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Die SPD gilt als die älteste demokratische Partei Deutschlands. Sie ist die einzige Partei, die 1933 geschlossen im Reichstag ('Kroll-Oper') gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt hat. Ein Blick in die SPD in Schleswig muss deshalb mit den Gründungsvätern auf der Reichsebene beginnen (Ferdinand Lassalle/August Bebel). Auch wenn die SPD auf Landes-, Kreis- und Gemeindeebene lange Zeit und teilweise bis heute nicht die politische Mehrheit erhielt, blieb sie stets ein ernstzunehmender Faktor. Das gilt sowohl für die Zeit, als Schleswig nach 1866 Hauptstadt der neuen preußischen Provinz Schleswig-Holstein wurde, und erst recht für die Zeit der WEIMARER REPUBLIK nach 1919. Ein starker Einschnitt erfolgte 1946 durch die Engländer, die nicht nur beschlossen, den Namen Preußen aus dem politischen Vokabular zu tilgen, sondern auch Kiel anstelle von Schleswig zur Hauptstadt des späteren Bundeslandes Schleswig-Holstein zu machen. Schleswig wurde anschließend die 'Kulturhauptstadt' des Landes. Immerhin konnte die SPD nach 1945 mit Hermann Clausen, Bodo Richter, Klaus Nielsky und Stefan Dose viermal den Bürgermeister der Stadt Schleswig stellen. Im 1974 neu gebildeten Kreis Schleswig-Flensburg wurde die SPD bis heute kein einziges Mal bei Kommunalwahlen die stärkste politische Kraft. Immer war sie auf die Zusammenarbeit mit den anderen Parteien angewiesen, um ihre Ziele zu verwirklichen.
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Seitenzahl: 72
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Vorbemerkung
Die Anfänge der SPD
Die SPD nach 1900
Die SPD in der WEIMARER REPUBLIK
Die SPD in der NAZI-Zeit
Die SPD nach 1945
Die SPD ab 1968
Die SPD bis 1974
Die SPD bis 1988
Die SPD bis 2008
Die Kreis-SPD ab 2000
Die SPD im Kreis Schleswig-Flensburg heute
Persönlichkeiten der SPD im Kreis
Politische Themen in der Kreispolitik
Neueste Entwicklungen in der Weltpolitik
Nachbetrachtung
Literatur
Abbildungen
Anmerkungen
Über den Autor
Impressum
Diese „Kleine Geschichte“ der SPD in Schleswig steht vor mehreren Herausforderungen! Wann und unter welchen Voraussetzungen begann diese Geschichte? Wer waren die führenden Köpfe? Vor allem aber, für welches Gebiet steht der Name SPD? Steht er für den Landesteil Schleswig oder für den alten Kreis Schleswig? Oder steht er für den neu gebildeten Kreis Schleswig-Flensburg oder gar nur für die Kreisstadt Schleswig? In dieser Monographie werden übergeordnete SPD-Themen nur kurz angerissen. Es geht hauptsächlich um die SPD in der Stadt Schleswig und im Landkreis Schleswig-Flensburg, dessen Entwicklung der Autor aus eigener Anschauung erlebt hat. Bundes- und Landesereignisse der SPD mit Relevanz wurden lediglich aufgenommen. Auffällig ist, dass die SPD als älteste demokratische Partei Deutschlands trotzdem nur etwas älter als 150 Jahre ist. Die Auswahl der Personen und Themen fällt höchst subjektiv aus und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Wer sich mit der Geschichte der SPD vor Ort beschäftigt, kommt allerdings um die Gründerjahre dieser Partei im 19. Jahrhundert nicht herum. Offiziell gilt der 23.5.1863 als Gründungsdatum der SPD. An diesem Tag gründete Ferdinand Lassalle (1825-1864) in Leipzig den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV). Lassalle war alles andere als ein Marxist, er war genossenschaftlich und preußisch-nationalistisch ausgerichtet. Als jüdischer Intellektueller und dem Großbürgertum zugehörig, galt sein Hauptaugenmerk nicht den besitzlosen Proletariern, sondern den handwerklich Arbeitenden. Außerdem hatte er keine Berührungsängste und stand sogar mit Otto von Bismarck (1815-1898) in Kontakt. Er starb an den Folgen eines Duells, bei dem es um eine junge Adlige ging.
Aber die SPD hatte noch eine weitere Gründungsgeschichte und diese ist eng mit dem Namen August Bebel (1840-1913) verbunden. Bebel wurde 1865 Vorsitzender des Arbeiterbildungsvereins in Leipzig, 1967 des Verbands der deutschen Arbeitervereine. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und verstand sich bald im Marxschen Sinn als Proletarier. Auch er war ein Handwerkergeselle. Seine marxistische Gesinnung wird von einigen auf Wilhelm Liebknecht (1826-1900) zurückgeführt, der noch selbst mit Marx und Engels zusammentraf.
Abb. 1: Ferdinand Lassalle.
Abb. 2: August Bebel.
Abb. 3: Wilhelm Liebknecht.
Viele Jahre agierten die beiden großen Arbeitervereinigungen nebeneinander, weil die Hürden für einen Zusammenschluss schier unüberwindbar erschienen. So kam es erst 1875 in Gotha zum „Einigungsparteitag“. Die Anhänger Lassalles im Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein schlossen sich auf dem Gothaer Kongress mit den sogenannten Eisenachern in der Sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) zusammen.
Ein erstes Programm gab sich die SPD 1875 mit dem „Gothaer Programm“, mit dem sie eine sozialistische Gesellschaft anstrebte. Mit dem Erfurter Programm von 1891 blieb die Partei ihren dogmatischen marxistischen Lehrsätzen treu. Nach dem ERSTEN WELTKRIEG versuchte sie 1921 mit dem Görlitzer Programm auch nicht-proletarische Kreise anzusprechen. In der NS-Zeit von 1933-1945 war die SPD verboten. Das Prager Manifest der Exil-SPD 1934 war eine deutliche Absage an jede Form des Faschismus. Aber erst mit dem Godesberger Programm von 1959 trennte sich die SPD deutlich von ihren marxistischen Wurzeln und wurde als Volkspartei für breite Schichten wählbar. Das 1989 verabschiedete Berliner Programm ist nach Lösche & Walter allerdings „langatmig und konturlos“1.
Nun aber zum Kreis Schleswig, der nie eine Hochburg der Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein (SH) oder in Deutschland war! In preußischer Zeit gab es den Provinziallandtag in Schleswig mit dem Regierungspräsidenten in der Stadt Schleswig im „Roten Elefanten“, dem Regierungssitz der Provinzhauptstadt bis 1946. Das war für den Anfang ein kluger Schachzug! So wurde Schleswig zur Hauptstadt der neuen Region Schleswig-Holstein, was die Akzeptanz in der Bevölkerung Schleswigs enorm gesteigert haben dürfte.
Aber stets war die SPD eine Partei in der Minderheit! Die Gebietseinteilung beruhte viele Jahre im Prinzip auf der Gebietsstruktur, die der preußische König Wilhelm im September 1867 SH verordnet hatte. Sie sah 20 Kreise vor, darunter Schleswig. Erst durch die Gebietsreformen der Jahre 1968/1970 und 1973 kam es zu einer Neueinteilung. Selbst als nach dem ZWEITEN WELTKRIEG Preußen auf Beschluss der Alliierten 1947 von der Landkarte getilgt wurde, blieben die alten Landkreise vorerst erhalten. „Das alte Amt Gottorf, die Landschaft Stapelholm, der Flecken Kappeln… und Arnis… bildeten den Kreis Schleswig“2. 1970 mussten Friedrichstadt und einige Gemeinden an den Kreis Nordfriesland abgegeben werden. 1973 entstand schließlich durch den Zusammenschluss vom Kreis Schleswig mit dem Kreis Flensburg-Land der größere Kreis Schleswig-Flensburg (SL-FL).
Abb. 4: Die Altkreise Flensburg und Schleswig nach der Übernahme durch die Preußen 1867.
Abb. 5: Der neue Kreis Schleswig-Flensburg nach der Gebietsreform 1973.
Vor dem ERSTEN WELTKRIEG gelang es der SPD nirgends in SH „in den Magistrat einer Stadt vorzudringen“3. Das galt auch für die Wahlen zum Reichstag im Wahlkreis Schleswig-Eckernförde. So blieb für die SPD trotz bedeutender Stimmengewinne bei Wahlen viele Jahre nur die Oppositionsbank. Erst in der Weimarer Republik änderte sich das Bild. Die SPD hatte es im Kreis und in der Stadt Schleswig nun leichter. Es gab den Landkreis Schleswig, der als ländlich strukturierter Bereich politisch stets sehr konservativ blieb. Sicherlich gab es in den vergangenen 150 Jahren auch aktive SPD-Ortsvereine, wie z.B. in der Stadt Schleswig, aber diese spielten die meiste Zeit politisch keine bedeutende Rolle.
In Schleswig spürte die Bevölkerung, dass 1918/19 mit der Abdankung des Kaisers, der November-Revolution und der Weimarer Republik eine „Neue Zeit“ angebrochen war. Zwar beließen die jetzt im Lande führenden Sozialdemokraten auf Bundes- und Landesebene die alten Verwaltungen bestehen, aber ihnen wurden jetzt Arbeiter- und Soldatenräte zugeordnet, die beachtet werden wollten. Die unsäglichen Nazi-Jahre überstand die SPD im Bund und in SH leidlich und machte sich nach 1945 mit an den Wiederaufbau des zerstörten Landes. Vorher kam es 1920 in Mittelschleswig und im dänisch orientierten Nordschleswig zu einer Volksabstimmung, die zur Loslösung dieses Landesteils aus dem Reichsgebiet führte. Flensburg wurde dadurch zur „Grenzstadt“. Die neue Grenze verlief entlang der sogenannten „Clausenlinie“ und hat seither Bestand.
Die SPD in SH führte bis zur Barschel-Affäre 1988 eher ein Schattendasein! Zwar erreichte Jochen Steffen (1922-1987), der „rote Jochen“, wie viele ihn nannten, schon bei den Landtagswahlen davor durchaus achtbare Ergebnisse. Dass er neben großartiger theoretischer Arbeit auch volkstümlich agierte, belegte die kabarettistische Figur des „Kuddl Schnööf“. Dennoch konnte er mit seiner durchweg linken Orientierung keine Mehrheiten für die SPD kreieren. Aber seinem charismatischen Nachfolger Björn Engholm (*1939) gelang es, der CDU erstmals das Bundesland SH bei Wahlen für die SPD abzujagen. Da auch er nicht frei von Informationen während der Barschel-Affäre war, trat er 1993 „als ehrliche Haut“ von allen Ämtern zurück und Heide Simonis (*1943) wurde seine Nachfolgerin. Sie wurde die erste Ministerpräsidentin in SH, hatte es aber schwer, sich in der Männer-Domäne Politik zu behaupten. 2005 trat sie unter bisher nicht restlos geklärten Umständen (Wer war der Heide-Mörder?) zurück, um weitere Diffamierungen gegen sich und ihre Partei zu vermeiden4.
Abb. 6: Wahlplakat zur Landtagswahl mit Jochen Steffen.
Der Kreis SL-FL entstand 1974 aufgrund des „Gebietsreformgesetzes“5 aus den Altkreisen Flensburg-Land und Schleswig, die zusammengelegt wurden. Nach der Kommunalreform 1974 wurde Gernot Korthals (*1940) erster Landrat des neu gebildeten Kreises SL-FL. Er war 12 Jahre CDU-Landrat, gilt als „Vereinigungslandrat“ und wurde später Leiter des Landesrechnungshofes.
Die zweite vom damaligen SPD-Innenminister Ralf Stegner (*1959) durchgeführte Gebietsreform 2006 sollte größere Kreise und Ämter schaffen. Letzteres gelang, indem eine Mindestgrößte von 8000 Einwohnern festgeschrieben wurde. Zusammengelegte Ämter brauchten neue Namen. Auch das gelang, wie die Beispiele Amt Geltinger Bucht oder das Amt Ahrensharde belegen. Dabei griffen die Akteure mit der Bezeichnung Harden auch auf alte Begriffe aus der dänischen Vergangenheit zurück, die darauf hinwiesen, dass es schon vor der Preußenzeit kommunale Einheiten gegeben hatte.
Aber auch Gemeinden fusionierten nach der Gebietsreform. Dabei half eine Heiratsprämie, die den Wechsel versüßte. Im Kreis SL-FL schlossen sich z.B. die Gemeinden Handewitt und Jarplund-Weding zum 1. März 2008 zur amtsfreien Gemeinde Handewitt zusammen. Die SPD hatte sich auf einem Landesparteitag für eine kleine Lösung ausgesprochen, mit freiwilligen Zusammenschlüssen von Gemeinden, verzichtete aber auf die Zusammenlegung von Kreisen.
Abb. 7: Fahne vom Kreis Schleswig-Flensburg.
Abb. 8: Historische Fahne der SPD.
