte mich beruflich nicht immer mit Typen wie Manning beschäftigen. Es sind doch Serienmörder, mit denen du häufig zu tun hast, oder?“

„Schon. Es ist eigentlich alles, bei dem die Polizei nicht weiterkommt und wo davon auszugehen ist, dass eine psychologische Einschätzung weiterhilft.“

„Aber du siehst öfter so krankes Zeug wie bei Manning, oder?“

Sadie nickte sofort. „Ziemlich oft, ja. Ich hatte auch den Richard Carson-Fall ... und einige Frauenmörder.“

„Und das macht dir nichts aus?“, fragte Morris.

„Inzwischen nicht mehr.“

„Meine Hochachtung. Der Manning-Fall war damals schon eine echte Bewährungsprobe für mich.“

„Das kann ich verstehen. Ich freue mich auch nicht gerade darauf, mich jetzt damit zu beschäftigen. Nekrophilie kommt bei mir gleich hinter Kannibalismus.“

Morris sah sie irritiert an, während sie auf dem Parkplatz zu einem Dienstwagen gingen und sich gemeinsam hineinsetzten.

„Das ist für dich am schlimmsten?“, fragte er.

„Ja, zusammen mit Sexualsadisten. Es ist mir eine Genugtuung, jeden dieser Typen einsperren zu können.“

Morris startete den Wagen und fuhr los. „Mir war es eine Genugtuung, Manning festzunehmen. Als ich damals rausgefahren bin, um die erste Leiche zu begutachten, hatte ich ja keine Ahnung, was auf mich zukommt. Jahrelang sind wir ihm nicht auf die Schliche gekommen. Damals war noch jemand aus Quantico hier und hat ein Profil für uns erstellt. Ein gutes Profil, das in den meisten Punkten zutreffend war. Aber gekriegt haben wir ihn trotzdem nicht. Dann war es so ein dummer Zufall ...“

„Kommt oft genug vor“, sagte Sadie.

„Hast du das auch schon erlebt?“

„Natürlich. Einen Fluchtwagen mit GPS, ein vergessenes Handy, allgemeine Unsicherheit, Selbstüberschätzung ...“

„Also hat das Methode.“

„Ziemlich“, sagte Sadie. „Das war eins der ersten Dinge, die ich an der Academy gelernt habe. So unmenschlich uns manche Mörder und ihre Taten vorkommen mögen, aber jeder von ihnen ist ein Mensch. Selbst Jeffrey Dahmer war nach seinem ersten Mord so schockiert von dem, was er getan hat, dass er das Morden erst mal sein gelassen hat.“

„Tatsächlich? Das wusste ich nicht“, sagte Morris kopfschüttelnd.

„Ja, klingt verrückt, oder? Aber ich habe das auch schon erlebt“, sagte Sadie und überlegte kurz, ob sie es erzählen sollte, aber dann tat sie es. „Eine perfekt geplante Entführung: Der Täter dringt in eine Wohnung ein, legt falsche Spuren, nimmt Schlüssel und Portemonnaie mit, um es so aussehen zu lassen, als sei die Wohnung freiwillig verlassen worden.“

„Und dann?“

„Dann hat er das Handy vergessen, über das Rückschlüsse auf seine eigene Identität gezogen werden konnten. Das hat ihm den Hals gebrochen.“

„Puh“, machte Morris. „Wer war das?“

Sadie starrte geradeaus auf die Straße. „Der Pittsburgh Strangler.“

„Von dem habe ich gehört. Fieser Mistkerl.“

„Das kann ich dir sagen.“

„War das deine Ermittlung?“

Sadie nickte. „Meine schlimmste. Da ist Manning mir lieber ...“

„Bin gespannt, ob du das gleich auch noch sagst“, murmelte Morris bedeutungsvoll.

 

Geduldig hatte Morris sich in die San Gabriel Mountains vorgearbeitet, in denen der Angeles National Forest lag. Er fuhr mit dem Wagen so weit, wie es möglich war, parkte ihn dann neben einigen anderen Einsatzfahrzeugen und erkundigte sich bei einem Kollegen in der Nähe, wo sie die zweite Leiche fanden. Er erklärte ihnen den Weg durchs Unterholz und sie stapften los.

„Dass Manning sich wirklich die Mühe gemacht hat, die Leichen so weit in die Einöde zu schleifen“, sagte Sadie. „Wenn es Manning war.“

„Ja, das hat mich auch immer gewundert. Aber er ist einer derjenigen, die Leichen wirklich verschwinden lassen wollen und sie nicht ausstellen. So wie die Hillside Stranglers zum Beispiel“, sagte Manning, woraufhin Sadie interessiert nickte. An dieses Killerpaar hatte sie auch gleich denken müssen. Morris war ihr sympathisch, er war ein kluger und engagierter Polizist und er wusste, was er tat.

Im Unterholz war es noch feucht, dampfte fast ein wenig in den Strahlen der Sonne, die sich durch die Wipfel der dürren Bäume kämpfte. Sie begegneten immer wieder anderen Polizisten auf den Weg zu ihrem Ziel und wussten so wenigstens, dass sie auf dem richtigen Weg waren. Sadie fühlte sich an ihren ersten FBI-Fall zwei Jahre zuvor erinnert, bei dem sie auch vor Ort unterwegs gewesen war, um die Tatorte kennenzulernen. Sie war selten so unmittelbar dabei.

Morris drehte sich um, weil er wissen wollte, ob Sadie noch gleichauf war. Sie war es und sie war froh, geeignete Schuhe zu tragen. Cassandra trug bei der Arbeit oft schwindelerregend hohe Absätze, aber damit wäre Sadie jetzt aufgeschmissen gewesen. Wenigstens gab es eine Art kleinen Trampelpfad. Sadie fragte sich, ob es vor Jahren hier einen Weg gegeben hatte, den Manning möglicherweise benutzt hatte.

„Du kennst Manning persönlich, oder?“, fragte Sadie.

„Ja, warum fragst du?“, erwiderte Morris.

„Ist er groß? Kräftig?“

„Ah, verstehe. Ja, das ist er. Es stand für mich nie in Zweifel, dass er die Leichen selbst hergebracht hat.“

Sadie nickte, denn das hatte sie wissen wollen. Bald entdeckten sie zwischen den Bäumen Absperrbänder und bemerkten Kollegen von der Spurensicherung, die dabei waren, ein abgestecktes Gebiet unter die Lupe zu nehmen. Schließlich blickte einer der Kollegen auf und nickte Morris zu.

„Gut, dass du schon hier bist, Nathan. Wen hast du mitgebracht?“

„Special Agent Whitman vom FBI. Sie ist Profilerin. Sadie, das ist Detective Roy Coulter, mein Partner. Er ist schon seit dem Morgen hier. Was haben wir?“

Coulter hob das Absperrband an, so dass Sadie und Nathan sich darunter herducken konnten und das abgesperrte Areal betraten.

„Da vorn“, sagte Coulter, ein gemütlicher Endvierziger mit etwas zerzausten Haaren. Er deutete an zwei Kollegen von der Spurensicherung vorbei auf etwas im Gebüsch. Einige Zahlenmarkierungen standen daneben.

„Können wir näherkommen?“, fragte Sadie.

Coulter nickte. „Ist okay.“

Sadie näherte sich der Stelle vorsichtig und erkannte dann, dass es sich um den zweiten Torso handelte. Auch er war halb mumifiziert, die Haut war getrocknet, braun und wirkte ledrig. Sadie erkannte einige Rippenbögen und einen Rückenwirbel. Der Torso war gleich unterhalb der Rippen abgetrennt. Vom Hals war nicht viel übrig außer der Wirbelsäule, der Schädel hatte leere Augenhöhlen, zwischen den Zähnen klemmte ein Stück Stoff. An den Halswirbeln befand sich ein Stück dicker Draht mit zwei Griffen an den Enden. Das erinnerte sie an das Foto, das Morris ihr gezeigt hatte und auch an die Fotos von Mannings anderen Opfern. Sadie kannte einige Aufnahmen.

Ein paar blonde Haare waren am Kopf noch erkennbar. In diesem Moment kam ein Kollege von der Spurensicherung mit einem großen Beutel in ihre Richtung. Sadie schluckte, als sie sah, dass es sich bei dem Inhalt um einen halb skelettierten Arm handelte. Schon von weitem sah sie, dass an der Hand nur noch drei Finger vorhanden waren.

„Das gehört auch zu unserem Toten“, sagte der Mann im Ganzkörperanzug und hielt die Tüte hoch.

„Ein Arm“, stellte Morris trocken fest.

„Sogar mit Fesseln“, erwiderte der Kollege. Sadie ging hinüber und betrachtete den Arm in der Asservatentüte. Es stimmte, am Handgelenk war noch eine Schlinge erkennbar.

„Sieh mal, Sadie“, rief Morris und winkte sie zu dem Torso herbei. „Das muss Manning gewesen sein.“

„Warum?“, fragte Sadie und ging wieder zu ihm hinüber.

„Da.“ Morris deutete auf ein kleines, fast kreisrundes Loch im Schädel. „Bei der anderen Leiche haben wir das nicht festgestellt, aber dieser Tote hat ein Loch im Schädel.“

„Das war Mannings Ding. Er hat sich von Dahmer inspirieren lassen und mit seinen Opfern experimentiert.“

Morris nickte. „Wenigstens hat er keine Salzsäure benutzt.“

„Und wir wissen schon, dass die Opfer männlich sind?“, fragte Sadie.

„Der Tote vom Wochenende schon, das hat der Pathologe gleich gesagt. Hier ... na ja, wir haben das Becken ja noch nicht gefunden“, sagte Coulter.

„Als ob das nicht passen würde“, sagte Morris. „Aber Roy meinte, ich sei etwas voreingenommen und sollte vielleicht einen Experten um Rat fragen, deshalb bist du hier, Sadie.“

Sie nickte verstehend und kramte tief in ihren Erinnerungen. Manning war damals an der Academy Thema gewesen, weil er ein aktuelles Beispiel für einen homosexuellen, nekrophilen Killer war, der berühmten Namen sehr ähnelte. Sein Verteidiger hatte es irgendwie gedreht, dass er nicht zum Tode verurteilt wurde – ein Glück, das er mit nicht wenigen anderen Serienmördern teilte. Spontan fiel Sadie Gary Ridgway ein, einer der schlimmsten Serienkiller der amerikanischen Geschichte – aber er saß nicht im Todestrakt.

„Wie kann ich denn jetzt helfen?“, fragte sie schließlich.

„Nun, wir versuchen jetzt erst mal, herauszufinden, wen wir hier haben“, sagte Nathan. „Das geht über den Zahnstatus und DNA-Proben. Vielleicht finden wir was. Der Pathologe muss uns jetzt erst mal sagen, wie lang die beiden hier tot sind, dann können wir in den Vermisstenanzeigen aus dem fraglichen Zeitraum nach passenden Männern suchen und einen Abgleich starten. Und davon abgesehen wüsste ich gern, ob Manning dahintersteckt. Er mauert ja komischerweise.“

„Jetzt plötzlich?“, fragte Sadie überrascht. „Er war doch früher kein Geheimniskrämer.“

„Eben, das hat mich auch gewundert. Er kam mir ganz anders vor als früher.“

„Liegt vielleicht an seiner Haftstrafe.“

„Dachte ich auch, aber irgendwie war das seltsam. Wäre vielleicht gut, wenn du dir das mal ansiehst.“

„Klar“, sagte Sadie.

„Vielleicht hast du ja mehr Erfolg. Du kennst dich doch mit solchen Verhören aus.“

Sadie nickte. „Ich habe den Attentäter Bradley im Sommer verhört und ihn immerhin dazu gebracht, mögliche Anschlagsziele einzugrenzen.“

„Das warst du? Sehr gut!“

„Unter anderem“, sagte Sadie.

Plötzlich wurde es hinten im Gebüsch laut und es dauerte nicht lang, bis ein Kollege erschien und kundtat, dass sie den Unterleib des zweiten Opfers gefunden hatten. Mit vor der Brust verschränkten Armen stand Sadie neben der Absperrung und ließ die Umgebung auf sich wirken. Die goldenen Strahlen der Mittagssonne bahnten sich ihren Weg durch die Bäume bis hinab zum Waldboden. Es roch immer noch nach feuchter Erde, der Boden war aufgeweicht. Das war selten genug in Kalifornien. Als Sadie die Augen schloss, wurde ihr bewusst, wie weit sie schon von der Zivilisation entfernt waren – zumindest kam es ihr so vor. Das Verkehrsrauschen und der übrige Lärm der Metropole drangen hierher nicht vor. Es war nicht das erste Mal, dass Mörder ihre Opfer in einem solchen Gebiet versteckten. Sadie versuchte, sich vorzustellen, wie Manning seine Opfer hergebracht und im Unterholz verscharrt hatte.

In diesem Gebiet hatte man vor zehn Jahren immer wieder Leichen gefunden. Ermordet hatte Manning sie meist in seiner Wohnung, um sie anschließend in diesem gottverlassenen Gebiet zu verstecken – oder das, was von ihnen übrig war.

„Wann willst du Manning besuchen?“, fragte sie Nathan.

Er blickte auf die Uhr. „Tja ... bis wir da sind ...“

„Ich würde mich gern noch mal in den Fall einlesen“, sagte Sadie. „Denkst du, das ist in Ordnung?“

„Klar. Ich meine, es ist jetzt nicht so, als befände sich jemand in akuter Gefahr. Manning sitzt ja schon.“

„Eben“, sagte Sadie. „Aber du hast recht, bislang wirkt das auf mich so, als gingen diese Leichen auf sein Konto. Es ist dasselbe Fundgebiet, die Leichen sind auf ähnliche Weise zugerichtet worden ... das könnte er gewesen sein.“

„Ja ... nur seltsam, dass er das nie erwähnt hat und wir sie auch nie gefunden haben.“

„Wir werden schon noch herausfinden, ob er es wirklich war. Aber für einen Trittbrettfahrer ist das viel zu präzise.“

„Findest du? Der modus operandi war jetzt nie ein großes Geheimnis.“

„Nein, aber in seiner Gesamtheit sieht das schon sehr nach Manning aus. Und es ist ja auch nicht ungewöhnlich, dass später noch Opfer irgendwelcher Killer gefunden werden.“

„Ach so?“, fragte Morris überrascht. „Wo zum Beispiel?“

„Nimm zum Beispiel den Green River Killer ... oder Ted Bundy. Oder Rick Foster ...“ Der Satz war raus, bevor Sadie ihn sich wirklich überlegt hatte, aber Morris ging gar nicht darauf ein.

„Stimmt. Wenn wir hier fertig sind, würde ich vorschlagen, dass wir zurückfahren.“

„Ich wäre soweit“, sagte Sadie. Morris schloss sich ihr an und schlug den Rückweg ein. Als sie außer Hörweite waren, fragte Sadie: „Begleitet dein Partner uns gar nicht?“

„Wir hatten beschlossen, uns aufzuteilen. Denkst du, wir brauchen ihn?“

„Nicht unbedingt. Ich habe mich nur gewundert“, sagte Sadie.

„Verstehst du etwas von klassischer Polizeiarbeit?“, erkundigte Nathan sich interessiert.

„Ich war selbst jahrelang Streifenpolizistin, bevor ich zum FBI kam.“

„Oh, das ist aber ein Aufstieg. War das FBI denn immer dein Ziel?“

„Nicht direkt das FBI, aber ich wollte Profilerin werden.“

„Das klingt so, als gäbe es einen bestimmten Grund dafür.“

„Schon“, sagte Sadie. „Aber konzentrieren wir uns lieber auf den Fall.“

„Okay.“ Morris ließ das Thema ruhen und fuhr zur Polizei zurück. „Wo wollen wir uns denn morgen treffen?“

„Ich komme morgen früh zu dir“, sagte Sadie. „Ich denke, das ist am sinnvollsten.“

Nathan nickte zustimmend. „Ich bin gespannt, was du zu der ganzen Sache sagst. Du machst keinen leichten Job, würde ich sagen.“

„Ich habe mich bewusst dafür entschieden und es bislang nicht bereut“, sagte Sadie und erzählte ihm, dass sie tatsächlich von der Behavioral Analysis Unit kam, was er interessiert zur Kenntnis nahm.

„Ich fühle mich psychologisch nicht besonders fit“, behauptete er. „Zwar habe ich einen Instinkt für Verbrecher, aber ich hinterfrage ihre Motivation nicht. Das fände ich belastend.“

„Mir hilft es“, sagte Sadie.

„Hast du Familie?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nur meinen Mann. Und du?“

„Ich habe zwei Kinder, vierzehn und sechzehn. Das ist ganz schön aufregend!“

Sadie grinste. „Das kann ich mir vorstellen. Ich habe zwei Katzen, das reicht mir in Sachen Trubel.“

„Wir haben einen Hund. Damit wird es auch nicht langweilig.“

Sie unterhielten sich privat, bis sie wieder in Downtown waren. Sadie hielt sich nicht mehr lang dort auf, sondern verabschiedete sich von Morris und verabredete sich mit ihm für den nächsten Morgen um neun.

„Ich freue mich. Bis morgen“, sagte Nathan, bevor er im Gebäude verschwand und Sadie zu ihrem Dienstwagen zurückkehrte. Auf ihrem Rückweg drehte sie das Radio auf und pfiff die Musik nachdenklich mit. Sie teilte den Verdacht des Polizisten, dass es sich bei den beiden Leichen um Mannings Opfer handelte, aber sie hatte nicht mehr alle Tatumstände im Kopf und wollte sich einlesen, bevor sie sich Manning gegenübersetzte. Sie war gern gerüstet.

Bei ihrer Rückkehr ins Büro fand sie Cassandra dort auch wieder vor. Ihre Kollegin blickte neugierig auf, als Sadie neben ihr erschien.

„Und wo hast du gesteckt?“, erkundigte Cassandra sich.

„Du hattest recht“, sagte Sadie belustigt. „Morgen besuche ich Carter Manning.“

Ihre Kollegin lachte. „Es war so klar. Also wurdest du angerufen.“

„Ja, von einem sehr netten und engagierten Polizisten, der erstaunt war, als ich bei ihm auftauchte. Er hatte irgendwie eine Brillenschlange erwartet ...“

Darüber amüsierte Cassandra sich prächtig. „Steht er auf dich?“

„Nein, er ist verheiratet. Aber ich habe mich gut mit ihm unterhalten. Wir waren gerade draußen in den Bergen, wo eine zweite Leiche gefunden wurde. Morgen sprechen wir mit Manning darüber.“

„Wow. Warst du schon mal in einem Gefängnis?“

„Bisher nicht“, sagte Sadie. „Das wird jetzt meine Premiere.“

„Toll. Und dann auch noch mit einem wie Manning ... ich kann mich noch daran erinnern, dass ich seinen Fall an der Academy hatte. Das war ganz kurz nach seiner Verurteilung.“

„Ja, daher kenne ich den Fall auch. Ich gehe jetzt alles noch mal durch, damit ich im Bilde bin.“

„Gute Idee“, sagte Cassandra und wandte sich ebenfalls wieder ihrem Bildschirm zu. Sadie öffnete VICAP und gab den Namen Carter Manning ein. Am Rand erschien ein Bild, das sie spontan an John Wayne Gacy erinnerte. Ein rundes, fleischiges Gesicht, dunkle Augen, schmale Lippen. Carter Manning war 1982 geboren und hatte mit vierzehn festgestellt, dass er sich eher zu gleichaltrigen Jungen als zu Mädchen hingezogen fühlte. Sein strenger Vater hatte ihn unter Druck gesetzt, nachdem Manning sich seiner Mutter anvertraut und der Vater davon erfahren hatte. Er war gerade achtzehn gewesen, als sein Vater ihn vor die Tür gesetzt hatte, dabei beschränkten Mannings Erfahrungen mit Männern sich zu diesem Zeitpunkt einzig auf den Kontakt zu Strichern. Feste Beziehungen zu Männern hatte er nie gehabt, bis er im Alter von zweiundzwanzig mit dem Morden begonnen hatte. Sein erstes Opfer war ein Stricher gewesen, den er in seine Wohnung gebracht hatte. Dort hatte er erst einvernehmlichen Sex mit dem Jungen gehabt, einem Neunzehnjährigen aus Palm Springs. Manning hatte nicht gleich geplant, ihn zu töten. Erst, als Streit über die Bezahlung ausgebrochen war, hatte er den Jungen bewusstlos geschlagen, die günstige Gelegenheit genutzt und ihn gefesselt und geknebelt, bevor er ihn alsbald mit einer selbstgebastelten Garotte erdrosselt und anschließend auf den Leichnam masturbiert hatte.

Da war für ihn ein Damm gebrochen. Den ersten Toten hatte er noch relativ unversehrt in die Berge gefahren und tief, aber nicht tief genug in den Wald gebracht, so dass die Leiche nach drei Wochen von einem Jäger entdeckt worden war. Daraufhin hatte Manning sich eine gewisse Zeit lang ruhig verhalten, um das Risiko einer Entdeckung zu minimieren. Aber dann hatte er weitergemacht und anfangs Stricher, später Bekanntschaften aus anonymen Internetforen ermordet. Er hatte viele, aber nicht alle vergewaltigt, sich später auf Leichenschändung verlegt und den Zeitraum, in dem er sich mit den Toten vor ihrer Entsorgung befasste, immer weiter ausgedehnt. Er war nekrophil, hatte sadistische Züge an sich entdeckt und irgendwann begonnen, seine Opfer in die Badewanne zu stecken und immer wieder fast ertrinken zu lassen. Ein junger Mann war dabei auch tatsächlich ungewollt ertrunken, aber ihm hatte Manning nach seinem Tod trotzdem die extra vorbereitete Garotte um den Hals gelegt. Er hatte nur die jungen Männer, die er besonders hübsch fand, vor ihrem Tod vergewaltigt. Die meisten hatte er zu Fesselspielen überredet, ihnen Stoff in den Mund gesteckt, um ihre Schreie zu ersticken und sie dann mit immer neuen, selbstgebauten Garotten erdrosselt. Deshalb hatte man ihm den Beinamen Garotte Killer of Los Angeles verpasst.

Die meisten Opfer hatten vor ihrem Tod nicht mehr lang gelebt, aber ihre Leichen hatte er eine ganze Weile behalten, bevor er sie zerstückelt und tief im Angeles National Forest versteckt hatte. Die Polizei hatte irgendwann begriffen, dass das sein Revier war und deshalb die meisten Leichen dort gefunden.

Aufgeflogen war er durch einen dummen Zufall. In seiner Wohnung hatte es einen Wasserrohrbruch gegeben und sein Vermieter hatte sich gewaltsam Zutritt zur Wohnung in Mannings Abwesenheit verschafft. Das Rohr war in einer Wand hinter dem Kühlschrank geplatzt, den man von der Wand gezogen hatte, um die Rohrbruchstelle zu finden. Dabei hatte der Vermieter nur zufällig auch in den Kühlschrank geschaut und dort Leichenteile entdeckt. Die herbeigerufene Polizei musste nur darauf warten, dass Manning eine Stunde später nach Hause kam und nahm ihn gleich wegen Mordverdachts fest. Seine DNA und zahllose Fotos, die er von den Toten gemacht hatte, bewiesen mühelos seine Schuld. Er hatte jedoch trotzdem noch einen Deal ausgehandelt und die Todesstrafe abgewendet, indem er die letzten drei Leichenverstecke preisgegeben und sich schuldig bekannt hatte. Zwar würde man ihn nie wieder auf freien Fuß setzen, aber immerhin wurde er nicht exekutiert.

Bis zum Feierabend studierte Sadie sehr eingehend Fotos, Aussagen und Obduktionsberichte. An der Academy hatte sie Manning oberflächlicher und nur exemplarisch behandelt, doch jetzt musste sie alles wissen. Sie musste gerüstet sein. Aber sie wurde pünktlich damit fertig und machte sich gleichzeitig mit Cassandra auf den Heimweg. Wie so oft traf sie sich unten auf dem Parkplatz mit Matt am Challenger. Er kam zwei Minuten nach ihr und umarmte sie zur Begrüßung.

„Und wie war dein Tag?“, erkundigte er sich.

„Ich fahre morgen zu Carter Manning.“

„War ja klar“, sagte Matt trocken, während er in den Wagen stieg.

Sadie lachte. „Was, das ist deine Reaktion?“

Er nickte grinsend. „Ich wusste, dass das kommt.“

„Cassandra wollte heute auch schon mit mir wetten, dass das mein nächster Fall wird.“

„Wundert mich nicht. Wie kam es dazu?“

Sadie erzählte ihm während der Fahrt, was sie an diesem Tag erlebt hatte und Matt hörte aufmerksam zu. Sie wusste, sein Interesse an ihrem Job war immer ehrlich und es faszinierte ihn, mit wieviel Hingabe sie sich dieser herausfordernden Arbeit widmete. Die ständige Auseinandersetzung mit Serienmördern wäre nicht sein Ding gewesen, aber er zog seinen Hut vor ihr, dass sie das zu ihrem Beruf gemacht hatte.

 

 

Dienstag

 

„Ich werde mich nie daran gewöhnen, wie groß diese Stadt ist“, sagte Sadie, während sie sich über die Interstate 5 nach Norden vorarbeiteten. Der Verkehr war immer noch höllisch, vor allem auf der Gegenfahrbahn.

„Woher kommst du eigentlich?“, fragte Nathan.

„Aus dem Central Valley, nahe Modesto.“

Morris nickte verstehend. „Also ein echtes California Girl.“

„Sozusagen“, erwiderte Sadie. „Nach dem College bin ich in Modesto zur Polizeischule gegangen, Streife gefahren und habe nach ein paar Jahren die FBI Academy nachgeschoben.“

„Toll, wirklich. Roy hatte erst Vorbehalte, als er gehört hat, dass du vom FBI bist. Er wollte zwar einen Profiler, aber am liebsten einen von der Polizei.“

Sadie nickte verstehend. „Gibt es inzwischen ja auch.“

„Ich weiß ... aber ich hatte hinsichtlich des FBI keine Vorbehalte.“

„Nein, musst du auch nicht. Wir verfolgen alle das gleiche Ziel.“

Morris lächelte und konzentrierte sich wieder aufs Fahren. Es würde ein heißer Tag werden, schon jetzt waren es fünfundzwanzig Grad. Sadie hatte sich eine kurzärmelige Bluse angezogen und achtete darauf, nicht die Innenseiten ihrer Unterarme zu zeigen. Nathan hatte die Narben noch nicht bemerkt und für den Fall der Fälle hatte sie eine Jacke mit längeren Ärmeln eingepackt. Inzwischen stand sie zu ihren Narben und war schon fast froh, dass die Schnittnarbe an ihrem Hals von den alten Verletzungen an ihren Armen etwas ablenkte.

„Ich habe eine Frage“, begann Morris unerwartet zaghaft. „Du musst nicht antworten.“

„Stell sie erst mal“, schlug Sadie augenzwinkernd vor.

„Gestern hast du Rick Foster erwähnt. Das war kein Zufall, oder?“

Verlegen lächelnd senkte Sadie den Kopf. „Natürlich hast du deine Hausaufgaben gemacht.“

„Hat aber eine Weile gedauert. Hättest du ihn nicht erwähnt, wäre ich nicht drauf gekommen, wieso du mir bekannt vorkommst.“

„Wie hast du es herausgefunden?“, fragte sie.

„Ich sehe, du wirst öfter damit konfrontiert.“

„Manchmal, ja. Meine direkten Kollegen wissen es, aber auch manche Polizisten kommen dahinter.“

„Ich habe erst deinen Namen nachgeschlagen, aber keine Verbindung gefunden“, erklärte Nathan. „Als ich es über ihn versucht habe, bin ich erst auf den Pittsburgh Strangler gestoßen und auf dein Foto. Es war ein bisschen kompliziert, aber ich glaube, ich habe die Verbindung durchschaut.“

„Schieß los“, sagte Sadie und versuchte, ihre schweißnassen Handinnenflächen zu ignorieren.

„Rick Foster war dein Vater“, sagte Morris.

Sie nickte. „Dummerweise ja.“

„Durch den Zeugenschutz bist du zu Sadie Scott geworden und durch Heirat zu Sadie Whitman. Und irgendwoher wusste das auch der Pittsburgh Strangler.“

„Ja. Ich bin froh, dass inzwischen Gras über die Sache gewachsen ist. Zumindest wenn niemand so gut kombiniert wie du.“

„Wer hat dir die Narbe beigebracht?“

Seufzend zog Sadie die Schultern hoch. „Für den Schnitt am Hals war jemand anders verantwortlich. Mein Vater hat mal wieder auf mich geschossen und mein ...“ Sie räusperte sich. „Der Pittsburgh Strangler war das.“

Damit drehte sie ihren linken Unterarm und zeigte Morris die vernarbten Schnitte. Er verzog betroffen das Gesicht.

„Die habe ich gar nicht bemerkt.“

„Ich verstecke sie ja auch.“

„Ich wusste nicht, dass du ihm begegnet bist.“

„Nein, das wurde nie an die große Glocke gehängt. Glücklicherweise.“

„Aus gutem Grund, nehme ich an.“

Sadie nickte. „Mein damaliger Chef wollte nicht, dass irgendjemand da genauer nachforscht.“

„Hattest du zum Pittsburgh Strangler auch eine persönliche Beziehung?“

Wieder nickte sie, aber diesmal sagte sie nichts. Morris ließ es gut sein.

„Verzeih meine Neugier“, sagte er.

„Schon okay. Dass der Pittsburgh Strangler mich in aller Öffentlichkeit bloßstellt, konnte ich damals nicht verhindern. Damit muss ich jetzt leben.“

„Immerhin weiß ich jetzt, dass du das mit Manning hinkriegen wirst.“

„Ich bin nicht automatisch im Vorteil, weil mein Vater ein Serienmörder war.“

„Nein, aber du hast nicht nur Erfahrung in Serienmordermittlungen – du kennst solche Täter.“

„Mein Chef bei der BAU wurde auch nicht müde, das zu betonen.“

„Ich habe auch ein Foto deines Mannes entdeckt. Scheint mir ein netter Kerl zu sein.“

„Ist er“, sagte Sadie. „Er war der erste, der die Verbindung zu meinem Vater gefunden hat.“

„Muss ein Schock gewesen sein.“

Sadie nickte. „Das war vor zwei Jahren ... bevor meinem Vater die Flucht gelungen ist.“

„Wie konnte er dich finden?“

Sadie erzählte es ihm und Morris nickte ernst. „Ich habe das in den Nachrichten verfolgt. Aber jetzt weiß ich, warum du gestern nicht erklären wolltest, warum du zum FBI gegangen bist.“

„Ist nicht mein Lieblingsthema“, sagte Sadie trocken.

„Kann ich verstehen. Nett, dass du es mir trotzdem erzählt hast.“

„Ich lüge niemanden deshalb an. Du hast es selbst herausgefunden, da kann ich es auch zugeben.“

Nathan lächelte. „Trotzdem nett.“

Sadie erwiderte sein Lächeln, sagte aber nichts mehr. Der Verkehr beruhigte sich, als sie das Stadtgebiet verlassen hatten und nach Lancaster abbogen. Der Highway führte durch eine öde Hügellandschaft in Richtung Wüste. Sie fuhren durch Palmdale und hatten schließlich nach etwa anderthalb Stunden Fahrt das Antelope Valley State Prison in Lancaster erreicht. Es lag unweit eines Wohngebietes und einer Kirche und hatte ein riesiges Gelände. Aus der Praxis kannte Sadie das nicht, ihren Vater hatte sie ja nie besucht. Das war jetzt eine Premiere für sie.

Morris ging vor und übernahm das Reden. Er hatte sie angekündigt, deshalb wusste das Sicherheitspersonal Bescheid. Er gab seine Waffe am Eingang ab, Sadie hatte ihre gar nicht erst mitgebracht. Sie hatte sich ihre Jacke über einen Arm gehängt und blickte sich neugierig um.

Es sah so aus, wie sie es aus dem Fernsehen kannte. Vergitterte Türen, hohe Decken, Gitter an den Fenstern, Fangnetze zwischen den Etagen.  Sie bemühte sich instinktiv, leise Schritte zu machen, während sie mit Morris dem Wärter folgte. Den Zellentrakt sahen sie nur von weitem, sie wurden zu einem Verhörraum geführt, der etwas abseits lag. Der Wärter öffnete die Tür, bat sie hinein und ging dann wieder. Manning war noch nicht dort. Auch hier war das kleine Fenster vergittert.

Während sie warteten, erzählte Sadie Morris, dass das eine Premiere für sie war. Das überraschte ihn, aber er ging nicht weiter darauf ein. Es dauerte nicht lang, bis die Tür wieder geöffnet wurde und zwei Wärter mit Carter Manning erschienen. Beim Anblick des orangen Sträflingsanzugs zuckte Sadie fast wieder zusammen. Der war für sie bis in alle Ewigkeit mit ihrem Vater assoziiert.

Manning sah genauso aus wie auf dem Foto, doch jetzt sah Sadie selbst, dass er eine enorme physische Präsenz besaß. Er war groß und kräftig und irgendwie wirkten die Handschellen und Ketten an ihm deplatziert. Sadie stellte sich vor, dass er sie wie der Hulk mühelos zerreißen konnte. Natürlich war das Unsinn, aber das war ihre erste Assoziation.

Nachdem er sich gesetzt hatte, befestigte einer der Wärter seine Handschellen an dem Tisch, dann verschwanden die beiden Männer wieder. Unwillkürlich blickte Sadie zu der Kamera, die an der Seite des Raumes an der Decke hing. Es konnte nichts passieren.

Sie hatte schon schlimmeren Verbrechern gegenübergestanden.

Manning lächelte Morris zu. „Heute haben Sie Verstärkung mitgebracht, Detective. Stellen Sie uns vor?“

„Special Agent Sadie Whitman vom FBI“, sagte Morris mit Blick auf Sadie. „Sie ist Profilerin.“

„Oh, FBI“, sagte Manning grinsend. „Die Ehre hatte ich schon länger nicht. Werde ich jetzt hypnotisiert?“

„Wir werden uns nur unterhalten“, sagte Sadie. „Keine Psychotricks.“

„Schade. Es ist Jahre her, da habe ich mit einem Ihrer Kollegen gesprochen. Nicholas Dormer.“

„Mein Ausbilder“, erwiderte Sadie.

„Tatsächlich. Ein kluger Mann. Wenn er Sie ausgebildet hat, sind Sie bestimmt auch nicht dumm.“

„Wir sind nicht hier, um über mich zu sprechen“, sagte Sadie.

„Nein, ich weiß. Aber ich kann mich nur wiederholen: Ich erinnere mich an keine weiteren Opfer“, sagte Manning. Er sprach ruhig, geradezu bedächtig.

„Das ist seltsam, inzwischen haben wir noch einen weiteren Toten gefunden“, sagte Morris. „Da war wieder eine Garotte im Spiel.“

„Ich bitte Sie. Ich habe sie benutzt, John Wayne Gacy hat sie benutzt ... was weiß ich, wer das noch getan hat?“

„Aber es war Ihr Ding, sie an der Leiche zu belassen“, sagte Sadie.

„Wie alt sind Sie, Special Agent?“

„Achtundzwanzig, wieso?“

„Tatsächlich. Sie sehen jünger aus. Machen vielleicht die offenen Haare.“

„Ich bin nur ein paar Jahre jünger als Sie, Manning. Ich habe Ihren Fall an der Academy studiert und ich denke, ich kenne ihn gut.“

„Ja, schon gut. Ich wollte Sie nicht in Frage stellen, Agent Whitman, ich war nur neugierig.“

Sadie wunderte sich nicht über seine eloquente und höfliche Art. Viele Serienmörder wussten bestens, was sich gehörte. Deshalb kamen auch die wenigsten damit durch, auf Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren.

„Ich habe mich nicht angegriffen gefühlt“, sagte sie. „Ich bin hier, weil Detective Morris mich um Unterstützung gebeten hat.“

„Ja, das sehe ich. Aber ich schwöre Ihnen, ich lüge Sie nicht an. Es gab elf Tote. Das war’s. Haben Sie schon mal an einen Trittbrettfahrer gedacht?“

Morris wollte schon etwas sagen, aber Sadie kam ihm zuvor. „Haben wir, aber beim besten Willen ... das sieht nach Ihnen aus.“

„Nach meiner Handschrift?“, fragte Manning.

„Richtig. Ich sehe, Sie erinnern sich an Ihr Gespräch mit Agent Dormer.“

„Natürlich tue ich das. Das war interessant. Sagen Sie, Agent Whitman, wenn Sie so jung sind ... haben Sie überhaupt Erfahrung mit Serienmördern?“

Sadie hatte ihr schönstes Pokerface aufgesetzt. „Wahrscheinlich mehr als Sie.“

Im Augenwinkel sah sie, wie Morris sich das Grinsen verkniff. Er wusste ja nun Bescheid.

„Tatsächlich?“, fragte Manning interessiert. „Haben Sie ein Beispiel für mich?“

Sadie überlegte kurz, aber dann entschied sie sich, wie so oft, für eine Referenz zu Blackwood. „Ich weiß nicht, ob Ihnen der Name David Blackwood etwas sagt.“

„Aus Utah?“

Überrascht nickte Sadie. „Genau.“

„Der Menschenjäger.“

„Sie kennen ihn.“

„Hat Detective Morris Ihnen nicht erzählt, dass ich es liebe, mich über andere Killer zu informieren?“

„Doch, hat er. Er sagte mir, dass Sie mit den Fällen Dahmer und Gacy sehr vertraut sind.“

„Unter anderem“, sagte Manning. „Ich habe mich nicht nur mit anderen homosexuellen Serienmördern befasst. Haben Sie gegen Blackwood ermittelt?“

Sadie nickte. „Ich habe ihn erschossen.“

Manning pfiff durch die Zähne. „Toll, das muss ich mir ansehen. Blackwood war zwar völlig anders als ich, aber deshalb nicht uninteressant.“

„Wie würden Sie die Unterschiede beschreiben?“, fragte Sadie.

„Na ... er war nicht schwul. Seins war es, Menschen zu jagen und zu erschießen. Das wäre mir nicht eingefallen.“

„Nein, Sie haben Ihre Opfer lieber stranguliert.“

Manning nickte. „Wissen Sie warum, Agent Whitman?“

„Erzählen Sie es mir.“

Seufzend lehnte Manning sich zurück. „Sie wissen, dass mich der Tod fasziniert. Der Tod und Leichen. Man hat mich hinterher auch einen Sadisten genannt, aber damit bin ich nicht einverstanden. Meine Motivation war nicht das Leiden meiner Opfer. Mich hat Neugier geleitet. Und ich habe sie stranguliert, weil das die unmittelbarste Methode ist, jemanden zu töten. Man erlebt den Tod des anderen mit.“

Sadie konzentrierte sich für einen Moment aufs Atmen. „Dann hätten Sie Ihre Opfer mit den bloßen Händen erwürgen müssen.“

„Ja, aber das ist anstrengend, wissen Sie? Sie brauchen Kraft und das für mehrere Minuten. Mit der Garotte war das weitaus leichter zu bewerkstelligen. Ich konnte es ja so machen, dass ich mich auf die Brust der Männer gesetzt und ihnen in die Augen gesehen habe, während sie den Tod vor Augen hatten. Ich habe ihnen dabei zugesehen, habe beobachtet, wie sie das Bewusstsein verlieren und schließlich aufhören zu atmen.“

Sadie spürte ein verräterisches Kribbeln unter der Haut. Ihr entging nicht, wie Morris sie ansah. Er wusste, dass es bereits zwei Mörder in ihrem Leben gegeben hatte, die ebenfalls mit Vorliebe ihre Opfer gewürgt hatten.

Immerhin hatte er keine Ahnung, dass Sadie wusste, wie sich das anfühlte. Sean hatte sie mehrmals gewürgt, wenn ihm danach gewesen war, seine Überlegenheit zu demonstrieren. Er hatte genau gewusst, wie er es anstellen musste und wie lang er sie würgen durfte, ohne dass sie das Bewusstsein verlor. Unter dem Tisch ballte sie die Hände zu Fäusten, während sie versuchte, die aufkeimende Erinnerung zu ignorieren.

Manning grinste sie an. „Doch nicht so abgebrüht, Agent Whitman?“

Sadie holte tief Luft. „Sie sind nicht der erste Killer in meiner Laufbahn, der es liebt, Menschen zu erwürgen.“

„Dafür sind Sie aber ganz schön still.“

„Mir hat noch nie jemand so eindrucksvoll geschildert, wie sich das anfühlt.“

„Nicht? Nun, es ist ein gutes Gefühl. Es verleiht Macht. Ich habe es geliebt, sie zu töten. Am liebsten waren sie mir sowieso, wenn sie tot waren. Irgendwann habe ich sie solange behalten, bis es nicht mehr ging. Wenn Sie verstehen.“

Sadie nickte langsam. Ihr entging nicht, dass sie deutlich angespannter war als Morris neben ihr. Er hatte das wohl alles schon einmal gehört.

„Der Gerichtsmediziner hat den Sterbezeitpunkt der beiden mumifizierten Leichen geschätzt“, sagte Morris. „Er denkt, dass sie seit etwa acht bis zehn Jahren tot sind. Das würde in Ihren Jagdzeitraum passen.“

„Stimmt“, sagte Manning. „Aber sagen Sie mir, warum sollte ich die Morde nicht zugeben, wenn ich es war? Habe ich was zu verlieren? Ich komme sowieso nie wieder raus. Ich würde es Ihnen sagen, wenn es meine Morde wären. Warum auch nicht?“

„Das weiß ich eben nicht“, sagte Morris.

„Sie verschwenden hier Ihre Zeit mit mir, Detective. Ich bin es nicht. Vielleicht hat mich jemand nachgeahmt. Oder haben Sie irgendwelche Beweise außer dem Modus Operandi?“

Sadie überraschte es nicht, dass Manning erneut Fachvokabeln benutzte. „Vorhin sagten Sie, Sie seien nicht damit einverstanden, dass man sie für einen Sadisten hält. Warum nicht?“

„Weil ich keiner bin“, sagte Manning. „Es ging mir nie darum, meine Opfer zu foltern.“

„Sie haben die Männer auch nicht von Anfang an in der Badewanne untergetaucht. Damit haben Sie erst später begonnen. Warum?“

„Weil es ein Spiel war. Ich konnte demonstrieren, dass ich das Sagen habe. Dass alles in meiner Hand liegt. Es ging mir immer nur um die Zwischenwelt zwischen Leben und Tod. Es ging mir nicht um Folter und das Leiden.“

„Also würden Sie sagen, das wurde fehlinterpretiert?“, fragte Sadie.

Manning nickte. „Zumindest kenne ich die Definition eines Sadisten als einen Menschen, der einen Gewinn daraus zieht, das Leid seines Opfers zu beobachten.“

„Das stimmt“, sagte Sadie.

„Darum ging es mir nie.“

„Aber Sie haben sie leiden lassen.“

„Mag sein, aber das diente einem übergeordneten Zweck.“

Sadie konnte seine verquere Argumentation sogar nachvollziehen. Man hatte ihm bereits Soziopathie attestiert, deshalb fiel es ihm nicht schwer, so zu argumentieren. Andererseits glaubte sie ihm sogar, dass er die Folter nicht als Mittel zur Luststeigerung eingesetzt hatte.

„Die Garotte ist ihr Markenzeichen“, sagte Sadie. „Sie haben sie schon bei Ihrem ersten Mord eingesetzt.“

„Ja ... Sie kennen den Ablauf?“

„Erzählen Sie ihn mir“, bat Sadie. Morris saß ruhig daneben und wartete ab, drängte sie nicht.

„Ich habe mich immer schwer mit Beziehungen zu anderen Männern getan“, begann Manning. „Nicht, weil ich beziehungsunfähig gewesen wäre, aber damit hätte ich mir eingestehen müssen, dass ich anders bin. Als ich so jung war, war ich noch nicht soweit. Da habe ich mir bei Strichern geholt, was ich brauche. Und der erste war eben Rico Sullivan.“

Manning machte eine Pause. „Ich wollte ihn ja gar nicht töten. Zumindest war das nicht die ursprüngliche Idee. Wir hatten erst Sex ... einvernehmlich, wie Sie vielleicht wissen. Das ist erst eskaliert, als er plötzlich meinte, mich über den Tisch ziehen zu können. Er wollte mehr Geld als ursprünglich vereinbart. Er ist laut und aggressiv geworden und als er mich angreifen wollte, habe ich mich gewehrt.“

Sadie nickte. Sie kannte diese Darstellung bereits. Sie hatte nie widerlegt werden können.