Die TIME-OUT-Taktik - Peter Solc - E-Book

Die TIME-OUT-Taktik E-Book

Peter Solc

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Beschreibung

Sofort-Hilfe bei hoher Belastung und Erschöpfung! Arbeiten bis zum Umfallen? Ständiger Spagat zwischen Familie und Karriere? Fakt ist: Das ist der falsche Weg, um glücklich und effektiv zu sein. Dieser Ratgeber zeigt, dass bewusster Schlaf, Konzentration auf sich selbst und mehr Achtsamkeit auf den eigenen Rhythmus mehr bringt als stures Leisten. Die bewährte TIME-OUT-Taktik hilft schnell bei hoher Belastung und Erschöpfung, bietet aber auch wertvolle Anregungen, wie Sie mit schwierigen Arbeitsumständen besser umgehen können: Leicht verständlich, überall umsetzbar!

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Entspannende Gedanken für den Anfang

Durch meine Tätigkeit sowohl im Leistungssport als auch in der Wirtschaft konnte ich einen fundierten Einblick in beide Bereiche bekommen und stellte unter anderem einen grundlegenden Unterschied fest, der das Hauptthema dieses Buches ist: Im Spitzensport hält man sich an den natürlichen Zyklus von Anspannung und Entspannung, von Leistung und Erholung. In der Wirtschaft kaum. Im Sport weiß man, dass beides gleich bedeutsam ist. Nur so sind jene Höchstleistungen und Weltrekorde möglich, die wir fasziniert in den Medien verfolgen. In der Wirtschaft scheint man sich nur in die Leistung verliebt zu haben. Ein unerfahrener Sportler bekommt sofort die Rechnung präsentiert, wenn er sich nicht ausreichend regeneriert, und lernt sehr rasch, wie wichtig Erholung für den Erfolg ist. In der Wirtschaft wird Erholung belächelt, nicht ernst genommen, als nicht wichtig abgetan. Und das ist fatal, weil die Auswirkungen erst mit Zeitverzögerung sichtbar werden.

Dieses Buch soll Ihnen helfen, Ihre persönliche Sicht auf diesen Umstand zu prüfen und bei Bedarf zurechtzurücken. In Kapitel 1 erfahren Sie, was es mit diesem natürlichen Zyklus von Leistung und Erholung auf sich hat und was er mit Ihrem Leben, Ihrer Arbeit, Ihrem Sport zu tun hat. Dieser Rhythmus von Anspannung und Entspannung zeigt sich in vielen Facetten des Alltags – in Kapitel 2 lesen Sie, wie Sie darauf achten können. Kapitel 3 stellt Ihnen schließlich die verschiedenen Formen der Regeneration vor – denn Erholung finden Sie nicht nur beim süßen Nichtstun!

Kapitel 4 und 5 sind der Selbstfürsorge gewidmet. Über die verschiedenen Möglichkeiten der Erholung und Regeneration Bescheid zu wissen, ist die eine Sache. Die andere ist, das Maß der Anspannung, des Stresses, der Überlastung schon von vornherein in Schranken zu weisen. Das ist eine proaktive Form der Regeneration.

Die Kapitel 6, 7 und 8 schließlich machen Sie zum Regenerationsprofi. Sie üben sich in Achtsamkeit und Konzentration, um besser entspannen zu können, lernen verschiedene Entspannungstechniken und erfahren, welch tolle Dienste Ihnen der Schlaf erweisen kann. Dazwischen finden Sie jede Menge Tipps, um belastende Situationen leichter bewältigen zu können. Als Abschluss warten bewährte Muntermacher auf Sie, die Sie zur Aktivierung und Leistungssteigerung einsetzen können.

Sie werden bei den Übungen und Techniken vielleicht feststellen, dass Sie sich ein wenig egoistisch vorkommen. Wie können Sie nur darauf bestehen, eine kurze Pause einzulegen, wenn alle um Sie herum so geschäftig sind? Nun, es ist kein unangemessener Egoismus, ernst zu nehmen, was Körper, Geist und Seele brauchen. Wobei Egoismus an sich nichts Schlechtes ist. Gesunden Egoismus sollten Sie unbedingt lernen! Denn nur wenn Sie auf sich selbst achten, können Sie für Ihre Kinder, Ihren Partner, Ihre Kollegen und Freunde da sein!

Time-out, das ist im Sport die zum richtigen Zeitpunkt genommene kurze Auszeit, um sich vor dem nächsten Spielzug noch einmal zu sammeln, Gedanken und Kräfte zu bündeln, die Strategie zu klären und Konzentration und Motivation zu erhöhen. Ein Time-out ist für die Sportler selbstverständlich. Für Sie, liebe Leserin und lieber Leser, sollte es ein ebenso selbstverständliches Werkzeug sein, mit dem Sie sich rüsten, um erfolgreich zu sein – beruflich wie privat.

Ich wünsche Ihnen eine entspannende Lektüre!

Peter Solc

1 Erst die Arbeit, dann das Vergnügen?

Anlaufschwierigkeiten am Morgen, Müdigkeit zur Mittagszeit, Konzentrationsprobleme am späteren Nachmittag – Ihr Körper weiß, wann er Pause braucht. Allein Ihr Verstand schüttelt missbilligend den Kopf: Für Pausen werden Sie doch nicht bezahlt! Nun, das ist nur eines von vielen Missverständnissen, mit denen wir uns das Leben schwer machen.

SportlerroutineAm Vormittag vor dem Meisterschaftsspiel wird nicht trainiert. Es wird gemeinsam zu Mittag gegessen und ein Verdauungsspaziergang gemacht, um sich die Beine zu vertreten. Anschließend geht es ab in die Zimmer mit dem Auftrag, zu schlafen. Zwei Stunden später wird eine Spielerbesprechung abgehalten, dann fährt die Mannschaft zum Entscheidungsspiel ins Stadion.

Ein paar der jungen und weniger routinierten Fußballer spielen nach dem Mittagessen lieber mit der Playstation, als zu schlafen. Allerdings haben sie dabei ein schlechtes Gewissen: Nicht zu schlafen heißt, dass der Körper nicht ausreichend regenerieren kann und die Leistungen hinter den Erwartungen herhinken werden. Wenn die Trainer dahinterkommen, wird es Ärger geben!

Szenenwechsel: AlltagsroutineDer Manager beginnt seine Mittagspause damit, seine Bürotür zu versperren – von innen. Seinem Sekretariat teilt er mit, dass er außer Haus und nicht erreichbar ist. Er legt sich für 20 Minuten auf die Couch zu einem Powernap. Danach ist er wieder frisch und voll leistungsfähig, wie es von ihm erwartet wird.

Allerdings hat er dabei ein schlechtes Gewissen: Ein Schläfchen wird so interpretiert, dass er den Strapazen seiner Arbeit wohl nicht ausreichend gewachsen ist. Wenn seine Kollegen und Vorgesetzten dahinterkämen, würde es Ärger geben! Also hält er seine kleine Siesta lieber geheim.

Höher, schneller, weiter. Und das bitte sofort!

Um acht Uhr im Büro sein, schnell einen Kaffee trinken, denn gleich ist der Jour fixe mit der Abteilung anberaumt, in dem besprochen wird, was in den nächsten Tagen zu tun ist. Auf dem Schreibtisch turmhoch Projektmappen, über der Tastatur eine Reihe kleiner Zettel mit der Bitte um Rückruf, dem Ersuchen um Infomaterial und diverse Notizen, was sonst noch alles zu tun ist. Ab 11 Uhr intensiv an einem Projekt arbeiten, Anrufe tätigen, Maileingänge abarbeiten. Mittagspause? Keine Zeit! Die Chefin wünscht eine Projektstatusmeldung bis spätestens 14 Uhr. Erste Anzeichen von Müdigkeit werden verdrängt. Dann wieder ein Meeting, diesmal mit einem Kunden, um den Auftrag an Land zu ziehen. Der Anflug von Erschöpfung um 16 Uhr wird ignoriert, der Tag ist noch lange nicht zu Ende. Mit Kollegen ein Problem klären, dann an einer Projektdokumentation arbeiten bis 18.30 Uhr. Mails noch mal checken, To-do-Liste abhaken und ergänzen. Um 19 Uhr dann endlich auf dem Heimweg, schnell etwas essen, erschöpft in den Fernsehsessel fallen. Den Kindern müde nachwinken, als sie zu Bett gebracht werden.

Es läuft etwas schief in unseren Büros: Wir arbeiten viele Stunden durch, gönnen uns kaum eine Pause – und wundern uns, wenn uns der Spaß an der Arbeit abhandenkommt und wir am Abend müde, gereizt oder frustriert heimkommen. Wir wollen Karriere machen und Geld verdienen, arbeiten länger und vielleicht auch am Wochenende – und brennen dabei zunehmend aus. Die Wirtschaft verlangt stets steigende Gewinne, und wenn die Spanne zwischen Umsatz und Kosten immer dünner wird, muss man eben an den Kosten schrauben. Und so arbeiten immer weniger Mitarbeiter an immer aufwendigeren Projekten. Wird ein Mitarbeiter krank, müssen die anderen, die ohnehin schon am Limit arbeiten, auch noch Überstunden schieben. Dass der Sparkurs sogar zum Produktionsstillstand führen kann, hat im Sommer 2013 die Deutsche Bahn demonstriert, die wegen krankheitsbedingtem Personalausfall ihren Fahrplan nicht mehr einhalten konnte und manche Regionallinien sogar vorübergehend einstellen musste.

In unserer Freizeit ist es oft nicht viel anders: Wir wollen mit den Kindern und Freunden etwas unternehmen, den Haushalt in Schuss halten und für die Eltern da sein. Der Sohn soll Schlagzeug lernen und die Tochter Spanisch, und so spielen wir Taxidienst zwischen Musiklehrer und Sprachschule. Damit wir selbst nicht zu kurz kommen, spekulieren wir damit, dass sich zwischen den vielen Freizeitterminen auch noch ein paar Stündchen pro Woche erübrigen lassen für unser Hobby.

Diese immer rasanter werdende Entwicklung fordert ihren Tribut: In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Krankenstände durch Burn-out verzehnfacht. Auch wenn dies unter anderem auch damit zu tun hat, dass das Bewusstsein und die Bereitschaft, sich krankzumelden, gestiegen ist: Stress am Arbeitsplatz ist eine der zentralen Ursachen für psychische und körperliche Probleme geworden. Quer durch die Branchen zieht sich dieses Phänomen. Deshalb sind in letzter Zeit Ministerien und Versicherungen dazu übergegangen, dem Thema betriebliche Gesundheitsvorsorge Priorität einzuräumen. „Gesund führen“ heißt das Motto. Nach einer Umfrage des Hernstein Management Reports vom April 2013 sehen Manager darin in erster Linie die Chance, Krankenstände zu reduzieren und die Produktivität zu steigern. Seitdem sollen Fitness-Karten, Anti-Stress-Seminare oder flexiblere Arbeitszeitmodelle zur Work-Life-Balance der Mitarbeiter beitragen. Arbeitsmediziner bieten ganze Kataloge von Maßnahmen an, mit denen Mitarbeiter einen gesunden Ausgleich zu ihrer Arbeit finden können.

Diese Angebote werden leider meist nur inkonsequent genutzt und verlaufen früher oder später im Sand. Dabei kann „Gesund führen“ viel mehr sein, sodass alle profitieren – sowohl das Unternehmen als auch jeder einzelne Mensch. Erste Vorbilder beweisen das, wie z.B. die Zürich Versicherungs-AG in Österreich. Deren Vorstandsvorsitzender Gerhard Matschnig, selbst ehemaliger Spitzensportler, etablierte eine neue, gesunde Leistungskultur. „Wer in der Champions League spielen will, braucht Rahmenbedingungen wie in der Champions League und nicht wie in einem Hobbyverein“, sagte er und umgab sich mit den Menschen, die seine Idee und Einstellung teilten. Das Ergebnis: Ein Umdenken fand statt. Die Mitarbeiter haben heute laut konzernweit regelmäßig durchgeführter Mitarbeiterbefragungen die höchsten Engagement-Werte, sie sind an ihrem Arbeitsplatz am zufriedensten und das Unternehmen wächst derzeit doppelt so stark wie der Markt.

Es ist ein sinnvoller Ausgleich, nach einem besonders anstrengenden Arbeitstag Sport zu betreiben – jedoch nur, wenn es ein entspannter Lauf im Park ist und kein Marathontraining. Sport kann viel zur Regeneration von Körper, Geist und Seele beitragen, sofern er richtig dosiert wird. Doch das ist nur eine der Möglichkeiten, sich trotz forderndem Job und trotz Doppelbelastung im Gleichgewicht zu halten. Es gibt noch eine ganze Palette anderer Tipps – und vor allem auch solche, die Sie während des Tages gut anwenden können. Sie werden sie in diesem Buch kennenlernen.

Was nämlich generell übersehen wird, ist die tragende Bedeutung von Regeneration, und zwar zur rechten Zeit und nicht erst dann, wenn man erschöpft ist. Offenbar haben wir ein bisschen zu gut gelernt, dass man erst nach getaner Arbeit das Recht auf Erholung hat – und nicht schon zwischendurch, wie es unserer Gesundheit zuträglich wäre. Es ist uns viel zu wenig bewusst, wie wichtig Regeneration für unsere Leistungsfähigkeit ist. Mit diesem Buch möchte ich ein Stück weit zur Aufklärung beitragen und Sie zum Umdenken anregen.

Wir brauchen Erholung dringender denn je

Spitzenleistungen sind nur dann möglich, wenn wir unserem Körper und unserem Geist ausreichend Erholung gönnen – wohldosiert und mehrmals am Tag. Das hat schon der griechische Gelehrte Plutarch gewusst. „Erholung ist die Würze der Arbeit“, sagte er. Nicht nur, dass man erst durch Erholung Geschmack an der Arbeit finden kann – Gewürze in der Küche sind nicht nur eine Gaumenfreude, sondern durchweg auch heilsam und beinhalten viele wertvolle Spurenelemente, die der Mensch braucht. So ist es auch mit der Erholung: In der Regeneration sammeln wir Energie, führt der Körper Reparaturarbeiten in Muskeln und Organen durch und macht Ordnung im Gehirn, sodass wir uns mit frischer Kraft der nächsten Aufgabe widmen können.

Sowenig, wie ein Motor auf Dauer im roten Drehzahlbereich funktionieren kann, sowenig können wir tagtäglich unter Dauerbelastung stehen, ohne krank zu werden. Das ist logisch und einleuchtend. Trotzdem verhalten sich nur die wenigsten Menschen entsprechend, und das liegt wohl an falsch verstandenem Pflichtgefühl oder an Wertvorstellungen, die dringend einer kritischen Prüfung bedürfen, ob sie den Anforderungen der heutigen Zeit überhaupt noch angemessen sind.

Werte, die uns nicht guttun

Jede Gesellschaft, jeder Mensch hat Wertvorstellungen, die meist unbewusst das Zepter führen und uns daran hindern, das Leben mehr zu genießen. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ ist z.B. eine Anweisung, deren Befolgung fatal enden kann. Permanenter Stress führt zu chronischer Erschöpfung, Depressionen, sozialem Rückzug, Rückenschmerzen, Magen-Darm-Problemen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das wiederum sorgt dafür, dass wir nicht voll leistungsfähig sind oder überhaupt für längere Zeit ausfallen – abgesehen davon, dass man doch viel lieber das Leben genießen möchte, als krank zu sein. Selbst wirtschaftlich betrachtet ist diese veraltete Lebensweisheit höchst bedenklich: Allein Krankheit durch Stress und Burn-out kostet EU-weit etwa 20 Milliarden Euro pro Jahr, Tendenz steigend.

Umgekehrt können wir den Nutzen, den wir durch rechtzeitiges Vorsorgen hätten, gar nicht genug würdigen. Stellen Sie sich vor, Sie wären jeden Tag frisch und voll Energie, und zwar nicht nur morgens, wenn Sie zur Arbeit gehen, sondern auch noch abends. Weil Sie wüssten, dass Sie sich nicht nur fachlich auf schwierige Aufgaben vorbereiten, sondern auch auf Ihre körperlichen Ressourcen achtgeben müssen, wären Sie noch erfolgreicher in Ihrem Beruf. Sie hätten genug Reserven, um aktiv an Ihrem Familienleben teilzunehmen und Ihrem Hobby nachzugehen. Wenn Sie lernen, mit Ihren Kraftreserven gut hauszuhalten, haben Sie alle Chancen, sich einer hohen Lebensqualität zu erfreuen. All diese positiven Effekte sind jedoch schwer zu bemessen – vielleicht ist das ein Grund, weshalb Regeneration im Beruf bis dato nicht ausreichend ernst genommen wird.

Pausenlose Hochsaison

Die etwas Älteren unter uns erinnern sich sicher noch an das ebenso beliebte wie berüchtigte Sommerloch – die Flaute, die während der Hauptferienzeit in die Büros und Geschäfte einzog und sich auf die Zeiger der Uhren setzte. Träge tropften die Minuten vor sich hin, manchmal war es auch richtig langweilig am Arbeitsplatz. Wer Gleitzeit hatte, nützte die Gelegenheit, um früher zu gehen und den Rest des Tages im Freibad zu verbringen. Das Sommerloch war die Zeit, in der wir durchschnaufen konnten, endlich aufarbeiten konnten, was während der Hochsaison an nicht so dringender Arbeit liegen geblieben war, und wir zwischendurch auch öfter Zeit für ein kleines Schwätzchen mit den Kollegen hatten. Die Nebensaison war im Sinne der Regeneration eine besondere Zeit. Wie Pflanzen den Winter brauchen, um im Frühling neu sprießen zu können, brauchen auch wir Menschen eine „tote“ Zeit, in der wir uns erholen können, um erneut durchzustarten.

In jeder Branche gab es Hauptsaison und Nebensaison. Ein Hotel auf Sylt hatte im Sommer Hochsaison. Im Winter hatten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Zeit für Reparaturarbeiten oder Fortbildungen, ansonsten nahmen sie sich eine Auszeit – ein Time-out. Die Mitarbeiter der Finanzabteilung eines internationalen Konzerns hatten um den Jahreswechsel herum besonderen Stress wegen des Jahresabschlusses, dafür hatten sie im Sommer weniger zu tun. Auch im Sport gab es Haupt- und Nebensaison: Die Rennsaison für den Skisport begann im November und endete im März. Im Sommer wurde Pause gemacht und das Aufbautraining für die nächste Saison durchgeführt. Umgekehrt im Segelsport: Zwischen dem Ansegeln im Frühjahr und dem Absegeln im Herbst fanden die Regatten statt, im Winter war Pause.

Doch wo ist es hin, das Sommerloch? Es wurde in den letzten Jahrzehnten zunehmend zugestopft, um nur ja das Maximum an Ertrag herauszuquetschen. Das Hotel auf Sylt erfindet Attraktionen für die Nebensaison und schnürt Bonuspakete, mit denen es Gäste anlockt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Finanzabteilung des Konzerns werden im Sommer mit zusätzlichen Aufgaben betraut. Selbst der Sport bleibt von der zusätzlichen Geschäftemacherei nicht verschont. Der Fußball hatte früher Hauptsaison zwischen Spätsommer und Frühling. Heute ist die Pause geschrumpft, um nicht nur Landesmeisterschaftsspiele unterzubringen, sondern auch noch die verschiedenen Cup-Wettbewerbe. Wenn dann auch noch Weltmeisterschaft ist, haben die Spieler praktisch keine Pause mehr. Selbst der Freizeitsport wird mitgezogen von der Sport-Event-Manie, sodass selbst Hobbyläufer in Versuchung geführt werden, auch im Winter ohne Pause durchzulaufen, weil mittlerweile das ganze Jahr über Wettbewerbe für die Freizeitathleten stattfinden. So gut der Gedanke auch ist, die Menschen damit zum Sport zu animieren, so sehr bleibt die so wichtige Idee der Regeneration auf der Strecke. Denn auch einem Hobbysportler tut es gut, ein oder zwei Monate Pause zu machen.

Im Druckkochtopf

Wir laufen auf Hochtouren, sobald wir unseren Arbeitsplatz betreten. Wir versuchen, unsere Konzentration permanent auf maximalem Level zu halten, doch das klappt nicht. Unsere Arbeitsleistung sinkt zwangsläufig und am Abend sind wir erschöpft. Wenn wir uns das wochen- und monatelang abverlangen, brechen wir zusammen, brennen aus.

Ich würde mit Ihnen gerne ein kleines Experiment starten. Im Folgenden finden Sie eine Arbeitsanweisung und ich möchte Sie bitten, diese zu befolgen. Bitte halten Sie einen Stift und eine Uhr bereit und stellen Sie den Timer auf 60 Sekunden – so viel Zeit haben Sie.

DIES IST EIN ZEITTEST – SIE HABEN HÖCHSTENS 1 MINUTE ZEIT!

Folgen Sie bitte genau den Anweisungen!

Lesen Sie alle Anweisungen, bevor Sie irgendetwas tun.Schreiben Sie Ihren Namen in die rechte obere Ecke dieser Seite.Ziehen Sie einen Kreis um das Wort „Namen“ in Anweisung Nr. 2.Zeichnen Sie 5 kleine Quadrate in die linke obere Ecke.Machen Sie anschließend ein x in jedes Quadrat.Schreiben Sie rechts unten „JA-JA-JA“.Schreiben Sie ein S in die linke untere Ecke dieser Seite.Zeichnen Sie ein Dreieck um das eben gesetzte S.Multiplizieren Sie 703 x 66.Zeichnen Sie ein Rechteck um das Wort „Ecke“ in Anweisung 4.Rufen Sie laut Ihren Vornamen aus, wenn Sie an dieser Stelle sind.Wenn Sie bisher alle Anweisungen befolgt haben, rufen Sie laut und deutlich: „Ich hab’s!“Addieren Sie 8950 + 9805.Zeichnen Sie ein Quadrat um das Ergebnis und ziehen Sie einen Kreis um das Quadrat.Zählen Sie in Ihrer gewohnten Sprechweise rückwärts von 10 bis 1.Machen Sie mit dem Stift einen dicken schwarzen Punkt in die obere Seitenmitte.Wenn Sie hier ankommen, rufen Sie laut: „Erster!“Unterstreichen Sie alle geraden Zahlen am linken Seitenrand.Rufen Sie laut: „Ich hab’s fast geschafft und alle Anweisungen beachtet!“Nachdem Sie nun alles sorgfältig gelesen haben, führen Sie nur die Anweisung Nr. 2 aus, die restlichen Punkte werden hiermit widerrufen.

Wenn Sie sich am Ende des Experiments verärgert mit der flachen Hand gegen die Stirn geschlagen haben, trösten Sie sich: Die meisten Menschen, die dieses Experiment zum ersten Mal machen, lesen die erste Anweisung und führen ab der zweiten alle Aufgaben sofort durch. Spart schließlich Zeit, nicht wahr? Erst am Ende, wenn sie den letzten Satz lesen, schwant ihnen, dass sie sich völlig unnötig Mühe gegeben haben.

Es ist eine typisch menschliche Reaktion: Wenn wir unter Druck stehen – in dem Fall waren Sie unter Zeitdruck –, neigen wir dazu, sofort Handlungen zu setzen und damit noch mehr Druck zu erzeugen. Sie haben Anweisung Nr. 2 gelesen und obwohl ganz zu Beginn des Tests stand, Sie sollten zuerst alles lesen und erst dann tun, was zu tun ist, dachten Sie: Ach, ist ja nur eine Kleinigkeit. Das mache ich am besten gleich. Sie haben schließlich nur eine Minute Zeit bekommen! So passiert es uns denn auch täglich: Wir spüren Druck und schaffen es, uns gleich noch mehr Arbeit aufzuhalsen, die gar nicht nötig gewesen wäre.

Klug wäre es jedoch, bei Stress Druck herauszunehmen, also genau das Gegenteil dessen zu tun, was unser Instinkt uns rät. Indem wir uns ein bisschen entschleunigen, bewirken wir dreierlei:

Wir verschaffen uns einen Überblick über das, was tatsächlich zu tun ist.Wir können uns besser orientieren.Wir gewinnen ein wenig Zeit, um durchzuschnaufen.

Auch im Sport war Druck früher gang und gäbe: Hat die Fußballmannschaft schlecht gespielt, wurde ein Straftraining verhängt. Das freie Wochenende wurde gestrichen, damit die Spieler noch mehr trainieren und ihre Fehler ausmerzen konnten. Im Sport hat man jedoch dazugelernt. Heute wird schlechte Leistung nicht bestraft, im Gegenteil. Auch ein schlechter Spieler muss sich regenerieren – und erst danach noch härter und gezielter üben, um besser zu werden.

Den Profisport zum Vorbild nehmen

Im Profisport erkennt man fehlende Regeneration sofort anhand schlechter Ergebnisse. Aus diesem Grund wurde auch viel geforscht, wie man Menschen zu Spitzenleistungen führt, und setzt diese Erkenntnisse auch erfolgreich um. So sind Erholungsphasen fixer Bestandteil des Trainings, sie gehören also zum normalen „Arbeitsablauf“ eines Sportlers. Kein Marathon-Aufbautraining, keine Fußball-Trainingswoche ohne tägliche Ruhepausen, Konzentrationsübungen und ausreichenden Schlaf. Sportler, die ihre Regenerationszeiten nicht einhalten, werden bald durch mangelnde Leistungen enttarnt. Fehlende Erholung schlägt sich also direkt auf die Performance eines Sportlers nieder und ist somit leicht erkennbar. Im Sport ist das gesamte Betreuungsteam – vom Trainer und Mentalcoach bis zur Physiotherapeutin und Ernährungsberaterin – darauf ausgerichtet, dass der Sportler Spitzenleistungen bringen kann. Sie alle wissen genau Bescheid, was Körper, Geist und Seele brauchen, zu welchem Zeitpunkt welches Maß an Druck und welches Maß an Erholung notwendig ist. Deshalb achten alle darauf, dass Ruhezeiten und Regeneration eingehalten werden.

Und wie ist das in der Wirtschaft? Wenn Sie ein Team leiten: Wie sehr achten Sie darauf, dass Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausreichend Erholung haben? Wie oft haben Sie schon gesagt: „Gehen Sie doch heute mal früher nach Hause!“? Noch nie? Dann sollten Sie sich das noch mal überlegen. Wenn Sie keine Führungskraft sind: Wie sehr achten Sie selbst beruflich wie privat darauf, dass Sie frisch und munter bleiben? Auf wie viele Mittagspausen haben Sie schon verzichtet und durchgearbeitet, weil etwas angeblich Unaufschiebbares unbedingt getan werden musste?

Der Gesetzgeber hat zwar einen Rahmen geschaffen, sodass es eine gesetzlich vorgeschriebene Mittagspause sowie Grenzen für die Tages- und Wochenarbeitszeit gibt – doch ob diese Regelungen eingehalten werden, steht auf einem anderen Blatt. Es liegt nicht nur am Chef, der einem ständig mehr Arbeit aufhalst. Wir haben auch selbst die Verantwortung für unsere Gesundheit. Während ein Sportler nach einem Wettkampf unbedingt eine Ruhepause einlegt, hetzt ein Angestellter nach einem anstrengenden Meeting womöglich gleich zum nächsten schwierigen Gespräch. Nicht einmal der Star-Leichtathlet Usain Bolt würde gleich im Anschluss an den 200-Meter-Lauf beim Staffelwettbewerb teilnehmen – er weiß, dass er nicht dieselbe Leistung bringen kann, wie wenn er sich dazwischen ausreichend regeneriert.

Im Job ist der Mangel an Erholung nicht unmittelbar erkennbar. Wer kann schon einen Vergleich ziehen zwischen dem Ergebnis eines Gesprächs, in dem man frisch und schlagfertig agiert, und einem, in dem man aus Müdigkeit die entscheidenden Worte nicht findet? Erst die Summe kleiner Konzentrationsschwächen macht sich dann irgendwann bemerkbar. Der Mangel an Erholungsphasen im Tagesverlauf kostet das Unternehmen Geld, erhöht die Unfallgefahr und gefährdet im Extremfall sogar Menschenleben – Sie werden bestimmt lieber von einem ausgeruhten Arzt operiert als von einem, der die ganze Nacht durchgearbeitet hat! Und dass die Ruhezeiten von Piloten bei einer europäischen Airline neuerdings reduziert wurden, wird Sie vermutlich auch nicht gerade beruhigen.

Profisportler üben sich in einer sinnvollen Abfolge von Anstrengung und Entspannung nach den neuesten Erkenntnissen der Sportwissenschaft. Sie wissen, dass ein Muskel im Training zwar beansprucht, jedoch ausschließlich in der Erholungsphase tatsächlich wachsen kann. Sie pflegen einfache Konzentrationsübungen und Rituale, um sich unmittelbar vor dem Wettbewerb auf den Sieg einzustellen. Und sie erkennen, wann sie am Limit sind und jede weitere Anstrengung sie nur noch schwächer, in keiner Weise aber stärker machen würde. Von ihnen können wir lernen, wie wir auch im Büro, beim Kunden, Patienten oder Geschäftspartner gute Leistungen bringen, ohne uns auszubeuten, sodass wir langfristig Freude an unserer Arbeit und in unserer Freizeit haben.

Von Mäusen, Muskeln und mentaler Kraft: Die Yerkes-Dodson-Regel

Wo wären wir, gäbe es keine Mäuse und Ratten auf dieser Welt! Vor allem die Spezies Laborratte erweist uns seit jeher wertvolle Dienste. So auch in einem Versuch aus dem Jahr 1908, in dem die beiden amerikanischen Psychologen Robert Yerkes und John D. Dodson den Zusammenhang zwischen Leistung und dem Maß der psychischen Anspannung untersuchten. Sie ließen Ratten durch ein Labyrinth laufen, an dessen Ende Futter war. Das Ergebnis ist für uns heute wenig überraschend, weil uns das der Hausverstand sagt: Hatten die kleinen Nager Hunger, fanden sie sehr schnell den richtigen Weg zur Futterquelle. Waren sie satt, spielten sie bloß herum oder trödelten durch die Gänge des Labyrinths. Logisch, nicht wahr: Wenn die Motivation fehlt, gibt es keine Leistung. So schön, so gut.

Interessant war jedoch: Wenn sie fast am Verhungern waren, fanden die Ratten den Weg zur Futterquelle ebenfalls nicht. Sie machten Fehler, bogen falsch ab, liefen in die verkehrte Richtung oder blieben auf der Strecke einfach sitzen, um sich auf das Sterben vorzubereiten. Das ist überraschend, wo man doch meinen könnte, der Hunger würde sie erst recht motivieren und ihre Instinkte und den Überlebenstrieb stärken. Doch das Gegenteil trat ein: Durch die Überlastung, den Stress, hervorgerufen durch die Aussicht auf den Tod durch Verhungern, entstand Panik. Angst lähmt bekanntlich und führte bei den Laborratten dazu, dass die Instinkte versagten. Der Orientierungs- und sogar der Geruchssinn setzen aus.

In den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts hat der Psychologe Hans Jürgen Eysenck diesen Zusammenhang auf uns Menschen übertragen, denn das Prinzip ist bei uns das gleiche: Bis zu einem gewissen Grad brauchen wir Anspannung, also Motivation, um erfolgreich und leistungsfähig zu sein. Wird die Anspannung jedoch unerträglich, wird sie zu Angst oder gar Existenzangst, so zeigt sich das in einem Leistungsabfall bis zur völligen Arbeitsunfähigkeit.

Wird die Anspannung, der Druck zu groß, werden wir immer müder, der gesunde Hausverstand und unsere Sinne werden überlagert von Überlebensstrategien wie Flucht oder Kampf. Yerkes und Dodson zeichneten den Leistungsverlauf im Verhältnis zur Anspannung durch ein verkehrtes U, wie Sie in der folgenden Abbildung sehen können.

Die Leistungskurve nach Yerkes und Dodson

Die Leistungskurve im Sport

Sehen wir uns die Leistungskurve nach Yerkes und Dodson nun einmal anhand eines praktischen Beispiels an. Stellen Sie sich vor, Sie sind Hobbyläufer. Sie stehen am Morgen auf und noch vor dem Frühstück drehen Sie Ihre erste Runde im Park. Weil Ihre Muskeln vom Schlaf noch ganz entspannt sind, der Anspannungsgrad also noch ganz niedrig ist, sind Sie noch relativ langsam. Sie sind auf der Leistungskurve im linken Bereich: geringe Muskelspannung, geringe Leistung. Mit jeder Runde erwachen Ihre Muskeln mehr und spannen sich immer weiter an. Sie bauen Kondition auf, Ihre Muskeln werden stärker, Ihr Herz-Kreislauf-System ebenso. Mit jeder Runde steigern Sie sich. Irgendwann haben Sie Ihre maximale Leistungsfähigkeit erreicht – in der Grafik wäre das der höchste Punkt in der Kurve.

Sie laufen weiter und mit der Zeit werden Sie müder und langsamer, doch das merken Sie nicht sofort. Das erste wahrnehmbare Zeichen ist der kürzere Atem, der Sie dazu veranlassen sollte, langsamer zu laufen. Wenn Sie das ignorieren, folgen als Nächstes Muskelkrämpfe. Es wird Ihnen Ihr gesunder Menschenverstand sagen, dass Sie an dieser Stelle nur noch ganz locker auslaufen, schließlich Ihre Waden und Oberschenkel dehnen und dann Pause machen sollten. Ihr Blut kann nicht mehr genug Sauerstoff in die Muskeln transportieren und übersäuert zunehmend. Würden Sie jedoch – rein theoretisch – weiterlaufen, würden Ihre Muskeln immer mehr verkrampfen und Sie wären anfällig für Verletzungen. In letzter Konsequenz würden Sie vor Erschöpfung und Schmerzen zusammenbrechen. Sie wären dann auf der Leistungskurve im rechten Bereich: extrem hohe Muskelspannung, geringe Leistung.

Für Trainer von Profisportlern ist diese Leistungskurve der Maßstab, den sie all ihrem Tun zugrunde legen. Es ist für sie Basiswissen. Was leiten Profitrainer aus dieser Kurve ab? In der ersten Hälfte der Kurve, wenn Leistungssteigerung möglich ist, wird Druck erzeugt, werden die Sportler angetrieben, um das Maximum des Muskelaufbaus herauszuholen. Ab dem Moment, wo das Limit – also der höchste Punkt der Kurve – überschritten ist, beginnt die Regenerationsphase: Der Sprintläufer läuft eine langsame Runde, um die Muskeln zu lockern, und macht schließlich Pause.

Die Leistungskurve des Gehirns

Mit unserer geistigen Leistungsfähigkeit ist es ähnlich. Beim Aufwachen brauchen wir eine Weile, bis unser Gehirn in die Gänge kommt – Morgenmenschen schaffen das schneller als Abendmenschen, doch auch sie brauchen ein bisschen Zeit. Wenn eine Forscherin im Universitätslabor an einem heiklen Versuch arbeiten will, sollte sie das also vielleicht nicht gleich um acht Uhr am Morgen machen, damit ihr das Labor nicht um die Ohren fliegt. Dieses Stadium ist in der Kurve wiederum links unten zu finden: geringe Anspannung, geringe Konzentrationsfähigkeit. Wenn der Wecker bei ihr um sieben Uhr klingelt, schafft sie geistige Höchstleistungen vermutlich erst so um neun oder zehn Uhr, wenn die Kurve bereits ein Stück weitergeklettert ist. Je nach ihrer Konstitution hat sie nach zwei oder drei Stunden ihre maximale geistige Belastbarkeit erreicht. Ab dem höchsten Punkt, wenn die Kurve nach rechts abzufallen beginnt, sinkt ihre Konzentrationsfähigkeit, sie wird schließlich immer erschöpfter und gereizter werden. Als Folge der Unkonzentriertheit steigt die Gefahr, Fehler zu machen und womöglich einen Unfall zu verursachen. Der Grund für den mentalen Leistungsabfall ist, dass die Stresshormone im Körper dafür sorgen, dass Sauerstoff aus der Peripherie in die Muskeln gepumpt wird. Hände und Füße sind betroffen – und besonders das Gehirn, das mit weniger Sauerstoff nicht die gewünschte Konzentration aufbringen kann. Es wäre also höchst sinnvoll, eine Pause einzulegen, sobald sie ihr Höchstmaß an geistiger Leistungskraft erreicht hat. Erst danach ist sie wieder in der Lage, den nächsten geistigen Berg zu erklimmen.

Dass diese Leistungskurve für uns alle gilt, egal, was wir tun, ist den meisten Menschen nicht klar. Es scheint bestenfalls so, als hätten wir nur die erste Hälfte verstanden. Denn Druck machen, das können wir. Ja, wir brauchen ein bisschen Druck und bis zu einem gewissen Grad auch Stress, um motiviert zu sein, das Beste aus uns herauszuholen. Doch diesen Druck und Stress können wir nicht stundenlang aushalten.

Wir berücksichtigen nicht, dass die Leistungskurve auch noch jene zweite Hälfte hat, die Erholung fordert. Denn auch wenn wir uns nicht körperlich anstrengen, so werden wir doch müde und das Blut kann unser Gehirn nicht mit ausreichend Sauerstoff versorgen. Ihr Gehirn arbeitet dadurch nicht optimal, Sie werden unkonzentriert und machen Fehler.

Was ist unsere Reaktion darauf, dass wir keine guten Leistungen bringen? Wir strengen uns noch mehr an und arbeiten die Mittagspause durch. Anstatt uns bei Überbeanspruchung zurückzunehmen und uns ein wenig zu entspannen, um anschließend mit neuer Kraft an die Sache heranzugehen, erhöhen wir den Druck. All die alten Führungswerkzeuge beruhen auf dem Glauben, dass man Menschen durch Ansporn, Druck, Kontrolle, Belohnung und Bestrafung „motivieren“ muss. Pause? Nein, die muss man sich erst verdienen, heißt es doch: „Ohne Fleiß kein Preis.“ Doch in keiner Managementschmiede wird gelehrt, dass es genauso wichtig ist, den Mitarbeitern eine Phase der Ruhe und Entspannung zu geben, ja dass dies sogar eine Voraussetzung dafür ist, dass sie Spitzenleistungen erbringen können. Auch all die Glaubenssätze, die das Leben eines jeden von uns leiten, basieren auf dieser überholten Überzeugung, nur Drill und Anstrengung führten zum Ziel.

Die Zeit ist reif zum Umdenken

Auch wenn viele Manager immer noch auf alte Führungswerkzeuge zurückgreifen: Positive Beispiele gibt es zum Glück mittlerweile auch. Die bereits erwähnte Zürich Versicherungs-AG hat es durch geeignete Rahmenbedingungen und einen langen Atem geschafft, in den Köpfen der Mitarbeiter eine neue Haltung zur Eigenverantwortung für ihre Gesundheit zu schaffen. Die voestalpine AG, einer der führenden Stahlproduzenten weltweit, ist ebenso beispielgebend. Seit einigen Jahren bietet sie ihren Mitarbeitern Schulungen zur Work-Life-Balance an, jährlich absolvieren etwa 100 Schichtarbeiter ein gezieltes Schlaftraining unter meiner Leitung. Der Konzern hat verstanden, dass gut erholte Mitarbeiter dem Unternehmen und nicht zuletzt den Kunden einen Mehrwert bringen. Weitere mittlerweile berühmte Beispiele sind Google, Facebook und andere junge Konzerne, die Lounges, Ruheräume, Rückzugsmöglichkeiten verschiedener Art für ihre Mitarbeiter bereitstellen.

Heute geht es nicht mehr darum, dass wir nicht faul sein dürfen. Diese Sorge können wir getrost begraben. Unsere Sorge sollte sein, dass wir gut gerüstet sind, um Spitzenleistungen zu erbringen. Das ist, was verlangt wird: dass wir unser Bestes geben. Das können wir nur, wenn wir auf unsere Ressourcen gut achtgeben – auf unseren Energiehaushalt, unseren Körper, der uns durchs Leben trägt, unseren Geist, der tagtäglich gefordert wird.

Das Wichtigste ist jedoch, nicht darauf zu warten, dass andere für unser körperliches, geistiges und emotionales Wohl sorgen. Denn jene innovativen Unternehmen und Führungskräfte sind immer noch in der Minderheit. Letztlich gilt für uns alle, dass wir unsere Einstellung zu Arbeit, Leistung und damit auch zum Thema Regeneration erneuern müssen. Solange wir wie der Manager in der Eingangsszene dieses Kapitels ein schlechtes Gewissen haben, wenn wir eine Pause machen, wird sich nicht viel an der aktuellen Erschöpfung und Überforderung vieler Menschen ändern. Es wäre schön, wenn jeder von uns das Modell der Leistungskurve und das Wissen um den eigenen, individuellen Maximalpunkt im Kopf hat und mit gutem Gewissen dann Pause macht, wenn es für ihn notwendig ist.

2 Folgen Sie Ihrem Rhythmus

Die Jahreszeiten, der Wochenablauf, der Tag-Nacht-Zyklus: Die Natur hat es so eingerichtet, dass alles im rhythmischen Ablauf von Entspannung und Anspannung fließt. Wenn wir es verstehen, uns darin einzufügen, können wir unseren eigenen Rhythmus finden und ihn uns zunutze machen.

SportlerroutineDie acht Ruderer sitzen in ihrem Boot und sind bereit für den Startschuss. Dieser ertönt – und auf Kommando tauchen alle das Ruderblatt ins Wasser und ziehen durch. Der Steuermann gibt den Schlagrhythmus vor und die Mannschaft legt sich in die Riemen: Exakt synchron tauchen sie ein, ziehen durch, tauchen ein, ziehen durch.

Die Mannschaft weiß: Sie erreichen nur dann die maximale Geschwindigkeit, wenn alle im selben Rhythmus schlagen. Sobald auch nur ein Ruderer außerhalb des Taktes ist, geht Kraft verloren.

Szenenwechsel: Alltagsroutine