Die Stiller - Alois Epple - E-Book

Die Stiller E-Book

Alois Epple

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Beschreibung

Die Familie der Stiller stammte aus Wessobrunn, ließ sich in Ettringen nieder und zählt zu den bekannten Baumeister- und Stuckatorenfamilien Süddeutschlands im Barock. Vor allem Matthias Stiller stuckierte ähnlich wie der Wessobrunner Johann Schmuzer. Sein Sohn Michael stuckierte noch Gitter-und Bandelwerk. In seinen späten Jahren war er nur noch Baumeister. Seine Söhne Martin und Joseph bauten nur noch wenige Kirchen.

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Seitenzahl: 429

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Vorwort

Im Jahre 1984 erschien meine Arbeit „Die Stiller“ in den Reihen „Heimat Schwaben“ und „ars bavarica“. Das Buch war bald vergriffen. Seitdem wurden Zuschreibungen durch Archivfunde bestätigt bzw. neue Arbeiten entdeckt und weiteres Material zur Stuckatoren- und Baumeisterfamilie der Stiller gefunden.

Aber auch die Erforschung anderer Wessobrunner Stuckatoren und Baumeister, die zur Zeit der Stiller tätig waren, blieb nicht stehen. Besonders die Dissertation von Hans Rohrmann über „Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts“ und meine Arbeiten über Johann Schmuzer warfen ihre Schatten auch auf die Stiller.

Es sei jedoch auch darauf hingewiesen, dass die Erforschung von Stuckatoren im Allgemeinen und von Wessobrunner Stuckatoren im Besonderen in der Kunstgeschichte zur Zeit etwas zurückhaltend ist. All dies rechtfertigt es, meine Arbeit von 1984 neu und erweitert heraus zu bringen.

Bei den einzelnen Teilkapiteln sind immer die Quellen und die Literatur angegeben. Da sich viele dieser Arbeiten im „Dehio“, im „Lexikon der Wessobrunner“1 und in meiner Arbeit über die Stiller2 finden, fehlen diese drei Publikationen in den Literaturlisten.

Es wurde hier absichtlich ein Format gewählt, welches einen breiteren Satzspiegel hat, damit auch Bilder im Querformat besser zur Geltung kommen.

Es war für mich ein Glücksfall, dass sich Dr. Felix Löcherer bereit erklärte, an diesem Werk mitzuarbeiten. Einmal konnte er sehr gutes Fotomaterial liefern, zum andern ist er, als freier Mitarbeiter der Kunstinventarisation des Bistums Augsburg, hierzu geeignet wie wohl kein anderer. Und schließlich war er ein zuverlässiger Lektor, der auch sehr gute Anregungen zur Gestaltung dieser Arbeit gab.

Türkheim, 2020

1 Hugo Schnell und Uta Schedler: Lexikon der Wessobrunner, München & Zürich 1988, S. 359, 360.

2 Epple, Alois: Die Stiller, München 1984.

Inhalt

Einleitung

Simon Stiller

Matthias Stiller

Biographie

Erste Arbeiten in Türkheim

Kleines Schloss in Türkheim

Pfarrkirche St. Nikolaus in Großaitingen

Pfarrkirche St. Justina in Wörishofen

Pfarrkirche St. Martin in Tussenhausen

Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Landsberg a.L.

Rathaus in Türkheim

Institutskapelle der Engl. Fräulein in Mindelheim

Friedhofskirche Zur Hl. Dreifaltigkeit in Landsberg a.L.

Pfarr- u. Wallfahrtskirche Mater Dolorosa in Klimmach

Pfarrkirche Maria Heimsuchung in Amberg

Pfarrkirche St. Michael in Bayerniederhofen

Pfarrkirche St. Martin in Langenneufnach

Kapelle Unserer Lieben Frau in Tussenhausen

Pfarr- und Wallfahrtskirche U. L. Frau in Kirchhaslach

Antoniuskapelle in Schnerzhofen

Pfarrkirche St. Nikolaus in Wiedergeltingen

Pfarrkirche Hl. Kreuz in Burg

Ehem. Kreuzherrenkirche in Memmingen

Pfarrkirche St. Vitus in Nassenbeuren

Michael Stiller

Biographie

Kleinere Arbeiten in der Herrschaft Schwabegg

Mögliche Arbeiten in Landsberg a. L.

Pfarrkirche St. Georg in Bedernau

Pfarrkirche St. Martin in Ettringen

Pfarrkirche St. Martin in Boos

Fuggerschloss in Babenhausen

Pfarrkirche St. Maria und St. Florian in Waltenhofen

Pfarrkirche St. Alban in Walkertshofen

Institutskapelle der Engl. Fräulein in Mindelheim

Pfarrkirche St. Andreas in Babenhausen

Friedhofskirche St. Maria in Babenhausen

Pfarrkirche St. Georg in Kirchsiebnach

Schul- und Mesnerhaus in Klimmach

Rochuskapelle in Schwabmühlhausen

Dominikanerkloster in Kirchheim

Pfarrkirche St. Stephan in Oberroth

Antoniuskapelle in Schnerzhofen

Wallfahrtskirche Maria Trost in Haupeltshofen

Jesuitenkirche in Mindelheim

Leonhardskapelle in Balzhausen

Filialkirche St. Ulrich in Hürben

Pfarrkirche St. Silvester in Hiltenfingen

Spital in Türkheim

Pfarrkirche St. Peter und Paul in Oberigling

Pfarrkirche St. Laurentius in Reinhartshausen

Maria Vesperbild in Ziemetshausen

Pfarrkirche St. Ulrich in Aichen

Pfarrhof in Türkheim

Pfarrkirche in Markt Wald

Pfarrkuratiekirche St. Leonhard und St. Sebastian in Mohrenhausen

Pfarrkirche Allerheiligen in Niederraunau

Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Türkheim

Pfarr- und Wallfahrtskirche in Klimmach

Pfarrkirche St. Ulrich in Dietershofen b. B.

Schloss Wellenburg

Pfarrkirche St. Martin in Lamerdingen

Leonhardskapelle in Türkheim

Pfarrkirche St. Martin in Gablingen

Wohnung des Oberjägers in Schwabegg

Fuggerschloss in Markt Wald

Pfarrkirche und Pfarrhof in Klimmach

Pfarrkirche St. Martin in Tussenhausen

Pfarrkirche St. Martin in Schwabmühlhausen

Pfarrkirche St. Silvester in Zaisertshofen

Johann Adam Stiller

Biographie

Wendelinkapelle in Berg

Anton Stiller

Johann Martin Stiller

Biographie

Pfarrkirche St. Martin in Ettringen

Pfarrhof in Unterrammingen

Pfarrkirche St. Silvester in Hiltenfingen

Friedhof in Unterrammingen

Ferdinand Stiller

Joseph Stiller

Biographie

Kleinere Arbeiten

Pfarrstadel in Klimmach

Pfarrhof in Klimmach

Kapelle zu Unserer Lieben Frau in Oberrammingen

Pfarrkirche St. Magnus in Unterrammingen

Pfarrkirche St. Martin in Lamerdingen

„Stillersche Kinder“

Zusammenfassung

Auftraggeber

Arbeitsgebiet

Konkurrenz

Mitarbeiter

Finanzielle Verhältnisse und Verdienst

Bauformen

Stuck

Anhang

Abkürzungen

Einleitung

Diese Arbeit beschränkt sich auf die Mitglieder der Familie Stiller, welche in Ettringen in Bayerisch-Schwaben ansässig waren. Baumeister oder Stuckatoren mit dem Familiennamen „Stiller“ lebten nämlich auch an anderen Orten. So wohnte ein Zweig der Stiller auch in Säckingen, ein anderer in Augsburg und wieder ein anderer in Wessobrunn.3

Stiller in Wessobrunn:

Anton Stiller,

gypsator

in Forst (1715 – 1763)

Augustin Stiller,

Stuckhador von Wessobrunn

(erwähnt 1753)

Benedikt Stiller, Maurer von Forst (1702 – 1771)

Jakob Stiller, Stuckator (1710 – 1756)

Jakob Stiller,

gypsator

(ⴕ 1781)

Matthäus Stiller, Maurer und Stuckator (ⴕ 1739)

Stiller in Säckingen:

Caspar Stiller, Stuckator und Maurer (ⴕ 1740)

Georg Adam, Stuckator (* 1711)

Johannes Stiller, Stuckator (ⴕ 1755)

Stiller in Augsburg:

Johannes Stiller, Stuckator (erwähnt 1698)

Gemeinsam ist, dass alle diese Maurer und Stuckatoren mit dem Namen „Stiller“ aus Wessobrunn stammten. Wegen der großen Berufskonkurrenz im Schatten des Klosters Wessobrunn wichen einige in Gegenden aus, wo sie sich ein besseres Auskommen versprachen. Die bedeutendsten Baumeister und Stuckatoren dieser weitverzweigten Familie lebten allerdings in Ettringen und arbeiteten in der Umgebung dieses mittelschwäbischen Dorfes.

Bemerkung:

Den Sohn von Simon Stiller bzw. Vater von Michael Stiller schreiben wir hier „Matthias“ und übernehmen damit die Schreibweise aus dem „Lexikon der Wessobrunner“. 4 In den Quellen und in der Literatur finden sich auch folgende Schreibweisen: Mathias, Matheus, Matheis.5

3 Hugo Schnell und Uta Schedler: Lexikon der Wessobrunner, München & Zürich 1988, S. 289 – 297.

4 Hugo Schnell und Uta Schedler: Lexikon der Wessobrunner, München & Zürich 1988, S. 291

5 Es ist anzunehmen, dass Stiller seinen Namenstag am 21. September, am Fest des „Zöllners“ Matthäus, feierte.

Simon Stiller

Die Stiller-Familie stammt aus der Gegend um das Kloster Wessobrunn.

Hier lebte ein Matthias Stiller (1) und arbeitete wohl auch als Maurer und Stuckator. Sein Sohn Simon kam am 5. Oktober 1643 zur Welt. Das könnte in Unterstillern, früher Pählschwang genannt, oder in Gaispoint gewesen sein.6 1662, also mit ungefähr 19 Jahren, wurde er in den Stuckatoren-Trupp von Matthias Schmuzer (2) aufgenommen 7 und kann um 1668 und 1674 als Mitarbeiter von Matthias Schmuzer (2) nachgewiesen werden.8

Wahrscheinlich arbeitete Simon Stiller schon 1664 bei der Stuckierung der Kirche in Unterstillern bei Matthias Schmuzer (1) und Matthias Stiller (2) mit.9 Er brachte es bis zum Palier, zum Vorarbeiter von Matthias Schmuzer (2).

Er stuckierte unter diesem

um 1668 im Reichsstift St. Ulrich und Afra in Augsburg

10

,

um 1668/1674 in Schongau

11

,

wohl 1671/72 in der Stadtpfarrkirche in Pfaffenhofen a.d. Ilm

12

,

1672 am kleinen Wasserturm in Augsburg

13

.

1677/78 arbeitete Simon Stiller auch bei der Stuckierung in der Türkheimer Pfarrkirche neben Johann Schmuzer, Matthias Schmuzer (2) und Chrisostomus Zöpf

14

,

vielleicht 1682 in der Pfarrkirche in Belzheim

15

,

1689 – 1683 in Oettingen:

in der evangelischen Pfarrkirche St. Jakob,im Neuen Schloss. Hier arbeitete Simon Stiller im Vortrupp des Matthias Stiller (2) zu einem Tageslohn von 30 kr.16

Vielleicht arbeitete Simon Stiller um 1670/80 in der Filialkirche in Bergstetten

17

,

1686 im Prälatenbau des Augustiner-Chorherrenstifts Hl. Kreuz in Augsburg.

18

Als sein Meister Matthias Schmuzer (2) Ende des Jahres 1686 starb, machte sich Simon Stiller selbständig. Er zog mit seiner Frau Barbara, geb. Schmid aus Hiltenfingen, von Göggingen nach Augsburg und richtete dort ein Gesuch an die Stadt, um Übertragung des Beisitzes von Matthias Schmuzzer auf ihn: Demnach kurz verruckter tagen mein gewester Meister Matthäus Schmuzer, gewester Beysitzer und Structur-arbeiter allhier seel. sich des zeitlichen gesegnet, wäre ich vorhabens, anstatt dessen, ansehen ich bey ihme in die 24 jahr als ein Ballier gearbeitet, den alhiesig löbl. Beysitz, mass ich besshero sonsten mich gleich wie annoch häuslichen in Göggingen ufgehalten, umb besser meiner zeitlichen wolfahrt, gegen laistender schuldig-gebühr, anzunahmen und Maister zu werden. Diesem Gesuch wurde bald, also noch 1687, vom Rat der Stadt zugestimmt.19

Als selbständiger Stuckator-Meister führte Simon Stiller vielleicht die Werkstatt von Matthias Stiller (2) weiter 20 und beendete wohl die noch unvollendeten Arbeiten seines verstorbenen Meisters:

1687 den Prälatenbau des Augustiner-Chorherrenstifts Hl. Kreuz

21

,

1687 die Pfarrkirche in Affing, im Auftrag von Freiherr von Leyden

22

,

1687/88 die Klosterkirche (heute Pfarrkirche) in Kühbach.

23

Diese Zuschreibung an Simon Stiller ist allerdings recht spekulativ, schon deshalb, da zeitnaher vergleichbarer Stuck von Simon Stiller fehlt.

Am 18. September 1688 wurde ein Sohn von Simon und Barbara Stiller in St. Ulrich in Augsburg auf den Namen Franz Joseph getauft. 24 Von seinen insgesamt sechs bisher nachgewiesenen Kindern sind namentlich noch bekannt Johann und Matthias, benannt nach seinem Großvater. 25 An selbständigen Arbeiten ist nur noch die Stuckierung der Heilig-Kreuz-Kapelle im Augsburger Dom bekannt.26

Simon Stiller starb am 14. Februar 1691 an hitziger Krankheit27.

Nach seinem Tod führte seine Witwe das Geschäft ihres Manns eingeschränkt weiter. Die Fertigstellung des Stucks in der Heilig-Kreuz-Kapelle im Augsburger Dom gab sie an den Stuckator Giovanni Niccoló Perti (1656 – 1718) ab, der hier in den Jahren 1692 und 1693 tätig ist. Ihr Sohn Johann Stiller wurde bei Perti beschäftigt28 und ließ sich 1698 in Augsburg nieder.29 Den weiteren Lebensweg der Witwe Johann Stillers, bis zu ihrem Wegzug nach Wien, beschreibt Adolf Buff.30

Am Wessobrunner Stuck zur Zeit Simon Stillers ist charakteristisch:

das Quadratursystem, der Überzug des Gewölbes mit einem „Gitter“ und

die Betonung von Architekturlinien, wie Stichkappengrate, durch aufgelegte Stäbe.

Allerdings verließ schon Matthias Schmuzer (2) das Quadratursystem. Nur noch im Gewölbescheitel erinnern abgeänderte „Quadrate“ an diese. Große Flächen füllten Matthias Schmuzer (2) und sein Palier Simon Stiller mit Akanthus und Fruchtgebinden aus, allerdings nicht in derselben Dichte wie Johann Schmuzer.

6 Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung der Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 318, S. 215 Anm. 1290.

7 Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung der Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 93, S. 318, Anm. 1290.

8 Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunnerts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung der Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 318 Anm. 1292.

9 Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung der Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 318.

10 Augustyn, Wolfgang: Die Klostergebäude von St. Ulrich und Afra vom Frühmittelalter bis zu ihrer Zerstörung, in: Manfred Weitlauff (Hg.): Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra in Augsburg, Lindenberg 2011, 1. Bd., S. 780, 2. Bd. 1. 136 – 143; Helmut Gier: Die Bibliothek der Reichsabtei St. Ulrich und Afra und ihr Schicksal, in: Manfred Weitlauff (Hg.): Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra in Augsburg, Lindenberg 2011, 1. Bd., 1027; Hugo Schnell und Uta Schedler: Lexikon der Wessobrunner, München & Zürich 1988, S. 264, Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung der Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 318.

11 Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung der Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 318; Sigfrid Hofmann: Kultbauten der Stadt Schongau, in: Lech-Isar-Land 1962, S. 29.

12 Es ist anzunehmen, dass Simon Stiller überall dort arbeitete, wo Matthias Schmuzer stuckierte.

13 Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung der Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 318; Bernt Hagen und Angelika Wegener-Hüssen: Stadt Augsburg, Denkmäler in Bayern, München 1994, S. 54; nach Hugo Schnell und Uta Schedler: Lexikon der Wessobrunner, München & Zürich 1988, S. 264, stuckierte Matthias (2) Schmuzer und damit wohl auch Simon Stiller, vielleicht an beiden Wassertürmen.

14 BKdm, Ldk. Mindelheim, S. 444 (vgl. auch Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung der Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 231, 262, 318; Alois Epple: Türkheim in der Barockzeit, Türkheim 2000, S. 55.

15 Hugo Schnell und Uta Schedler: Lexikon der Wessobrunner, München / Zürich 1988, S. 264.

16 Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung der Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 81, 101 f, 231, 318, 386; Hugo Schnell und Uta Schedler: Lexikon der Wessobrunner, München & Zürich 1988, S. 264; Elisabeth Grünenwald u.a.: Fürstliches Residenzschloß Oettingen, Oettingen 1993, S. 43, 44, 48,49 ff.

17 Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung der Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 285, 319.

18 Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung der Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 319; Hugo Schnell und Uta Schedler: Lexikon der Wessobrunner, München & Zürich 1988, S. 266.

19 Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung der Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 318, Anm. 1294, S. 319.

20 Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung des Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 93.

21 Epple, Alois: Die Stiller, München 1984, S. 3.

22 Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung des Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 244, 246, 247, 319, Anm. 1297: ABA, BO 2657.

23 Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung des Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 319; Hugo Schnell und Uta Schedler: Lexikon der Wessobrunner, München & Zürich 1988, S. 266; Karl Kosel: Kühbach, kleiner Kirchenführer, München & Zürich 1973, S. 7; Georg Paula und Christian Bollacher: Landkreis Aichach-Friedberg, München 212, S. CSVI, 231.

24 Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung des Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 319.

25 Hugo Schnell und Uta Schedler: Lexikon der Wessobrunner, München & Zürich 1988, S. 297.

26 Bis 1696 war die Schlosskirche in Leitheim fertig. Paula vermutet mehrere Hände beim Stuck dieser Kirche, so u.a. Benedikt Vogel (Georg Paula: Die Schloßkirche St. Blasius in Leitheim, in: 850 Jahre Leitheim, Kaisheim 1997, S. 61). Stilistisch dürfte die Stuckierung schon einige Jahre vor 1696 begonnen worden sein; da Simon Stiller jedoch schon 1691 starb, kommt er schon aus zeitlichen Gründen als Stuckator nicht mehr in Frage (Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung der Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 312, 342).

27 Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung des Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999 S. 321.

28 Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung des Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 183, 218.

29 Stadtarchiv Augburg, Augsburger Hochzeitsamtsprotokoll vom 26.1.1698, frdl. Mitt. von Adolf Layer vom 3.8.1981, zit. auch bei Adolf Buff: Die Anfänge der Stuccaturkunst in Augsburg bis in das 18. Jh., in: Hist. Verein f. Schwaben u. Neuburg, Bd. 23, 1896, S. 18.

30 Adolf Buff: Die Anfänge der Stuccaturkunst in Augsburg bis in das 18. Jh., in: Hist. Verein f. Schwaben u. Neuburg, Bd. 23, 1896, S. 15 – 18.

Matthias Stiller

Biographie

Matthias31 Stiller, ein Sohn des Simon Stiller, dürfte um 1662 geboren worden sein.32 Ein früherer Zeitpunkt ist schwer vorstellbar, da

sein Vater erst 1643 auf die Welt kam und

Matthias Stiller erst 1682 in den Stuckatoren-Trupp von Matthias (2) Schmuzer aufgenommen wurde.

Matthias Stiller dürfte bei seinem Vater, bei Matthias Schmuzer und bei Johann Schmuzer das Maurer- und Stuckatorenhandwerk gelernt haben. Seine selbständigen Arbeiten stehen besonders Johann Schmuzer nahe. In diesem Zusammenhang ist ein Vermerk von 1701 bedenkenswert (Tu 8). Hier bemerkt Matthias Stiller, dass er schon für den Augsburger Bischof stuckierte. Vielleicht ist damit gemeint, dass er als Geselle bei seinem Vater oder bei Matthias Schmuzer (2) an einem bischöflichen Bauwerk mitarbeitete.

Von 1684 bis 1708 besaß Matthias Stiller in Gaispoint-Wessobrunn das Haus zum „Alten Klosterschmied“.33 Da Simon Stiller 1686 schreibt, mich gleich wie annoch häuslich in Göggingen ufgehalten, umb besser meiner zeitlichen wohfahrt, gegen laistender schuldig-gebühr, anzunehmen und Maister zu werden34 könnte Simon Stiller 1684 nach Göggingen gezogen sein, just zu dem Zeitpunkt, als sein Sohn Matthias ein eigenes Haus in Gaispoint bekam.

Warum sich Matthias Stiller in Ettringen 35 ansiedelte, darüber kann nur spekuliert werden:

In Augsburg bzw. in Wessobrunn war die Konkurrenz für einen Baumeister und Stuckator groß.

Ettringen lag in der Herrschaft Schwabegg und der Herrschaftsinhaber, Herzog Maximilian Philipp (1638 – 1705), hatte in seinem Herrschaftsgebiet immer wieder Aufträge an Einheimische zu vergeben.

Stillers Frau Maria kam aus dem benachbarten Hiltenfingen.

Matthias Stiller dürfte 1685/86 in Ettringen ansässig geworden sein, denn seit dieser Zeit war er zeitweise als Maurer beim Bau der Kapuzinerkirche im benachbarten Türkheim tätig. Allerdings ist er schon in einer Türkheimer Kirchenrechnung von 1680/81 erwähnt (vgl. unten).

Denkbar wäre, dass im Jahr 1685, kurz bevor Stiller nach Ettringen zog, sein Sohn Michael geboren wurde. 36 Jedenfalls kam am 29. März 1691 seine Tochter Barbara in Ettringen zur Welt, seine Tochter Rosina heiratete am 13. Februar 1711 einen Andreas Wagner und seine Tochter Katharina ehelichte am 30. August 1713 einen Georg Lang.

Matthias Stiller besaß in Ettringen eine neuerpaute Sölde, welche ganze 700 fl. wert ist (Ki 7). Er war also ein Ettringer Söldner, ein Kleinbauer, ein Nebenerwerbslandwirt. Hauptberuflich war er Baumeister und Stuckator. Die Haupttätigkeit in der Landwirtschaft – wahrscheinlich hatte er nur ein bis zwei Kühe – führte seine Frau aus. Er brachte es in seinem ganzen Leben zu keinem großen Wohlstand. Das zeigt sich schon daran, dass er den Gips, den er aus der Gipsmühle von Hohenschwangau bezog, erst mit großer Verspätung und nach zahlreichen Mahnungen zahlen konnte. Dies lag freilich in erster Linie nicht an ihm, sondern an der Zahlungsmoral seiner Auftraggeber. Aber Matthias Stiller hatte nicht soviel Erspartes, um die Gipsrechnungen zu bezahlen, bevor er nicht von seinen Auftraggebern bezahlt wurde.

Am 7. April 1710 starb Matthias Stiller in Ettringen.

UnderThäniger gehorsambister / Diener und Knecht / Matheis Stiller Maurer= /Maister von Ettering[en], StAAugsburg, Hochstift Augsburg, Neuburger Abgabe, Akten 4361, I.

31 In Schriftstücken wird er Mat(t)hias oder Mathäus oder Matheis geschrieben. Vgl. „Bemerkung“ oben!

32 Layer, A.: Matthias Stiller, Michael Stiller, in: Der Lkr. Mindelheim, Mindelheim 1968, S. 721, nimmt an, dass Matthias Stiller „um 1660“ geboren wurde.

33 Neu, Wilhelm: Zur Häusergeschichte von Gaispoint-Wessobrunn, in: Lech-Isar-Land, 1967, S. 16.

34 Zit. nach Hans Rohrmann: Die Wessobrunner des 17. Jahrhunderts – Die Künstler und Handwerker unter besonderer Berücksichtigung der Familie Schmuzer, St. Ottilien 1999, S. 318, Anm. 1294.

35 Adolf Buff: Die Anfänge der Stuccaturkunst in Augsburg bis in das 18. Jh., in: Hist. Verein f. Schwaben u. Neuburg, Bd. 23, 1896, S. 16, meint, dass Matthias Stiller in Ettringen geboren wurde. Worauf diese Behauptung basiert, findet sich bei Buff nicht.

36 Im Ettringer Taufmatrikel findet sich der Name Michael Stiller jedenfalls nicht!

Erste Arbeiten in Türkheim

Viele herzogliche Aufträge in Türkheim erhielt Johann Schmuzer (1642 – 1701). Er barockisierte im Auftrag von Herzog Maximilian Philipp (1638 – 1705) 1678 das Langhaus der Pfarrkirche, baute 1680 die Bennokapelle und 1681 die Loretokapelle, stuckierte 1685 die Kapuzinerkirche und arbeitete immer wieder im Türkheimer Schloss.37

Als jedoch Matthias Stiller in Ettringen und damit in der Herrschaft Schwabegg, welche dem Herzog gehörte, sesshaft wurde, vergab Maximilian Philipp Arbeiten nur noch an den „einheimischen Meister“ Matthias Stiller. Dies dürfte, neben dem Konkurrenzdruck in Wessobrunn, auch ein Grund gewesen sein, dass Matthias Stiller von Wessobrunn nach Ettringen zog.

So beginnt die Werkliste von Matthias Stiller mit kleineren Arbeiten in Türkheim für den Herzog:

In den Kirchenrechnungen der Pfarrkirche Türkheim von 1680/81 findet sich der Vermerk:

Matheis Styhler, Sheller von Osterettringen

[verehrt]

10 fl

38

.

Vielleicht hängt diese Ausgabe damit zusammen, dass man zu dieser Zeit in die Türkheimer Pfarrkirche eine Orgel setzte.

1686 – 1690: Die Bauleitung der Kapuzinerkirche und des –klosters in Türkheim hatte der Kapuzinerpater Hyazinth. Auf der Baustelle waren bis zu zehn Maurer beschäftigt. Täglich wurde ihr Lohn abgerechnet. Auch Matthias Stiller arbeitete hier ab und zu als Maurer.

39

Kapuzinerkirche, wohl 1688

6. April …Maurer....Matheis Styler 4 ½ Täg 1 fl 32 xr

27. April ...Maurer Matheis Styler ... 3 Täg 1 fl

4. Mai .... 3 Täg Mathes Stiller 1 fl

11. Mai … Maurer...2 ½ Täg Mattheus Stiller 55 x

3. Okt. …Maurer, - Matthias Stiller -

10. Okt. …Maurer...2 Täg ...Matthias Stieller 40 x

Als Stuckator hatte Stiller sich anscheinend noch keinen Namen gemacht, denn den herzoglichen Auftrag zur Stuckierung der Klosterkirche erhielt (noch) Johann Schmuzer (1642 – 1701).

1691: Kleine Umbau- und Gipsarbeiten im Türkheimer Schloss durch Gallus Finsterwalder und Matthias Stiller.

40

1692: Matthias Stiller baut die Wohnungen des herzoglichen Leibarztes und des Schlosspflegers auf dem Schlossareal in Türkheim.

41

1694: Matthias Stiller und Gesellen erhalten für Reparaturen an der Kapuzinerkirche 68 fl.

42

1695: Stuckierung des Kleinen Schlosses (siehe eigenes Kapitel).

43

Um 1697 begutachtet der „Maurermeister von Ettringen“ den Türkheimer Pfarrhof, ein Fachwerkbau mit Nebengebäuden.

44

1700:

Matheis Stiller gips maister zu Ettringen wegen vergipsung des abgebrochenen Welischn Camins in unser gdisten

[gnädigsten]

Frauen wohnzimmer beyligenten Zzötl zalt mit 1 fl 15 x

45

.

37 Epple, Alois: Johann Schmuzer, Baumeister und Stuckator, Nordenstedt 2016.

38 Epple, Alois: Die Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Türkheim – Umbau-, Renovierungs- uind Ausstattungsgeschichte, 2Türkheim 2013, S. 23.

39 Quelle: StAAugsburg, Kurbay. Herrschaften, Akten 1573, Kastenamtsrechnungen. Lit: Epple, Alois: Türkheim in der Barockzeit, Türkheim 2000, S. 87, 88.

40 Lit.: Epple, Alois: Türkheim in der Barockzeit, Türkheim 2000, S. 36; Quelle: StAAugsburg, Kurbay. Herrschaften, Lit. 625, Akten 1573 f, 1573g, 1583g.

41 Quelle: StAAugsburg, Kurbay. Herrschaften, Akten 1573g, 1576, 625, Lit.: Epple, Alois: Türkheim in der Barockzeit, Türkheim 2000, S. 19.

42 Quelle: Frdl. Mitteilung von Adolf Layer am 3.8.1981. Die archivalische Quelle hierzu konnte nicht gefunden werden.

43 Lit.: Epple, Alois: Türkheim in der Barockzeit, Türkheim 2000, S. 36. Quelle: StAAugsburg, Kurbay. Herrschaften, Lit. 625, Akten 1573g, 1583g.

44 Quelle: StAAugsburg, Kurbay. Herrschaften, Akten 1572b, 1584.

45 StAAugsburg, Kurbay. Herrschaften, 625, 45‘ (Kastenamtsrechnungen der Herrschaft Schwabegg). Gemeint ist hier das „Kleine Schloss“ in Türkheim.

Kleines Schloss in Türkheim

Nachdeme Iro Hochfürstl: drtl: [Druchlaucht] Unser gdister [gnädigste] Fürstin unnd Frau pp [Mauritia Febronia (1652 – 1706)] anheur durch den Churfrstl: [kurfürstlichen] Paumaister von München Johann anthonj Viscardj46 zwischen dem Schloß und dem Capuziner Closter, alwo vorhero ein Althana, ein runder Thurm gestanden, unnd darzu noch etwas von dem hervordern Blumengärtl eingeraumbt worden, einen ganz neuen pau auf dero aignen Costen aufführen lassen, ohne das man von ambts weegen etwas darbey zethuen: noch zu bezahlen gehaltne hat, haben sich auch Iro Hochfürstl: Drtl: unser gdister Herr [Maximilian Philipp] pp gdist resolvirt an… So steht es 1695 in den Kastenamtsrechnungen der Herrschaft Schwabegg.47 1696 dürfte demnach der erste Stock des von Giovanni Antonio Viscardi erbauten sogenannten „Kleinen Schlosses“ in Türkheim stuckiert worden sein.

Dass Matthias Stiller hier stuckierte geht aus einem Brief, geschrieben im Auftrag von Herzog Maximilian Philipp (1638 – 1705) an den Pfleger der Herrschaft Angelberg, hervor: … da dieser [Matthias Stiller] doch hiesige schlosszimmer [im Kleinen Schloss in Türkheim] absonderlich, ihr hochfrl drtl. [hochfürstliche Durchlaucht] unser gnädig fraun [Mauritia Febronia] ganzes appartement [erster Stock im Kleinen Schloss] vergibst und gnedigsten contento geben…48 Mit dem Stuck von Matthias Stiller im Kleinen Schloss war das Herzogspaar also zufrieden. Er hatte mit seiner ersten bisher nachgewiesenen und erhaltenen Stuckarbeit seine Visitenkarte abgegeben, welche ihm weitere herzogliche Aufträge einbrachte.

Dieser Stuck im Kleinen Schloss gliedert die Decken in Haupt- und Nebenfelder. Die Hauptfelder bilden Kreise und Rechtecke, welche an den kürzeren Seiten halbkreisförmig erweitert oder ausgeschnitten sind. Die Flächen zwischen den Hauptfeldern sind ausgefüllt mit Nebenfeldern, deren Begrenzungen parallel zu den Hauptfeldern laufen. Die Rahmung der Hauptfelder erfolgt durch Profilrahmen, die innen mit Perl- und außen mit Eierstäben, selten auch mit ionischem Kyma besetzt sind. Die Nebenfelder sind meist mit Perlstab und lesbischem Kyma gerahmt. Zwischen Decke und Wand liegt ein profiliertes Gesims mit Kyma.

Die Türen umgeben geohrte Stuckrahmen mit Perl- und Eierstäben, glatten Leisten, Weintrauben und –laub. Diese Rahmung wird umspielt von geschwungenen Leisten, die in Voluten und Akanthus auslaufen. Der Südeingang zu den Zimmern ist zusätzlich durch eine Muschel hervorgehoben. Der Eingang zum früheren „Kapuzinergang“ ist ein zweiflügeliges Portal, gerahmt mit ionischen Pilastern, verkröpftem Gebälk, gesprengtem Segmentgiebel und querliegender Kartusche, das von tiefen, in Voluten auslaufenden Bändern umschlungen wird. Auf der gegenüberliegenden Portalseite ist die Kartusche durch eine Vase auf einem Postament ersetzt.

Dieser Stuck zeigt eine solide Qualität und eine sehr gute handwerkliche Ausführung. Er steht ganz in der Tradition der Wessobrunner. Die Türrahmungen erinnern an Johann Schmuzer. Der Stuck an den Decken ist noch dem Quadratursystem verpflichtet, welches damals in Wessobrunn schon als unzeitgemäß galt. Man wird überlegen, dass ein Johann Schmuzer die leeren Felder an der Decke wohl mit Akanthus ausgefüllt – man denke nur an den Tassilosaal im ehemaligen Kloster Wessobrunn – und auch die Türrahmungen aufwendiger gestaltet hätte. Dass dies hier nicht geschah ist kein Beweis dafür, dass Stiller nicht die Qualität von Schmuzer erreichte, sondern kann andere Gründe haben: Die Türkheimer Schlossräume sind nicht recht hoch, so dass fülliger Akanthus vielleicht als zu bedrückend empfunden worden wäre. Vielleicht wollten die herzoglichen Auftraggeber auch aus Kostengründen keinen zu aufwendigen Stuck; sie bezahlten diesen ja aus ihrer Privatschatulle! Auch handelt es sich hier nicht um Präsentationssondern um Privaträume, wo eine aufwendige Stuckierung nicht sinnvoll gewesen wäre.49

Quellen: StA Augsburg, Kurbay. Herrschaften Lit. 625, Akten 1573g, 1583g.

Literatur: BKdm, Ldk. Mindelheim, S. 459 f; Epple, Alois und Joder, Robert:

Kleines Schloss Türkheim, Lindenberg 1998; Epple, Alois: Türkheim in der Barockzeit, Türkheim 2000, S. 36.

46 Giovanni Antonio Viscardi (1645 – 1713), graubünd. Baumeister.

47 StA Augsburg, Kurbay. Herrschaften, Lit. 625.

48 StA Augsburg, Kurbayer. Herrschaften, Akt 1585a (Tu 11).

49 Bei der Stuckierung der Füssener Schlosskapelle verlangt der Augsburger Fürstbischof von Johann Schmuzer auch eine bescheidene Stuckierung unter Verzicht auf Akanthus und Früchte. Vgl. Epple, Alois: Johann Schmuzer, Nordenstedt 2016, S. 52 – 56.

Kath. Pfarrkirche St. Nikolaus in Großaitingen

Im Jahre 1698 legte Valerian Brenner aus Günzburg einen Plan für die Erweiterung des Chores der Pfarrkirche in Großaitingen vor. 1700/01 baute dann allerdings Matthias Stiller den Chor und die Sakristei, nebst kleineren Sachen im Langhaus (Gr 5) wie:

die Notturfft in der Sacristey mit dem gewölb unnd andern in gehörigen Standt sezen, solche ausweislen und pflästern Ein neues Kürchen Thor, gegen Vermaurung der 3 (?) allten eingängen ausbrechen, mit dem Bogen versehen undt in rechte form stellen, auch das Vorzaichen in conformitet des zue oberhausen richten. Der Maur gegen dem Ambthaus, allwo der abgebrochene Thurm gestandten, deckhen, Item die hinder dem Chor aufgebrochne Maur auf 15 schueh weithers hinaufsezen, wie auch

- dan dem Chor den Bogen in gehöriger form mit maurwerckh richten

Ihm zur Seite stand ein Maurertrupp aus Wessobrunn mit dem Palier Georg Zöpf50:

Wessobrunner Bautrupp beim Bau des Chores der Pfarrkirche in Großaitingen (Gr 3a und Gr 3b)

1700

1701

Tageslohn

Anzahl der Tage

Anzahl der Tage

Georg Zöpf

36 x

187

121

Bernhard Gigl

28 x

188

90

Mathais Gramer

28 x

181

56

Veit Stiller

28 x

122

74

Veit Erhardt

28 x

73

32

Hans Geiger

28 x

17

-

Bartholomä Glaser

28 x

87

-

Hans Vogl

28 x

151

-

Mathais Walser

28 x

15 ½

-

Skizze des Chores der Pfarrkirche in Großaitingen, um 1705. StA Augsburg, Hochstift Augsburg, Neuburger Abgabe, Akten 4361.

Skizze des Chores der Pfarrkirche in Großaitingen, um 1705.

StA Augsburg, Hochstift Augsburg, Neuburger Abgabe, Akten 4361.

Die Skizzen zeigen nur ungefähr den von Matthias Stiller erbauten Chor.

Danach wurde hauptsächlich im Jahre 1700 gebaut. Wohl in der ersten Jahreshälfte 1701 wurde dann der Chor samt Sakristei fertig gestellt.

In den Heiligenrechnungen 1699/1700 steht: Ingleichen hat Matheis Stiller, Maurermeister von Ettringen, wegen auferbauung eines newen Chors wie auch vorgenommener anderer repartion…. mit demselben aufgerichten Spaltzetel neben seinem Balier von Maurergesellen 465 fl erhalten.51 Von Juni bis August 1701 wurden, nach Plänen von Matthias Stiller, Arbeiten im Langhaus ausgeführt, unter anderem wurden die Emporen eingebaut. Da Stiller nicht immer anwesend war, nahm sein Palier Georg Zöpf mehrere Abschlagszahlungen entgegen (Gr 4). Im Jahre 1702, als Matthias Stiller seine Bauarbeiten schon fertig hatte, stellte er fest, dass er sich verrechnet hatte und bat das Augsburger Domkapitel, zu den 835 fl, die vereinbart waren, noch etwas draufzulegen.

Der Chor ist zweiachsig, mit dreiseitigem, also ⅝-Schluss. Innen werden die Chorwände durch Doppelpilaster bzw. in den Ecken durch gebrochene Pilaster auf hohen Sockeln mit „Rokoko“-Kapitellen und kräftigen Gebälkstücken darüber gegliedert. Der Chor ist von einer Stichkappentonne aus verputztem Holz überspannt.52 Die oben gerundeten Fenster reichen hoch bis in die Stichkappen hinein.

Außen zeigen sich am Chor toskanische Pilaster, die an den Ecken gebrochen sind, über hohem Sockel. Über den Kapitellen liegen schlichte, kleine Gebälkstücke und ein profiliertes Gesims unter dem Dachansatz. Die Gebälkstücke werden durch eine dünne Leiste ungefähr halbiert. Diese läuft um den ganzen Chor. Über den Rundbogenfenstern finden sich schmale, halbkreisförmige Putzbänder. Diese Bänder finden sich auch an der von Stiller erbauten Kirche in Klimmach und an der von Stiller erbauten Kapelle in Schnerzhofen. Sie sind ein Leitmotiv des Maurermeisters Matthias Stiller.

Chor der Pfarrkirche in Großaitingen.

Foto: Felix Löcherer.

Pilaster über hohem Sockel. Über den toskanischen Kapitellen liegen Gebälkstücke und darüber ein profiliertes Gesims unter dem Dachansatz. Die Gebälkstücke werden durch eine dünne, ganz umlaufende Leiste ungefähr halbiert. Über den Rundbogenfenstern finden sich schmale halbkreisförmige Putzbänder, wie auch in Klimmach.

Es ist anzunehmen, dass Matthias Stiller auch die Gliederung mit Pilastern und Gebälk im Chorinnern vornahm. Vielleicht stuckierte er auch den Chor. In den Jahren 1753/54 kam allerdings durch Franz Xaver Feichtmayr d. Ä. (1698 – 1763) neuer Stuck in den Chor.53

Anhaltspunkte für die Annahme, dass Matthias Stiller 1701 auch den Chor stuckierte, sind:

Die Gliederung durch Pilaster und Gebälk liegt ganz in der Tradition der Wessobrunner um diese Zeit und Stiller kannte sie von Schmuzer und seinem Vater.

Wären diese Gliederungselemente Mitte des 18. Jahrhunderts nicht vorhanden gewesen, so hätte diese Feichtmayr nicht neu gemacht, denn damals waren sie nicht mehr modern.

Um die Zeit, als Matthias Stiller hier nachweislich baute, wurde viel Gips verbraucht und ein Hans Prucker machte damals einen „Hobel zum Gips“. Es wurde also damals stuckiert!

Im Schriftverkehr des Herzogs Maximilian Philipp mit dem Pfarrer von Tussenhausen meinte der Herzog, dass Matthias Stiller schon sechs Kirchen „an der Straße“ stuckierte und Großaitingen lag „an der Straß“ (Tu 7).

54

Weiter ist hier (Tu 7) erwähnt, dass Stiller auch schon „für den Augsburger Bischof“ stuckierte. Da die Kirche Großaitingen dem Augsburger Domkapitel gehörte, könnte die Stuckierung hier damit gemeint sein.

In den Kirchenrechnungen 1705/06 steht noch, dass Matthias Stiller mit drei Gesellen, unter der Aufsicht des Wessobrunners Georg Feuchtmair (*1676)55, das Kirchenpflaster verlegte.

Zusammenfassung:

Matthias Stiller tritt in Großaitingen als Baumeister auf, dürfte hier allerdings auch stuckiert haben. Zur Ausführung engagiert er einen Maurertrupp aus Wessobrunn. Zwar ist der Chor traditionelle Architektur, trotzdem setzte er eine architektonische Kenntnis von Großbauten voraus. Die Außengliederung des Chores wird ein Stillersches Leitmotiv.

Archivalien: StA Augsburg, Hochstift Augsburg, Neuburger Abgabe, Akten 4361; Stiftungsrechnungen 1699 – 1702 in der Pfarrregistratur Großaitingen (ausgewertet von Winfried Zimmermann).

Literatur: Klughammer, Peter: Großaitingen, kleiner Kirchenführer, Großaitingen o.J.; BKdm, Ldk. Schwabmünchen, S. 39 – 42; Zimmermann, Winfried: Die Pfarrkirche Großaitingen, in: Heimatverein für den Landkreis Augsburg, H. 28, 2001/02, S. 336 ff; Pfänder, Armin: Großaitingen – Kath. Pfarrkirche St. Nikolaus und Kapellen, kleiner Kirchenführer, Passau 2007.

50 Hugo Schnell und Uta Schedler: Lexikon der Wessobrunner, München & Zürich 1988, S. 359/60.

51 Zit. nach Zimmermann, Winfried: Pfarrkirche Großaitingen, in: Heimatverein für den Landkreis Augsburg; 2001/02, S. 336.

52 In einem Schreiben erwähnt Matthias Stiller, dass er das Chorgewölbe aus Holz baute (Gr 1).

53 Hugo Schnell und Uta Schedler: Lexikon der Wessobrunner, München & Zürich 1988, S. 86.

54 StA Augsburg, Kurbayerische Herrschaften 1585 aI.

55 Hugo Schnell und Uta Schedler: Lexikon der Wessobrunner, München & Zürich 1988, S. 92. Georg Feichtmayr arbeitete auch in Klimmach bei Matthias Stiller.

Pfarrkirche St. Justina in Wörishofen

Um 1700 wurde wohl der gotische Chor der Wörishofer Pfarrkirche neu gewölbt, die Fenster gerundet, das Langhaus neu gebaut. Die Datierung ergibt sich aus einer Kartusche im Chorbogenscheitel der Kirche, auf welcher stand: MDCC.56

Die Gewölbebauweise spricht dafür, dass ein „Wessobrunner“ den Um- bzw. Neubau vornahm. In Frage kämen ein Schmuzer oder Matthias Stiller. Freilich ist die Architektur der Kirche zu konventionell und zu bescheiden, als dass sie eine Zuschreibung auf Grund von stilistischen Besonderheiten liefern würde.

Allerdings gilt es zu bedenken:

Wörishofen ist nur gut zehn Kilometer von Ettringen, dem Wohnort Matthias Stillers, entfernt.

Es gab damals keinen Baumeister in oder um Wörishofen, welcher Kirchen bauen konnte.

Das Langhaus ist einfach und konventionell gebaut, dies konnte auch ein Baumeister von der Qualität eines Matthias Stiller leisten.

Wenn Stiller hier schon stuckierte, warum sollte er dann nicht auch gebaut haben?

Der Stuck in der Pfarrkirche wurde um 1700, auf jeden Fall vor 1701, von Matthias Stiller entworfen und von ihm und seinen Mitarbeitern ausgeführt.57 Dies geht aus einem Schreiben des Pflegers der Herrschaft Angelberg an Herzog Maximilian Philipp vom 4. April 1701 hervor. Dort heißt es: …, hat man in bedenckhen / dess Stillers arbaith 1. wie mann von wöris /hofen und neb der strass herein bericht hat, / nit allerdings Prob halten solle, … (Tu 6).

Der Chor hat ein Stichkappengewölbe. Ein großes Hauptfresko wurde um 1780 neu an die Decke gemalt und mit einem Profilrahmen umgeben. Damit waren ein großer Teil des ursprünglichen Stucks und die Stillersche Organisation des Chorgewölbes nicht mehr gegeben. Östlich und westlich dieses Rokoko-Freskos sind noch kleinere Kreisfelder mit Blätter- und Früchterahmen von Matthias Stiller erhalten. An drei Seiten dieser Felder schließen sich Muscheln an, welche durch Blumengebinde, die an Bändern hängen, verbunden sind.58 Die Kappengrate sind durch bandumwundene Früchtestäbe betont.59 Vier Zwickel wurden um 1780 umstuckiert, während sich in den anderen Zwickeln spiraliger, sich teils überlappender und schattender 60 Akanthus von Matthias Stiller findet. Die Kappen haben gemalten Brokat und zeigen wohl nicht mehr den Zustand, den Stiller ihnen gab. Die Fenster, im Norden teils blind, wurden unten, wohl erst in der Zeit nach Stiller, verkürzt. Ihre Rundungen reichen oben eng an die Kappen des Gewölbes heran. Über den Fenstern sind geflügelte Engelsköpfe bzw. Muscheln gedrängt. Diese sind seitlich von Akanthus umgeben und laufen in Fruchtgehängen aus. Zwischen den Fenstern befinden sich Pilaster. Diese gehen in Chorbankhöhe von einem Gesims aus und laufen zu einem korinthisierenden Kapitell mit Akanthus. Darüber liegen doppelte Gebälkstücke. Auf dem oberen Gebälkstück sind je drei stehende Akanthusblätter. Bei den Fensterlaibungen säumen Kyma lange Felder. Im Scheitel dieser Felder befinden sich Rosetten.

Pfarrkirche St. Justina in Wörishofen, um 1890.

aus Epple, Alois: Vorträge über Sebastian Kneipp, Nordenstedt 2020.

Trotz der neuromanischen Umgestaltung der Kirche in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts blieb der Barockstuck weitgehend erhalten. Auffallend ist der voluminöse Akanthus, der schattenden Raum schafft. Die Stichkappen sind mit Blattstäben belegt und somit betont. Die Fresken sind durch Frucht- und Blattkränze gerahmt.

Den Chorbogen säumt im Westen eine Fruchtgirlande, beidseitig begleitet von Kyma. Im Scheitel befindet sich eine Kartusche mit Uhr und der ursprünglichen Jahreszahl MDCC. Die Kartusche ist mit Akanthus gerahmt.

Im Langhausgewölbe sind nur die östlichen drei Achsen beachtenswert.61 Hier beherrscht ein Quadrat, mit an allen Seiten halbkreisförmigen Ausbuchtungen, das Gewölbe. Die gleiche Form verwendet Stiller anschließend wieder im Chor der Pfarrkirche in Tussenhausen und im Langhaus der Stadtpfarrkirche in Landsberg am Lech.62 Es ist von einem Lorbeerstab, der von schmalem Kyma begleitet wird, gerahmt. Im Osten, an den Chorbogen anschließend, ist nur die Hälfte eines ausgebuchteten Quadrates stuckiert. Die Stichkappengrate sind wieder durch bandumwundene Lorbeer- bzw. Eichenlaubstäbe betont. Die Zwickel, in welche die Ausbuchtungen der Scheitelgewölbefresken reichen, sind mit spiraligem, symmetrischem, teils überlappendem und stellenweise schattendem Akanthus ausgefüllt. In den anderen Zwickeln befinden sich runde Gemäldefelder mit Früchtekranzrahmen, die von dünnem Kyma und Eierstäben begleitet werden und von Akanthus umgeben sind, in welchem Blumengebinde hängen. Die Stichkappen haben wieder eine Brokatmalerei. Die Langhauswände haben bis weit in die Gewölbekappen hineinreichende Rundbogenfenster, wie im Chor. Gleich sind auch die Ausfüllung der Fläche oberhalb des Fensters mit Akanthus, Fruchtgehängen und geflügelten Engelsköpfen, sowie die Fensterlaibungen. Eine Pilastergliederung der Wände fehlt. Das Gewölbe basiert auf langen, aber nicht aufwendig gestalteten, breiten Gebälkstücken.

Zusammenfassung:

In Wörishofen fehlt noch die Doppelrahmung der Fresken. Allerdings ist hier jeder Nachklang des Quadratursystems verschwunden. Die Wandgliederung mit Pilastern ist nur im Chor, nicht jedoch im Langhaus vorhanden. Der Akanthus ist stellenweise schattend, entfernt sich also noch relativ weit von der Decke, und ist stellenweise überlappend. Stiller trachtete danach, möglichst die ganze Gewölbefläche außerhalb der Fresken mit Akanthus überwuchern zu lassen. Ist die Fläche groß, so vermehrt er nicht den Akanthus, sondern vergrößert ihn. Die Kappengrate werden durch Blattstäbe betont. Im Chor beginnen die Pilaster ab einem Gesims in Chorbankhöhe.

Archivalien: StA Augsburg, Kurbayerische Herrschaften, 1585a (Anhang Tu 7).

Literatur: Steiner, Peter: Stadtpfarrkirche St. Justina – Bad Wörishofen, kleiner Kirchenführer, 4München & Zürich 1992; BKdm, Ldk, Mindelheim, 1971, S. 47 – 49.

56 Dies ist anscheinend auf alten Fotos noch sichtbar. Sie wurde später geändert in: MDCCLXXX. Vgl. BKdm, Ldk. Mindelheim, S. 49.

57 Der Stuck im angebauten Westteil des Langhauses wurde 1936 von Josef Schnitzer aus Buching ergänzt.

58 Im Kirchenführer von 1992 sind die Blätterrahmen und Bänder noch golden gefasst. Ähnlich ist es auch in der Pfarrkirche in Wiedergeltingen. Dies dürfte allerdings nicht die ursprüngliche Fassung sein.

59 Im Kirchenführer von 1992 sind die Früchtestäbe noch golden gefasst. Dies dürfte allerdings nicht die ursprüngliche Fassung sein.

60 Je weiter sich die Akanthusblätter vom Träger, der Wand oder der Decke, entfernen, umso mehr werfen sie Schatten und bedingen so einen „schattenden Raum“.

61 Die westlichen Achsen stammen von der Kirchenerweiterung 1932/33.

62 Ob diese Rahmung jedoch von Matthias Stiller stammt ist fraglich, wenn man die hier abgebildete ältere Aufnahme genauer ansieht. Wahrscheinlich wurde jedoch die Abbildung hier am oberen Teil etwas „retuschiert“ bzw. verändert.

Pfarrkirche St. Martin in Tussenhausen

Die Langhausdecke 63 der Pfarrkirche in Tussenhausen war Ende des 17. Jahrhunderts ruinös und das „Kirchentäfer“ wurde 1699 nur notdürftig repariert, denn man war sich im Klaren, dass die Kirche eine völlig neue Decke benötigte. Diese würde allerdings 664 fl kosten und dies ohne Bemalung (Tu 1). In der Kasse der Pfarrkirchenstiftung befanden sich dafür aber nur 200 fl. Hinzu kam, dass auch das Kirchendach kaputt war. Am 25. Oktober 1700 wandte sich deshalb der herzogliche Kastner der Herrschaft Angelberg an den Herrschaftsinhaber Herzog Maximilian Philipp (1638 – 1705) und erhielt zur Antwort, dass man im Sommer 1701 in die Kirche von gips ein sauber leichte Döckh bauen soll (Tu 1). Unter „leichte Döckh“ verstand der Herzog wohl eine Lattendecke, wie sie Johann Schmuzer schon in das Langhaus der Türkheimer Pfarrkirche eingezogen hatte 64 , also kein gemauertes Gewölbe. Eine „leichte Decke“ hatte die Vorteile, dass sie billiger war, dass sie rasch auszuführen war und dass die tragenden Mauern nicht verstärkt werden mussten.

Im März 1701 schickte der Kastner dem Herzog einen Kostenvoranschlag, auch Überschlag genannt, für eine neue Langhausdecke. Sie würde 596 fl kosten (Tu 4). Davon könnte die Tussenhauser Kirchenstiftung 300 fl tragen. In einem weiteren Schreiben ist erwähnt, dass man dafür 6 Fass Gips aus der herzoglichen Gipsmühle in Hohenschwangau benötige. Wer die neue Decke einzog, ist unbekannt. Es ist jedenfalls eine recht flache Decke, ohne Stichkappen, wie sie ähnlich wohl vorher schon war.

Nun stand noch die Stuckierung dieser Decke an. Johannes Mörckh, der vornembste gipsmaister zu wössenprunnen, würde für die Stuckierung der Decke 275 fl verlangen und Michael Niggl, der Mahler aus Hiltenfingen, wollte auf die gipsarbaith diese Töckh, in fresco Mahlen für 130 fl (Tu 4). Der Kastner legte dem Herzog lustlos auch ein wenig detailliertes Angebot von Matthias Stiller vor. Er favorisierte allerdings Johann Merk65 und schrieb dem Herzog, dass man von Stillers bisherigen Arbeiten in Wörishofen und an der Strass nichts Gutes höre (T 7). Der Herzog war da jedoch anderer Meinung. Er entgegnete dem Kastner, dass Matthias Stiller für seine Gemahlin, Herzogin Mauritia Febronia (1652 – 1706), schon im Kleinen Schloss in Türkheim zu beider Zufriedenheit stuckiert habe, dass er schon sechs Kirchen in der Umgebung von Tussenhausen stuckiert und für den Augsburger Bischof gearbeitet habe und überdies in seiner herzoglichen Herrschaft, der Herrschaft Schwabegg, wohne (Tu 8, Tu 11) und man einheimische Handwerker bevorzugen wolle. So blieb dem Kastner nichts anderes übrig, als Mitte April 1701 von Stiller einen genaueren Riss samt Überschlag für die Deckenstuckierung zu erbitten. Dieser wurde am 2. Mai 1701 von Stiller geliefert. Stiller veranschlagte für die Stuckierung der Langhausdecke 12 Fass Gips, seine Arbeit würde 900 fl kosten. Der Kastner sandte Stillers Riss und Überschlag an den Herzog mit der Bemerkung, dass der Stiller-Riss zuviel Laubwerk zeige und der Kostenvoranschlag zu teuer sei. Am 9. Mai teilte der Herzog seinem Kastner in Tussenhausen mit, dass Stiller den Auftrag der Deckenstuckierung in der Pfarrkirche in Tussenhausen erhalte, allerdings unter dem Vorbehalt, dass Stiller den Stuck an der Decke des Langhauses, der auch dem Herzog zu üppig schien, reduziere und dass er nicht mehr als Johann Merk, der wohl ebenfalls einen Kostenvoranschlag und Riss abgeliefert hatte, verlangen dürfe.

Am 23. Mai 1701 erhielt Matthias Stiller den Auftrag und fing sogleich mit der Stuckierung der Langhausdecke an.

Im Juli 1701 stellte man fest: nun stehet aber der gewölbte Chor, gegen den Hintertaill, dergestalten alt, und lehr [leer], das die Notturft weher, dasselbe auch mit sauberer Stuckhator arbaith ziehen zelassen, damit gleichwohlen eins zum andern accordieren möchte. (Tu 21).

Ende Juli 1701 wollte man deshalb mit der Chorstuckierung – das Langhaus dürfte also in zwei Monaten schon fertig stuckiert gewesen sein – für die man neun Fass Gips aus Hohenschwangau benötigen würde, beginnen. Stiller machte auch hierzu einen Kostenvoranschlag und lieferte einen Riss. Für die Stuckierung des Chores verlangte er 190 fl (Tu 27). Er dürfte dann bald mit der Stuckierung begonnen haben.

1706 erwies sich das Dach als so ruinös, dass auch der Deckenstuck Schaden nahm.66 Man dürfte diese Mängel bald beseitigt haben. 1729 wurden dann in der ganzen Kirche noch neue Fenster eingesetzt.67

Langhaus der Pfarrkirche in Tussenhausen.

Foto: Felix Löcherer.

Die Decke ist recht flach. Sie hat keine „störenden“ Stichkappen. Damit stand eine einheitliche Fläche zur Verfügung, welche von Stiller nach Merk im Quadratursystem68 stuckiert wurde: Die Decke wurde durch Profilstäbe in große Felder eingeteilt. Die Fresken erhielten eine eigene Rahmung. Hieraus entwickelte sich später bei Matthias Stiller die Doppelrahmung der Bilder.

Es fehlt eine Gliederung der Seitenwände durch Pilaster, da nur eine neue Decke eingezogen wurde.

Langhausdecke in der Pfarrkirche in Tussenhausen.

Foto: Felix Löcherer.

Ein Beispiel, wie aus dem Quadratursystem die Stillersche Doppelrahmung eines Freskos wurde: Durch Profilstäbe wurde die Decke in Felder eingeteilt. Später wurde dies zur äußeren Bildrahmung. Sie hatte häufig die Form eines Quadrates, dessen Ecken abgeschnitten und deren Seiten großteils leicht rechteckig eingedrückt waren. Hier sind allerdings nur zwei Seitenmitten leicht eingedrückt, die beiden anderen Seiten hingegen halbkreisförmig ausgewölbt. Die innere Rahmung ist meistens ein Blatt- oder Früchtekranz, häufig bänderumwunden und beidseitig begleitet von Kymatien. Typisch für Stiller sind auch die gegossenen, geflügelten Engelsköpfe sowie die großen Fruchtgehänge.

Stuck an der Langhausdecke in der Pfarrkirche in Tussenhausen.

Foto: Felix Löcherer.

Durch profilierte Leisten, begleitet von Kyma und Eierstäben, wurde die Decke in unterschiedliche, modifizierte Rechtecke gegliedert. Zwischen diesen Feldern sieht man u.a. geflügelte Engelsköpfe: Die Köpfe wurden gegossen und dann leicht überarbeitet. Die Flügel laufen in fülligem Akanthus spiralenförmig aus. Ebenso typisch wie der Akanthus waren damals für Wessobrunner Stuck mächtige Fruchtgehänge.

Chordecke der Pfarrkirche in Tussenhausen.

Foto: Felix Löcherer.

Die Stichkappengrate sind durch Blattgebinde, die von Kymatien begleitet werden, hervorgehoben. Das vierpaßförmige Hauptfresko ist von einem Blätterkranz gerahmt. Das ganze Gewölbe wird von schattendem, teils überlappendem Akanthus überzogen.

Chordecke der Pfarrkirche in Tussenhausen.

Foto: Felix Löcherer.

Der voluminöse, teils sich von der Decke lösende und stellenweise überlappende Akanthus schafft den „schattenden Raum“ zwischen dem Stuck und dem Stuckträger, der Decke. Der Akanthus ist durchsetzt mit Blattzweigen. Die Stichkappengrate sind durch Blattstäbe, begleitet von Kymatien, betont. Die kleineren Bilder sind nur mit vegetabilen Kränzen gerahmt.

Stuck an der Chordecke der Pfarrkirche in Tussenhausen.

Foto: Felix Löcherer.

Die Stichkappen sind durch Mehrfachprofilrahmen und Blattgebinden betont. Der Akanthus entfernt sich teilweise von der Decke und schattet deshalb. Neben dem Akanthus ranken sich beblätterte Zweige. Fruchtkorb und Fruchtgehänge stehen ganz in der Wessobrunner Tradition jener Zeit.

Entsprechend der Entstehungsgeschichte unterscheidet sich der Stuck an der Langhausdecke von dem der Chordecke. Ohne Archivalien würde man nicht vermuten, dass der Langhaus- und der Chorstuck von der gleichen Hand, in zeitlicher Nähe, gefertigt wurden.

Die Langhausdecke ist eine flache, korbbogige Tonne über einem kräftigen Gesims. Es ist keine damals übliche Stichkappentonne, bei der die Stichkappen die Decken- und Wandgliederung ungefähr vorgeben. Die einheitliche Decke ist mit mehrteiligen Rahmenzügen aus Perlstäben und Kyma in Felder eingeteilt. Die Deckenmitte hat drei quadratische, modifizierte Hauptfelder. In den Deckenseiten liegen dementsprechende Nebenfelder, deren Begrenzungen parallel zu den Hauptfeldern verlaufen. Das Mittelfeld ist ein Quadrat mit abgeschnittenen Ecken, zwei rechteckig eingedrückten und zwei halbkreisförmig erweiterten Seiten. In diesem Feld liegt ein runder, bandumwundener und großblättriger Eichenlaubkranz, der innen von einem Perl- und Eierstab sowie außen von Kyma begleitet wird. Er rahmt ein Fresko. Dieser Kranz wird durch vier breite Akanthusblätter an die Decke gehalten. In den beiden Halbkreisen zwischen innerer Kranz- und äußerer Felderrahmung befinden sich Muscheln. Die beiden anschließenden Hauptfelder sind ähnlich dem Mittelfeld aufgebaut, nur dass die beiden Blätterrahmen achteckig sind. Auch die seitlichen Felder haben Profilrahmen. In diesen befinden sich runde Lorbeerkränze als Freskenrahmung, flankiert von symmetrisch angeordneten Akanthuszweigen, Palmetten und Blattzweigen mit Früchten. Über den Freskenrahmungen liegt je eine Muschel mit Akanthuszweiglein. Zwischen den Feldern sind gegossene, geflügelte Engelsköpfe, an denen mächtige Fruchtbündel hängen. Obwohl gegossen, so sehen doch alle Köpfe etwas anders aus. Man darf annehmen, dass sie nach dem Guss überarbeitet und dabei individualisiert wurden.

Dieser Langhausstuck ist etwas veraltetes Quadratursystem. Zwar war Hans Merk, nach dessen Entwurf Stiller hier stuckieren sollte, mit seinem Formenschatz kein stilistischer Vorreiter 69 , aber auch er arbeitete sonst moderner als dieser Stuck vermuten lässt. Dies zeigt sich schon am weitgehenden Fehlen des Akanthus oder an der fehlenden, damals üblichen Gliederung der Seitenwände durch Pilaster (Die Pilaster fehlen übrigens auch im Langhaus von St. Justina in Bad Wörishofen!). Man spürt hier förmlich, dass Stiller übellaunig und sehr sparsam stuckierte, schließlich war ihm ja auch ein recht niedriger Verdienst vorgegeben.

An der Tussenhauser Langhausdecke – und in Stillers Oeuvre nur hier – zeigt sich eine interessante Entwicklung: Beim Quadratursystem wird die Decke in gerahmte Felder eingeteilt und mit gerahmten Bildern u. ä. versehen. Später wurde daraus, als man das Quadratursystem aufgab, aus der Felderrahmung die äußere Rahmung von Bildern. Bilder hatten nun bei Stiller eine Doppelrahmung.

Was er wirklich als Stuckator konnte, zeigte Matthias Stiller kurze Zeit später am Chorgewölbe. Dieser Stuck steht im Kontrast zum Langhaustuck. Die Fensterlaibungen zieren Kymatien. Während im Langhaus die Seitenwände ungegliedert sind, sind sie im Chor durch Pilaster mit ionischen Kapitellen gegliedert. Darüber liegen verkröpfte Gebälkstücke. In den Stichkappen befinden sich symmetrisch zulaufender Akanthus und beblätterte Zweige, teils zusammengebunden, teils einen Früchtekorb umrahmend. Später tauchen sie wieder in der Stadtpfarrkirche in Landsberg am Lech auf. Die Grate der Stichkappen sind mit Mehrfachprofilrahmen, auf denen bänderumwundene Lorbeerstäbe liegen und die von schmalem Kyma begleitet werden, hervorgehoben. Eigenartig ist der Knick im sonst geraden Verlauf. Die Decke ist nicht mehr durch Stäbe in Felder eingeteilt wie im Langhaus. Die Gliederung der Decke geht vom Mittelfresko, einem Vierpaßfeld (ein Quadrat mit halbkreisförmigen Ausbuchtungen an allen vier Seiten) aus. Die gleiche Form hat Stiller schon im Langhaus der Pfarrkirche in Wörishofen verwendet. Dieses Freskenfeld ist von einem bandumwundenen Früchtekranz gerahmt, in Wörishofen war es noch ein schmaler Blätterkranz. Die später typische Doppelrahmung fehlt hier schon aus Platzgründen. An den Ecken ist der Kranz durch vier große Akanthusblätter an die Wand geheftet. Daneben stehen vier Putten, welche diesen Kranz halten. Die Putten bestehen aus vorgegossenen Teilen (Kopf, Körper, Beine, Arme), welche in situ zusammengesetzt wurden und deshalb einen etwas ungelenken Eindruck machen. Sechs kleinere Felder sind mit Lorbeer-, Blatt- und Fruchtgebinden gerahmt. Fünf davon zeigen Fresken, das sechste ist das „Heilig-Geist-Loch“. Die ganze Restfläche ist von meist symmetrisch verlaufendem, dichtem, teils überlappendem Akanthus überwuchert, in dem Blütengebinde – wie schon in den Zwickeln des Langhauses in Wörishofen – hängen und der, zwischen den Stichkappen, in Fruchtgehängen ausläuft. Auch die Stichkappen sind mit Akanthus ausgefüllt. Es sind gespiegelte Gebinde, an den Berührungsstellen durch Bänder zusammengebunden. Besonders die ausrollenden Enden des Akanthus sind zwar, wie schon in Wörishofen, noch tief, noch schattend, sie erreichen jedoch nicht mehr die Tiefe und die Schattung des Akanthus wie bei Johann Schmuzer in Vilgertshofen.

In der Chorbogenlaibung sind lange, schmale, gerundet schließende Felder zu sehen, die mit Perlenketten gerahmt und mit Akanthus ausgefüllt sind. Zwischen diesen Feldern sind Rosetten angebracht.

Die Türen zu den Sakristeien im Chor sind von Pilastern gerahmt, welche ionische Kapitelle tragen. Darüber liegt ein Doppelgebälk. Über diesem ist ein gesprengter Giebel, in welchem ein Querschild von kräftigem Akanthus gerahmt wird. Dies erinnert an Stillers Stuck an den Türen im Kleinen Schloss in Türkheim.

Zusammenfassung:

Im Frühjahr 1701 stuckierte Matthias Stiller das Langhaus der Pfarrkirche in Tussenhausen, teils nach Vorgaben des Wessobrunners Johann Merk. Hier zeigt sich noch das Quadratursystem. Die Decke wird durch profilierte Leisten in große Felder eingeteilt und diese dann mit Stuckelementen ausgefüllt.

Im Sommer 1701 führte Matthias Stiller dann die Stuckierung des Chores der Pfarrkirche in Tussenhausen aus. In der Deckenmitte rahmt Stiller ein Fresko vierpaßförmig mit einem Früchtekranz. Eine Doppelrahmung gibt es noch nicht. Die kleineren, seitlichen Fresken haben schmale Blätterkränze als Rahmen. Die restliche Fläche füllt Stiller vorwiegend mit Akanthus, in den selten auch Blütenzweige eingebunden sind. In diesen finden sich stellenweise Blütengebinde oder Fruchtkörbe. Der Akanthus überlappt sich stellenweise und ist noch relativ tief, er schattet noch, allerdings nicht mehr so sehr wie bei Johann Schmuzer in Vilgertshofen.

Quellen: StA Augsburg, Kurbayerische Herrschaften, Akten 1585aI (Anhang Tu).

Literatur: BKdm, Ldk. Mindelheim, S. 475 -477; Trauchburg, Gabriele von: Kaiserbesitz, Residenzort, moderner Markt – die Ortsgeschichte des Marktes Tussenhausen, Memmingen 2002, S. 121 – 124.

63 1699 wird erwähnt: Reperatur des Kirchentäfers wegen Baufälligkeit und an anderer Stelle steht das alte Gewölb abzubrechen. (StA Augsburg, Kurbay. Herrschaften, Akten 1585 aI).

64 Epple, Alois: Johann Schmuzer, Baumeister und Stuckator, Nordenstedt 2016, S. 41 – 49.

65 Epple, Alois: Der Stukkator Hans Merk aus Wessobrunn in Füssen, in: Alt Füssen, Jahrbuch des Historischen Vereins „Alt Füssen“, 1995, S. 45 – 47.

66 StA Augsburg, Kurbayerische Herrschaften, Akten 1585aI.

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