Die Suche nach den drei Schätzen - Brigitte Prem - E-Book

Die Suche nach den drei Schätzen E-Book

Brigitte Prem

4,8

Beschreibung

Der Roman orientert sich an dem Märchenmotiv, in dem drei Brüder aufbrechen, um dem Vater gestohlene Schätze wieder zu finden und gleichzeitig mit einer Frau heimzukehren. Die Charaktere sind anders gesetzt als im Märchen. Dabei begegnen ihnen Wesen aus der Anderswelt. Diese Wesen entsprechen im Charakter und Aussehen der Tradition, wie sie bei Goethe, Shakespeare, in Sagen und Märchen dargestellt werden. Die Brüder müssen mit modernen Problemen fertig werden. Der Märchenroman ist auf Deutsch und Englisch verfasst.

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Seitenzahl: 301

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Der Roman orientiert sich an dem Märchenmotiv, in dem drei Brüder aufbrechen, um dem Vater gestohlene Schätze wieder zu finden und gleichzeitig mit einer Frau heimzukehren. Die Charaktere sind anders gesetzt als im Märchen. Dabei begegnen ihnen Wesen aus der Anderswelt. Diese Wesen entsprechen im Charakter und Aussehen der Tradition, wie sie bei Goethe, Shakespeare, in Sagen und Märchen dargestellt werden. Die Brüder müssen mit modernen Problemen fertig werden.

Für Makincie and Charli

Inhaltsverzeichnis

Die Suche nach den drei Schätze

Der König und die Königin

Die Saligen

Die drei Gaben der Saligen

Der Weg zum Königtum

Herbert und der König

Die Mutter

Die kleine Salige mit dem verfilzten moosigen Haar

Der Dummling geht heim

Der Dummling

Herbert und der Dummling

Der Dummling verlässt Herbert

Dummlings Suche nach Rübezahl

Die kleine Salige mit den verfilzten moosigen Haaren.

Der Schützling der Saligen mit dem Kleid aus roten

Sonnenstrahlen

Der Dummling auf dem Weg zu Rübezahl

Der Dummling in Gefahr

Die Reise nach Kalifornien

Der Dummling wieder daheim

Rupert und Herbert

Herbert

Rupert

Rupert besinnt sich

Rupert und Herbert im fremden Land

Rupert und die Höhlis

Die Höhlis

Die drei Brüder

Ein Lagerfeuer

Nach Hause

Die drei Brüder besprechen sich

Der Dummling bei Puck

Herbert besucht wieder seinen Vater

Entscheidungen

Das Problem des Dummling

Auf ebenem Weg

Die Vila

Die Saligen

Die Suche nach den drei Schätze

Wer hat die drei Schätze gestohlen? Wer hat sie gesucht? Wer hat sie gefunden? Wer hat sie bezahlt?

Stricknadeln, die alles zu Ende führen

Ein Stein, der zu Erfolg verhilft

Ein Ring, der beliebt macht

Es war einmal ein reicher Mann. Er besaß Wälder und Felder, Häuser und Fabriken. Weil er so reich war, nannte man ihn König. Er war eigentlich kein König, denn Könige gab es nicht mehr. Er hieß nur so. Der König hatte drei Söhne.

„Wem soll ich meinen Besitz, mein Königreich, vererben?", fragte er seine Berater.

„Stell deine Söhne auf die Probe", antworteten diese ihm. Da ging der König mit seinem ältesten Sohn in einen seiner Wälder. Er atmete tief ein. Würde das folgende Gespräch ihm eine Richtlinie geben?

„Dieser Teil des Waldes ist seit 150 Jahren gleich geblieben", sagte er.

Rupert antwortete nicht. Er wusste nicht, worauf sein Vater hinaus wollte.

„Die Forstwirtschaft muss wirtschaftlich sein, denn von hier bis zur anderen Seite des Berges hängen 30 Arbeitsplätze dran".

„Was interessiert dich das?", fragte der Sohn erstaunt.

„Wir sind für die Leute verantwortlich, die für uns arbeiten", erklärte der König.

„Warum holzt du den Wald nicht einfach ab? Das Holz würde viel Geld bringen."

„Wir sind auch für die Natur verantwortlich."

Der König war enttäuscht. Er hatte dem Sohn eine forstwirtschaftliche Ausbildung angedeihen lassen. Er hatte erwartet, der Sohn würde vorschlagen, dass eine Plenterwirtschaft mit den Mitarbeitern besprochen werden könnte, die zwar weniger Geld bringen, aber die Umwelt, den Wald, schonen würde.

Der König nahm den zweitältesten Sohn zu einer Bauversammlung mit. Es ging um ein Mietshaus, das schlecht gebaut und nach 30 Jahren voller Mängel war.

Und so lud der reiche Mann, der König, den zweiten Sohn ein, mit ihm eines seiner Mietshäuser zu besichtigen. Der Sohn wollte zuerst nicht, sah aber, wie sehr seinem Vater daran lag, und ging mit.

Es war dies ein Mietshaus, das 30 Jahre zuvor fehlerhaft gebaut worden war. Es war an Leute vermietet worden, die nicht viel Miete bezahlen konnten, aber sie erwarteten doch, dass sie in diesem Haus ihr Leben verbringen konnten. Sie waren inzwischen alt geworden. Aber das städtische Bauamt hatte Abriss oder Renovierung befohlen.

„Was würdest du tun?" fragte der König seinen Sohn.

„Du könntest das Haus abreißen, luxuriös aufbauen und viel mehr Miete verlangen", schlug Herbert vor.

„Wir sind für die Mieter verantwortlich", sagte der König.

„Du wirst in dieser reichen und schönen Gegend für luxuriöse Wohnungen viel Geld verlangen können. Damit kannst du dir leisten, das alte Bauernhaus am Stadtrand zu kaufen und für diese Mieter herzurichten."

Der König blickte seinen zweiten Sohn nachdenklich an. Was der sagte, machte Sinn. Dennoch hatte er das Problem nicht ganz erfasst. Manche der Mieter waren sehr alt, und eine Umsiedelung in ein anderes, wenn auch vielleicht schöneres, Gebiet würde ihnen schwer fallen. Aber der Bub war noch jung. Vielleicht war er lernfähig?

Den Jüngsten nannte man zum Leidwesen des Königs nur den Dummling, denn man hielt nicht viel von ihm.

Als die drei Buben geboren worden waren, hatte der König darauf bestanden, für jeden Buben, Rupert, Herbert und den Jüngsten, eine salige Frau als Patin zu bitten.

Die salige Frau, die Patin von Rupert, schenkte ihm einen Stein, der zu Erfolg verhilft. Herbert bekam von seiner Patin, auch einer saligen Frau, einen Ring, der beliebt macht. Und der Jüngste bekam Stricknadeln, die alles zu Ende führen. Es waren aber Bedingungen an die Geschenke geknüpft: Die Besitzer mussten guten Willens sein, sie durften also willentlich nicht Schaden zufügen.

Die Besitztümer befanden sich jedoch noch nicht in der Hand der jungen Männer, weil der Vater sie nicht für reif genug hielt. Der Vater hatte die drei Kostbarkeiten in seinem Safe eingeschlossen.

Da der König jetzt so viel über seine Söhne nachdachte, öffnete er den Safe, um die drei Schätze herauszunehmen. Da merkte er, dass der Stein weg war. Er war sehr betroffen.

Der Safe war verschlossen. Er dachte darüber nach, wer die Safe-Nummer haben oder ausfindig machen könnte, aber es fiel ihm niemand ein. Da befahl er Rupert, seinem ältesten Sohn, des Nachts Wache zu halten. Aber obwohl der Stein ja ihm gehören sollte, schlief er ein, und am nächsten Tag war auch der Ring weg.

Am übernächsten Tag hielten Rupert und Herbert gemeinsam Wache.

Rupert sagte zu Herbert: „Glaubst du daran, dass der Ring dich beliebt macht?"

„Das wird sich weisen," antwortete Herbert.

„Das ist doch Unsinn", spottete Rupert. "Wenn ich Erfolg haben werde, ist das einzig und allein meiner Tüchtigkeit zu verdanken. Was sollen ein toter Stein und ein metallener Ring bewirken?"

Und die beiden schlichen sich davon und machten sich in einem Wirtshaus eine lustige Nacht.

Am Morgen war auch der Ring weg.

Nun lagen nur mehr die Stricknadeln im Safe.

„Lass mich Wache halten!" bat der jüngste Sohn seinen Vater.

„Du bist zu jung", sagte der Vater. „Für dich ist das zu gefährlich."

Aber der Dummling bat so lange, bis der Vater zustimmte. Der Dummling nahm sich Rosen mit riesigen Dornen zum Safe. Immer, wenn er einschlafen wollte, griff er in die Dornen, dass er wieder munter wurde. Trotzdem döste er so weit weg, dass er erst durch ein ganz leises Geräusch aufmerksam wurde, dass jemand beim Safe stand. Er sah nur einen Schatten. Er griff nach dem Schatten, ein lautes Geheul ertönte und die Gestalt eilte durch das Französische Fenster und durch den Garten davon.

Durch das laute Geheul war man im Haus aufmerksam geworden, und allmählich sammelten sich alle um den Dummling. In der Hand hielt er goldene Haare.

Der König ließ die goldenen Haare untersuchen, und man sagte ihm, dass sie mehr wert seien als alle drei wertvollen Schätze zusammen.

Da sagte der König: „Wenn das so ist, will ich die Frau haben, der diese Haare gehören." Und er versprach demjenigen seiner Söhne sein Königreich, der ihm die Frau bringen würde.

„Ich werde zuerst meine Stricknadeln suchen", sagte der jüngste Sohn. „Sie werden mir helfen, die Sache zu Ende zu bringen."

Die beiden anderen lachten ihn aus und erklärten ihm, dass, so wie der Stein und der Ring, Stricknadeln nur tote Dinge wären.

"Aber erkennt ihr denn nicht? Die drei Schätze sind Hilfen, um das Leben zu meistern: Die Stricknadeln führen alles zu Ende, der Stein verspricht Erfolg, und der Ring verspricht Beliebtheit.

Mit allen drei Schätzen hätten wir gemeinsam Vaters Wirtschaftsimperium gut vorstehen können."

Herbert sah den Dummling grüblerisch an. Er war zwar nicht vom Wert der Schätze überzeugt, aber er fand irgendwie, dass das, was der Dummling sagte, Gehalt hatte. Trotzdem stimmte er in das Gelächter seines Bruders, Rupert, ein, und die beiden gingen ihrer Wege.

Wie wird es dem Dummling ergehen, der doch nur ein Dummling war? Werden Herbert und Rupert Erfolg haben, und wenn ja, wer von ihnen wird die Frau mit den goldenen Haaren bekommen? Wie wird es dem alternden König ergehen? Und wer hat die Schätze? Und warum wurden sie gestohlen? Eins nach dem anderen! Im nächsten Kapitel sehen wir uns die Eltern der drei jungen Männer an.

Der König und die Königin

Die Eltern von Rupert, Herbert und dem Dummling waren reich, sehr reich. Man nannte sie König und Königin.

Aber der König war kein König; er war der Inhaber eines großen Wirtschafts-Imperiums. Wälder und Mietwohnungen gehörten ihm, Verkaufsketten und Handwerksbetriebe, auch kleinere und mittlere Industrieanlagen. König nannten ihn alle Leute, deren Leben von seinen Entscheidungen abhängig war. Der König hatte sich nicht zum König gemacht, er hatte geerbt.

Er heiratete jung. So kam es, dass er seinen Söhnen Herbert, Rupert und dem Dummling ein sehr junger Vater war.

Er interessierte sich eigentlich nicht für das Imperium seines Vaters, ihm wäre es auch recht gewesen, wenn der Vater eine Aktiengesellschaft daraus gemacht hätte. Aber er besaß ein großes Verantwortungsgefühl, und zwar nicht nur für das Imperium, sondern für die gesellschaftliche Verantwortung, die ein solches Imperium mit sich bringt. Wenn er durch die großen Hallen ging, hatte er nicht immer den Eindruck, dass die richtigen Entscheidungen getroffen wurden. Hier wurde auf Kosten der Umwelt an notwendigen Kontrollen gespart, dort eine Ölkatastrophe tot geschwiegen. In einer Industrieanlage waren die Arbeitsplätze ungesund, in der anderen die Arbeitszeiten unzumutbar. Er dachte, wenn er der Chef des Imperiums wäre, könnte er das ändern. Aber er musste lernen, dass seine Wünsche weit hinter der Wirklichkeit lagen.

Zunächst war er jung, jung und verliebt. Seine Frau war wunderschön. Er hatte sie beim Opernball kennen gelernt, und beide Familien waren sofort einverstanden. Vielleicht war es ja auch arrangiert worden. Das wusste er nicht.

Als er sie das erste Mal sah, saß er zuerst nur da und schaute und schaute. Sie war so schön.

„Warum sehen Sie mich an?" fragte sie.

„Sie sind so schön", sagte er.

„Ja? Das freut mich."

„Und Sie bewegen sich graziös wie eine Königin."

„Das muss man in dem langen Kleid", lachte sie. "Was denken Sie, wie lange ich geübt habe. Zuerst bin ich dauernd darüber gestolpert, vor allem auf den Stiegen."

Der junge Mann staunte. Er hatte nicht erwartet, dass die Schönheit der Mädchen mit Arbeit verbunden war.

Sie hatten eine kurze Brautzeit; beide Familien drängten auf frühe Eheschließung. Sie heirateten dann auch bald. Es war eine schöne Hochzeit mit vielen Leuten, mit Musik und Tanz, einem lokalen Witze-Erzähler und einer kleinen Schauspielgruppe. Die Hochzeit dauerte drei Tage. Und das Brautkleid war bemerkenswert. Der König erinnerte sich gerne an ihr Brautkleid.

Es war bodenlang, aus Seiden-Batist, oben eng anliegend, mit einem Spitzenüberwurf vom Kopf bis zum Boden. Ein Diadem im glänzendem Haar.

Ihre ersten Ehejahre reisten sie viel, denn das mochte sie. Auch, als sie schwanger wurde, reisten sie noch. Sie bekamen schnell ihre Söhne, erst Rupert, dann Herbert, dann das Dummele. Kindermädchen. Die Kindermädchen kümmerten sich mehr um die Buben als die Mutter. Aber darüber dachte der König nie nach, es gab nur manchmal einen Gedankenblitz wie eine Momentaufnahme, wenn er vage ganz kurz nachrechnete, dass ihm ja in der Ehe etwas fehlte. Aber er hatte eine schöne Frau, und sie hatte keinen Cicisbeo, das musste für sein Leben wohl genug sein.

Der König suchte die Kindermädchen aus, der König sprach den Tagesablauf ab, der König besprach mit den Kindermädchen die sportlichen Übungen und begutachtete die Kinderbücher, las wohl auch manchmal eine Gute-Nacht-Geschichte vor. Die Königin erfand manchmal Kindergeschichten, die sie den Kleinen erzählte. Die Königin hatte ihren Freundeskreis und verbrachte wohl auch Zeit mit ihm, dem König.

Sie waren noch nicht König und Königin, denn noch entschied der Vater, der Großvater von Rupert, Herbert und dem Kleinen.

Es kam ein großer Einbruch in das Leben des jungen Mannes und Vaters. Er ging durch ein Firmengelände. Er beabsichtigte so weit nichts. Es war ihm recht, wenn sein Vater eine Aktien-Gesellschaft aus der Firma machen würde. Es war wie ein Spaziergang. Da kam er in die Lagerhalle, in der die Produkte für den Einzelhandel sortiert wurden. Da hörte er zwei Männer miteinander sprechen. Es war der Abteilungsleiter für Backwaren und der Chef für die Lagerhalle.

„Legen Sie das übrig gebliebene Brot in die Kiste mit der Aufschrift 'Hintermeier'. Der Gemischtwarenhändler in der Altstadt will nur das Brot vom Bäcker Hintermeier", hörte er den Abteilungsleiter für Backwaren sprechen.

„Auf dem Brot selbst steht nur die Art des Brotes, und die Verkäuferin wird dem nicht nachgehen. Wir sind gesetzlich gedeckt und können das Brot auf gute Art verkaufen."

Der Sohn des Imperium-Eigentümers dachte, er hörte nicht recht. Er stellte die beiden Männer, den Abteilungsleiter für Backwaren und den Chef für die Lagerhalle zur Rede.

„Mir ist das nicht recht, wenn Sie Waren falsch deklarieren", sagte er.

„Nichts ist falsch deklariert", rief der Abteilungsleiter für Backwaren.

„Sie führen die Menschen in die Irre!"

„Die sind selbst schuld, wenn Sie nicht genau schauen!"

Der Sohn des Firmen-Eigentümers wandte sich an den Chef für die Lagerhalle: „Geben Sie das Brot in die richtige Kiste!" Der Chef für die Lagerhalle schaute verwirrt. Der Sohn des Firmen-Eigentümers hatte noch nie eine Entscheidung getroffen.

„Nichts da! Der Chef, der Firmen-Eigentümer, weiß Bescheid und macht das selbst so. Mischen Sie sich nicht ein!" sagte der Abteilungsleiter für Backwaren.

Der Sohn des Imperium-Eigentümers war verwirrt. Er ging zum Vater, der der Firmen-Eigentümer war.

„Es ist doch alles rechtens", sagte der. „Du hast dich doch noch nie um die Firma gekümmert. Misch dich nicht ein!"

Gerne hätte er die Probleme mit seiner schönen Frau besprochen, aber die lachte nur.

„Vergiss nicht, wir gehen heute Abend ins Konzert", sagte sie. „Was denkst du, soll ich anziehen? Zum gelben Chiffon-Kleid müsste ich mir noch passende Schuhe kaufen."

Nein, die schöne Frau war wohl keine Partnerin in geschäftlichen Dingen.

Er ließ die Dinge hängen, lebte sein Leben des Vergnügens mit seiner Frau. Ein bisschen Pflicht brachten seine Söhne, denn nach wie vor besprach er sich mit den Kindermädchen und versuchte, seine Söhne emotional zu versorgen.

Die Saligen

Durch seine eigene Amme lernte er die saligen Frauen kennen. Seine Amme wünschte, dass er mehr Einfluss in der Firma haben sollte. Sie Saligen lebten im Wald, und seine Amme hatte sie gebeten, ihn zu beschützen.

„Du weißt," sagten sie zur Amme, „dass unsere Welt nicht die der Menschen ist?"

„In der Menschenwelt wird er auch nicht viel Schutz finden," sagte die Amme.

„Wir wissen die Wege der Menschen nicht und können ihr Geschick nicht bestimmen", sagten die saligen Frauen. „Oft hat sogar eine von uns den Tod eines Menschen verursacht, ohne es zu wollen, weil sie seine Wege, seine Art und sein Wesen nicht kannte. Unsere Geschenke können gefährlich sein."

„Und was noch?" fragte die Amme.

„Unsere Geschenke sind an Bedingungen geknüpft."

„Und das erfährt man vorher?"

„Ja, das erfährt man vorher."

„Was soll ich tun?" fragte die Amme.

„Geh mit deinem Schützling zu uns in den Wald, wir werden uns zeigen."

Und so kam es, dass der Sohn des Imperium-Eigentümers mit seiner Amme in den Wald ging und die saligen Frauen traf. Es war keine wunderschöne Lichtung, wo man sich die Saligen normalerweise vorstellt, sondern es war dichter Wald. Die saligen Frauen standen hinter den Bäumen und wie Nebelgeschwader lugte dort ein Kleid, hier eine Haarsträhne hervor. Er hätte sie gerne gebeten, ihren wunderschönen Gesang hören zu lassen, von dem man sagt, dass er so schön sei, dass keine menschliche Stimme sich ihm anschließen könne, ohne grob und störend zu wirken. Aber er traute sich nicht. Die Amme bedeutete ihm, dass es ein ernstes Treffen war.

„Was erbittest du dir von uns?" fragte eine der Saligen. Der Sohn des Imperium-Eigentümers riss sich zusammen. Er presste die Lippen aneinander und versuchte, die Situation ernst zu nehmen.

„Ich hätte gerne Einfluss auf die Firma", sagte er.

„Das ist nicht unsere Aufgabe!" brauste eine Salige auf. Da trat eine andere vor. Er konnte ihre ganze Gestalt sehen. Sie war besteckt mit jungen Zweigen von Nadelbäumen, darüber waberte etwas wie Nebel. Ihre Haare waren lang und bewegten sich mit dem umgebenden Nebel mit. Ihr Gesicht erschien wie durch einen Schleier. Obwohl sie so nahe war, konnte er nicht erkennen, ob sie alt oder jung war.

„Ich kann dir Beobachtungsgabe verleihen," sagte sie. „Wenn du gut beobachten kannst, wird es dir möglich sein, deine Schlüsse zu ziehen und zu handeln."

„Das ist gut", sagte er.

„Was ist die Gefahr?" fragte die Amme.

„Oh, das hat er schon erlebt", rief eine andere Salige dazwischen. „Wenn er Dinge zum Guten ändern will, wird immer jemand dagegen sein. Und das kann sehr gefährlich werden. Auch wenn er nur Brot in die richtige Kiste geordnet haben will."

„Willst du das auf dich nehmen?" fragte die Amme ihren Liebling.

„Ja!" war die Antwort.

„Und was ist die Bedingung?"

„Keine Bedingung, aber eine Folge. Du wirst nie mehr glücklich sein. Denn du wirst erkennen, dass du selbst sehr böse Dinge nicht ändern kannst. Willst du das auf dich nehmen."

„Das muss ich wohl"; sagte er.

Die drei Gaben der Saligen

Da wurden die Zweige einer Tanne beiseite geschoben, dahinter wurde eine Felsspalte sichtbar. Aus der Felsspalte wallte Nebel wie durchsichtiger Stoff, hinter den Tannenzweigen schimmerte die Gestalt einer Frau.

„Meistens werden wir um Geburtsgaben für Kinder gebeten", hörten sie. „Wünscht du dir nichts für deine Kinder?"

Die Amme und der Vater öffneten die Augen und standen mit offenen Mund da. Da löste sich eine Salige aus dem Tannendickicht. Ihr Kleid war aus roten Sonnenstrahlen gewoben.

„Ich schenke deinem Ältesten, Rupert, diesen Stein. Er wird ihm Erfolg bringen", sagte sie.

Es war ein gewöhnlicher Kieselstein, gut in der Hand zu halten, mit einem prachtvollen Muster aus roten Linien, wohl Eiseneinschlüssen, aber ein gewöhnlicher Kieselstein.

„Und ich schenke deinem Zweiten, Herbert, diesen Ring. Er garantiert Beliebtheit bei den Menschen, bei Alt und Jung, bei Groß und Klein."

Die Salige stand auf einem Hügel und erhob sich gegen den Himmel, ihre Gestalt schimmerte himmelblau. Der Ring war ein billiger Silberring, großartig filigran gearbeitet, aber ein billiger Silberring.

Und da kam ein kleines Ding mit verfilzten moosigen Haaren; in der Hand hielt sie zwei Stricknadeln aus Holz. "Ich schenke deinem Dummle diese Stricknadeln", wisperte sie.

„Sie werden ihm helfen, alles Begonnene zu Ende zu stricken."

Eine unscheinbare, freundliche Salige brachte ihnen einen Beutel aus geflochtenem Bast, damit sie ihre Gaben verstauen konnten.

„Was ist die Bedingung?" fragte die Amme. Die hoch gewachsene Salige, die nach seinem Begehr gefragt hatte, erhob sich, sodass sie über ihnen stand: "Sie müssen anständig sein."

„Was heißt Anstand?" fragte die Amme.

„Außer dem eigenen Wohlergehen das der Anderen in Betracht ziehen, auf Umwelt und Tiere achten. Du weißt, dass die Tiere unsere Freunde sind. Sie sind uns näher als ihr Menschen."

„Und was sind die Folgen, die Gefahren?"

Niemand sagte etwas.

„Was sind die Folgen, die Gefahren des Erfolges? Was bedeutet der Stein für meinen Ältesten, für Rupert?"

Die Salige in dem Sonnenkleid antwortete:„Ich kann nur Erfolg garantieren, ich kann nicht auswählen, worin er Erfolg haben wird. Das muss er selbst tun. Und es besteht die Gefahr, dass er falsch wählt."

Die Himmelblaue blickte vom Hügel herab: „Beliebtheit bringt Verantwortung. Man ist verantwortlich für das, was man sich vertraut gemacht hat."

Das kleine Ding mit den verfilzten moosigen Haaren schaute verwirrt. Es wurde ihr bewusst, dass sie mit der Gabe auch zur Hilfeleistung verpflichtet war nach den Regeln der Saligen. Und es war ihr bis jetzt nicht bewusst gewesen, dass ihre Gabe außer Lebenshilfe auch Gefahren barg. Aber eine einmal gegebene Gabe konnte nicht zurück genommen werden.

Die hoch gewachsene Salige, die den Sohn des Firmen-Eigentümers nach seinem Begehr gefragt hatte, bewegte sich. Sie hob die Hand und sagte: „Fähig zu sein Dinge zu Ende zu bringen, eine Ausbildung bis zum Ende durchhalten, eine Freundschaft bewahren, einer Ehe treu zu sein ist ein hohes Gut. Wenn es aber unmöglich ist, das, was begonnen worden ist, zu erreichen, läuft man Gefahr, sein Leben zu verschleudern."

Die Kleine mit den verfilzten moosigen Haaren erschrak. Der Vater sah es genau, und er erschrak auch. Aber es wurde nichts mehr gesagt.

Die Saligen verschwammen mit dem Wald, dem Himmel und der untergehenden Sonne. Die Amme und der Vater befanden sich im Dickicht des Waldes, und hätte der Vater nicht den Stein, den silbernen Ring und die Stricknadeln im Bastsack gehabt, sie hätten gedacht , sie haben geträumt.

Einfluss auf die Firma

"Tiere sind unsere Freunde, sie sind uns näher als ihr Menschen", hatte die Salige gesagt. Der Sohn des Imperium-Inhabers überlegte, welche Tiere es im Imperium gab. Aber zunächst war es ein flüchtiger Gedanke. Denn diesen Abend ging er ja mit seiner Frau ins Konzert. Er liebte Mozart. Es war das Konzert für Flöte, Harfe und Orchester, von guten Musikern gespielt. Und er freute sich darauf. Die Königin trug das gelbe Chiffon-Kleid, dazu passend gelbe, hohe Stöckelschuhe.

„Wie kann man nur in diesen Schuhen gehen?" dachte er. Aber sie gefiel ihm. Die Handtasche hatte ihre Freundin selbst aus einem Vorhangstoff gemacht. Sie passte gut dazu. Es wurde ein wunderschöner Abend.

Am nächsten Tag fiel ihm die Tierhaltung wieder ein. Er hatte sich kaum je um seines Vaters Wirtschaftsimperium gekümmert und er überlegte sich, dass er nun überfordert wäre, sich um alle Tierfabriken und Bauernhöfe sofort zu kümmern. Es wäre wohl besser, sich einmal einen herzunehmen. Aber was würde sein Vater sagen? Sollte er ihn um Rat fragen? - Er entschied sich dagegen.

Vor allem nach dem Erlebnis mit der richtigen Beschriftung nahm er an, dass sein Vater ihn nicht verstehen würde.

Er entschied also, ohne viel abzuwägen, eine der Tierfabriken seines Vaters zu besichtigen, die mit einem Markenzeichen ausgestattet worden war. Als er hinkam und den Geschäftsführer sprechen wollte, stellte sich heraus, dass er mit dem in die Volksschule gegangen war.

"Bert, hattet ihr nicht selbst einen Bauernhof?" fragte er.

"Wir konnten ihn nicht halten, er ist still gelegt", antwortete Bert. "Dauerbrache. Wir waren wohl zu ungeschickt, uns in der heutigen Zeit zu halten."

"Und wo seid ihr jetzt alle?"

"Die Maria hat eine Ausbildung zur Altenpflegerin gemacht, die geht halt jetzt von Familie zu Familie. Der Sepp ist Lehrer, das war ja von vornherein geplant. Die Zwillinge arbeiten beim Bau. Die Eltern verkaufen noch ein bisschen Gemüse."

"Du, der Sepp, die Zwillinge und Maria, hättet ihr es nicht probieren können?"

"War nicht zu machen. Die landwirtschaftlichen Produkte aus den Industrie-Betrieben wie diesen hier waren zu billig. Wir hätten nicht konkurrieren können. Und du bist also jetzt mein Chef?"

"Ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn ich dir das gestehe, aber ich habe nichts zu entscheiden."

"Und was willst du hier?"

"Ich will mir das einmal anschauen."

"Worum geht es dir?"

"Ehrlich gesagt, ehrlich gesagt, ich getraue es mich kaum zu sagen, es geht mir um den Tierschutz."

"Warum getraust du dir das nicht zu sagen? - Weil es verrückt ist, an Tierschutz zu denken, wenn es um Verkaufen und um das billige Fleisch geht," sagt Bertl bitter. "Aber glaub mir, was immer du hier siehst, woanders ist es noch schlechter."

"Ja, schon möglich. Ihr habt ja auch eine Auszeichnung bekommen. Deshalb bin ich auch her gefahren. Ich wollte nicht gerade mit dem Schwierigsten anfangen."

"Du willst die Welt, sprich das Imperium deines Vaters, verbessern? Wie kommst du denn drauf?"

Dem Sohn des Imperium-Inhabers riss es. Wenn das alles auch im flapsigen Ton gesagt worden war, so hörte er doch irgendwie heraus, dass er hier Verständnis finden könnte.

Bert erklärte: "Viele denken bei einem Schweinemastbetrieb mit 800 Tieren an industrielle Landwirtschaft im großen Stil: eine riesige Fabrikshalle, gleißendes Licht, mehrere Billiglöhner als Angestellte. Bei uns sieht es ein bisschen anders aus."

Der Sohn des Imperium-Inhabers beugte sich zu Bert: "Wie sieht es aus? Ich weiß gar nichts."

"Wir produzieren eben dieses Gütesiegel-Fleisch, liefern aber zum Großteil an den überregionalen Schlachthof."

"Die Ferkel ziehen wir nicht selbst auf. Wir kaufen sie mit einem Gewicht von 30 Kilogramm von zwei nahe gelegenen Züchtern."

Die Salige hatte dem Sohn des Imperium-Inhabers die Gabe zu beobachten verliehen; er fragte: "Wie werden die Ferkel behandelt, bis sie 30 Kilogramm haben?"

"In Kastenstandhaltung. Kastenstandhaltung - das heißt: Die Sau wird nach der Geburt der Ferkel in einen abgegrenzten Bereich gestellt, der kaum größer ist als sie selbst. Sie kann sich also nicht umdrehen, nicht vorwärts und nicht rückwärts gehen, sondern nur stehen und liegen - und das für einen Zeitraum von vier Wochen."

"Und trotzdem machst du da mit?"

"Was soll ich tun? Ich habe auch eine Familie zu ernähren, drei Kinder, eine Frau, die nicht viel verdient..."

"Wie rechtfertigt man eine solche Tierhaltung? Es ist doch offensichtlich, dass ein Schwein leidensfähig ist."

"Man argumentiert, beim dritten, vierten Mal gehe eine Sau schon freiwillig in den Kasten. Einmal drin, wehre sie sich nicht, sondern sei ruhig. Der Sinn der Kastenstandhaltung sei das Vermeiden von Produktionsausfällen, sprich: Die Sau könne keines der Ferkel erdrücken, was sonst hin und wieder vorkomme."

"Wie geht es dann weiter?"

"Wenn die Ferkel dann zu unserem Mastbetrieb ankommen, werden sie in verschiedene Räume des Stalls und dort in einzelne Boxen verteilt, sortiert nach Alter. Die Größe dieser Boxen liegt bei rund 25 Quadratmetern, die Belegung variiert zwischen 20 und knapp 40 Tieren. Die Ausstattung ist karg. Die Tiere bewegen sich auf einem Betonboden mit kleinen Spalten, durch die ein Großteil der Ausscheidungen in einem Gülletank unter dem Stall verschwindet. Die Fütterung erfolgt automatisch, ein Trog in der Mitte wird befüllt. Getrunken wird aus einem Trinknippel an der Wand."

"Was ist dann bei euch anders?"

"In jeder Box hängt eine Eisenkette mit Gummiteil, zum Spielen. Die Tiere schieben den Gummi hin und her und reißen an der Kette."

"Ist das alles?"

"Täglich wird in den Boxen eine Dusche aufgedreht. Jedes Tier, das will, kann sich berieseln lassen, was beruhigend wirkt. Ruhige Schweine garantieren eine geringe Ausfallsquote. Anfangs lief das Duschprogramm automatisch.

Weil aber die Temperaturen schwanken und es manchmal ein bisschen zieht, waren dann einzelne Tiere erkältet. Jetzt wird manuell berieselt. Der Stall selbst ist großteils aus Holz gebaut, auch das war uns wichtig, die klassische Fabriksanmutung sollte vermieden werden."

"Aha."

"Die Fütterung erfolgt viermal täglich, jedes Mal über mehrere Stunden hinweg. Das ist nicht Standard, sondern soll ebenfalls zur Beruhigung der Tiere beitragen. Die Aufregung, die entsteht, wenn punktuell Futter für alle kommt, wird so vermieden."

"Und wo kommt das Futter her?"

"Beim Futtermittel setzen wir zum größten Teil auf Selbstversorgung. Mais, Weizen und Gerste werden auf den eigenen Feldern geerntet. Zugekauft werden Sojakonzentrat und ein Mix aus Mineralstoffen und Vitaminen. Das Ganze kommt als Brei mit Wasser gemischt aus Rohren in den Trog. Klassische Leistungssteigerer, Hormone und Antibiotika werden nicht verfüttert, sie sind in unserem Land sowieso verboten."

"Was könnte man ändern, um die Wirtschaftlichkeit nicht zu sehr zu gefährden? Schließlich ist niemand geholfen, wenn du aufhörst und das Fleisch bei einem Betrieb mit einer riesigen Fabrikshalle, gleißendem Licht, mehrere Billiglöhner als Angestellte gekauft werden?"

"Zunächst einmal sollten die Tiere auf keinem Spaltboden gehen müssen. Stroh müsste vorhanden sein. Der Stall müsste über Außenflächen verfügen, die die Tiere benützen könnten." "All das würde Investitionen in bauliche Maßnahmen bedeuten. Das Misten des Stalles würde viel Zeit in Anspruch nehmen und wäre mit so wenigen Angestellten kaum zu bewältigen. Das alles ist meinem Vater wohl zu teuer."

"Was heißt deinem Vater? Der weiß wahrscheinlich gar nicht, was für eine Schweinemast notwendig ist und wie verkauft wird. Auch dieser Betrieb muss kostendeckend und darüber hinaus sein. Alle, die davon profitieren, müssten Abstriche machen. Was heißt Abstriche! Es müsste einem einfach wert sein!"

"Die Tiere sind in erster Linie eine Ware und erst in zweiter Linie Lebewesen."

"Ja, aber wir versuchen, im Rahmen einer wirtschaftlichen Haltung von Schweinen Tierleid zu verhindern, wo es geht."

Der Sohn des reichen Mannes, den man später König nannte, verbrachte den Abend mit seiner schönen Frau und seinen kleinen Söhnen.

Der Weg zum Königtum

Am nächsten Tag beschäftigte er sich wieder mit Tierschutz, das heißt mit dem Schutz der Schweine in dem Betrieb, den er besichtigt hatte. Er sagte seiner Frau nichts davon. Er sagte nur, er wäre beschäftigt, und ging. Seiner Frau war es nicht recht. Sie wollte wissen, was er tat, was er dachte, und sie wollte, dass er sich mit ihr beschäftigte. Aber er wusste, sie würde ihn nicht verstehen.

„Bert", fragte er, „Wie selbständig bist du?"

„Ziemlich", antwortete Bert. „Solange die Kohle stimmt.

Jetzt, da der Betrieb die Auszeichnung bekommen hat, geht es recht gut."

„Wie du weißt, habe ich schon etwas Geld, das ich selbständig ausgeben kann", erklärte der Sohn des Imperium-Eigentümers.

„Ich möchte , dass der Spaltboden abgeschafft wird und die Tiere Stroh bekommen. Ich habe schon einen Bau-Unternehmer beauftragt, der die bauliche Maßnahmen für die Außenflächen für die Tiere, für den Auslauf, besorgen soll. Du, bitte, sorge für Arbeitskräfte, die den Stall und die Außenflächen sauber halten, und was sonst notwendig ist. Mit all diesen Maßnahmen schaffe ich ja auch Arbeitsplätze."

„Oh!"

„Außerdem möchte ich, dass du die Ferkel selbst aufziehst, ohne Kastenhaltung, versteht sich."

„Sonst noch etwas?"

„Du setzt dich heute noch hin, und beantragst, dass du die Schlachtung auf dem Hof durchführen darfst. Ich möchte nicht, dass die Tiere durch halb Europa transportiert werden, um einer billigen Schlachtung zugeführt zu werden."

„Nicht billig. Ich habe das sehr sorgfältig ausgesucht."

„Der überregionale Schlachthof. Ich weiß. Das hast du gesagt."

„Hast du mit deinem Vater geredet?"

„Nein"

„Das musst du aber!"

„Ich habe gedacht, du bist weitgehend selbständig. Ich verwende nur Geld, über das ich selbst verfügen darf."

„Schon möglich. Ich vertraue dir ja auch. Trotzdem musst du mit deinem Vater reden, sonst mache ich nicht mit."

Der Imperium-Eigentümer war aber sofort einverstanden. Der junge Mann war sehr erstaunt. Aber der Imperium-Eigentümer hatte schon mit der Bio-Welle geliebäugelt, und er sah hier auch eine Möglichkeit, seinen Sohn sich bewähren zu lassen. Außerdem machte ihm die Auszeichnung Mut.

Es wurde ein voller Erfolg, und dieser Erfolg war dann ausschlaggebend, dass der Imperium-Eigentümer den Besitz erbte und zum "König" wurde.

Der "König" wollte seine Macht nutzen, um viele umweltunverträgliche und sozial schädliche Dinge in seinem Imperium zu ändern. Die salige Freundin seiner Amme hatte ihm Beobachtungsgabe verliehen. Er erkannte, was falsch war. Aber wie eine andere Salige gesagt hatte:"Wenn du Dinge zum Guten ändern will, wird immer jemand dagegen sein." Und er setzte sich selten durch.

Er war auch enttäuscht von seinen Söhnen. Er erkannte ihre Schwächen, aber auch hier: Er hatte nur die Beobachtungsgabe als Geschenk erhalten, die Fähigkeit, richtig zu handeln hätte er selbst erwerben müssen. Und manchmal war er einfach zu müde dazu.

Wie behandelte der „König“ seine Söhne?

Einmal, als Herbert auf seiner Wanderung und Suche von großer Einsamkeit überfallen wurde, wollte er heim kommen. Wie verhielt sich der Vater?

Herbert und der König

Herbert dachte über verschiedene Ereignisse seines Lebens nach, und da fiel ihm die Exkursion mit seinem Vater zu den Mietshäusern ein. Auf einmal interessierte ihn, was daraus geworden war. Er hatte sich zwar vorgenommen, mit seinem Vater keinen Kontakt zu halten, so lange er nicht den Ring der saligen Frau, der beliebt machte, und vielleicht die Frau mit den goldenen Haaren gefunden hatte, und hatte das auch so mit Rupert abbesprochen. Es war ein halbherziges Gespräch mit Rupert gewesen, so wie die ganze Suche halbherzig war. Aber die Stille in der Berg-Hütte, in der er sich befand, und in dieser Landschaft wirbelte Gedanken über seine Kindheit hoch. Obwohl es nie ausgesprochen worden war, fing er doch an, darüber nachzudenken, dass sein Leben einen Teil des Wirtschaftsimperiums ausmachen könnte, dass er vielleicht nicht nur von dem Gewinn finanziell versorgt sein wollte. Was sollte er dann auch mit seinem Leben anfangen?

Er griff zum Telefon. Es war Abend. Es war die private Nummer seines Vaters. Er hoffte, er würde ihn antreffen. Er fragte sich, ob der Vater seine Nummer gespeichert hatte und gleich erkennen würde, dass er anrief. Wohl nicht. Er hatte in der letzten Zeit sein mobiles Telefon vier Mal gewechselt und sich nicht immer darum gesorgt, die Nummer mitzunehmen.

Er erkannte die Stimme seines Vaters sofort.

„Vater", sagte er. „Ich bin es, Herbert."

„Ja?" Sein Vater klang kurz angebunden und müde. Er fragte nicht nach, wie es ihm ergangen war, was er getan hatte, wo er war. Er fragte auch nicht nach den Schätzen. Vielleicht hatte er von der Wirtshausrauferei von Rupert gehört und nahm an, er, Herbert, habe Anteil daran. Vielleicht war er auch einfach nur müde. Herbert entschloss sich, jedes verbindliche Gespräch beiseite zu lassen und gleich zur Sache zu kommen.

„Erinnerst du dich noch, als du mich zu den Mietblocks mitgenommen hast? - Du weißt schon, die die Gemeinde renoviert oder abgerissen haben wollte? Und wo die Mieter rebelliert haben?"

„Natürlich. Wie sollte ich nicht?"

„Warum hast du mich mitgenommen?"

„Ich wollte sehen, wie du reagierst."

„Und du warst wohl nicht zufrieden?"

„Ja und nein. Du hattest ganz gute Ideen, blicktest aber nicht überall durch. Enttäuscht hat mich nur dein offensichtliches Desinteresse."

Herbert lachte ein bisschen bitter. "Dafür interessiere ich mich jetzt dafür. Was ist daraus geworden?"

„Ich habe die Häuser renoviert."

Herbert missverstand ihn. "Und nun wirst du teurere Miete verlangen."

„Nein, die Leute wohnen noch immer dort. Sie sind zum Teil sehr alt. Wenn ich sie delogiert hätte, auch in die wunderbare Gegend, die du vorgeschlagen hast, die viel schöner ist – dann hätten sie von ihren Angehörigen nicht mehr besucht werden können, die ihre Arbeit und Familien in der Nähe haben. Das ging nicht."

„Dann hast du die Häuser so weit renoviert, dass keine Gefahr mehr besteht?"

„Na, na, so schnell geht das nicht. Jetzt wird einmal das Dach repariert. Es hat ja zum Teil schon herein geregnet." Herbert spürte, dass es seinem Vater wohl tat, mit ihm zu sprechen.

„Darf ich heim kommen?" fragte er.

„Nein!" sagte der König.

Die Mutter

Nun wenden wir uns der Mutter unserer drei jungen Männer, Rupert, Herbert und dem Dummling, zu. Sie kümmerte sich zwar nicht um die praktischen Bedürfnisse ihrer Kinder als da sind Windel Wechseln, Füttern, Baden... Aber sie hatte viel Sinn für Schönheit, und von Schönheit waren die drei jungen Männer von klein auf umgeben. Sie stellten sich zwar später gegen diese ausschließliche Ausrichtung des Lebens auf Schönheit, aber das Gefühl für Schönheit wurde doch ein wesentlicher, stabilisierender Faktor in ihrem Leben.

Eines Abends las sie den Kleinen folgende Geschichte vor:

„Der Kleine Bär räumt auf"

Der Kleine Bär hat gerade eine Bienenwabe mit Papa Bär gebastelt.

„Wir müssen für die Bienen ein Haus machen. Dann geben sie uns Honig“, sagt Papa Bär.

Nun muss der Kleine Bär sich die Hände waschen.

Mama Bär ist auch im Garten.

Aber nun holt Mama Bär den Kleinen Bären ins Wohnzimmer. Da sitzt Oma Bär.

„Spiel mit Oma Bär!“, schlägt Mama Bär vor.

„Garten“, sagt der kleine Bär.

„Nein, es regnet jetzt stark“, antwortet Mama Bär.

Oma Bär hat Lego-Steine mitgebracht. Interessiert betrachtet der kleine Bär die Lego-Steine.

„Schau!“ Oma Bär zeigt auf die Lego-Steine.

Sie legt einen Lego-Stein über den anderen. Im Nu ist ein Turm da. Oma Bär hat einen Turm gebaut.

„Aufbauen ist schön“, behauptet Oma Bär.

„Abbauen“, sagt der Kleine Bär und wirft den Turm um.

Aber dann bauen beide eine Weile auf.

„Jetzt müsst ihr aufräumen“, ordnet Mama Bär an.

Oma Bär räumt die Lego-Steine in die Schachtel.

„Nein“, ruft der Kleine Bär und holt die Lego-Steine wieder heraus.

Nun räumt Mama Bär Lego-Steine in die Schachtel.

„Jetzt du!“ sagt sie zum Kleinen Bär.

„Nein“, widersetzt sich der Kleine Bär.

„Ich räume nicht alleine ein!“, wehrt sich Mama Bär.

Da wirft der Kleine Bär auch ein Lego-Steinchen hinein. Er spitzt zu Mama Bär hinüber, die weiter einräumt. Oma Bär tut nichts mehr. Als Mama Bär herschaut, wirft er wieder ein Lego-Steinchen hinein, dann schaut er wieder verschmitzt.