Die Tote aus der Metzgergasse - Günter Werner - E-Book
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Die Tote aus der Metzgergasse E-Book

Günter Werner

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Beschreibung

Ein Fall für den Rieslingkönig: Der Pfalz-Krimi „Die Tote aus der Metzgergasse“ von Günter Werner jetzt als eBook bei dotbooks. Kommissar Henri König hat gerade seine neue Stelle als Chef der Kripo in Neustadt an der Weinstraße angetreten und freut sich auf das ein oder andere Glas Riesling nach Feierabend. Doch dann macht ein ungeklärter Todesfall dem gemütlichen Plan Königs einen Strich durch die Rechnung. Das Opfer war drogenabhängig und vieles deutet auf eine Überdosis hin – aber König ist skeptisch: War es wirklich ein Unfall, oder doch Mord? Je tiefer der Kommissar in die Ermittlungen vordringt, desto mehr seltsame Zusammenhänge deckt er auf und stößt dabei auf eine unerwartet dunkle Seite der historischen Stadt … Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Die Tote aus der Metzgergasse“ von Günter Werner. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Kommissar Henri König hat gerade seine neue Stelle als Chef der Kripo in Neustadt an der Weinstraße angetreten und freut sich auf das ein oder andere Glas Riesling nach Feierabend. Doch dann macht ein ungeklärter Todesfall dem gemütlichen Plan Königs einen Strich durch die Rechnung. Das Opfer war drogenabhängig und vieles deutet auf eine Überdosis hin – aber König ist skeptisch: War es wirklich ein Unfall, oder doch Mord? Je tiefer der Kommissar in die Ermittlungen vordringt, desto mehr seltsame Zusammenhänge deckt er auf und stößt dabei auf eine unerwartet dunkle Seite der historischen Stadt …

Über den Autor:

Günter Werner, Autor und freier Journalist, begann seine Karriere beim „Pfälzer Tagesblatt“, bevor er 32 Jahre als Redakteur in Neustadt und Landau bei der bekannten Tageszeitung „Rheinpfalz“ tätig war. In seine Pfalz-Krimis rund um Kommissar König fließen sowohl seine journalistischen Erfahrungen als auch seine Liebe zur pfälzischen Heimat ein.

***

eBook-Lizenzausgabe Dezember 2016

Copyright © der Originalausgabe 2016 Verlag Markus Knecht, Landau

Copyright © der eBook-Lizenzausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Sergey Klein

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-954-7

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Günter Werner

Die Tote aus der Metzgergasse

Kriminalroman

dotbooks.

Der Krimi spielt in Neustadt. Viele der genannten Handlungsorte (Welsch-Terrasse, Rosengarten, Kriegergarten etc.) existieren wirklich und sind beim richtigen Namen genannt, das gilt zum Beispiel auch für Weinstuben wie Zur Herberge, Eselsburg, Mohre Jule.

Andere Lokale wie Wein Point oder Pinocchio gibt es in der Stadt nicht, sie sind erfunden, wie die ganze Geschichte dieses Romans. Neustadt ist keine »Drogenhochburg«, aber eine Drogenszene ist vorhanden, wenn auch nicht so ausgeprägt, wie es bei der Lektüre des Buches den Anschein haben könnte.

Ähnlichkeiten mancher Protagonisten mit lebenden Zeitgenossen sind nicht von der Hand zu weisen, teilweise gewollt. Die ihnen in den Mund gelegten Aussagen sind jedoch der Fantasie des Autors entsprungen.

»Drogen geben dir das Gefühl, Gott näher zu sein,

aber am Ende bringen sie dich um.«

(Popstar Madonna)

Kapitel 1

Henri König ist ein fröhlicher, geselliger und umgänglicher Mensch. Er neigt nicht zur Überheblichkeit, weiß, was er kann. Und er kann einiges, ohne dass er dies an die große Glocke hängt. Der erfolgreiche Kriminalist kocht in seiner Freizeit, spielt immer mal wieder ganz für sich allein Orgel in der Kirche, joggt, fährt Motorrad und liest gerne Klassiker. Goethe ist sein Lieblingsdichter, ihn zitiert der einstige Student der Literaturwissenschaften bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Wenn jemand dabei milde lächelt, stört ihn das nicht.

Was der Rieslingkönig, wie er wegen seiner Vorliebe für Wein der Rebsorte Riesling nicht nur im Freundeskreis genannt wird, überhaupt nicht leiden kann, ist, wenn man ihn in eine bestimmte Schublade steckt oder ihn unterschätzt. Selbstbewusst, wie er im Privat- und im Berufsleben ist, wehrt er sich zum Beispiel vehement gegen das Vorurteil, ein Kriminalbeamter sei nichts anderes als ein Mann, der darauf wartet, dass das Glück ihm über den Weg läuft und er ohne großen Aufwand einen gesuchten Täter fasst, um sich dann im Ruhm zu sonnen.

Wenn jemand so redet, wird der Weinfreund König entgegen seinem Naturell ärgerlich und muss an sich halten, dass er nicht ausflippt. Aber das kommt selten vor, weshalb er von Freund und Feind geschätzt wird.

Es ist früher Nachmittag. Henri König sitzt mit seiner Frau Ingeborg, die ebenfalls einen dienstfreien Tag hat, auf der Terrasse seiner Wohnung in Nußdorf. Nur selten haben sie die Chance, sich gemeinsam ein paar Stunden Ruhe zu gönnen, Kaffee zu trinken, zu plaudern, einen etwas tieferen Blick in ein Buch zu werfen und dann, wenn der Abend naht, ein Gläschen trockenen Riesling zu kosten, den beide gleichermaßen schätzen.

»Ach was, Ingeborg, ich öffne eine Flasche, auch wenn die Sonne noch nicht hinter den Bergen der Haardt verschwunden ist. Wer sagt denn, dass man den ersten Schluck erst trinken soll, wenn es langsam dunkel wird?«

»Prost, Rieslingkönig«, lacht Ingeborg und hebt ihr Glas in Richtung Henri.

»Prost, Riesling-Queen«, erwidert der Herr des Hauses.

In einschlägigen Kreisen ist bekannt, dass die Königs etwas vom Wein verstehen und ihn genießen, wenn die Stunde dafür gekommen ist. Heute ist dies der Fall. Sie haben längst herausgefunden, welche Winzer in der Pfalz hervorragenden Riesling erzeugen. Bei einigen sind sie Stammkunden.

»Leben wir nicht auf einem gottgesegneten Stückchen Erde?«, kommt der sonst so nüchterne Kriminalist ins Schwärmen. Wohin er von seiner Terrasse aus auch den Kopf dreht, überall sieht er Weinberge, hoch bis an den Waldrand. »Wenn wir alle Rieslinge noch probieren wollen, die in den letzten zehn Jahren in dieser Region gewachsen sind und eine Auszeichnung bekommen haben, müssen wir sehr alt werden«, bringt es Ingeborg auf den Punkt.

Gerade hat sie wieder ihr Buch zur Hand genommen, um weiterzulesen – sie widmet ihr Interesse derzeit der Schriftstellerin Ursula Krechel und ihrem Roman Landgericht –, läutet Henris Telefon. Wie er diese Handys hasst, weil sie immer gerade dann ertönen, wenn es still und gemütlich ist! Deshalb ärgert er sich ein bisschen über den im Moment noch unbekannten Anrufer. Da er als Leiter der Kriminalinspektion Landau auch außerhalb seiner Dienstzeit erreichbar sein muss, nimmt er das Geklingel als Teil seines Berufes hin.

»König«, meldet er sich und erkennt beim Blick auf das Display, dass der Anrufer Uwe Martin ist, sein Chef von der Zentralen Kriminalinspektion in Ludwigshafen. Er verkneift sich den respektlosen Ausruf »Was gibt’s?«, sagt vielmehr mit leichter Ironie in der Stimme: »Hallo, Herr Direktor, was verschafft mir die Ehre?«

»Entschuldigen Sie die Störung, Herr Kollege. Ich weiß, dass Sie frei haben und sicher ihre Ruhe haben wollen. Ginge mir genauso. Aber es geht um eine wichtige Personalentscheidung, die keinen Aufschub duldet. Deshalb erlaube ich mir ...«

»Schon gut, Chef«, unterbricht König den einige Jahre älteren Martin, mit dem er sich dienstlich gut versteht und in dem er einen Mann sieht, der ihm gewogen ist und ihm auf seinem weiteren Berufsweg noch sehr hilfreich werden könnte.

»Lieber Herr König, ich will nicht lange drumherum reden, sondern Sie ganz schlicht und einfach informieren, dass Sie mindestens für ein Jahr, vielleicht auch etwas länger, von Landau nach Neustadt versetzt werden. Das ist eine große Chance für Sie. Der Neustadter Kripochef ist, wie Sie sicher wissen, ans Innenministerium nach Mainz abgeordnet worden, seine Stelle in der Pfalzmetropole ist vakant und muss schnellstens besetzt werden.«

Der von Martin erwartete Seufzer der Enttäuschung bleibt aus. Das wertet er als gutes Zeichen. Henri König lässt sich nicht anmerken, dass er auf dem linken Fuß erwischt worden ist: »Ich freue mich, dass Sie mich ausgewählt haben. In Landau habe ich mich gut eingelebt, fühle mich hier sehr wohl, aber selbstverständlich nehme ich das Angebot an. Wann soll es in Neustadt losgehen?«

»In drei Wochen, am 1. Juli. Vorher können Sie gerne noch ein paar freie Tage abfeiern und sich von Ihren Landauer Kollegen gebührend verabschieden. Ihr Stellvertreter wird die Leitung der Inspektion kommissarisch übernehmen«, sagt Martin. Und fragt: »Arbeiten Sie gerade an einer größeren Sache, die Sie unbedingt noch abschließen wollen?«

»Nein!«

»Das ist prima, damit steht Ihrem beruflichen Neuanfang ja nichts im Wege. Ich wünsche jetzt schon Erfolg am neuen Platz und hoffe sehr, dass Ihnen auch in Neustadt das berufliche Glück hold ist.«

Ingeborg hat mit einem halben Ohr mitbekommen, worum es geht. Sie legt ihr Buch zur Seite und sieht Henri fragend an: »Warum hast du dir keine Bedenkzeit ausbedungen? Jetzt sind wir in Landau gerade heimisch geworden und müssen nach einer kurzen, aber schönen Zeit schon an Umzug denken.«

»Langsam, mein Schatz, keine Aufregung«, lässt sich König vernehmen. »Wir bleiben in Nußdorf wohnen. Die 20 Kilometer nach Neustadt sind keine Entfernung, die einen umhauen könnte. Lass uns einen Schluck auf die nächste Zukunft trinken.«

Henri und Ingeborg König gönnen sich eine Woche Urlaub und beschließen gleich am ersten Tag, in Neustadt eine Stadtführung mitzumachen und sich in der City etwas umzusehen. »Ich muss schließlich wissen, wo die touristischen Schwerpunkte liegen und wie es an meinem neuen Einsatzort aussieht«, unterstreicht König.

Dieser Freitag ist ein strahlender Junitag. Neustadt zeigt sich von seiner schönsten Seite. König hat sich erkundigt und erfahren, dass eine Stadtführerin um 15 Uhr am Brunnen auf dem Rathausplatz den zweistündigen Rundgang startet. Seine Frau und er reihen sich ein in die ein gutes Dutzend Teilnehmer umfassende Gruppe, hören den Erläuterungen der Frau mit großem Interesse zu. Die wenigen Einheimischen, die sich angeschlossen haben, kennen ihn natürlich nicht. Denn in Neustadt ist die Personalie König noch nicht gemeldet worden.

Als sie auf die im 14. Jahrhundert erbaute Stiftskirche schauen, die Führerin von einem der bedeutendsten Kirchenbauwerke der Pfalz spricht und auf die beiden markanten Türme zeigt, wo auf einem Turm früher mal ein Türmer gewohnt hat, flüstert Henri seiner Angetrauten zu: »Hier kann ich sicher gelegentlich mal Orgel spielen. Den Turm besteigen wir irgendwann auch.«

»Drehen Sie sich bitte alle mal um und schauen auf die andere Seite des Marktplatzes. Die kleine Gasse, die dort in südlicher Richtung abgeht, ist die Metzgergasse, Neustadts älteste Straße. Sie hat schon ein paar Jahrhunderte überlebt. Und uns wird sie auch überdauern«, informiert die Führerin. »Woher hat die Straße ihren Namen? Befindet sich dort eine Metzgerei neben der anderen?«, will ein Tourist aus Holland wohl in Erwartung eines leckeren Wurstbrötchens wissen.

Die junge Frau, die ihre Heimatstadt und jeden ihrer Winkel bestens kennt, lächelt den Fragesteller an: »Leider muss ich Sie enttäuschen, es gibt in der Metzgergasse keinen Metzgerladen mehr. Dafür können Sie alle ein paar sehenswerte Fachwerkhäuser bewundern. Das gotische Haus Nummer 3 ist das älteste Fachwerkhaus der Pfalz, erbaut 1381/82 und von größter architektonischer Bedeutung.«

Die Gruppe läuft ganz langsam durch die schmale, nur knapp 100 Meter lange Metzgergasse und kommt aus dem Staunen nicht heraus. Fast jedes Bauwerk atmet hier Geschichte. Einige Torbögen tragen alte Zunftzeichen. Die Fremdenführerin meldet sich erneut zu Wort: »Im Mittelalter befand sich in der Metzgergasse die Fleischschranne, eine Art Markthalle für Fleischer. Mehrere Metzgereien lockten die Käufer. Aber das ist schon lange vorbei. Heute wohnen in den eindrucksvoll restaurierten Häusern Menschen wie Sie und ich.«

»Hier würde ich auch gerne wohnen«, flüstert Ingeborg ihrem Ehemann zu. Er schaut sie verwundert an: »Romantik ersetzt in der Realität vieles nicht«, betont der mit zwei Füßen im Leben stehende Kriminalist. »Wo würdest du unser Auto parken, wo würde ich mein Motorrad unterstellen, wo sollten wir unsere Kräuter pflanzen, auf die wir beim Kochen nicht verzichten wollen?«

Kurz vor acht Uhr am Mittwoch, den 1. Juli, betritt Henri König zum ersten Mal das Gebäude der Polizeidirektion in Neustadt. Am Eingang hängt ein ihm gewidmetes, mit der Hand geschriebenes Plakat: »Herzlich willkommen, Herr Kommissar!« Den neuen Kripochef freut dies sehr, er wertet diesen freundlichen Gruß als Zeichen der Unvoreingenommenheit ihm gegenüber.

Ein abergläubischer Mann war König noch nie, denn sonst hätte er seinen Dienst einen Tag früher oder später angetreten. Schließlich galt der Mittwoch einst im Volksglaube als Unglücks- oder Pechtag. Aber er hat im Internet gelesen, dass der Tag in der Wochenmitte ein guter Tag für Beruf und Kommunikation sei und deshalb hat er nicht um eine Änderung des Dienstbeginns angefragt.

König wird in einen kahl eingerichteten Raum gebeten, in dem sonst Vernehmungen durchgeführt werden. Hier findet eine kleine Empfangsfeier statt. Die offizielle Amtseinführung mit Reden und politischer Prominenz ist für später vorgesehen. Ehe er sich seinen neuen Kollegen vorstellen und man sich gegenseitig ein wenig beschnuppern kann, bittet ihn eine junge Frau, Platz zu nehmen.

»Ich bin Iris Blume, Ihre Sekretärin«, sagt sie und schaut Henri König an. »Keine Angst, ich werde keine Rede halten, das ist nicht meine Aufgabe. Wir alle im Haus wissen, dass Sie ein großer Goethe-Kenner sind. Deshalb wurde ich auserkoren, einen leicht abgewandelten, für den heutigen Tag passenden Spruch des großen Dichters zu zitieren. Er lautet: »Was immer Sie tun können oder erträumen können, beginnen Sie es jetzt.« Alle klatschen.

Die beiden künftigen Assistenten des Rieslingkönigs stellen sich vor. Einer sagt, er sei Sebastian Kaiser, der andere äußert: »Ich bin Udo Fürst.« Henri König lacht: »Ein Adelstrio bei der Polizei, das gibt es sicher nicht oft bei einer unserer Behörden: Kaiser, König und Fürst. Aber um es deutlich zu machen«, der Schalk blitzt aus Königs Augen, jeder kann erkennen, dass er ein witziger Mann ist, »bei der Neustadter Kripo ist der König der Kaiser. Wir werden uns trotzdem gut verstehen. Auf eine gute Zusammenarbeit, Kollegen!«

Wenn nicht alle im Dienst wären, hätte König denen, die ihn so freundlich empfangen haben, ein Gläschen Riesling kredenzt und mit ihnen angestoßen. Er sagt ihnen das auch und bemerkt: »Heben wir uns den guten Tropfen, den wir leider jetzt nicht verkosten können, für später auf. Ich habe mir sagen lassen, dass ganz in der Nähe der Polizeidirektion eine historische Weinstube ist, wo man einen köstlichen Riesling bekommt. Dort werde ich mit Ihnen auf ein gutes Miteinander mein Glas erheben.«

Es hat sich bis nach Neustadt herumgesprochen, dass Henri König unter den Rebsorten den Riesling besonders mag. Die neuen Kollegen überreichen ihm deshalb einen Karton mit drei exzellenten Tropfen aus deutschlandweit bekannten Neustadter Weingütern.

Seiner Sekretärin ruft König zu: »Wenn schon kein Wein bei dieser improvisierten kleinen Feier getrunken werden darf, sollte es wenigstens einen guten Kaffee geben. Frau Blume, können Sie uns damit verwöhnen? Aber bringen Sie uns bitte einen Kaffee, wie ihn einst Napoleons Außenminister Talleyrand liebte und den er so beschrieb: ›Heiß wie die Hölle, schwarz wie der Teufel, rein wie ein Engel und süß wie die Liebe.‹ Sie sehen, meine Damen und Herren, ich kann das Zitieren einfach nicht lassen. Das müssen Sie ertragen. Abgesehen von dieser von mir mit Klauen und Zähnen verteidigten Marotte bin ich ein sehr umgänglicher Mensch, Sie werden es erleben.«

Da König sich ziemlich sicher ist, dass alle seine Kollegen etwas über ihn wissen wollen, aber sich wahrscheinlich niemand traut, ihn zu ein paar Informationen aufzufordern, gibt er ungefragt einiges über sich preis. Denn er liebt Offenheit, hasst Geheimniskrämerei.

»Leute, ich sehe es euch an, dass ihr euch fragt: Was für ein Mensch ist dieser Henri König? Ist er ein Spinner oder ein Pedant, ist er ein Arbeitstier ohne Rücksicht auf Verluste oder ist er einer, der krumm auch mal gerade sein lässt? Gebt mir zwei Minuten und ich sage euch fast alles über mich. Also, ich bin seit meiner an der Mosel verbrachten Jugend ein großer Sammler. Ich sammle Zitate aus Büchern, Zeitschriften, aus Kalendern und dem Internet. Sammle Kochbücher, vor allem nostalgische, weil ich in meiner Freizeit gerne den Kochlöffel schwinge. Vielleicht ergibt sich mal die Gelegenheit, meine Kochkünste zu testen. Sammle auch alte Weine. Auch bin ich sehr an Literatur interessiert, vor allem an afrikanischer, seit ich einige Male auf den Schwarzen Kontinent reiste. Im Fernsehen schaue ich am liebsten Fußball und Talkshows, natürlich auch Kochsendungen. Eines meiner Hobbys ist die Astronomie. Klassische Musik gehört zu meinen Steckenpferden. So, damit will ich es bewenden lassen.«

Er deutet des Weiteren an, dass er im Beruf von sich selbst so viel verlangt wie von seinen Mitarbeitern und dass er äußerst hartnäckig sein kann. Wenn er sich auf der richtigen Spur befindet. »Dann wird auch mal bis Mitternacht gearbeitet, aber das kommt selten vor«, erklärt er, was sogleich wieder beruhigend auf die neuen Kollegen wirkt.

Ehe es gleich an die Arbeit geht, fordert er sein Umfeld bei der Kripo Neustadt auf, ihn – einem Zitat von Annette von Droste-Hülshoff folgend – so zu nehmen, wie Gott ihn gemacht habe und er bittet schließlich: »Leiht mir keine fremden Züge!«

Sein erster Arbeitstag ist zumindest in den ersten Stunden so gelaufen, wie sich König das gewünscht hat. Seine Mitarbeiter haben seine Aufforderung gerne aufgenommen, sich stets an ihn zu wenden, wenn ihnen etwas am Herzen liegt. »Meine Tür ist immer offen, meine Bereitschaft zu guter Zusammenarbeit gegeben. Da ich mit dem Ruf leben muss, ein großer Zitierer zu sein, beschließe ich diese Stunde mit einem Satz, der ausnahmsweise nicht von meinem Lieblingsdichter Goethe stammt, sondern von dem großen indischen Freiheitskämpfer und Moralisten Mahatma Gandhi: ›Ich will nicht nur an euren Verstand appellieren. Ich will eure Herzen gewinnen‹.«

Kapitel 2

Beim Beamten im Eingangsbereich der Polizeidirektion taucht am späten Vormittag ein junger Mann auf, ziemlich aufgelöst und fragt nach dem Kripochef. Der Mittzwanziger ist so aufgeregt, dass er sich beim Reden ständig verhaspelt und Sätze beginnt, ohne sie zu beenden. Er macht den Eindruck, als stünde er unter dem Einfluss von Drogen. Betrunken scheint er nicht zu sein.

»Wer sind Sie?«, fragt der Beamte und macht dem fremden Besucher klar, dass er nicht jeden, der zum Chef will, einfach durchwinken kann. »Um was geht es denn?«

Der Besucher lässt anklingen, dass er alles, was er zu berichten hat, gerne dem ersten Mann der Kriminalinspektion erzählen würde. Aber die Tür nach innen öffnet sich für ihn vorerst nicht. Er soll vorher in wenigen Worten sagen, was sein Anliegen ist, warum er bei der Polizei vorbeischaut.

»Ich bin Thomas Silberberg«, nennt der junge Mann in Jeans und dunkelblauem Kapuzenpullover seinen Namen. Er sei der Lebenspartner einer gewissen Kristin Prinz, von Freunden und Bekannten nur »Prinzessin« genannt. Und dann packt er doch etwas mehr aus. »Ich bin vor etwa einer Stunde von einem dreitägigen Auslandsaufenthalt nach Neustadt zurückgekehrt. Als ich unsere gemeinsame Wohnung in der Metzgergasse aufschloss und nach Kristin und ihrer Tochter Laura aus einer früheren Beziehung rief, bekam ich keine Antwort. Das machte mich stutzig. In der Küche fand ich meine Prinzessin tot in einem Sessel sitzend. Von Laura entdeckte ich keine Spur, wahrscheinlich war sie, wie jeden Tag, im Kindergarten. Jetzt bin ich hier, um Kristins Tod zu melden. Ich bin überzeugt, dass ein Verbrechen geschehen ist.«

»Haben Sie einen Arzt verständigt?«, will der Wachhabende wissen. »Warum haben Sie nicht umgehend bei uns angerufen?«

Thomas Silberberg schüttelt den Kopf. »Ich habe sofort erkannt, dass für Kristin jede Hilfe zu spät kommt. Ich bin dann gleich hierher gelaufen, um alles, was ich weiß, persönlich zu Protokoll zu geben. Kann ich jetzt mit dem Kripochef das Weitere besprechen?«

Der Beamte ruft bei Henri König an, der erst den vierten Tag in Neustadt im Dienst ist. »Hier ist ein junger Mann, der eine Tote gefunden hat. Er glaubt, dass seine Lebenspartnerin eines unnatürlichen Todes gestorben ist. Einzelheiten hat er mir bisher nicht verraten, er will mit Ihnen alles bereden.«

»Schicken Sie mir den Mann hoch«, sagt König. Seiner Sekretärin gibt er Bescheid, dass sie den Besucher sofort zu ihm ins Zimmer führen soll. Das geht ja gut los an meinem neuen Dienstort, denkt der Kommissar. Aber ihm ist es lieber, gleich mit einem konkreten Fall befasst zu werden, statt Rundgänge zu machen und sich im Haus und außerhalb des Hauses vorzustellen, nichtssagende Worte zu wechseln und zu behaupten, dass es schon immer sein beruflicher Traum gewesen sei, einmal in Neustadt zu arbeiten. Bei diesem Gedanken muss er unwillkürlich lächeln.

Der Kommissar empfängt seinen Gast mit der ihm eigenen Höflichkeit und bietet ihm den freien Platz vor seinem Schreibtisch an. »Erzählen Sie: Was ist passiert? Lassen Sie uns in aller Ruhe miteinander sprechen und jegliche Hektik möglichst vermeiden.«

König mustert den Mann und versucht auf die Schnelle eine Einschätzung. Er sieht etwas verlebt aus, sein Gesicht ist leicht aufgedunsen, seine Augen flackern leicht. Der erfahrene Polizist, der in seinem Berufsleben schon oft mit Drogenabhängigen zu tun hatte und einen Blick dafür zu haben glaubt, wenn einer spritzt, schnieft oder Haschisch raucht, ist sich fast sicher, dass der sich Thomas Silberberg nennende Mann keinen Bogen um Drogen macht.

Mitten in diesen Gedankengang hinein beginnt der Besucher das Gleiche zu erzählen, was er schon dem Wachhabenden berichtet hat. Er redet sehr schnell und macht in seiner Darstellung Sprünge, aber König kann ihm gut folgen. Es entwickelt sich das übliche Frage-Antwort-Spiel. König fragt, Silberberg antwortet. Nur so kann sich der Kommissar ein richtiges Bild machen. Er dankt dem Gast, dass er gleich gekommen und zur Mitarbeit mit der Polizei bereit ist. Natürlich führe man kein Verhör, macht König deutlich. Dafür gebe es schließlich keinen Grund.

»Wie kommen Sie darauf, dass Ihre Freundin getötet worden sein könnte?«

»Das sagt mir mein Gefühl«, erwidert Silberberg. »Kristin hat äußerlich keine sichtbaren Verletzungen. Es sind auch keine Blutspuren vorhanden, wie ich feststellen konnte. Aus Gründen der Vorsicht habe ich selbstverständlich darauf verzichtet, sie anzufassen oder nach herumliegenden Dingen zu suchen, die mit ihrem Tod etwas zu tun haben könnten. Besonders ist mir ihre seltsame Haltung aufgefallen.«

»Wie saß die Mutter von Laura da? Entspannt, gekrümmt oder irgendwie verkrampft?«

Der Lebenspartner kratzt sich am Kinn, überlegt kurz und gibt seinen Eindruck wider: »Sie saß eher entspannt in ihrem Sessel, jedenfalls nicht so, wie man nach einem Kampf sitzen würde. Im Gesicht hat sie keinen Kratzer. Ob es am Körper Spuren einer Auseinandersetzung gibt, kann ich natürlich nicht sagen. Das müsste ein Arzt feststellen.«

»Schließen Sie Selbsttötung aus?«

»Auf jeden Fall. Meine Prinzessin hat nie Andeutungen gemacht, dass sie lebensmüde ist und eines Tages freiwillig von dieser Erde abtreten will. Was hätte sie auch für einen Grund haben sollen? Sie hat eine vier Jahre alte Tochter, die sie abgöttisch liebte und der sie fast jeden Wunsch erfüllte. Sie kümmerte sich rührend um das Kind und tat alles für sein Wohlergehen.«

»Sind Sie der Vater von Laura?«

»Nein, der bin ich nicht, wie ich vorhin schon einmal andeutete. Als ich Kristin kennenlernte, war Laura schon auf der Welt, wenn auch erst einige Monate. Wer der Vater des Kindes ist, weiß ich nicht. Meine Freundin weigerte sich beharrlich, mir und Bekannten seinen Namen zu sagen. Das gehe nur sie etwas an, meinte sie bei entsprechenden Fragen. Gleichzeitig versicherte sie, Laura über ihren Erzeuger zu informieren, wenn sie eines Tages groß genug sei.«

Thomas Silberberg schaut auf seine Uhr und sagt, es sei jetzt ja wohl an der Zeit, die Leiche in der Metzgergasse in Augenschein zu nehmen. Das hatte der Kommissar ohnehin vor und lässt seine beiden Assistenten rufen.

»Kollegen, es sieht so aus, als müssten wir in einem Tötungsfall ermitteln«, ruft er Sebastian Kaiser und Udo Fürst zu. »Es macht wenig Sinn, mit Blaulicht und Martinshorn durch die Innenstadt zu fahren. Ich schlage vor, wir gehen die kurze Strecke zum vermeintlichen Tatort zu Fuß, dann entsteht auch kein großes Durcheinander. Herr Silberberg soll uns begleiten.«

»Zwei Dinge sollten wir ganz schnell noch klären, ehe wir aufbrechen«, wendet sich König an seinen Besucher. »Haben Sie für die vergangenen 24 Stunden ein Alibi?«

Die Frage überrascht den jungen Mann nicht. »Ja, ich habe eines. Ich war mit einem Freund in Amsterdam. Gestern sind wir am späten Abend in meinem Pkw in Holland losgefahren, haben einen Teil der Nacht schlafend im Wagen auf einem Autobahn-Rastplatz verbracht und sind heute Morgen in Neustadt eingetroffen. Mein Begleiter wird diese Darstellung bestätigen.«

Jetzt will König noch wissen, ob Silberberg drogenabhängig sei. »Sie können die Antwort verweigern, aber es wäre gut, wenn Sie dazu etwas sagen würden.«

»Ich gebe es zu, dass ich ein Drogenproblem habe. Kristin war auch abhängig. Wir haben all die Jahre gemeinsam viel Geld für illegale Drogen ausgegeben und praktisch alles konsumiert, was auf dem Markt zu bekommen ist. Wir werden sicher noch Gelegenheit haben, ausführlicher über dieses Thema zu sprechen. Ich bin dazu bereit, auch was die Abhängigkeit von Kristin angeht und was wir unter Drogeneinfluss alles erlebt haben.«

König drängt zum Aufbruch. Die drei Beamten und der Lebenspartner marschieren los, gehen durch die Kellereistraße und über den Marktplatz und biegen in die Metzgergasse ein. Silberberg zeigt ihnen das Fachwerkhaus, in dem er mit Kristin wohnte und wo die beiden trotz aller drogenbedingten Widrigkeiten glückliche Stunden verbrachten.

»Dass ich so schnell wieder in diese Gasse kommen würde, hätte ich wirklich nicht gedacht«, flüstert der Kommissar einem seiner Assis zu. Als dieser etwas ratlos dreinschaut, erfährt er von der Führung vor ein paar Tagen, an der König mit seiner Frau teilgenommen hat.

Kapitel 3

»Die Metzgergasse hat mich vom ersten Augenblick an fasziniert. Dass hier einmal ein Verbrechen geschehen könnte, wenn der vorliegende Fall denn wirklich eines ist, hätte ich nie gedacht. So kann man sich täuschen. Ich möchte aber nicht missverstanden werden. Hier wohnen wirklich lauter ordentliche Leute, hat man uns bei der Führung erklärt. Und ich habe keinen Zweifel, dass dies zutrifft. Wer sagt denn, dass der Täter im Fall Kristin Prinz ein Bewohner eines dieser Häuser in der Gasse war – falls es einen Täter gibt«, bemerkt König.

Die vier Herren in Zivil betreten das ihnen als Tathaus geschilderte Anwesen. Es ist aufwendig restauriert worden, wie auf den ersten Blick festzustellen ist. Vom gepflasterten Hof aus geht eine Treppe hinauf in den ersten Stock. Hinter den mit Vorhängen versehenen Scheiben der Nachbarhäuser stehen einige Frauen und beobachten neugierig, was sich hier ereignet. Sie können sich keinen Reim darauf machen, was die fremden Männer suchen. Weil es sich wahrscheinlich noch nicht bis zu ihnen herumgesprochen hat, dass eine tote Frau in ihrer Küche sitzt.

Silberberg schließt die Eingangstür auf. Als Mitbewohner verfügt er über einen Schlüssel. Er führt die Kriminalbeamten in die Küche. Sie ist einfach möbliert. In einem alten, nicht gerade historisch wertvoll anmutenden Schrank befindet sich Geschirr. Die Einrichtung besteht unter anderem aus einem Tisch mit mehreren ganz einfachen Stühlen und zwei weiteren mit Armlehnen. In einem dieser Sessel sitzt das Opfer, der Kopf auf der Tischplatte liegend. Es sieht auf den ersten Blick so aus, als würde Kristin Prinz schlafen.

Vor der jungen Frau steht eine nicht ganz ausgetrunkene Teetasse und daneben liegt eine Spritze, wie sie von Drogenabhängigen benutzt wird. In einer kleinen Schale ist noch der Rest eines kristallinen, feinkörnigen Pulvers zu sehen. König beugt sich vorsichtig darüber und prüft den Geruch der Droge. Dass es eine solche ist, hat er gleich erkannt. Sie riecht etwas säuerlich. »Ganz klar, das ist Heroin.«

Silberberg nickt und sagt: »Kristin hat sich häufig diese Teufelsdroge gespritzt, wie sie nicht zu Unrecht von Fachleuten bezeichnet wird.« Ein silberner Löffel und ein Gasfeuerzeug liegen herum.

Kristin war wohl beim Zeitunglesen, als sie starb. Der Lokalteil der Rheinpfalz ist aufgeschlagen. Offenkundig hat sie gerade einen Artikel mit der Überschrift »Dealern geht es an den Kragen – Drogenfahnder der Polizei in der Vorderpfalz einer Bande auf der Spur« gelesen.

In einem Rahmen an der Wand hängt ein handgeschriebener, in Kleinschreibung gehaltener Spruch mit dem Autorenzeichen »eva«: »ja, mein lebensfaden ist gerissen, sprach das blatt, als ich es eines morgens auf der erde fand, aber sieh nur, ich bin ja nicht allein gefallen...«

»Wer ist Eva?« Der Kommissar schaut Silberberg an.

»Ich glaube nicht, dass Kristin diese Eva gekannt hat. Sonst würde ich es wissen. Sie entdeckte den Namen der Frau, die ebenfalls drogenabhängig war oder ist, in einem Büchlein, in dem sie öfter las, mir auch Passagen daraus vorlas, wenn sie nicht gut drauf war.« Silberberg greift nach dem Buch mit dem gelben Einband, das auf dem Küchenschrank liegt, schlägt die Seite auf, in der sich ein Lesezeichen befindet, und rezitiert: »erschauern – vor der unendlichen weite – hineinwaten – immer weiter und weiter – versinken ... da, wo ich im traum umherging, müssen tränen wie tau von den bäumen sickern – als ich heute morgen erwachte, war mein ärmel ganz nass ... siehst du die bunten bänder vor meinem fenster baumeln? das sind meine träume, die sich am fensterkreuz erhängt haben …«

König und seine Kollegen sind sich einig, dass jetzt schnellstens die Spurenermittler kommen sollten, um weitere Feststellungen zu treffen. Der Kommissar ruft beim zuständigen Beamten in der Polizeidirektion an: »Lieber Herr Schmalz, in der Metzgergasse wartet Arbeit auf Sie. Es wurde eine tote junge Frau gefunden, die vermutlich Opfer ihrer Drogensucht geworden ist. Vielleicht lässt sich feststellen, ob sie Heroin allein spritzte oder in Gesellschaft war. Für uns ist das nicht erkennbar.«

Irgendwie wird König das Gefühl nicht los, dass Thomas Silberbergs Partnerin sich bewusst selbst getötet hat oder durch fremde Hand zu Tode kam. An einen Drogenunfall glaubt er nicht, auch wenn dies ebenso möglich ist. Aber er sagt das nicht laut, will erst auf dem Weg zurück zur Dienststelle mit Kaiser und Fürst darüber reden und ihre Meinung hören. Als Erwin Schmalz in Begleitung eines Kollegen eintrifft, verabschieden sich die Kripobeamten.

Zu Silberberg sagt König: »Sie können gehen. Schauen Sie, wo Sie vorübergehend unterkommen, denn ein Zurück in die Wohnung ist vorerst nicht möglich, zumindest so lange nicht, bis unsere Ermittlungen zum Abschluss gekommen sind. Das kann ein paar Tage dauern. Machen Sie uns bitte keinen Ärger und meiden Sie die Räumlichkeiten, in denen Sie mit Kristin wohnten. Und halten Sie sich zur Verfügung, denn wir müssen noch einmal miteinander reden. Geben Sie mir Ihre Handynummer, ich melde mich spätestens morgen.«

»Was wird aus Laura?«, fragt Silberberg. »Soll ich sie im Kindergarten abholen und versuchen, im Bekanntenkreis eine Unterkunft für sie zu finden?«

»Nein, das ist nicht nötig. Wir nehmen gleich mit dem Jugendamt Kontakt auf, dann wird das Mädchen vorübergehend in einer Einrichtung untergebracht. Das ist momentan der beste Weg, so lange nicht bekannt ist, wer ihr Vater ist und ob es vielleicht Großeltern gibt«, erwidert der Kommissar. Er fordert den Mann auf, gemeinsam mit ihm und seinen Kollegen das Haus zu verlassen. Den Wohnungsschlüssel soll er dem Beamten Schmalz geben.

Auf dem gleichen Weg, auf dem sie zur Metzgergasse gekommen sind, laufen König, Kaiser und Fürst zurück zur Polizeidirektion. Der Kommissar sagt unterwegs: »Ich rede mit der Staatsanwaltschaft, diktiere meiner Sekretärin eine Presseerklärung für die Medien und dann setzen wir uns zu einer ersten Lagebesprechung zusammen.«

»Was werden Sie den Redaktionen von Fernsehen, Hörfunk und Zeitungen berichten?«, wollen die Assis von ihrem Chef wissen. Seine Antwort ist eindeutig: »Ich gebe nur die wichtigsten Fakten, soweit sie uns bekannt sind, weiter. Wir stehen ja noch ganz am Anfang dieses Falles und haben kaum konkrete Erkenntnisse, schon gar keine in Bezug auf einen Tatverdächtigen. Ich werde die Medienvertreter bitten, ein wenig Geduld zu haben und möglichst auf Spekulationen zu verzichten. Zudem werde ich sie informieren, dass es in Kürze eine Pressekonferenz geben wird, wenn wir ein Stückchen weiter sind und nähere Auskünfte geben können. Alles, was bis jetzt feststeht, ist: Es wurde eine tote Frau gefunden, deren Name bekannt ist. Aber die genaue Todesursache ist noch zu ermitteln. Vom einem möglichen Täter fehlt jede Spur. Es gibt bis dato keinen wirklich Verdächtigen.«

Wenige Stunden nach Auffinden der Frauenleiche lässt König seine Kollegen in den Konferenzraum rufen. »Warum wir hier sind, wissen Sie«, stellt der Kommissar fest und schaut dabei die Polizisten an, die nicht mit ihm am Tatort waren. Sie sind informiert, worum es geht und unterstreichen dies mit einem Kopfnicken. Er berichtet über die vorliegenden Fakten und fordert dazu auf, ihn bei Bedarf zu ergänzen oder seine Angaben zu kommentieren. Da er seine neuen Kollegen erst kurz kennt, weiß er nicht, wie kombinationssicher und redegewandt sie sind. Bisher hat man sich nur ein wenig beschnuppern können.

König fasst den Ist-Zustand zusammen: »Das Ergebnis der Spurenermittler liegt uns noch nicht vor. Von daher ist manches bisher nur Annahme. Klar ist, dass die Leiche obduziert werden muss. Wenn wir den Bericht der Pathologen auf dem Tisch haben, dürfte es leichter sein, polizeiliche Schritte einzuleiten. Bis es so weit ist, können wir nur Vermutungen anstellen. Es gibt nach Lage der Dinge keine Tatzeugen.«

In mehreren Punkten stellt der Kripochef dar, was im Moment bekannt ist. »Einiges deutet auf einen Suizid hin, obwohl bis jetzt kein Abschiedsbrief von Kristin Prinz gefunden wurde. Gegen ein Verbrechen könnte sprechen, dass es keine deutlich erkennbaren Blutspuren in der Küche des Opfers gibt. Auch Spuren, die auf einen Kampf schließen lassen könnten, fehlen. Zumindest haben wir bei der Inaugenscheinnahme des Tatorts keine entdeckt. Oder liegt vielleicht doch ein rätselhaftes Verbrechen vor? Ich kann diese Frage derzeit nicht beantworten.«

Aus der Diskussion in dieser polizeilichen Runde kristallisiert sich die weitere Vorgehensweise heraus. Die Nachbarn von Kristin in der Metzgergasse und Familie und Freunde sollen einzeln befragt werden, was sie über die Frau und ihren Freund wissen und ob sie zur Tatzeit irgendwelche Beobachtungen gemacht haben. Es soll über die Bewohner der Straße festgestellt werden, mit wem das Opfer Kontakt pflegte, ob es Personen gab, die regelmäßig in der Wohnung ein- und ausgingen. Es soll außerdem versucht werden, die Identität des Vaters der kleinen Laura herauszufinden. Dann ist das Alibi des Lebenspartners von Kristin Prinz für den Vormittag nachzuprüfen, an welchem die junge Frau vermutlich starb.

Erneut schaltet sich Henri König ein: »Den Thomas Silberberg knöpfe ich mir selbst vor. Ich glaube zwar nicht, dass er direkt mit der Tat etwas zu tun hat, aber wer sagt denn, dass er überhaupt nichts weiß? Auch soll er mir sagen, was er in Amsterdam wollte und wer sein Begleiter war. Ich vermute, dass sich die beiden auf Drogeneinkaufsfahrt befanden. Das werde ich alles herausfinden, auch wenn es vielleicht Zeit und Mühe kostet.«

Sebastian Kaiser macht den Vorschlag, eine Kontaktperson der Polizei in die Neustadter Drogenszene einzuschleusen. »Denn ich werde das Gefühl nicht los, dass hier der Schlüssel zur Aufklärung des Falles liegt.«

»Das ist eine gute Idee«, pflichtet ihm Udo Fürst bei. Der 31-Jährige verspricht sich aber nur etwas, wenn ein Spitzel gefunden würde, der das Vertrauen der Drogenkonsumenten genießt und deshalb bei ihren Zusammenkünften dabei sein dürfte. Deshalb wäre es nach seinem Dafürhalten nicht ratsam, beispielsweise einen jungen Polizeibeamten hierfür zu benennen. »Was meint ihr, was passiert, wenn man den Kollegen enttarnen würde.«