Die Seele stärken - Peter Herschbach - E-Book

Die Seele stärken E-Book

Peter Herschbach

4,8

Beschreibung

Die Diagnose Krebs ist immer ein Schock. Ängste, Sorgen und Fragen über Fragen tauchen auf. Wie finde ich mich im Dschungel der Behandlungsmöglichkeiten zurecht? Wie gehe ich mit den Belastungen und Nebenwirkungen der Krebstherapien um? Wo kann ich mal Luft holen und Kraft schöpfen? In diesem umfassenden Ratgeber geben renommierte Experten Antworten auf die brennendsten Fragen. Und sie beschreiben, wie Psychotherapie den Heilungsprozess bei Krebs unterstützen und Die Seele stärken kann. Unverzichtbar für Betroffene und Angehörige, aber auch für Ärzte und Psychotherapeuten.

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Haupttitel

Inhalt

Über den Autor

Über das Buch

Impressum

Hinweise des Verlags

Peter Herschbach (Hg.)

Die Seele stärken

Wie Psychotherapie bei Krebs helfen kann

Patmos Verlag

Inhalt

Wichtiger Hinweis

Einführung

Die medizinische Behandlung von Krebs

1. Wie finde ich mich zurecht?

2. Das Gespräch mit dem Arzt

Schwierige Phasen und Belastungssituationen

3. Plötzlich ist alles anders: Der Diagnoseschock

4. Warum gerade ich?

5. Welche schwierigen Phasen und Belastungssituationen gibt es?

6. Ängste und Sorgen

7. Traurigkeit und Symptome einer Depression

8. Erschöpfung

9. Schmerzen

10. Nebenwirkungen der Behandlung

Wie psychotherapeutische Unterstützung bei Krebs helfen kann

11. Psychoonkologische Unterstützung bei Krebs

12. Psychotherapeutische Unterstützung

13. Wege zum geeigneten Psychotherapeuten

14. Psychoedukation

15. Verhaltenstherapie

16. Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

17. Entspannung, Imagination, Körpertherapie

18. Was bringt Psychotherapie?

Krebs und das soziale Umfeld

19. Krebs und Partnerschaft

20. Wie erkläre ich es meinem Kind?

Anmerkungen

Literaturhinweise und hilfreiche Adressen

Verzeichnis der Autoren

Wichtiger Hinweis

Die in diesem Buch enthaltenen Informationen und Ratschläge wurden sorgfältig geprüft. Verlag und Autoren sind jedoch nicht haftbar zu machen für Irrtümer oder für negative Folgen, die sich aus der Anwendung der dargestellten Informationen oder Ratschläge ergeben. Sämtliche Übungen oder Unterstützungsmaßnahmen werden von Leserinnnen und Lesern auf eigene Verantwortung durchgeführt.

Einführung

Liebe Patientin,

lieber Patient,

liebe Angehörige,

dies ist ein Buch, das Krebspatienten1 und ihren Angehörigen helfen soll, mit ihrer schwierigen Situation besser zurechtzukommen. Vielleicht sind Sie, liebe Leserin, lieber Leser, gerade selbst mit der Krebsdiagnose konfrontiert worden, oder Sie sind mitten in der medizinischen Behandlung, oder schon in der Nachsorge …? Vielleicht haben Sie einen Partner, Verwandten, Freund, der gerade im Krankenhaus eine Chemotherapie bekommt oder der vor einer Operation steht?

Krebs ist eine komplizierte Erkrankung, die durch fehlerhaft programmierte Körperzellen entsteht, die sich unentwegt teilen und neues Gewebe bilden. Dadurch kann gesundes Gewebe im Körper beeinträchtigt werden, was wiederum Beschwerden hervorrufen kann.

Es gibt mehr als 200 verschiedene Krebsarten; fast jeder Teil des Körpers kann betroffen sein. Jedes Jahr erkranken in Deutschland mehr als 480.000 Menschen an Krebs. Diese Zahl wird vermutlich in Zukunft steigen, weil die Menschen älter werden – Krebserkrankungen nehmen mit dem Alter zu – und weil durch Vorsorgeuntersuchungen immer mehr Krebserkrankungen bereits frühzeitig entdeckt werden.

Weil die Krebserkrankungen so vielfältig und kompliziert sind, ist die Therapie auch oft kompliziert und langwierig. Die Krebstherapie ist – natürlich in Abhängigkeit von der Krebsart und dem Erkrankungsstadium – in der Regel eine Kombination aus Operation, Bestrahlung oder Chemotherapie. Eine gute Behandlung wird heute immer in Zusammenarbeit mehrerer medizinischer Fachgebiete (unter anderem Innere Medizin, Chirurgie, Strahlentherapie, Pathologie) organisiert. Die wirksamen Therapieverfahren ziehen in der Regel Nebenwirkungen nach sich, die aber individuell sehr unterschiedlich sein können.

Durch Fortschritte in der Forschung hat sich die Krebstherapie in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt; sie wird immer individueller geplant und kann je nach Tumorart erstaunliche Erfolge vorweisen. Heute kann insgesamt circa die Hälfte aller Krebserkrankungen geheilt werden.

Die Qualität der medizinischen Behandlung und damit die Erfolgsaussichten hängen davon ab, dass die sogenannten Leitlinien der Behandlung eingehalten werden. Leitlinien sind Behandlungsempfehlungen, die immer auf dem aktuellen Stand der relevanten Forschungserkenntnisse sind.2 Diejenigen Krankenhäuser, die diese Leitlinien am häufigsten einhalten, sind die genannten Krebszentren. Dies sind Kliniken, die überprüft und zertifiziert werden. Eine Liste der zertifizierten Krebszentren finden Sie auf der Internetseite der deutschen Krebsgesellschaft.3

Die Krebsbehandlung ist natürlich zuerst und vor allem eine medizinische Therapie. Diese Therapie sollte allerdings ergänzt werden durch sogenannte supportive Therapiemaßnahmen. Dies sind Maßnahmen, die die medizinische Therapie erleichtern sollen, zum Beispiel durch Verminderung von Schmerzen und Nebenwirkungen, durch Sozialberatung, durch Sport- und Ernährungsberatung, Naturheilmedizin und Seelsorge. In diesen Zusammenhang gehört auch die Psychoonkologie. Hierzu zählen Gespräche mit Psychoonkologen, um Stress und seelische Belastungen zu reduzieren und die Krankheitsverarbeitung der Patienten und ihrer Angehörigen zu unterstützen.

Dieses Buch wurde von Psychoonkologen geschrieben, die ausnahmslos seit vielen Jahren Erfahrung in der Betreuung von Krebspatienten haben; alle sind Spezialisten in ihrem Arbeitsgebiet. Da sich nicht alle Buchkapitel streng voneinander abgrenzen ließen, sind einzelne Überschneidungen unvermeidbar. Ebenso unterscheiden sich die Schreibstile der Autoren voneinander. Wir hoffen, dass Sie als Leser/Leserin dies eher als Bereicherung denn als Schwäche des Buches ansehen werden.

Wir haben versucht, den etwas komplizierten Bereich der Psychoonkologie so verständlich und konkret wie möglich zu beschreiben und wünschen uns sehr, dass die Lektüre Ihnen in ihrer schwierigen Situation helfen wird.

Nicht wenige Krebspatienten berichten, nachdem sie die Behandlung hinter sich hatten, dass die zurückliegenden Erfahrungen ihr Leben bereichert haben.

Mit den besten Wünschen für Ihre Gesundheit

Peter Herschbach und Mitautoren

Die medizinische Behandlung von Krebs

1. Wie finde ich mich zurecht?

Joachim Weis und Ulrike Heckl

Fortschritte in der Behandlung von Krebs

Die Krebsmedizin hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten stark verändert. Durch die Fortschritte in der medizinischen Behandlung können Krebspatienten heute erfolgreicher behandelt werden. Es stehen in der Krebsbehandlung nicht nur Operation, Chemotherapie oder Bestrahlung zur Verfügung, sondern eine Vielzahl von verschiedenen auf die biologischen und genetischen Besonderheiten des Tumors ausgerichteten Strategien. Bei vielen Tumorarten haben sich dadurch die Heilungschancen erheblich verbessert oder zumindest kann erreicht werden, dass Patienten auch mit einer Krebserkrankung noch längere Zeit weiterleben können. Zugleich ist die Behandlung differenzierter und komplexer geworden und erstreckt sich in vielen Fällen über längere Zeiträume. Weiterhin werden heute die Behandlungen sofern möglich überwiegend ambulant durchgeführt und der Krankenhausaufenthalt bleibt auf ein Minimum reduziert. Dies bedeutet für Sie als Patient oder Patientin nicht nur eine Konfrontation mit teilweise belastenden oder hochtechnisierten Behandlungen und schwierigen Entscheidungssituationen, sondern auch eine stärkere Abhängigkeit von den behandelnden Ärzten und deren Empfehlungen.

Darüber hinaus haben sich auch die Rahmenbedingungen geändert: Heute wird die Tumorbehandlung überwiegend in zertifizierten Zentren durchgeführt. Dies sind spezialisierte Krankenhäuser, deren Qualität durch externe Überprüfung sichergestellt wird. So gibt es beispielsweise Darmkrebszentren, Brustkrebszentren oder Lungenkrebszentren. Der Vorteil für Sie als Patient oder Patientin ist, dass Sie in diesen Krankenhäusern eine Behandlung nach neuesten Standards und entsprechend den aktuell geltenden wissenschaftlichen Behandlungsleitlinien erwarten dürfen. Dazu gehört auch eine hohe Qualifikation der behandelnden Ärzte. Neben hohen medizinischen Standards werden beispielsweise auch eine psychoonkologische Beratung oder Behandlung angeboten, häufig müssen Sie jedoch aktiv danach fragen. Sie können sich über die Qualität des von Ihnen in Betracht gezogenen Krankenhauses über die jeweilige Internetseite oder auch über die »Weisse Liste«4 informieren.

Trotz dieser immensen Fortschritte in der Behandlung bleibt ein Krankenhaus für Sie als Patient eine stark hierarchisch aufgebaute und häufig eher unpersönlich wirkende Einrichtung. Durch die Schichtdienste wechseln häufig die Ärzte oder das Pflegepersonal, sodass Sie im Laufe einer Behandlung mit vielen verschiedenen Gesichtern konfrontiert sind. Wartezeiten, Terminverzögerungen oder mangelnde Abstimmung gehören häufig zur Tagesordnung. Daher haben manche Patienten im Behandlungsalltag des Krankenhauses immer wieder den Eindruck, in einem entmenschlichten Massenbetrieb zu sein.

Gerade vor diesem Hintergrund kommt der Arzt-Patienten-Beziehung eine immer wichtigere Rolle zu, da sie die Basis für eine zufriedenstellende und erfolgreiche Behandlung ist.

Sie haben als Patient ein Recht auf Informationen und auf eine uneingeschränkte Aufklärung. Ebenso dürfen Sie eine auf Sie und Ihre Bedürfnisse ausgerichtete Behandlung erwarten; dies wird inzwischen auch für die Ärzte als eine verbindliche Handlungsanweisung angesehen. Auch die Arbeitsgruppe zur Patientenorientierung des Nationalen Krebsplanes der Bundesregierung macht dazu Vorgaben (siehe nächsten Abschnitt).

Auch weil Informationen heute insbesondere durch das Internet viel leichter verfügbar sind als früher, hat sich Ihre Rolle als Patient und Ihre Beziehung zu Ihrem Arzt verändert. Er ist nicht mehr der alleinige Experte, sondern auch gefordert, auf Ihre Bedürfnisse und Anliegen einzugehen. Insgesamt wollen immer mehr Patienten mitentscheiden, welche therapeutischen Maßnahmen zum Zuge kommen sollen.

Der Patient steht im Mittelpunkt: Patientenorientierung in der Onkologie

Die medizinischen Experten in der Politik haben das auch erkannt und versuchen dem zunehmend mehr Rechnung zu tragen. So wurde im Rahmen des Nationalen Krebsplanes der Bundesregierung, in dem Bestandsaufnahmen und Maßnahmen für die weitere Entwicklung der onkologischen Versorgung von Krebspatienten erstellt wurden, eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema Patientenorientierung ins Leben gerufen, die vier Ziele zur Verbesserung der Patientenorientierung formuliert hat:

Verbesserung der Information und Beratung für Sie als Patienten

Verbesserung der kommunikativen Kompetenz (die Fähigkeit, verständlich und einfühlsam mit den Patienten zu sprechen) der in der Onkologie tätigen Berufsgruppen

Verbesserung der Patientenkompetenz und

Verbesserung der partizipativen Entscheidungsfindung. Damit ist gemeint, dass den Patienten dabei geholfen werden soll, sich selbst stärker als früher an der Entscheidungsfindung über Therapiemaßnahmen zu beteiligen.

Weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite des Bundesministeriums für Gesundheit und können diese auch herunterladen.5 Weiterhin ist wichtig zu wissen, dass Sie als Patient heute gesetzlich verankerte Rechte haben, die durch das im März 2013 in Kraft getretene Patientenrechtegesetz6 ausgeweitet worden sind. Ebenso sind Ärzte dazu verpflichtet, die persönlichen Behandlungswünsche und Krankheitsvorstellungen ihrer Patienten zu erfragen, um die Behandlung patientenzentrierter und effektiver gestalten zu können. Den Patientinnen und Patienten müssen die verschiedenen Behandlungsalternativen hinsichtlich Nutzen und Schaden verständlich erläutert werden. Das ist eine Voraussetzung dafür, damit Sie gemeinsam mit Ihrem Arzt über die Behandlung entscheiden können. Trotz dieser Verbesserungen und Fortschritte bestehen immer noch deutliche Defizite in der breiten Umsetzung einer patientenorientierten Behandlung. Daher ist es notwendig, die Patientenorientierung auf allen Ebenen weiterhin zu stärken.

Die Bedeutung von Informationen

Informationen über die Erkrankung und Behandlung sind für Sie als Patient oder als Angehöriger eines Patienten eine wichtige Grundlage zum Verstehen und Bewältigen der Erkrankung. Nur Sie können für sich persönlich bestimmen, was Sie zu welchen Themen wissen oder auf welche Fragen Sie Antworten erhalten wollen. Das kann sich in einem Fall auf die Ursachen, die Vorbeugung oder das persönliche Risiko beziehen, im anderen Fall die Diagnostik und Therapie mit ihren möglichen Nebenwirkungen, den möglichen weiteren Krankheitsverlauf, die Prognose, Rehabilitation oder Nachsorge betreffen. Darüber hinaus können für Sie auch Informationen zu psychosozialen Folgeproblemen, dem Leben mit einer Krebserkrankung, der Krankheitsverarbeitung, rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekten sowie Kontaktadressen und Ansprechpartnern von Bedeutung sein.

Solche Informationen sind heute für Sie über Broschüren, das Internet und andere Medien leicht zugänglich; leider ist die Zuverlässigkeit der Quellen für die Patienten insbesondere im Internet oft nur schwer zu beurteilen. Gerade in Bezug auf die Informationssuche über das Internet berichten Patienten häufig von einer Flut an Informationen, die für sie oft nur schwer einzuordnen sind. Sie können auch, je nach Quelle, widersprüchlich sein oder sind nur schlecht auf die persönliche Situation des Patienten zu übertragen.

Die Suche nach Informationen ist für viele Tumorpatienten eine wichtige Strategie, mit der Erkrankung zurechtzukommen. Patienten, die sich über ihre Erkrankung und Behandlungsmöglichkeiten informieren, beteiligen sich im Allgemeinen auch häufiger aktiv an medizinischen Entscheidungen; sie tragen selbst etwas zu ihrer körperlichen und seelischen Stabilität bei. Ein guter Wissensstand verbessert nicht nur das Verständnis für die eigene Situation, er trägt auch zu einem selbstbewussteren Umgang mit den behandelnden Ärzten bei.

Häufig jedoch reichen Informationen alleine nicht aus. Krebspatienten und ihre Angehörigen müssen oft weit reichende Entscheidungen treffen – und dies manchmal in einer emotional stark belastenden Situation. Hier ist je nach Thema eine persönliche Beratung durch einen Arzt oder Psychoonkologen empfehlenswert. Die Beratung kann helfen, die vorliegenden Informationen einzuordnen und auf Ihre persönliche Situation zu beziehen. Sie als Patient und Ihre Angehörigen sind in besonderer Weise auf zuverlässige und gut zugängliche Informations- und Beratungsangebote angewiesen. Neben den professionellen medizinischen und psychoonkologischen Informations- und Beratungsangeboten gibt es auch Unterstützungsmöglichkeiten durch Selbsthilfeorganisationen7, die hilfreich sein können.

2. Das Gespräch mit dem Arzt

Joachim Weis und Ulrike Heckl

Anforderungen an das Arzt-Patienten-Gespräch

Die Sprache ist in der Arzt-Patienten-Beziehung das wichtigste Kommunikationsmedium. Patienten wünschen sich nicht nur einen fachlich kompetenten Arzt, sondern auch einen Arzt, der mit ihnen redet, die medizinischen Dinge verständlich erklären kann und sie in ihren Ängsten, Sorgen und ihrer Unsicherheit versteht. Das vertrauensvolle Gespräch mit dem Arzt ist für Sie als Patient wichtig und erfüllt eine Reihe von Aufgaben: Es sollen dadurch eine hilfreiche Beziehung aufgebaut und alle für Sie wichtigen Informationen vermittelt werden. Ebenso erwarten Sie wahrscheinlich von Ihrem Arzt, dass er mit Ihren Gefühlen der Besorgnis, Angst oder Unsicherheit umgehen kann. Sie wollen dabei auch in Ihrer Würde, Selbstbestimmung und Handlungsfähigkeit gestärkt und unterstützt werden. Damit dies gelingen kann, bedarf es nicht nur bestimmter Rahmenbedingungen wie einer ungestörten Umgebung sowie einer angenehmen Atmosphäre, sondern es sind auch Fähigkeiten auf Seiten des Arztes, aber auch auf Seiten des Patienten – zum Beispiel der Mut, dem Arzt seine Wünsche mitzuteilen – erforderlich.

Ärzte müssen heute über bestimmte Fähigkeit zur patientenzen­trierten Gesprächsführung verfügen, die in der Ausbildung, Fort- und Weiterbildung vermittelt werden. Leider wird dies immer noch nicht von allen Ärzten in dem erforderlichen Maß umgesetzt.

Schwierigkeiten in der Arzt-Patienten-Kommunikation

Die Gespräche zwischen Ihnen und Ihrem Arzt können sehr wichtig, aber auch für beide Seiten schwierig sein. Onkologisch tätige Ärzte sind durch die andauernde Begegnung mit Krebspatienten häufig stark belastet. Wenn zum Beispiel nach jahrelanger Therapie ein Patient nicht erfolgreich behandelt oder geheilt werden konnte, kann beim Arzt das Gefühl entstehen, versagt zu haben. Die emotionale Betroffenheit des Arztes kann dazu führen, dass seine Einfühlsamkeit den Patienten gegenüber eingeschränkt ist.

Aber auch Sie als Patient können mit zum Gelingen eines Gesprächs beitragen, indem Sie sich trauen, Fragen zu stellen, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. Ebenso können Sie dem Arzt signalisieren, wenn es Ihnen zu viel an Information ist oder Sie Bedenkzeit brauchen.

Da vor allem die Aufklärung über die Diagnose und auch die Entscheidungen über die Behandlung in der Regel schwierige Themen sind, sind die meisten Arztgespräche für Sie als Patient schon im Vorfeld mit Anspannung verbunden. Das ist verständlich und normal. Aufgrund der Anspannung ist oft die Aufmerksamkeit herabgesetzt und Sie können möglicherweise nur einen Teil der Informationen wirklich aufnehmen. Oft erzählen die Patienten hinterher, dass sie vor lauter Aufregung ganz vergessen haben, was sie den Arzt eigentlich noch fragen wollte. Es sei alles so schnell gegangen und im Nachhinein hätten sie sich geärgert.

Darum ist es empfehlenswert, wenn Sie als Patient/Patientin eine Ihnen nahe stehende Person zu dem Gespräch mitnehmen. Vier Ohren hören mehr als zwei. Damit haben Sie und Ihr Partner die Möglichkeit, im Anschluss das Gehörte gemeinsam zu erinnern und zu besprechen und den Arztbesuch nachzubereiten.

Während des Gesprächs ist es wichtig, immer nachzufragen, wenn Ihnen etwas unklar geblieben ist. Das ist Ihr gutes Recht und hilft auch dem Arzt, sich auf Sie einzustellen und zu erfahren, was er eventuell noch deutlicher erklären muss. Sie können auch sagen, wenn Sie mehr Zeit benötigen oder die dargebotene Information noch nicht ganz verarbeiten können.

Darüber hinaus können Ihnen die folgenden Empfehlungen das Gespräch mit Ihrem Arzt erleichtern.

Empfehlungen für das Gespräch mit dem Arzt

Machen Sie sich mit den möglichen Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden, die auf Sie zukommen können, vertraut. Dann fällt es Ihnen leichter, konkrete Fragen zu stellen.

Notieren Sie sich vorher alle Fragen und nehmen Sie ruhig einen Notizzettel mit.

Machen Sie sich während Ihres Arzttermins Notizen. Manche Ärzte erklären sich bei einer Nachfrage dazu bereit, dass Sie das Gespräch auf Band aufnehmen können.

Scheuen Sie sich nicht, sich Fachausdrücke, die Sie nicht verstehen, erklären zu lassen.

Lassen Sie den Arzt auch wissen, wenn Sie sich emotional zu angespannt fühlen oder vor etwas Angst haben beziehungsweise besorgt sind.

Stellen Sie alle Fragen, die Sie beschäftigen. Keine Frage ist dumm oder unnötig.

Vermeiden Sie es, Suggestivfragen zu stellen, wie beispielsweise: »Ich muss doch nicht operiert werden, oder?« Stellen Sie lieber ganz konkrete Fragen wie: »Welche Behandlungsmöglichkeiten bieten sich denn in meiner Situation an?« So bekommen Sie eher die Informationen, die Sie für Ihren Entscheidungsprozess brauchen.

Wenn es Ihnen schwer fällt, mit dem Arzt zu sprechen oder Sie nicht alles verstehen, was er Ihnen mitteilt, teilen Sie ihm das mit. So haben Sie die Chance, besser miteinander ins Gespräch zu kommen.

Sind noch Fragen offen geblieben, die Sie nicht loswerden konnten oder sind neue Fragen aufgetaucht, dann machen Sie so bald wie möglich einen neuen Arzttermin aus.

Weiterhin ist es ratsam, dass Sie sich vor einem Arztbesuch gezielt und bewusst entspannen. Sofern Sie in einer Entspannungstechnik, wie Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, geübt sind, empfiehlt es sich, diese einzusetzen. Wenn Sie keine Erfahrung mit einer solchen Entspannungstechnik haben, kann es auch sehr hilfreich sein, wenn Sie sich auf ein angenehmes inneres Vorstellungsbild, wie Ihren persönlichen Kraftort oder Lieblingsort, konzentrieren. Mithilfe einer solchen Vorstellungsübung gelingt es Ihnen leichter, aufzutanken und Kraft zu sammeln (siehe dazu auch Kapitel 15).

All dies kann dazu beitragen, dass das Gespräch mit Ihrem Arzt für Sie effektiv und hilfreich wird und dazu beiträgt, dass Sie die richtigen Entscheidungen treffen können.

Eine Krebserkrankung und ihre Behandlung bedeuten für Sie und ihre Angehörigen – trotz vieler Erfolge in der medizinischen Behandlung – immer noch eine starke Belastung. Selbst wenn sich die Onkologie zunehmend bemüht, sich patientengerechter auszurichten und das gemeinsame Gespräch mit dem Arzt mittlerweile als ein wichtiges Therapieelement anerkannt wird, ist in der Behandlungsrealität noch viel zu verbessern. Derzeit wird viel an der weiteren Verbesserung in der Qualifizierung und Umsetzung einer guten Gesprächskompetenz bei den Ärzten und der anderen in der Onkologie tätigen Berufsgruppen gearbeitet. Aber auch Sie als Betroffene können dazu beitragen, in dem Sie Ihre Bedürfnisse besser wahrnehmen und Ihren eigenen Handlungsspielraum erweitern. Die dargestellten Verhaltensempfehlungen sollen dabei helfen, wie Sie im Gespräch mit dem Arzt Einfluss auf den Verlauf nehmen können, sodass das Ergebnis eher Ihren Bedürfnissen entspricht. Hier helfen schon kleine Änderungen, um das Gespräch hilfreicher und effektiver zu gestalten. Dies bedarf vielleicht anfänglich etwas Mut. Bedenken Sie dabei, dass Sie es dadurch auch dem Arzt leichter machen, in dem Sie ihm zum Beispiel mitteilen, was Sie verstanden haben oder wie Sie sich damit fühlen. Nur wenn beide Seiten ihr Verhalten ändern, kann sich die Gesamtsituation verbessern. Der Arzt ist Ihr wichtigster Ansprechpartner, auch für die seelische Bewältigung Ihrer Erkrankung, auf die wir im nächsten Kapitel eingehen werden.

Schwierige Phasen und Belastungssituationen

3. Plötzlich ist alles anders: Der Diagnoseschock

Ute Goerling

»Es ist, als würde man einen Film anschauen!« So beschreiben viele Betroffene den Moment, als sie die Diagnose Krebs erhalten haben. Diese Nachricht trifft viele völlig unerwartet. Früherkennungsuntersuchungen oder Zufallsbefunde im Rahmen einer anderen Erkrankung oder Behandlung sind Beispiele, bei denen Patienten ohne direkte Symptome plötzlich mit einer bösartigen Diagnose konfrontiert werden. »Ich dachte, das bekommen immer nur die anderen«, ist eine typische Reaktion. Auch Patienten, die schon länger bestimmte Symptome bemerken und vorerst einen Arztbesuch meiden, sind dann schockiert von dieser Nachricht: »So was habe ich mir schon gedacht. Trotzdem will ich es nicht wahrhaben. Vielleicht sind die Ergebnisse nur vertauscht.«

Die Zeit vom Verdacht bis zur tatsächlichen Diagnose kann sich, wenn umfangreiche Untersuchungen nötig sind, lange hinziehen. Für die Betroffenen ist diese Situation oft schwer auszuhalten. »Wir müssen erst alle Befunde abwarten! Wir können jetzt noch gar nichts sagen! Alle Informationen sind momentan rein hypothetisch!« Diese Aussagen, die Patienten oft von ihren Ärzten zu hören bekommen, tragen zur weiteren Verunsicherung bei. Bestätigt sich die Diagnose, erleben Patienten Verzweiflung und Angst. Bis vor kurzem lief alles in geordneten Bahnen, jetzt bricht das Lebenskonstrukt zusammen und viele haben das Gefühl, dass sie die Kontrolle über das weitere Leben verloren haben. Es ist wie ein Sturz aus dem gewohnten Leben. Plötzlich wird die Endlichkeit des Lebens bewusst.

Die oben beschriebenen Beispiele zeigen schon, wie vielfältig die emotionalen Reaktionen auf eine Krebsdiagnose ausfallen können. Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit, Enttäuschung, Aggression und Ärger stellen sich ein. Man fühlt sich von der Diagnose überrannt, geschockt. Schock bezeichnet in diesem Sinne die Reaktion auf diese akute Belastung. Vielleicht fühlt sich der Patient sogar handlungsunfähig. Man ist nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, will es nicht wahrhaben, fühlt sich unsicher, verzweifelt, wütend und traurig. Aber auch Phasen der Zuversicht und Hoffnung kommen vor. Insgesamt erleben die meisten Menschen diese Zeit wie ein Wechselbad der Gefühle. So schwer diese ganzen emotionalen Zustände auszuhalten sind, sie sind in diesem Moment normale Reaktionen auf diese außerordentliche Belastung. Gefühlsschwankungen, die man vorher von sich gar nicht kennt, können ein Zeichen dafür sein, dass man versucht, diese Informationen zu verstehen, zu begreifen und einzuordnen.

Auch Angst stellt eine natürliche Reaktion auf die als lebensgefährlich eingeordnete Bedrohung dar. Jeder Mensch reagiert bei Angst anders. Es gibt nichtdiezu erwartende Reaktion. Stille, Starre und Gelähmtheit können auftreten. Sie sind meistens ein Zeichen von innerer Flucht. Auch das Gefühl, wie betäubt zu sein oder dass alles unwirklich erscheint, gehört in diesen Bereich: »Lass es alles bloß einen Traum sein und lass mich in meinem alten Leben erwachen.«

Eine entgegengesetzte Reaktion kann in Form von Aktionismus und Ablenkung auftreten. Plötzlich wird der Arbeit die meiste Aufmerksamkeit geschenkt und man tut sich schwer, erforderliche medizinische Termine zu vereinbaren.

In dieser Schocksituation werden auch die Arztbesuche für jeden Patienten zu einer noch nicht gekannten Herausforderung. Im Arzt-Patienten-Gespräch haben beide Seiten unterschiedliche Rollen und Ziele. Der Arzt möchte das Ziel und den Ablauf der Behandlung erklären, verbunden mit den Hinweisen zu akuten Nebenwirkungen und langfristigen Spätfolgen. Dem Patienten gehen gleichzeitig Fragen über Fragen durch den Kopf: »Muss ich sterben? Was wird aus meiner Familie? Werde ich meine Arbeit behalten, wenn ich länger ausfalle?«

Diese Reaktionen sind einem Ausnahmezustand angemessen. Auch ist es völlig normal, dass vom Arzt vermittelte Informationen verlorengehen, wenn ein Mensch unter Schock steht. Daher ist es sinnvoll, die Gespräche über die medizinische Versorgung in Begleitung einer Vertrauensperson zu führen (siehe im Kapitel 2: Empfehlungen für das Gespräch mit dem Arzt).

Im Strudel der Gedanken kommen weitere Fragen auf: »Wie sage ich es meinen Kindern? Wie sage ich es meinen Eltern? Wird mein Partner mich verlassen?«

Auch die Familie leidet mit. Das wiederum ist für den Patienten schwer auszuhalten. Die Angehörigen fühlen sich der Situation oft hilflos ausgeliefert. Dann kann es für den Betroffenen hilfreich sein, möglichst klar zu formulieren, welche Unterstützung er sich von seinen Angehörigen wünscht.

Immer wieder tritt die Frage nach der »ganzen Wahrheit«, womit meistens die Heilungschancen oder die sogenannte »Prognose« gemeint sind, auf. Um diese Frage zu stellen, ist ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis unabdingbar. Das Internet stellt zwar eine große Vielfalt von ungefilterten Botschaften und Berichten zur Verfügung. Diese können aber auch zur weiteren Verunsicherung beitragen. Auch ausführliche Artikel zu neuesten Methoden in der Krebsbehandlung und Alternativen werden zu Rate gezogen. Nicht zuletzt spielen Vorerfahrungen in der eigenen Familie und im Freundeskreis eine erhebliche Rolle und werden gerne zum Vergleich herangezogen. Dabei ist jeder Krebs anders.

Die Vorstellungen, die Patienten mit der Diagnose Krebs verbinden, sind oft an persönliche Erfahrungen geknüpft. Da gibt es die Tante mit Streukrebs und den Nachbarn, dem es damals während der Bestrahlung immer schlechter ging. Der aktuelle wissenschaftliche Stand zur Krebsbehandlung bleibt dann meist außer Acht. So auch die ermutigende Tatsache, dass etwa die Hälfte aller Patienten mit einer Krebserkrankung heute geheilt werden kann.

Viele Betroffene gehen in der Schocksituation nach der Diagnose sehr unstrukturiert auf die Suche: Es werden möglichst viele Informationen gesammelt. Das Internet bietet zahlreiche Möglichkeiten. Eine Zweit-, Dritt- oder Viertmeinung soll auf der Suche nach der richtigen Therapie helfen. Mit der Fülle an Informationen steigt aber häufig leider auch die Unsicherheit. Der Schock löst oft das Gefühl aus, nicht mehr klar denken zu können. Und das belastet zusätzlich. Die fachlichen Informationen zu verstehen, fällt schwer. Oft spürt man in einer solchen Situation zusätzlich einen Zeitdruck auf sich lasten. Man möchte den Krebs so schnell wie möglich loswerden und nimmt sich daher kaum Zeit zum Nachdenken. Auch der Wunsch, zum Beispiel eine notwendige Operation sofort hinter sich zu bringen, ist nachvollziehbar. Wird dann ein Operationstermin in einer Woche angeboten, ist der Patient häufig enttäuscht und befürchtet, dass das Tumorwachstum in dieser Woche unkontrolliert fortschreitet. Für die Prognose einer Tumorerkrankung sind diese Tage des Wartens jedoch nicht ausschlaggebend. Eine hilfreiche Strategie kann hier das schrittweise Vorgehen sein. Dazu gehört auch das Abwarten und Verschnaufen zwischen den einzelnen Schritten.

Vielleicht haben Sie die Erfahrung gemacht, dass gut gemeinte Ratschläge auf Sie einprasseln, wenn Sie jemandem aus Ihrem Verwandten- oder Bekanntenkreis von Ihrer Krebsdiagnose erzählt haben. Üblich sind Kommentare wie: »Kopf hoch, das wird schon wieder«, oder: »Du musst kämpfen, du darfst dich jetzt bloß nicht hängen lassen«.

Diese Ratschläge sind oft durch die Hilflosigkeit der anderen zu erklären. Sie wollen ja helfen, wissen aber nicht wirklich, wie. Ihre Familienangehörigen und Ihre Freunde leiden mit Ihnen, wollen Ihnen Kraft und Unterstützung anbieten, sind aber sehr unsicher, möchten Sie nicht verletzen, haben nicht selten auch mit eigenen Ängsten zu kämpfen, selbst Krebs bekommen zu können.

Für Sie entsteht aus diesen gut gemeinten Aufmunterungen oder Ratschlägen vielleicht noch zusätzlicher Druck. Dieser Druck wird sowohl von außen als auch von Ihnen selbst erzeugt.

Die Vorstellung, positives Denken oder eine kämpferische Haltung dem Krebs gegenüber könne den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen, ist sehr verbreitet, teilweise auch unter Fachleuten. Hierzu liegen auch Forschungsarbeiten vor, die diese Annahmen aber nicht wirklich bestätigen konnten. Was sich allerdings als wichtig herausgestellt hat, ist die sogenannte Compliance oder Adhärenz. Damit ist gemeint, dass der Patient den Behandlungsempfehlungen des behandelnden Arztes genau folgt, die verschriebenen Medikamente beispielsweise genau in der verschriebenen Dosierung und Zeitdauer einnimmt, wie vom Arzt verordnet (was übrigens in der Realität häufig nicht passiert). Voraussetzung für die Compliance ist natürlich, dass der Patient gut informiert wurde und vom therapeutischen Vorgehen auch überzeugt ist. Hier ist natürlich ein gewisser Zusammenhang zwischen einer eigenen aktiven Haltung und Behandlungsbeteiligung und dem Behandlungserfolg vorhanden (siehe auch hierzu die Ausführungen in Kapitel 1).

Einfach zum positiven Denken oder Kämpfen aufzufordern, kann hingegen eher zusätzlichen Stress auslösen. Letztlich braucht diese erste Schockphase auch einfach Zeit, um überwunden zu werden. Nicht selten vergehen drei Wochen, bevor der Patient sich innerlich auf die neue Situation einstellen und gefühlsmäßig stabilisieren konnte. Diese Zeit sollten Sie sich auch geben, wenn Sie gerade in einer solchen Situation sind.

4. Warum gerade ich?

Ute Goerling

»Was habe ich falsch gemacht? Habe ich nicht richtig gelebt?« Diese und andere Fragen tauchen unweigerlich im Zusammenhang mit der Mitteilung der Diagnose Krebs auf. In Studien hat sich herausgestellt, dass sich zu Beginn einer Krebserkrankung jeder vierte diese Frage stellt, im späteren Verlauf der Behandlung beschäftigt sich sogar jeder zweite mit dieser Ungewissheit. Die Suche nach Ursachen, Zusammenhängen und Erklärungen sind charakteristisch für menschliches Denken. Können Erklärungen für bestimmte Erscheinungen gegeben werden, kann das erleichternd und hilfreich sein. Für Krebserkrankungen ist das nur eingeschränkt möglich.

»Meine Großmutter hatte Streukrebs! Ich habe nie über meine Probleme gesprochen. Der Kloß im Hals ist zu Krebs geworden.« Diese und andere Arten von Erklärungen und Vorstellungen werden von den Patienten genannt. Sie speisen sich aus persönlichen Gesprächen und öffentlichen Diskussionen über Entstehungstheorien zu Krebserkrankungen. Um kaum eine andere Erkrankung weben sich so viele Mythen, Gerüchte und Phantasievorstellungen.

Ein Blick in die Geschichte

Schon frühzeitig konzentrierten sich Forschungsfragen auf den Zusammenhang von Psyche und Krebs. So beschäftigte sich der griechische Arzt Galenos von Pergamon (129 bis 216) mit der Ursache von Krankheiten im Allgemeinen. Dabei stützte er sich auf die Viersäfte-Lehre und postulierte, dass ein Ungleichgewicht der Säfte zu einer Krankheit führt. Lange vor ihm vermutete Hippokrates (460 bis 377 v. Chr.) einen Zusammenhang zwischen melancholischem Gemüt und der Entstehung von Krebs.

Die Frage nach bestimmten Persönlichkeitszügen, die Vorhersagen über das Auftreten einer Krebserkrankung machen können, ist auch heute immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. So findet man den Begriff der »Krebspersönlichkeit« oder »Typus Carcinomatosus (Typ C)« auch in der Literatur.

Als Folge von Beobachtungen wurden immer wieder bestimmte Persönlichkeitszüge und -eigenschaften mit dem Auftreten einer Krebserkrankung in Verbindung gebracht. So galten Selbstaufopferung und Angepasstheit sowie mangelndes Selbstbewusstsein als typische Merkmale für einen Menschen, der eine Krebserkrankung bekommen kann. Auch Depressivität wird immer wieder als Krebsauslöser angegeben. Rückblickende Studien zu dieser Fragestellung können jedoch nur Aufschluss über die Folgen der Krebserkrankung geben. Ursachen von Krebserkrankungen sind sehr komplex. Die wissenschaftliche Forschung bestätigt die Annahme bestimmter krebsfördernder Persönlichkeitseigenschaften nicht; mit anderen Worten: Es gibt keine Krebspersönlichkeit!

Zur Einordnung von Studien