Zwischen Sternen und Stille - René Burkhard - E-Book

Zwischen Sternen und Stille E-Book

René Burkhard

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Beschreibung

Zwischen den Zeilen der Stille Erzählungen über das Heimkehren, das Weitermachen und die leise Kraft der Begegnung Wenn der Tag sich neigt und die Welt leiser wird, wenn Stimmen verstummen, Gedanken weicher werden und fernes Licht durchs Fenster fällt wie eine Erinnerung, dann beginnen Worte zu flüstern. Nicht laut. Nicht aufdringlich. Sondern wie Schritte auf vertrautem Boden. Wie das Rascheln eines Vorhangs in der Abendbrise. Wie eine Hand, die sich sacht in deine legt, ohne dich festzuhalten. Dieses Buch versammelt poetisch gewebte Geschichten über Menschen, die sich begegnen und sich dabei selbst wiederfinden. Über Frauen und Männer, die gelernt haben, mit Narben zu leben. Über stille Gärten, verschüttete Träume, leise Versprechen und die Hoffnung, dass es nie zu spät ist, das Herz zu öffnen. Ob es Anna und Markus sind, die ihre Angst in Liebe verwandeln, Mara, die im Garten der Erinnerung ihrer Vergangenheit begegnet, oder Lena, die auf einem stillen Heimweg erfährt, dass der Hafen in ihr selbst liegt. Jede Geschichte ist eine Einladung zum Innehalten, Spüren und Weitergehen. Sie erzählen nicht vom Großen, sondern vom Wesentlichen. Von Abschieden, die still zu Anfängen wurden. Von Begegnungen, die nicht laut waren, aber tief. Dem Mut, der nicht glänzt, sondern bleibt, in einem Blick. In einem Lächeln. In einem Ich bin noch da. Für alle, die das Echte suchen. Für alle, die das Leise hören wollen und alle, die glauben, dass Liebe der stille Entschluss ist, weiterzuwachsen.

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Seitenzahl: 182

Veröffentlichungsjahr: 2025

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René Burkhard, geboren am 13. Februar 1958 in der sanft-hügeligen Landschaft des Zürcher Unterlands, ist ein Geschichtenerzähler mit Gespür für das Leise, das Menschliche, das Wesentliche. Seine Kindheit im ländlichen Raum hat ihn früh geprägt – nicht durch große Gesten, sondern durch die kleinen Beobachtungen am Rand: das Flüstern des Windes über den Feldern, das Schweigen zwischen zwei Sätzen, das Vergehen der Jahreszeiten als innerer Rhythmus.

Viele Jahre lang war Burkhard als Lehrer tätig – ein aufmerksamer Begleiter Jugendlicher auf ihrem Weg in die wirtschaftliche und gesellschaftliche Welt. Er unterrichtete im Bereich Wirtschaft und Gesellschaft, vermittelte nicht nur Wissen, sondern Haltung – mit wachem Blick und einem Gespür für Zwischentöne.

In den herausfordernden Jahren der Pandemie wagte er einen Neuanfang: Er folgte dem Ruf seiner inneren Stimme, wandte sich konsequent der Literatur zu und eröffnete ein neues Kapitel – nicht nur als Autor, sondern als Erzähler, der Menschen dort berührt, wo Worte bleiben.

Sein Debüt war ein einfühlsamer Liebesroman, der die Zerbrechlichkeit menschlicher Nähe mit feiner Sprache und psychologischer Tiefe erkundet. Es folgte ein Familienroman, der mit leisem Ton von generationsübergreifenden Bindungen erzählt – von dem, was trägt, auch wenn alles sich wandelt.

Mit dem packenden Thriller „Alpen Tod“ bewies Burkhard schließlich seine Vielseitigkeit: ein psychologisch dichter Roman, der nicht nur durch Spannung fesselt, sondern auch das Dunkle im Menschen mit Empathie ausleuchtet – angesiedelt im majestätischen, oft gnadenlosen Herz der Schweizer Alpen.

Sein neuestes Werk, die Sammlung, Leises Sternenflüstern und Träume unter Sternen – Gutenachtgeschichten für Erwachsene und Leises Sternenflüsten, zeigt Burkhard von seiner poetischsten Seite. Die darin versammelten Erzählungen sind zart verwobene Miniaturen über Aufbruch, Stille, Heimkehr und Hoffnung – geschrieben für jene Stunde, in der die Welt zur Ruhe kommt und das Herz zu hören beginnt.

René Burkhard schreibt mit einer Sprache, die trägt – klar, menschlich, berührbar. Seine Figuren leben nicht auf dem Papier, sie atmen zwischen den Zeilen. Er ist kein Autor, der belehrt, sondern einer, der begleitet. Einer, der nicht laut wird – aber nach-hallt.

Inhaltsverzeichnis

Der Klang der Sterne

Der Garten der Geschichten

Verborgene Wege

Der Funke der Hoffnung

Die Unsichtbare Verbindung

Der Regenbogen nach dem Sturm

Ein neuer Horizont der Hoffnung

Der Beginn einer neuen Reise

Die Dunkelheit von Zürich

Rückkehr zur Menschlichkeit

Unter dem Sternenzelt

Zwischen den Zeilen der Stille

Der Hafen in mir

Der Garten der verlorenen Träume

Das Licht das bleibt

Vorwort

Zwischen Sternen und Stille

Wenn der Tag sich neigt und die Welt leiser wird – wenn Stimmen verstummen, Gedanken weicher werden und fernes Licht durchs Fenster fällt wie eine Erinnerung – dann beginnen Worte zu flüstern.

Nicht laut. Nicht aufdringlich. Sondern wie Schritte auf vertrautem Boden. Wie das Rascheln eines Vorhangs in der Abendbrise. Wie eine Hand, die sich sacht in deine legt, ohne dich festzuhalten.

Die Geschichten in diesem Buch erzählen nicht vom Großen, sondern vom Wesentlichen. Sie greifen nicht nach der Welt, sondern nach dem, was in uns wohnt – manchmal verborgen, manchmal längst vergessen: eine Ahnung von Nähe. Von Wandlung. Von Licht.

Sie erzählen von Abschieden, die still zu Anfängen wurden. Von Begegnungen, die nicht laut waren, aber tief. Von dem Mut, der nicht glänzt, sondern bleibt – in einem Blick. In einem Lächeln. In einem Ich bin noch da.

Von Liebe ist die Rede. Nicht nur der romantischen, sondern jener, die sich im Kümmern zeigt. Im Bleiben. Im Verzeihen. In dem gemeinsamen Schweigen zwischen zwei Sätzen.

Dies ist ein Buch für jene stillen Stunden, wenn das Herz schwer und zugleich weit ist. Für jene Nächte, in denen wir dem Schlaf nicht entfliehen, sondern uns leise in ihn hineinlegen wollen – mit dem Wunsch, gehört zu werden. Getröstet vielleicht. Oder einfach nur gehalten.

Vielleicht findest du dich zwischen den Seiten wieder. Oder du begegnest jemandem, der in dir nachklingt – lange, nachdem du das Buch geschlossen hast.

Und wenn du dann das Licht löschst, bleibt vielleicht etwas zurück: ein Gedanke. Ein Gefühl. Ein kleines Leuchten – Wie der Nachglanz eines Sterns an deinem inneren Himmel.

Der Klang der Sterne

Die kleine Stadt Rosenthal lag eingebettet zwischen sanften Hügeln und weiten Feldern, deren Korn sich im Wind wiegte wie ein atmender Teppich. Hier schien die Zeit nicht zu rasen, sondern zu flanieren. Die Menschen grüßten einander beim Namen, und der Duft von frischem Gebäck lag oft schon am frühen Morgen in der Luft. In dieser stillen Ecke der Welt lebte Sarah, neunundzwanzig Jahre alt, mit langen, dunkelblonden Haaren und nachdenklich hellgrauen Augen. Sie wohnte im obersten Stock eines Altbaus aus den 1920er-Jahren – in einer Wohnung, die nach Jasmin duftete und deren Balkon mehr einem verwunschenen Garten ähnelte als einem städtischen Rückzugsort.

An jenem Abend lag ein tiefes, beinahe samtiges Blau über dem Himmel – klar und weit, durchzogen von leisen Sternenschimmern. Sarah saß barfuß auf ihrem kleinen Eisenstuhl, die Knie an die Brust gezogen, eingehüllt in eine wollene Decke. Um sie herum blühten Lavendel, Kapuzinerkresse und Nachtkerzen in Tontöpfen, die sie mit kleinen Lichterketten geschmückt hatte. Die Luft roch nach Sommerende – ein Hauch von Heu, vermischt mit der Ahnung eines nahenden Regens.

„Wie still es ist …“, murmelte sie. „Manchmal glaube ich, die Sterne flüstern mir zu, dass ich Teil von etwas Größerem bin. Und gleichzeitig bin ich so klein, dass selbst der Wind mich tragen könnte.“

Ein paar Lichter der Stadt flimmerten in der Ferne – verloren wie Erinnerungen, die man fast vergessen hatte. Und gerade als ihre Gedanken sich im endlosen Nachthimmel verloren, hörte sie das Knirschen von Kies auf dem Weg zum Haus – vertraute Schritte, rhythmisch, gelassen.

Noch bevor sie ihn sah, wusste sie: Max. Zweiunddreißig, mit lachenden Augen und diesem Blick, der nie vollständig ernst, aber immer aufrichtig war. Er trug lässige Stoffhosen, das Hemd locker gekrempelt und in seiner Hand einen Picknickkorb, der vor selbst gemachten Kleinigkeiten fast überquoll.

„Noch nichts gehört von den Sternen?“, neckte er, als er die Terrassentür durchschritt und das Holz unter seinen Füßen leise knarrte. „Nicht, dass sie sich übergangen fühlen.“

Sarah lächelte. „Ich suche meinen Lieblingsstern, aber er scheint sich zu verstecken. Vielleicht wartet er auf dich – damit du ihn mir wie immer aufs Neue vorstellst.“

Max ließ sich neben sie auf den Boden nieder, zog die Schuhe aus und streckte die Beine aus. „Frank, der Güldenstern natürlich. Oder heute Lila, die Schüchterne? Sie zeigt sich nur, wenn du lächelst.“

Sie kicherten leise – ein vertrautes Spiel, so leicht und doch bedeutungsvoll. Für einen Moment schien die Welt draußen weit entfernt. In dieser kleinen Blase aus Licht und Duft waren sie einfach sie selbst – zwei alte Freunde, verbunden durch Erinnerungen, durch das, was unausgesprochen war.

Die Tage wuchsen heller, länger. Rosenthal erwachte unter dem goldenen Atem des Frühlings. In den Gärten blühten Fliederbüsche, Fensterläden standen offen, Kinderstimmen tanzten durch die Straßen. Als Max sie an einem dieser Abende einlud, mit ihm ein kleines Konzert am Fluss zu besuchen, leuchtete etwas in Sarahs Augen auf.

„Musik, Sterne und vielleicht ein Hauch Magie“, hatte er gesagt. Und sie hatte das alte Kleid aus dem Schrank geholt – cremefarben, mit zarten Blüten – und war ihm gefolgt, barfuß durch den warmen Staub der Wege.

Die Lichtung am Flussufer war wie verwandelt. Zwischen den Bäumen hingen bunte Lampions, der süße Duft von Waffeln und gegrilltem Gemüse stieg in die Luft. Überall saßen Menschen auf Decken, lachten, tranken Wein aus kleinen Gläsern.

Sie suchten sich einen Platz in der ersten Reihe – nicht aus Ehrgeiz, sondern weil der Wind dort am wenigsten störte.

Sie sah ihn an. Offen. Wartend.

„Ich bin in dich verliebt. Nicht bloß freundschaftlich. Ganz und gar.“

Die Worte lagen in der Luft wie leuchtende Pollen – leicht, aber voller Gewicht. Sarahs Lippen bebten. Dann flüsterte sie: „Ich… ich auch. Ich hatte nur Angst, dass wir das verlieren, was wir haben.“

„Vielleicht ist es genau deshalb richtig“, antwortete Max. „Weil es aus Freundschaft gewachsen ist.“

Ihre Hände fanden einander. Die Umarmung, die folgte, war mehr als Nähe – sie war der Anfang eines neuen Raumes zwischen ihnen. Einer, in dem Ehrlichkeit wohnen durfte. Und Mut.

In einer Welt, die nicht selten ins Wanken geriet, waren sie sich ein erstes Mal ganz sicher: Hier, genau jetzt, beginnt etwas, das trägt.

Der Winter kam früh nach Rosenthal. Frost legte sich auf Fensterbänke, Atem wurde sichtbar, und die Straßenlaternen warfen lange Schatten auf das Kopfsteinpflaster. Die Stadt wurde leiser. Die Tage schienen kürzer, die Gedanken schwerer.

Sarah und Max saßen auf ihrem abgewetzten Cordsofa, die Beine unter einer alten Wolldecke vergraben, die dampfenden Tassen in der Hand wie kleine Leuchtfeuer gegen die Dunkelheit. Der Fernseher flackerte wortlos vor sich hin und zeigte Szenen aus einer Welt, die weit weg schien – und doch ganz nah war. Ein neues Gesetz, Spannungen in der Stadt, Unruhe, Angst.

„Hast du das gelesen?“, fragte Max leise, seine Stirn gerunzelt. „Es betrifft so viele Menschen hier – Menschen, die wir kennen.“

„Ich weiß“, antwortete Sarah. Ihre Stimme war gedämpft, fast brüchig. „Ich will helfen. Aber ich weiß nicht wie. Manchmal fühlt es sich an, als stünden wir einer Flut gegenüber, und wir hätten nur die Hände zum Schöpfen.“

Lange Stille.

Nur das rhythmische Ticken der Küchenuhr war zu hören, wie ein alter Wächter, der unbeirrt weiter-zählte.

Dann kam ihre Stimme – vorsichtig, aber fest: „Ein Benefizabend vielleicht? Musik, Gemeinschaft, Spenden. Vielleicht können wir zumindest ein kleines Zeichen setzen.“

Max schob seine Tasse zur Seite, legte den Arm um sie. „Wenn jemand Hoffnung schaffen kann, dann du“, sagte er – nicht als Kompliment, sondern als Tatsache.

Die folgenden Wochen waren erfüllt vom Klang rotierender Pinsel, klimpernder Gläser und dem Rascheln bunter Plakate. Das kleine Café von Herrn und Frau Bauer – einst ein Ort für Nachmittage und Zitronenkuchen – wurde zum Epizentrum leiser Revolution. Sarah hängte Aushänge in Fenstern auf, Max telefonierte mit Musikern, Schülern, Freunden.

Manchmal saßen sie bis spät in der Nacht auf dem Boden des Cafés, bunt bekleckste Hände, müde Augen, aber Herzen, die brannten.

„Es fühlt sich so richtig an“, flüsterte Sarah einmal, während sie ein Schild mit dem Wort Zusammenhalt bemalte. „Nicht, weil es leicht ist – sondern weil es wichtig ist.“

Max sagte nichts. Er legte nur den Pinsel zur Seite und berührte leicht ihre Schulter. Sein Blick sagte alles.

Und dann kam der Abend.

Das Café war verwandelt. Zwischen den alten Holzbalken hingen Lichterketten, als hätte jemand Sternbilder hereingeholt, um sie näher an die Herzen der Menschen zu bringen. Es duftete nach Minzlimonade und karamellisiertem Apfel. Das Geschirr klirrte leise, Gespräche füllten den Raum wie Musik vor der Musik.

Sarah trug ein schlichtes blaues Kleid. Ihre Haare waren halb offen, von einer kleinen Spange gehalten, und ihre Augen schimmerten wie nasses Glas im Kerzenlicht. Max trat an ihre Seite – schwarzes Hemd, hochgekrempelte Ärmel, der Blick eines Mannes, der wusste: heute zählt.

„Ich bin so stolz auf dich“, sagte er. „Das hier… ist deine Idee.“

„Unsere Idee“, flüsterte sie, während sie seine Hand nahm und mit ihm zur kleinen Bühne ging.

Die Menschen lauschten. Nicht, weil die Worte laut waren – sondern weil sie echt waren. Max sprach nicht in Sätzen, sondern in Gedanken. Sarah nicht in Formulierungen, sondern in Empathie. Ihre Stimmen flossen ineinander wie zwei Hände, die sich zum ersten Mal ganz halten.

Dann begann die Musik.

Zarte Klänge. Eine Gitarre, eine Geige, ein Herzschlag aus Stimmen. Die Menschen tanzten zwischen den Tischen, sangen mit, ließen los. Fremde gaben einander Tee. Hände fanden sich. Tränen wurden gelächelt.

Und auf dem Balkon, später in der Nacht, standen Max und Sarah wie zwei Figuren in einem Fensterrahmen der Geschichte.

„Heute habe ich zum ersten Mal gespürt…“, flüsterte Max, „… dass wir etwas verändern können.“

Sarah sagte nichts. Sie legte ihre Stirn an seine Schulter. Und der Himmel über ihnen blieb lange klar.

Die Tage danach wurden leiser. Als hätten die Mauern von Rosenthal einen Hauch jener Musik aufgesogen, die noch in der Luft lag – aber nun wie durch Watte klang. Die Euphorie des Benefizabends war verklungen, zurück blieb eine ruhige Klarheit, fast wie nach einem Sommerregen: die Welt draußen hatte sich nicht verändert, aber sie hatten sich verändert.

Sarah saß auf dem Sofa, die Decke bis zum Kinn gezogen, neben ihr Max, beide mit dampfenden Tassen in der Hand. Der Jazz aus dem Radio war kaum mehr als ein Flüstern. Auf dem Tisch lag eine Zeitung, deren Schlagzeilen wie kantige Steine inmitten der weichen Wärme wirkten.

„Ich denke in letzter Zeit oft daran…“, begann sie zögerlich, ihr Blick ruhte auf einem Punkt zwischen Fenster und Horizont, „… was wäre, wenn wir eine Familie gründen würden?“

Max schwieg zuerst. Nicht aus Unsicherheit, sondern weil seine Antwort schon in ihm lebte – weich, rund, ein Wunsch, den er zu lange in Papier gewickelt hatte.

„Ich wünsche es mir auch“, sagte er schließlich, „aber manchmal frage ich mich, ob es… gerecht wäre. In dieser Welt, so wie sie gerade ist.“

Sarah nickte. Ihre Finger spielten an der Kante der Decke. „Vielleicht gibt es nie den perfekten Moment. Vielleicht ist unsere Liebe das Fundament – nicht die Welt da draußen.“

Max zog sie an sich. Und während draußen die kahlen Äste sachte im Wind klirrten, saßen sie beieinander in einem Schweigen, das nichts beweisen musste. Ein Schweigen, das fühlte.

Der Frühling kam zurück – nicht laut, sondern wie ein leiser Besucher, der den Tau küsst und in Ritzen Licht legt. Die Sonne betrat das Schlafzimmer jeden Morgen wie ein vertrauter Freund, der sich nicht ankündigt, aber willkommen ist.

Sarah stand in der Küche, eingehüllt in weiches Morgenlicht, ihre Hände um die Tasse geschlungen. „Was, wenn wir nicht nur für uns etwas schaffen…“, sagte sie, „sondern auch einen Ort. Einen, der Hoffnung gibt. Für andere.“

Max trat hinter sie, legte die Stirn in ihre Schulterbeuge. „Ein Haus. Ein kleiner Garten. Ein Raum für Musik. Für Lachen. Für Geschichten, die man nicht vergisst.“

Sie dachten an Kinder, an Bienen im Lavendel, an Briefe an einem alten Holztisch. Nicht als Flucht, sondern als Haltung. Nicht, um der Welt zu entkommen – sondern um ihr etwas entgegenzusetzen.

In den Wochen danach sprachen sie mit Freunden, malten Skizzen, lachten über mögliche Namen. Nichts davon musste sofort Wirklichkeit werden. Aber jedes Gespräch war wie ein Ziegelstein auf dem Weg zu einem Zuhause, das sie erst erfanden, indem sie daran glaubten.

Und dann – in einer Nacht, als sich zwischen den Gräsern die ersten Glühwürmchen zeigten und der Himmel wie ein stilles Versprechen über der Stadt lag – standen sie Hand in Hand auf dem alten Bahndamm. Unter ihnen das leise Atmen von Rosenthal, über ihnen die Sterne.

Sie sahen einander an und wussten: Vielleicht würde ihr Licht nie das grellste sein. Aber es würde bleiben. Und das war genug.

Nachwort: Wenn Licht sich leise verliebt

Manche Geschichten beginnen nicht mit großen Gesten. Sondern mit einem Balkon voller Lavendel, einer Picknickdecke aus Erinnerung und einem Blick, der mehr sagt als Worte je könnten.

Sarah und Max leben nicht in einem Märchen – sondern in einer kleinen Stadt, in der Zeit flaniert und Lichter nicht nur leuchten, sondern lauschen. Ihre Nähe ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis von gemeinsamem Schweigen, von zartem Vertrauen, von Sternennächten, die sich nicht erklären wollen.

„Ich bin in dich verliebt.“ Ein Satz, schlicht wie der Duft von Jasmin – und doch wie ein leiser Sonnenaufgang in der Brust.

Denn manchmal ist die größte Liebe die, die barfuß kommt. Und bleibt.

Der Garten der Geschichten

Der Himmel hing tief über dem Bahnhof, ein wogendes Dach aus bleigrauen Wolken, aus denen der Regen sacht herabfiel, wie Tinte auf verwischtes Papier. Barbara zog den Kragen ihres Mantels enger, während sie auf den Waggon zuging. Ihre Schritte waren ruhig, fast bedächtig, als ob der Nachmittag ihr seine Melancholie aufgedrängt hätte. Der Innenraum des Zuges roch nach frisch aufgebrühtem Kaffee, altem Leder und dem feuchten Holz der Bahnsteigplanken – ein vertrauter Geruch, der sie gleichzeitig beruhigte und aus der Zeit fallen ließ.

Sie ließ sich vorn nieder, am Fenster, wo sich Tropfen sammelten und in trägen Bahnen die Scheibe hinabzogen. Aus ihrer Tasche zog sie einen Roman mit gebogenem Einband – eine Geschichte über unerfüllte Sehnsucht und leise Hoffnung. Doch als sie in die Seiten tauchte, spürte sie etwas, das stärker war als das gedruckte Wort.

Ein Blick.

Sie hob den Kopf.

Ein paar Reihen weiter saß ein junger Mann, dem Fenster zugewandt. Der Regen spiegelte sich auf seiner Wange, und sein Ausdruck war gedankenverloren – als hörte er einer Musik zu, die nur für ihn spielte. Seine dunklen Haare fielen leicht in die Stirn, und das sanfte, goldene Licht des Abends tanzte in den Konturen seines Gesichts.

Barbara schluckte trocken. Ihre Finger spielten fahrig am Buchrücken. Da war eine plötzliche Wärme, die nichts mit dem Tee zu tun hatte, den sie sich heute nicht gegönnt hatte.

„Sind Sie auch auf dem Weg zur Arbeit?“ Ihre Stimme klang leiser, als sie beabsichtigt hatte. Fast wie der Wind, wenn er durch Buchenblätter huscht.

Der Fremde drehte sich zu ihr und lächelte – nicht überrascht, nicht forciert, sondern wie jemand, dem man ein gutes Lied vorspielt, das er längst kennt. „Ja. Ich beginne heute meine Ausbildung als Landschaftsgärtner.“ Er sah sie fragend an. „Und Sie? Ausbildung?“

„Buchhändlerin“, sagte sie, etwas zu rasch, dann fügte sie mit einem stolzen Hauch hinzu: „Bücher waren immer meine zweite Luft. Ich will das weitergeben – das Staunen, das Verlieren in anderen Welten.“

„Bücher und Gärten …“ Er sprach es aus, als koste er die Worte. „Zwei Orte, an denen man wachsen kann.“

So begann das Gespräch – vorsichtig zunächst, dann freier. Sie sprachen über Lieblingsbücher und Kindheitserinnerungen, über Erde unter den Nägeln und den Geruch frisch gedruckter Seiten. Die Zeit im Zug zerrann ihnen zwischen den Worten, und als der nächste Bahnhof näher kam, spürte Barbara, wie sich ein kleiner Knoten im Bauch bildete. Sie wollte nicht aufstehen. Nicht jetzt.

„Hugo!“, rief sie, als sie bereits ihre Tasche schulterte. „Wären Sie morgen wieder im Zug?“

Er blinzelte, überrascht – dann erschien das Lächeln wieder. Das Lächeln, das einen Menschen öffnet, ohne dass er ein Wort sagt. „Ich würde mich freuen. Wirklich.“

Und als Barbara auf den Bahnsteig trat, war der Regen nicht mehr ganz so grau. Irgendetwas hatte sich verschoben – kaum sichtbar, aber unübersehbar.

Die Begegnungen im Zug wurden zur leisen Konstante ihres Alltags – wie der erste Schluck Kaffee oder der Geruch nach Papier zwischen frisch gelieferten Buchseiten. Montag, 8 Uhr, war kein Wochentags Beginn mehr, sondern ein Ritual. Manchmal stieg sie ein paar Minuten früher ein, nur um sich über ihr eigenes Herzklopfen zu wundern.

In ihrer Ausbildung nahm sie gelegentliche Verspätungen klaglos in Kauf. Was zählte, war der Moment, wenn der Zug ruckelte, losrollte – und Hugo seinen Blick vom Fenster abwandte, um sie anzusehen.

Einmal, nach einem langen Tag, setzten sie sich in die kleine Bahnhofscafeteria. Die Fenster beschlugen, der Geruch von Croissants und Bohnenkaffee machte die Enge behaglich. Um sie herum Menschen, Zeitung raschelnd oder in Gespräche vertieft. Aber alles, was Barbara hörte, war seine Stimme.

„Heute hat uns mein Ausbilder in einen alten Landschaftsgarten mitgenommen“, schwärmte Hugo. „Es war wie ein anderes Land. Ich habe dich mir dort vorgestellt … wie du zwischen Iris und Salbei gehst, ein Buch in der Hand.“

Sie lächelte. „Und ich habe mir vorgestellt, dass deine Gärten Geschichten erzählen könnten. Vielleicht einen Ort, an dem Leser zwischen Rosen lesen und Lavendelseiten umblättern.“

Er sah sie lange an. „Ein Buchgarten“, sagte er schließlich. „Das klingt nach etwas, das es geben sollte.“

Wochen gingen ins Land. Der Duft des Spätsommers wich dem Atem des nahenden Herbstes. Doch ihre Gespräche wurden nur reicher. Barbara merkte, wie seine Erzählungen über Pflanzen und Erdreich sie erfüllten. Und Hugo wiederum sog ihre literarische Leidenschaft auf wie Regen in lehmigem Boden.

Der Ausflug kam fast wie von selbst. Ein Picknick, weit draußen vor der Stadt. Zwischen den sanft wogenden Hügeln legten sie eine Decke auf die Wiese. Der Himmel spannte sich weit, Mohn und Kamille wehten in der Brise.

Barbara lag auf dem Rücken und schloss die Augen. „Hier könnte man pflanzen, was das Herz liebt. Figuren aus Büchern. Orte aus Träumen.“

Hugo stützte sich auf den Ellbogen, betrachtete sie. „Lass es uns bauen. Deinen Garten der Geschichten.“

Sie öffnete die Augen und nickte – und irgendetwas in diesem Nicken sagte mehr als jede Liebeserklärung es je könnte. Ein Jahr später war alles anders – und doch ganz bei sich. Die Wohnung war klein, die Decken niedrig, aber das Lachen hallte darin wie in einer Kathedrale. Bücher lagen auf der Fensterbank, zwischen Kräutertöpfen, und überall hingen Bilder: Wiesen, Züge, ihre Gesichter, halb im Schatten.

Barbaras Buchladen hatte geöffnet – ein verwinkelter Ort voller Ecken, Nischen und Kissen. Leser kamen nicht nur wegen der Bücher, sondern wegen der Geschichten zwischen den Seiten. Barbara war mittendrin: eine Gastgeberin für Gedanken. Hugo half, so gut er konnte. Doch mit der Zeit wich sein Blick häufiger ins Leere. Er kam später heim, redete weniger. Barbara spürte es zuerst an der Stille – nicht kalt, nicht feindlich, aber seltsam fern.

An einem Abend, der golden begann, aber grau-violett endete, saßen sie sich in der kleinen Küche gegenüber. Das Licht brach sich im Teeglas.

„Ich mache mir Sorgen“, sagte Barbara leise. „Du bist oft nicht da. Und ich… ich vermisse uns.“

Hugo schwieg. Dann legte er die Hände flach auf den Tisch. „Ich will das hier. Dich. Unser Zuhause. Aber ich muss etwas aufbauen, das bleibt. Verstehst du das?“