Die Spur der Verschwundenen - René Burkhard - E-Book

Die Spur der Verschwundenen E-Book

René Burkhard

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Beschreibung

Die Spur der Verlassenen Sie sind verschwunden. Sie wurden vergessen. Doch ihre Spuren erzählen die Wahrheit. Lena ist fort. Nicht einfach abwesend, sondern ausgelöscht von einer Welt, die gelernt hat wegzusehen. Für die meisten bleibt sie eine Akte, ein Name ohne Gesicht, ein Fall unter vielen. Doch für Éliane, Anna und Carver beginnt mit ihrem Verschwinden eine Reise in die Schatten eines Systems, das Menschen nicht nur verschleppt, sondern ausradiert, physisch, digital, emotional. Was sie entdecken, ist erschütternd. Ein Netz aus Macht, Kontrolle und Schweigen. Ein System, das Frauen zu Objekten macht, ihre Körper zur Ware, ihre Stimmen zum Risiko. Ein System, das sich tarnt in Gesetzen, in Institutionen, in scheinbarer Ordnung. Doch die Spur, die Lena hinterlässt, ist stärker als jede Vertuschung. Sie führt zu anderen, die ebenfalls verschwunden sind. Zu Räumen ohne Fenster, zu Akten ohne Namen, zu Stimmen, die nie gehört wurden. Und sie führt zu einer Wahrheit, die nicht länger verborgen bleiben darf.

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Seitenzahl: 120

Veröffentlichungsjahr: 2025

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René Burkhard

René Burkhard, geboren am 13. Februar 1958 in Zürich, entführt seine Leserschaft in Träume unter Sternen: Gute Nachtgeschichten für Erwachsene auf eine magische Reise durch die nächtlichen Zwischenräume des Lebens.

Im Zürcher Unterland zu Hause, schöpft Burkhard aus einer reichen Mischung eigener Erfahrungen und einem feinen Gespür für menschliche Emotionen.

Bevor er sich ganz dem Schreiben widmete, war er viele Jahre als Lehrperson für Wirtschaft und Gesellschaft tätig.

Nach der Corona-Pandemie wagte er einen beruflichen Neubeginn und absolvierte mehrere literarische Weiterbildungen – darunter ein zweijähriges Prosa-Studium –, die seiner Stimme als Autor Tiefe und Klarheit verliehen.

Mit seinem Debütroman Peter sucht das Glück, einer gefühlvollen Erzählung über innere Konflikte und Liebe, hinterließ er bereits einen bleibenden Eindruck.

Die Fortsetzung Glück und Unglück sind eng verbunden unterstreicht eindringlich die Bedeutung von Zusammenhalt.

Mit dem Thriller Alpen Tod zeigte Burkhard sein Gespür für Spannung und Gesellschaftskritik.

Neben seinen Werken für Erwachsene schenkt Burkhard auch jüngeren Leserinnen und Lesern besondere Aufmerksamkeit.

Seine pädagogisch wertvollen Bilderbücher wie Nussi, das Eichhörnchen und Balu, der Teddybär spiegeln seine liebevolle Haltung gegenüber Kindern wider und kombinieren einfache Sprache mit einfühlsamen Themen, die Eltern und Kinder gleichermaßen berühren.

In Träume unter Sternen, Leises Sternenflüstern verwebt Burkhard poetische Bilder mit leisen Gedanken.

Es ist ein Buch für Menschen, die das Leben spüren möchten – im Dunkel und im Licht.

Inhaltsverzeichnis

Zwischen Vertrautheit und Angst

Schatten unter Neonlicht

Spuren im Dunkeln

Zürich bei Nacht

Galerie Lumière

Der Informant

Zwischen Glanz und Dunkelheit

Der Countdown

Der Druck wächst

Die Galerie

Marseille und Narbonne

Albatros

Port du Silence

Die Entscheidung

Der Zugriff

Das Echo

Valis

Stimmen im Schatten

Hinter der Maske der Erinnerung

La Voûte

Die Schwelle der Entscheidung

Das Echo

Welt in Resonanz

Die Stille Wiederherstellung

Operation Morgenlicht

Der Schattenjäger

Die dritte Welle

Das letzte Licht

Stimmen aus dem Schatten – Geschichten, die bleiben

Vorwort

Manche Geschichten wollen unterhalten. Andere erschüttern. Und dann gibt es jene, die beides tun – weil sie den Leser mitnehmen in eine Welt, die nicht fern ist, sondern erschreckend nah.

Dieser Thriller ist mehr als eine fiktive Erzählung. Er ist ein Ruf. Ein Blick in jene Schattenzonen unserer Gesellschaft, in denen Gewalt, Angst und Schweigen regieren. Doch zwischen den Zeilen, hinter den düsteren Kulissen, leuchtet Hoffnung. Hoffnung, getragen von Mut, von Solidarität – von der Kraft, nicht wegzusehen.

Die Figuren, denen du hier begegnest – Anna, Lena, Amina und all die anderen – sind erfunden. Doch ihre Kämpfe spiegeln die Wirklichkeit unzähliger Frauen wider, die jeden Tag gegen Unsichtbarkeit, Ausbeutung und Schmerz ankämpfen. Ihre Stimmen sind oft leise, manchmal verstummt – aber niemals bedeutungslos.

Diese Geschichte ist kein leichtes Pflaster. Sie verlangt Mitgefühl, Ehrlichkeit und den Willen, hinzuschauen.

Aber wer bereit ist, sich einzulassen, wird eine Wahrheit finden, die bleibt:

Dass Licht selbst dort entstehen kann, wo lange Dunkelheit war.

Lass dich mitreißen. Lass dich berühren. Und vielleicht – lass dich verändern.

Zwischen Vertrautheit und Angst

Der Regen prasselte leise gegen die Fenster der kleinen Wohnung im Zürcher Kreis 4. Draußen glitzerten die nassen Straßenlaternen, doch drinnen herrschte eine bedrückende Stille. Anna saß auf dem abgewetzten Sofa, die Hände um eine Tasse heißen Tee geklammert, während ihr Blick immer wieder zur Tür wanderte.

Die Wohnung war schlicht eingerichtet, mit hellen Holzmöbeln, die von der Sonne kaum berührt wurden.

An der Wand hing ein verblasstes Foto von zwei Schwestern, lachend in einem Sommerpark – Anna und ihre jüngere Schwester Lena.

Anna war Anfang dreißig, schlank, mit dunklen, leicht gewellten Haaren, die sie meist zu einem lockeren Knoten band. Ihre Augen, ein tiefes Braun, verrieten die Müdigkeit der letzten Wochen. Als freie Journalistin war sie es gewohnt, Geschichten zu verfolgen.

Doch diesmal war es anders. Diesmal war es ihre Geschichte.

Lena, gerade fünfundzwanzig, war spurlos verschwunden.

Sie war das genaue Gegenteil von Anna: lebhaft, impulsiv, mit einem offenen Lachen, das Räume füllte.

Ihr blondes Haar fiel ihr in wilden Locken über die Schultern, und ihre grünen Augen funkelten voller Neugier. Nach dem Kunstgeschichtsstudium in Genf war sie vor kurzem nach Zürich gezogen, um ein neues Leben zu beginnen. Doch seit Tagen hatte niemand mehr von ihr gehört.

Die Wohnung war erfüllt von kleinen Details, die Lenas Persönlichkeit widerspiegelten: ein zerlesenes Buch über impressionistische Malerei auf dem Couchtisch, ein halb geleerter Becher mit schwarzem Kaffee, und an der Wand ein Poster von Genfs Altstadt – ein Mitbringsel von einer Reise. Doch diese Vertrautheit wurde von der Angst überschattet, die sich langsam in Annas Gedanken breit machte.

In ihrem Inneren tobte ein Sturm. Sie fühlte sich zerrissen zwischen der Hoffnung, dass Lena irgendwo sicher war, und der Angst vor dem Schlimmsten. Immer wieder fragte sie sich, ob sie etwas übersehen hatte – eine Nachricht, ein Zeichen, ein Warnsignal, das sie nicht erkannt hatte. Schuldgefühle nagten an ihr, obwohl sie wusste, dass sie nichts hätte tun können.

Doch die Stimme in ihrem Kopf flüsterte: Hättest du nur besser aufgepasst.

Vor einem Jahr hatte Anna einen Artikel über verschwundene Frauen in Osteuropa geschrieben. Damals war es eine Geschichte wie viele – Zahlen, Zitate, Statistiken. Doch jetzt war es persönlich. Die Gesichter, die sie damals nur als Fallnummern kannte, bekamen plötzlich Namen. Lena war einer davon. Und mit jedem Tag, der verging, wurde die Distanz zwischen Recherche und Realität kleiner. Die russische Mafia, Frauenhandel, brutale Kontrolle – Begriffe, die sie bisher nur aus der Distanz kannte, wurden plötzlich greifbar. Bedrohlich.

Sie wusste, dass sie sich schützen musste. Doch die Liebe zu ihrer Schwester ließ sie alle Warnungen ignorieren.

Der Regen wurde stärker, trommelte wie ein ungeduldiger Besucher gegen die Scheiben. In der Küche tickte die Uhr, jeder Schlag ein Vorwurf. Die Stille war nicht leer – sie war voller Fragen.

Anna schloss kurz die Augen. Vor zwei Wochen hatten sie sich noch gesehen, in einem kleinen Café in der Nähe des Hauptbahnhofs. Lena hatte einen doppelten Espresso bestellt und dabei gelacht, als Anna sie wegen ihres Koffeinkonsums neckte.

„Du glaubst doch nicht, dass Zürich so harmlos ist, wie es aussieht“, hatte Lena gesagt und dabei gelacht.

Damals hatte Anna nur den Kopf geschüttelt. Jetzt klang es wie eine Warnung.

Plötzlich vibrierte ihr Handy. Eine neue Nachricht.

Anna griff hastig danach, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Es war ein Chatprotokoll – anonym, kryptisch, aber mit einem Hinweis auf einen Club in Zürich, der angeblich mehr verbarg, als er preisgab. Ein Ort, an dem Lena zuletzt gesehen worden sein könnte.

Sie öffnete die Datei. Die Nachrichten waren verstörend.

Chatprotokoll – Lena & Anna

Lena [21:43]

Hey…

Hab was Interessantes entdeckt.

Kennst du den Club „Nocturne“?

Anna [21:44]

Nocturne? Nie gehört. Was ist das für ein Laden?

Lena [21:44]

Irgendwie… komisch da.

Ich glaub, da läuft was Seltsames.

Nicht nur Party. Irgendwas anderes.

Anna [21:45]

Was meinst du mit „was Seltsames“?

Klingt nicht gerade vertrauenserweckend.

Lena [21:47]

Bin neugierig. Vielleicht geh ich morgen mal hin.

Aber sag niemandem was, okay?

Nur so ein Gefühl.

Anna [21:48]

Lena, bitte sei vorsichtig.

Du weißt, ich hab zu viel über solche Orte gelesen.

Lena [21:52]

Hab mit jemandem gesprochen, der meinte, man kommt da nur mit Einladung rein.

Und dass manche Leute nie wieder rauskommen.

Klang wie ein Witz… aber irgendwie nicht.

Anna [21:53]

Das ist nicht witzig.

Bitte versprich mir, dass du nicht allein hingehst.

Lena [22:03]

Da war jemand… ich glaub, er hat mich beobachtet.

Großer Typ, dunkle Jacke.

Ich schreib dir später.

Anna [22:04]

Lena?

Wo bist du gerade? Ruf mich bitte an.

Lena [22:05]

Falls was ist – schau dir das Symbol an.

Hab’s auf einem Flyer gesehen.

War kein normales Event.

Anna [22:06]

Was meinst du mit „falls was ist“?!

Lena, bitte melde dich. Ich mach mir Sorgen.

Am Ende der Nachricht stand nur ein Symbol: ein Kreis mit einem senkrechten Strich. Anna kannte es. Sie hatte es in einem Dossier gesehen – ein Zeichen für eine Organisation, die offiziell nicht existierte.

Anna atmete tief durch. Die Angst mischte sich mit Entschlossenheit. Sie spürte, wie sich eine Mauer in ihr aufbaute – eine Mischung aus Schutzmechanismus und Kampfgeist. Sie konnte nicht zulassen, dass die Angst sie lähmte. Doch gleichzeitig wusste sie, dass sie vorsichtig sein musste.

Jeder Schritt konnte sie näher an die Wahrheit bringen – oder in Gefahr.

Zwischen Vertrautheit und Angst begann eine Reise, die alles verändern würde.

Schatten unter Neonlicht

Der Morgen dämmerte grau und schwer über Zürich, als Anna ihr kleines Arbeitszimmer betrat. Der Raum war eng, die Wände gesäumt von Regalen voller Bücher und Notizhefte. Auf dem Schreibtisch lag ihr Laptop, daneben verstreut Fotos, Zeitungsartikel und handschriftliche Notizen – ein chaotisches Puzzle, das sie Stück für Stück zusammensetzen wollte.

Sie setzte sich, die Finger zitterten leicht, als sie das Handy in die Hand nahm. Die Nachricht vom Vorabend ließ ihr keine Ruhe. Das anonyme Chatprotokoll enthielt kryptische Hinweise auf einen Club in der Stadt – ein Ort, der offenbar mehr war als nur ein Treffpunkt für Nachtschwärmer. Anna wusste, dass sie dort Antworten finden konnte. Oder zumindest Spuren.

Beim Blick auf das Display stiegen Erinnerungen an Lena in ihr hoch. Ihre Schwester war fünfundzwanzig, jung, voller Leben und Träume. Nach dem Kunstgeschichtsstudium in Genf war sie vor wenigen Monaten nach Zürich gezogen, um ein neues Kapitel aufzuschlagen. Anna erinnerte sich an ihr strahlendes Lachen, ihre ungestüme Art, wie sie von Ausstellungen schwärmte, von Projekten, die sie plante, und von Menschen, die sie kennenlernen wollte.

„Lena war immer so voller Hoffnung, so unerschrocken“, dachte Anna. „Wie konnte ausgerechnet sie in so eine dunkle Welt geraten?“ Die Frage bohrte sich tief in ihr Herz. Sie erinnerte sich an die letzten Gespräche – Lena hatte von neuen Bekanntschaften gesprochen, von Chancen, die sich plötzlich auftaten.

Aber auch von Zweifeln, die sie nie ganz aussprach.

„Ich muss da raus“, hatte Lena in ihrer letzten Nachricht geschrieben. „Es ist nicht so, wie es scheint.“ Für Anna klangen diese Worte wie ein Hilferuf, den sie zu spät verstanden hatte. Sie fragte sich, ob sie mehr hätte tun können, ob sie ihre Schwester besser hätte schützen müssen. Doch Lena war immer ihren eigenen Weg gegangen – oft gegen Annas Rat.

Ein bitterer Kloß formte sich in ihrem Hals. „Warum hast du nicht mit mir gesprochen? Warum hast du mich nicht um Hilfe gebeten?“ Die Schuldgefühle nagten an ihr, obwohl sie wusste, dass sie Lena nicht kontrollieren konnte. Doch jetzt, wo Lena verschwunden war, fühlte sich Anna hilflos und wütend zugleich.

Sie öffnete erneut die letzten Nachrichten, suchte nach einem Hinweis, einem Zeichen, das sie übersehen hatte. Doch alles wirkte wie ein Rätsel, das sich nicht lösen ließ. Die Vorstellung, dass ihre Schwester irgendwo da draußen allein und in Gefahr war, schnürte ihr die Kehle zu.

Anna tippte eine Nachricht an einen alten Bekannten aus der Zürcher Unterwelt – jemanden, der ihr vielleicht helfen konnte, mehr über den ominösen Club herauszufinden. Während sie wartete, blickte sie aus dem Fenster auf die nassen Straßen. Die Stadt wirkte kalt und distanziert, als würde sie Geheimnisse bewahren, die niemand brechen durfte.

„Ich darf jetzt nicht schwach sein“, dachte sie und spürte, wie sich in ihr eine Mischung aus Angst und Entschlossenheit breit machte. „Für Lena. Für uns beide.“ Das Feuer in ihr brannte heller als je zuvor.

Das Telefon vibrierte. Eine kurze Nachricht:

„Treffen heute Abend. Club Noir. Sei vorsichtig.“

Keine Namen. Keine weiteren Details.

Anna schluckte schwer. Sie wusste, dass sie sich auf dünnem Eis bewegte – aber es gab keinen Weg zurück.

Der Abend kam schneller als erwartet. Anna zog ihren Mantel enger um sich, die Dunkelheit der Stadt umhüllte sie wie ein schwerer Schleier. Der Club Noir lag in einer unscheinbaren Seitenstraße der Langstrasse.

Das Neonlicht über der Tür flackerte schwach, als wolle es sich selbst verbergen.

Drinnen war es laut. Die Musik dröhnte, die Luft roch nach Rauch, Parfüm – und etwas anderem, etwas Unbestimmtem. Eine Mischung aus Verheißung und Gefahr.

Anna spürte, wie ihr Herz raste. Sie beobachtete die Menschen, die den Raum bevölkerten – elegante Frauen, Männer mit harten Blicken, zwielichtige Gestalten, die sich im Schatten bewegten. Sie fühlte sich fehl am Platz, doch sie wusste, dass sie hier Antworten finden musste.

Plötzlich bemerkte sie eine Frau, die ihr bekannt vorkam. Eine Kellnerin mit nervösem Blick, die immer wieder zu einem Tisch in der Ecke schielte. Anna näherte sich vorsichtig, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

„Ich suche meine Schwester. Lena. Haben Sie sie gesehen?“

Die Kellnerin zögerte, dann schüttelte sie den Kopf.

Doch in ihren Augen lag Angst – die Angst vor dem, was Anna aufdecken könnte. Anna spürte, dass sie an eine Wand stieß, doch sie war entschlossen, nicht aufzugeben.

Später, zurück in ihrer Wohnung, rief sie ihre Freundin Vreni an. Vreni arbeitete bei der Kantonspolizei, in der Drogenabteilung, und war eine der wenigen, denen Anna vertraute.

„Vreni, ich war heute in einer Bar an der Langstrasse.

Club Noir. Kennst du den?“

Eine Pause. Dann Vrenis Stimme, vorsichtig:

„Wir wollten den Club mal beobachten. Es gab Hinweise auf illegale Aktivitäten. Aber der Einsatz wurde abgebrochen – von oben.“

„Von oben?“

„Ja. Der Besitzer kennt anscheinend jemanden im Polizeivorstand. Es war nicht der erste Einsatz, der gestoppt wurde.“

Anna spürte, wie sich etwas in ihr zusammenzog.

„Weißt du sonst etwas über den Laden?“

„Nicht viel. Ich bin ja in der Drogenabteilung. Aber mir ist aufgefallen, dass da ziemlich viele junge Frauen hingehen. Immer wieder dieselben Gesichter. Und dann… sieht man sie nicht mehr.“

Anna schwieg. Die Puzzleteile begannen sich zu bewegen.

„Wenn du mir helfen kannst, Vreni… ich brauch dich.“

„Ich helfe dir. So gut ich kann.“

Das letzte Lebenszeichen ihrer Schwester lag irgendwo in diesem undurchsichtigen Netz aus Lügen und Geheimnissen. Anna wusste, dass sie tiefer graben musste – egal, wie dunkel die Wahrheit sein würde.

Spuren im Dunkeln