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Eine Leiche wird in Schwarzenberg, einem Ortsteil von Schömberg an der Pforte zum Schwarzwald, gefunden. In Remchingen versteht eine Frau die Welt nicht mehr und in Karlsruhe stirbt eine wichtige Zeugin, bevor man sie befragen kann. Hauptkommissarin Lea Sonntag weiß mal wieder nicht, wo ihr der Kopf steht. Zudem hat sie im Moment genug private Probleme und ihr Kollege Alex macht mal wieder zusätzlichen Stress. Außerdem erweist sich die Aufklärung des Falles schwieriger als es zunächst den Anschein hatte. Ob das Polizeiteam es schaffen wird, die Fäden zu entwirren?
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Seitenzahl: 182
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Manuela Kusterer, in Pforzheim geboren, Jahrgang 1964, lebt heute mit Mann und Hund zwischen Pforzheim und Karlsruhe. Sie hat zwei erwachsene Söhne. Inzwischen wurden acht Kriminalromane und vier "Liebes"romane der Autorin veröffentlicht. Wenn sie nicht gerade schreibt, lernt sie gerne Fremdsprachen und malt Aquarelle.
Besuchen Sie die Autorin im Internet:
www.manuelakusterer.com
oder in facebook: @autorinManuelaKusterer
Dieses Buch ist ein Kriminalroman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden und toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.
Montag
Schömberg
Schwarzenberg
Gran Canaria
Remchingen
Schömberg
Karlsruhe
Schwarzenberg
Schömberg
Dienstag
Schömberg
Remchingen
Schömberg
Oberlengenhardt
Mittwoch
Schömberg
Remchingen
Pforzheim
Donnerstag
Schömberg
Remchingen
Schömberg
Remchingen
Schömberg
Remchingen
Schömberg
Freitag
Schömberg
Schwarzenberg
Schömberg/Oberlengenhardt
Schömberg
Remchingen
Karlsruhe - Schömberg
Schwarzenberg
Schömberg
Remchingen
Schömberg
Allgäu
Schwarzenberg
Schömberg
Schwarzenberg
Samstag
Schömberg
Karlsruhe
Schömberg
Pforzheim
Schömberg
Sonntag
Montag
Dank:
Leseprobe:
Montag
Dienstag
Polizeirevier
Langenbrand
Weitere Kriminalromane der Autorin:
Gefährliche Entscheidung
Gefährlicher Deal
Mörderische Zeiten
In Schwarzenberg im Nordschwarzwald wird ein Mann in seinem Haus vergiftet aufgefunden. Die Aufklärung des Falles erweist sich als schwierig, weil eine wichtige Zeugin stirbt, bevor man sie vernehmen kann. Als sich dann auch noch das Polizeiteam aus Remchingen in einer seltsamen Angelegenheit an Hauptkommissarin Lea wendet, ist die Verwirrung vollkommen. Dazu kommen noch die privaten Probleme, die momentan jeder einzelne des Teams mit sich herumträgt. Als dann die Kollegen trotz Leas Warnung im Alleingang ermitteln, scheint das Ganze zu eskalieren.
Dieses Buch widme ich meinem Vater - in Dankbarkeit
Schömberg
Oberkommissarin Katja Augenstein ging beschwingten Schrittes die dreihundert Meter bis zum Supermarkt. Das Polizeirevier befand sich in derselben Straße. Sie hatte Mittagspause und war gut gelaunt, denn das Wetter zeigte sich heute von seiner besten Seite. Es war ein herrlicher Frühsommertag. Die Sonne schien und es hatte angenehme zwanzig Grad. Die Polizeibeamtin liebte diese Jahreszeit.
Momentan gab es keine schweren Verbrechen, nur kleinere Anzeigen und Diebstähle, was wollte man mehr. Ihr lagen noch die letzten beiden Fälle vom Februar dieses Jahres schwer im Magen. Sie war einfach nicht geschaffen für den Polizeiberuf. Das hatte sie leider zu spät bemerkt.
Aber was soll´s, hier in Schömberg passierte glücklicherweise nicht allzu viel und sie fühlte sich im Moment sehr wohl mit ihren Kollegen. Ihre aussichtslose Schwärmerei für Alexander Wandhoff hatte sich komplett gelegt, darüber war sie froh. Außerdem verstand sie sich gut mit ihrem Kollegen Rudolf Engel, der gerne eine Beziehung mit ihr anfangen würde, aber akzeptierte, dass sie nicht zu mehr bereit war, als zu einer guten Freundschaft mit ihm. Sie waren in letzter Zeit oft zusammen essen gewesen oder abends gemeinsam auf einen Drink unterwegs.
Sie hatte eine schöne Wohnung in der Pforzheimer Innenstadt gemietet und war glücklich.
»So kann es ewig bleiben«, murmelte sie vor sich hin.
Katja wollte gerade den Supermarkt betreten, um etwas fürs zweite Frühstück einzukaufen, als sie vom Klingeln des Handys aus ihren Gedanken gerissen wurde. Da sie sah, dass es ein Anruf aus dem Polizeirevier war, nahm sie das Gespräch entgegen. »Hallo.«
»Katja, komm bitte gleich zurück. Wir haben gerade einen Anruf bekommen. Ein Toter in Schwarzenberg«, schallte ihr die Stimme von Rudi entgegen.
In Katjas Kopf schlug es Purzelbäume. Das konnte nicht wahr sein. Bis eben war die Welt doch noch in Ordnung gewesen. Aber es half alles nichts, sie musste zurück auf ihre Dienststelle, und zwar auf dem schnellsten Weg.
Als sie im Revier ankam, kam ihr Hauptkommissarin Lea Sonntag, ihre Chefin schon aufgeregt entgegen. Katja seufzte leise vor sich hin. Eigentlich war Lea zu ihren Kollegen immer freundlich und gerecht, außer zu Alex. Die beiden waren selten einer Meinung und gerieten manchmal in einen regelrechten Streit und das meistens nur wegen Kleinigkeiten.
Im Februar war ein Zahnarzt aus Offenbach in Schömberg tot aufgefunden worden. Als Alex zu diesem Zeitpunkt eine Beziehung mit Andrea Luz einging, konnte er nicht wissen, dass sie dafür verantwortlich war. Nach der Aufklärung des Falles war Lea mit Alex etwas trinken gegangen, weil sie sich Sorgen um ihn gemacht hatte. Darüber waren alle erstaunt gewesen. Aber gerade deswegen hofften sie, dass diese ewigen Streitigkeiten nun aufhören würden. Nur leider war das Gegenteil der Fall. Zudem hatte Lea, nachdem sie ihre Beziehung mit dem Gerichtsmediziner Hans-Peter Balbach beendet hatte, schlechte Laune und tiefe Schatten unter den Augen. Balbach wollte nicht akzeptieren, dass der Beruf für seine Freundin das Wichtigste war. Lea wurde im Februar zur Kriminalinspektiosleiterin befördert und nach Schömberg versetzt.
Ihrem Kollegen Alex gefiel das überhaupt nicht, denn er hatte selbst auf diese Beförderung gehofft. Seine Laune war dementsprechend nicht besser und das trübte die normalerweise gute Stimmung im Polizeirevier doch erheblich.
Da Alex aber seit einer Woche in Urlaub auf Gran Canaria weilte, war das Betriebsklima im Moment entspannt.
Allerdings kam nun etwas Hektik auf, weil Saskia, die Sekretärin ausgerechnet heute frei hatte, um einen Arzttermin wahrzunehmen.
Das Problem war, dass immer eine Person im Polizeirevier bleiben sollte. Deshalb sagte Lea zu Katja: »Dir ist es doch sicherlich recht, wenn du hierbleiben kannst, ich fahre jetzt mit Rudi nach Schwarzenberg.«
Die Kollegen wussten alle, dass Katja nicht gut damit zurechtkam, sich Leichen am Tatort anzusehen und versuchten deshalb, wenn es möglich war, ihr das zu ersparen. Sie nickte auch sofort.
»Kein Problem, einer muss ja hier bleiben.«
Sie dankte Saskia insgeheim dafür, dass sie heute diesen Termin ausgemacht hatte.
Als Rudi beim Hinausgehen an Katja vorbeiging, legte er ihr die Hand auf die Schulter.
»Jetzt entspann dich erstmal ein bisschen, bevor der große Stress losgeht.« Er hatte immer die Ruhe weg.
Nachdem Rudi und Lea das Revier verlassen hatten, setzte sich Katja auf das kleine Sofa, vor dem Verhörraum und atmete ein paar Mal tief ein und aus.
…
Rudi fuhr auf der Bad Liebenzeller Straße durch Schömberg Richtung Bad Liebenzell. Lea saß auf dem Beifahrersitz von Rudis inzwischen schon etwas älterem Audi. Die beiden sprachen nicht viel miteinander.
Lea betrachtete gedankenverloren rechts und links die zahlreichen Wiesen. Das satte Grün wurde stellenweise von wild wuchernden, bunten Feld- und Wiesenblumen unterbrochen. Die Sonne schien und es war herrliches Wetter.
Nach einem Kilometer änderte sich das Landschaftsbild. Sie fuhren eine kurze Strecke durch ein Waldstück und bogen dann im Wald links Richtung Schwarzenberg ab.
Lea unterbrach die Stille: »Wenn man diese Idylle hier sieht, kann man sich kaum vorstellen, dass Menschen sich einfach gegenseitig umbringen. Aber wie sagt Alex immer so schön, das Leben ist kein Ponyhof.«
Rudi grinste nur, denn normalerweise gab seine Kollegin nicht allzu viel auf das, was Hauptkommissar Alexander Wandhoff sagte.
Inzwischen waren sie am Ende von Schwarzenberg im Eulenweg angekommen.
Lea sah das Auto von Hans-Peter Balbach vor dem Haus des Toten stehen und seufzte tief. Hätte nicht wenigstens heute ein anderer Gerichtsmediziner kommen können? Ein unbehagliches Gefühl breitete sich in ihr aus, denn das war das erste Zusammentreffen mit ihm seit ihrer Trennung.
Lea hatte im Winter vorgehabt, mit Hans-Peter in den Urlaub zu fliegen, als in Schömberg eine Leiche gefunden und kurz danach eine Frau entführt wurde. Sie entschied sich aber zu diesem Zeitpunkt für ihre Arbeit und ihr Freund war deshalb alleine in den Urlaub geflogen. Nach seiner Rückkehr stellte er sie vor die Entscheidung, entweder mit ihm zusammenzuziehen oder die Beziehung zu beenden. Lea, die gerne in Schömberg wohnte, ihre Wohnung liebte und nicht zu Hans-Peter nach Karlsruhe ziehen wollte, entschied sich für den Beruf.
Schwarzenberg
Als Lea mit ihrem Kollegen Rudi das Wohnzimmer betrat, in dem der Tote auf dem Fußboden lag, hob Balbach den Kopf und streifte vor allem Lea nur mit einem kurzen Blick. Er murmelte ein herausgepresstes ‚Hallo‘ und fing sogleich, an Rudi gewandt, mit seinem Bericht an: »Also, das ist Heinz Weiß, 71 Jahre alt. Da er überall Einblutungen hat - das sieht man auch an den Schleimhäuten - deutet alles auf eine Vergiftung hin. Ich tippe auf Cumarin. Das kommt natürlicherweise in Steinklee vor, aber die chemischen Abkömmlinge - Cumarinderivate, die in Rodentizide enthalten sind - werden vor allem zur Bekämpfung von Schadnagern eingesetzt. Die ältere Generation des Rattengiftes wirkt innerhalb vierzehn Stunden. Genaueres kann ich Ihnen erst nach der Obduktion mitteilen. Den genauen Todeszeitpunkt kann ich noch nicht bestimmen. Aber wahrscheinlich irgendwann gestern im Laufe des Nachmittags. Die Spurensicherung ist gerade dabei in der Küche Lebensmittelreste zu sichern, um sie auf Gift zu untersuchen.« Das alles ratterte Hans-Peter brummig vor sich hin. Man war aber eigentlich von ihm auch nichts anderes gewöhnt. Nur in den paar Wochen, als er mit Lea zusammen war, hatte er meistens gute Laune gehabt. Diese war inzwischen ganz blass geworden.
»Ach ja, und das ist der Sohn Georg Weiß.« Hans-Peter deutete in die andere Ecke des unordentlichen Wohnzimmers.
Lea und Rudi schauten in die angezeigte Richtung und gingen auf Herrn Weiß zu. Sie hatten den Mann zuvor nicht bemerkt. Er stand teilnahmslos da und starrte ihnen mit leerem Gesichtsausdruck entgegen.
»Guten Tag Herr Weiß. Mein Name ist Lea Sonntag, Kripo Schömberg und das ist mein Kollege Rudolf Engel«, stellte Lea sich und Rudi vor.
»Herzliches Beileid! Ich weiß, dass Sie im Moment wahrscheinlich keinen klaren Gedanken fassen können, trotzdem wäre es sehr wichtig, wenn Sie uns ein paar Fragen beantworten könnten«, fuhr Lea fort.
»Wie bitte? Natürlich.« Georg fasste sich, »bitte nehmen Sie doch Platz.« Er deutete auf die alte braune Eck-Ledercouch, die auf der anderen Seite des Zimmers stand.
Sie kamen der Aufforderung nach und setzten sich. Georg nahm auf dem kurzen Teil des Sofas Platz.
»Wohnen Sie hier mit ihrem Vater zusammen?« Lea sah ihn fragend an.
»Nein, ich wohne in Schömberg. Sein Pfleger hat ihn heute morgen tot aufgefunden und mich dann natürlich sofort angerufen.«
»Wann haben Sie Ihren Vater zuletzt lebend gesehen?«, fuhr Rudi mit der Befragung fort.
Georg kratzte sich nachdenklich am Kopf, bevor er antwortete: »Das war vor ungefähr zwei Wochen. Viel Kontakt hatten wir leider nicht. Unser Verhältnis war nicht das Beste.«
»Gibt es dafür einen Grund?«
»Er hat meine Mutter nicht gut behandelt. Sie hat ihn dann vor drei Jahren verlassen«, antwortete Georg zögerlich, »aber trotzdem, oder gerade deshalb habe ich regelmäßig so alle zwei bis drei Wochen nach ihm geschaut. Ich hab es ja nicht weit, in fünf Minuten bin ich hier.«
»Hat er Ihre Mutter geschlagen?«, wollte Lea wissen.
»Ja, ziemlich oft und brutal«, antwortete er leise, »sie hat es dann nicht mehr ausgehalten und ist eines Nachts einfach zu einer Freundin gegangen und kurz danach hat sie sich eine Wohnung in Karlsruhe genommen.«
»Wohnt sie da heute noch?«
»Ja.«
»Hat Ihr Vater Sie auch geschlagen?«, mischte sich Rudi ein.
»Nein, ich habe es auch nie gesehen, wenn er meine Mutter schlug. Er achtete immer darauf, dass ich das nicht mit ansehen musste. Aber es war für mich schlimm genug, wenn ich sie dann mit Prellungen und blauen Augen gesehen habe. Deshalb liebte ich meinen Vater auch nicht gerade. Aber trotzdem geht sein Tod, vor allem die Tatsache, dass er ermordet wurde, mir sehr nahe.«
»Das kann ich verstehen«, äußerte sich Lea.
»Hatte Ihr Vater Feinde?«
»Nein, er hatte nur wenig Kontakte. Vor einigen Wochen stürzte er und hatte sich dabei einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen. Da er nach der Operation nicht in eine Reha gehen wollte, kam seit ungefähr fünf Wochen zweimal am Tag Richard Berger, sein Pfleger, zu ihm ins Haus, um ihm beim An- und Auskleiden zu helfen.«
»Und wer hat für ihn gekocht?«
»Ach so, ja, die Nachbarin. Frau Schiller hat das übernommen und ich habe für ihn alle zwei Wochen einen Großeinkauf gemacht. Frühstück und Abendessen konnte er sich alleine zubereiten.«
»Gut, dann bräuchten wir jetzt die Adresse Ihrer Mutter und die des Pflegers. Die Nachbarin werden wir ja selbst finden. Ist es das Haus rechts oder links?« Lea stand auf und Georg holte einen Zettel und einen Kugelschreiber, um die Adresse seiner Mutter und die des Pflegers, der ebenfalls in Schwarzenberg wohnte, aufzuschreiben.
»Frau Schiller wohnt, wenn Sie rausgehen, gleich links«, antwortete er auf die Frage der Hauptkommissarin.
Rudi erhob sich ebenfalls und folgte seiner Kollegin und Herrn Weiß, der die beiden zum Ausgang begleitete.
Lea sah sich suchend um, aber Hans-Peter hatte stillschweigend den Tatort verlassen. Ein Gefühl der Traurigkeit breitete sich in ihr aus.
Die Spurensicherung hatte ihre Arbeit noch nicht beendet. Rudi und Lea verabschiedeten sich im Vorbeigehen von den Kollegen, aber diese waren so in ihre Aufgabe vertieft, dass sie das überhaupt nicht bemerkten.
Gran Canaria
Alex lag am hoteleigenen Strand und grübelte. Er war in einem Gebäude untergekommen, das mit seinen hundert Betten nicht so groß war, wie die meisten anderen.
Er hatte es sich etwas abseits unter einer Palme bequem gemacht. Normalerweise liebte er es, seinen Urlaub allein auf den Kanarischen Inseln zu verbringen, vor allem, wenn er zuvor einen schwierigen Fall gelöst hatte. Aber dieses Mal kam er nicht zur Ruhe. Die kurze Beziehung mit Andrea hatte ihn doch ganz schön aus der Bahn geworfen. Er war an einem Punkt angekommen, an dem er das Singledasein satthatte. Er war richtig verliebt in die hübsche Frau gewesen. Als sich dann herausstellte, dass sie den in Schömberg tot aufgefundenen Mann aus Notwehr getötet hatte, war er aus allen Wolken gefallen. Andreas Strafe wurde zwar zur Bewährung ausgesetzt, aber die Beziehung war noch nicht so gefestigt gewesen, dass sie das ausgehalten hätte. Außerdem hatte sie ihm das alles verschwiegen, als er sich auf sie eingelassen hatte. Damit kam er nicht klar. Vor allem hatte es ihn zutiefst verletzt, dass sie so wenig Vertrauen zu ihm gehabt hatte. Wenn sie sich ihm anvertraut hätte, wäre das eine Chance für die Beziehung gewesen. Aber so nicht.
Dann war da noch die Sache mit Lea.
»Schluss jetzt«, rief er sich laut zur Vernunft. Ich will mir ja hier nicht den ganzen Urlaub vermiesen.
Mal schauen, ob die nette Sibylle vielleicht Lust hat, mit mir einen Kaffee zu trinken, überlegte er sich, stand auf und schlenderte zurück ins Hotel.
Er hatte gestern an der Bar ein paar Worte mit ihr gewechselt. Da sie mit ihren vierunddreißig Jahren nur wenig jünger, als er war und ebenfalls ihren Urlaub hier alleine verbrachte, hatte sich das angeboten.
Remchingen
Gabriele Richter saß mit geschlossenen Augen auf dem Sofa und grübelte vor sich hin.
Sie müsste unbedingt nach ihrer Mutter schauen. Diese wohnte in Wilferdingen - einem der vier Ortsteile von Remchingen - und wurde immer nervös, wenn sie länger als zwei Tage nichts von ihrer Tochter gehört hatte. Außerdem bestand sie darauf, zumindest ihre Enkelkinder, Raphael und Selina, mindestens zweimal in der Woche zu sehen. Es war ja wirklich nicht weit.
Gabriele, die von allen Gabi genannt wurde, hatte mit ihrer Familie ein Haus in Singen und benötigte nur fünf Minuten, um zu ihr zu gelangen, da beides Ortsteile von Remchingen waren, einem beschaulichen Ort zwischen Karlsruhe und Pforzheim.
Gabi war gerade von der Arbeit nach Hause gekommen und wollte sich ein paar Minuten ausruhen, bevor die Kinder von der Schule kamen und der Trubel losging. Sie arbeitete in einer kleinen Bäckerei in Karlsruhe, die einer Freundin von ihr gehörte. Das bereitete ihr viel Freude. Nur die ständige Bahnfahrerei ging ihr auf die Nerven. Die Fahrt dauert eine halbe Stunde dorthin.
Schneller wäre sie mit dem Auto auch nicht dort und es bestand die Gefahr, in einen Stau zu geraten. Deshalb ließ sie den Wagen meistens stehen.
Ihre Kinder waren mit ihren sechs und neun Jahren zwar nicht mehr so klein, trotzdem brauchte sie vor allem für Selina viel Zeit. Diese war in der ersten Klasse und hatte von Anfang an keine Lust gehabt, in die Schule zu gehen. Ein Junge war an ihr verloren gegangen. Sie konnte bei den Hausaufgaben nicht lange ruhig am Schreibtisch sitzen bleiben und war ein richtiger Wildfang. Wenn sie den Nachmittag mit ihren Freunden draußen verbracht hatte, kam sie oft mit kleineren Verletzungen nach Hause. Zum Glück war Raphael mit seinen neun Jahren dafür schon sehr vernünftig. Von ihrem Mann Robert konnte Gabi nicht viel Unterstützung erwarten, da dieser meistens erst spät abends von der Arbeit nach Hause kam. Er arbeitete in einer Computerfirma und vergaß dort oft die Zeit, wenn es viel zu tun gab.
Gabi sprang entschlossen auf, um zunächst einen Spaziergang mit ihrem Hund Max zu machen und stolperte sogleich über ihn. Er hatte sich vor ihre Füße gelegt und wartete geduldig, bis sein Frauchen bereit war, mit ihm Gassi zu gehen. Sie fluchte laut vor sich hin.
Der helle Labrador hatte aber auch fast die gleiche Farbe wie der Parkettboden. Er nahm es ihr allerdings nicht übel und sprang freudig bellend um sie herum. Gabi griff nach der Hundeleine, die an einem Haken neben der Eingangstür hing, und verließ mit Max das Haus. Sie wohnten unten im Ort, deshalb blieb ihr nichts anderes übrig, als zuerst den langen Berg hinaufzulaufen, um auf die Felder zu gelangen. Aber so hatte sie wenigstens täglich ihre Bewegung und rostete nicht ein. Außerdem konnte sie nirgends so gut abschalten wie beim Spaziergang mit dem Hund. Heute war es ein herrlicher Frühsommertag.
Oben am Feld angekommen, ließ sie Max von der Leine. Auf ihn konnte sie sich verlassen, er hörte aufs Wort. Gabi schmiedete beim Laufen gerne Pläne oder machte sich Gedanken, was sie in den nächsten Tagen alles kochen würde. Sie beschloss, sich heute um ihren Haushalt zu kümmern. Und morgen würde sie dann mit den Kindern ihre Mutter besuchen.
Schömberg
Das Polizeiteam hatte sich im Besprechungszimmer versammelt, um den Fall und die weitere Vorgehensweise zu besprechen.
Lea erhob sich von ihrem Stuhl und stellte sich vor die Magnettafel, die sich an der Stirnseite des nicht allzu großen Zimmers befand. Sie befestigte dort ein Foto des Opfers.
»Viel haben wir noch nicht. Das ist Heinz Weiß aus Schwarzenberg, 71 Jahre alt.« Sie räusperte sich, nahm einen für die Tafel geeigneten Stift in die Hand und schrieb die Namen der bisher bekannten Personen um das Bild herum.
»Da ist zunächst sein Sohn Georg Weiß, Angelika Schneider, seine geschiedene Frau aus Karlsruhe, die Nachbarin Petra Schiller und der Pfleger Richard Berger. Dann haben wir inzwischen die Auswertung der Telefongespräche vom Festnetz. Das ging dieses Mal schnell. Ein Handy besaß er nicht. Und einen Computer hatte er ebenfalls nicht. Herr Weiß telefonierte regelmäßig mit einem Erich Eckhard, der hier in Schömberg gemeldet ist. Dann hatte er ab und zu ein Telefongespräch mit seiner Ex-Frau. Das letzte Mal vor zwei Tagen. Und natürlich mit seinem Sohn.
Sonst war da nichts«, beendete Lea den Bericht und setzte sich wieder hin, um ihren Kaffee zu trinken. Ohne Koffein war mit ihr nicht allzu viel anzufangen.
Sie fuhr an Katja gewandt fort: »Ich würde sagen, dass wir zwei jetzt nach Karlsruhe zu der Ex-Frau fahren. Rudi, du kümmerst dich um die Nachbarin, die vorhin leider nicht zu Hause war, und um den Pfleger«, Lea schaute auf ihre Armbanduhr, »jetzt ist es 15 Uhr, das müsste also heute alles noch zu schaffen sein. Wir hängen hier ein Schild auf, dass das Polizeirevier im Moment nicht besetzt ist. Saskia hat sich heute ja leider freigenommen.« Die Hauptkommissarin seufzte.
»Und Alex lässt es sich gut gehen auf Gran Canaria«, warf Rudi in den Raum.
»Schöne Grüße soll ich euch ausrichten. Er hat mir vorhin eine WhatsApp geschickt. Es geht ihm gut, es ist nur ein bisschen langweilig. Überwiegend sind um diese Jahreszeit Rentnerehepaare mit ihren Enkelkindern dort. Aber immerhin hat er eine nette Frau in seinem Alter kennengelernt.
Sie heißt Sibylle und wohnt in Stuttgart. Vielleicht wird da ja was draus.«
»Das sei ihm gegönnt nach der Pleite mit Andrea im Februar«, meinte Katja freudig.
Rudi sah sie erstaunt an. Sie scheint ihre Schwärmerei für Alex ja überwunden zu haben, dachte er sich. Darüber war er froh, weil er doch selbst unsterblich in Katja verliebt war.
Lea hatte sich in der Zwischenzeit erhoben, schnappte ihre Tasche und sagte auf demWeg zur Tür etwas kurz angebunden: »Auf, Katja, lass uns endlich gehen, wir haben ja nicht ewig Zeit.« Und schon fiel die Eingangstür hinter ihr ins Schloss.
Rudi sah seine Kollegin verständnislos an und Katja meinte kopfschüttelnd: »Hat die heute wieder eine Laune.«
Sie beeilte sich, ihr hinterherzukommen.
Karlsruhe
Als Lea und Katja an dem Mehrfamilienhaus in der Innenstadt ankamen, in dem Angelika Schneider wohnte, sahen sie schon von Weitem einen Rettungswagen und einige Schaulustige stehen. Ein Streifenwagen der Karlsruher Polizei kam auch gerade angefahren. Lea ging auf die Kollegen zu und fragte: »Was ist hier passiert?«
»Darüber dürfen wir Ihnen keine Auskunft geben«, antwortete einer der beiden Polizeibeamten.
Lea hielt ihm ihren Ausweis hin. »Lea Sonntag, Kripo Schömberg.«
»Das ist natürlich etwas anderes. Eine anonyme Anruferin hatte den Rettungswagen gerufen, weil hier im Haus eine Frau einen Herzinfarkt erlitten hat. Sie behauptete, dass Frau Schneider - so heißt die Frau - schon tot sei. Nachdem sie die Adresse genannt hatte, legte sie auf, bevor die Angestellte der Notrufzentrale noch etwas fragen konnte. Angerufen wurde vom Festnetztelefon der Verstorbenen. Mehr wissen wir auch noch nicht.«
»Wir ermitteln gerade an einem Mord in Schwarzenberg und wollten dazu Frau Schneider befragen. Ihr geschiedener Ehemann wurde vergiftet. Dann werden wir Sie jetzt in die Wohnung begleiten. Das ist meine Kollegin Katja Augenstein.« Lea deutete auf sie.
»Gut, dann schauen wir mal, was da los ist.«
Sie gingen gemeinsam in den zweiten Stock des Hauses, in dem sich die Wohnung der Verstorbenen befand.
Die Sanitäter und der Notarzt warteten nur noch auf die Polizisten, denn hier konnten sie nichts mehr tun. Sie hatten bei der Polizei wegen des anonymen Anrufes und weil sie niemand in der Wohnung vorgefunden hatten, angerufen. Die Eingangstür war nur angelehnt gewesen, so dass sie problemlos eintreten konnten.